Grundlagen
Die besonders schwere Brandstiftung stellt eine Qualifikation dar, die sich auf §§ 306 Abs. 1, 306a Abs. 1 oder 306a Abs. 2 StGB bezieht – teilweise auf den gesamten Tatbestand, teilweise nur partiell. Während § 306b Abs. 1 StGB eine Erfolgsqualifikation (§ 18 StGB) darstellt, handelt es sich bei § 306b Abs. 2 StGB um eine „normale“ Qualifikation, sodass Vorsatz vorliegen muss.
Besonders schwere Brandstiftung gem. § 306b Abs. 1 StGB (Tatbestandsmäßigkeit)
§ 306b Abs. 1 StGB verwirklicht, „wer durch eine Brandstiftung nach § 306 StGB oder § 306a StGB eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht“.
Brandstiftung nach §§ 306, 306a StGB (Grundtatbestand)
Zunächst bedarf es einer Brandstiftung nach §§ 306 oder 306a (Abs. 1 oder Abs. 2) StGB (→ §§ 33 und 34).
Schwere Folge
Als qualifizierende schwere Folge nennt § 306b Abs. 1 StGB die schwere Gesundheitsschädigung mindestens eines anderen Menschen und die einfache Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen.
Schwere Gesundheitsschädigung
Der Begriff der „schweren Gesundheitsschädigung“ verlangt nach hM zwar keine Folge im Sinne der schweren Körperverletzung nach § 226 StGB (sonst hätte § 306b Abs. 1 StGB auch unmittelbar hierauf Bezug nehmen können);
Beispiel: Eine vollständige Genesung in weniger als einer Woche dürfte gegen eine schwere Gesundheitsschädigung sprechen.
Klausurhinweis: Da die Begriffsbestimmung somit auf einer Einzelfallkasuistik basiert, die sich irgendwo zwischen §§ 223 und 226 StGB bewegt, wird man von den Klausurkandidat:innen nur erwarten können, dass sie unter Hinzuziehung der genannten Kriterien eigenständig argumentieren; wofür sie sich dann im Ergebnis entscheiden, wird zweitrangig sein.
Große Zahl von Menschen
Das Merkmal der „großen Zahl“ erfordert eine tatbestandsspezifische Auslegung im Einzelfall. Der BGH bejahte die „große Zahl von Menschen“ jedenfalls bei 14 Bewohnern eines mittelgroßen Hauses.
Wenigstens Fahrlässigkeit, § 18 StGB
Da § 306b Abs. 1 StGB ein erfolgsqualifiziertes Delikt ist, muss der Täter bzgl. der schweren Folge nicht vorsätzlich handeln, sondern es genügt gemäß § 18 StGB Fahrlässigkeit. Diese wird sich regelmäßig bereits aus der vorsätzlichen Begehung des Anknüpfungsdelikts – der (schweren) Brandstiftung – ergeben. Die Fahrlässigkeit setzt sich hierbei aus den Komponenten der objektiven und subjektiven Fahrlässigkeit zusammen, wobei – wie beim einfachen Fahrlässigkeitsdelikt auch – zwischen Sorgfaltspflichtverletzung und objektiver Vorhersehbarkeit unterschieden werden kann. Im Übrigen wird auf die Ausführungen zu § 306c StGB verwiesen.
Besonders schwere Brandstiftung gem. § 306b Abs. 2 StGB
Anders als § 306b Abs. 1 StGB handelt es sich bei § 306b Abs. 2 StGB um eine „normale Qualifikation“, sodass der Täter hinsichtlich der strafschärfenden objektiven Merkmale (Nr. 1 und Nr. 3) Vorsatz aufweisen bzw. die besonderen subjektiven Merkmale der Nr. 2 verwirklichen muss.
Brandstiftung nach § 306a StGB (Grundtatbestand)
Die Vorschrift bezieht sich ausschließlich auf die schwere Brandstiftung nach § 306a StGB. Eine „einfache“ Brandstiftung nach § 306 Abs. 1 StGB genügt nicht; allerdings kann freilich auch beim Inbrandsetzen der Tatobjekte des § 306 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 StGB die Vorschrift einschlägig sein, wenn dadurch zugleich die Gesundheit einer anderen Person konkret gefährdet und somit § 306a Abs. 2 StGB verwirklicht wurde.
Qualifizierende Merkmale
§ 306b Abs. 2 StGB nennt drei – voneinander unabhängige und insofern in einem Alternativverhältnis stehende – Qualifikationsumstände, wobei Nr. 2 die Verwirklichung rein subjektiver Merkmale voraussetzt, während Nr. 1 und Nr. 3 an objektive Strafschärfungsgründe (Eintritt der Gefahr des Todes und Verhindern/Erschweren der Löschung des Brandes) anknüpfen.
Hervorrufen einer Todesgefahr
Nach Nr. 1 muss der Täter das Opfer in die (konkrete) Gefahr des Todes bringen. Wann eine konkrete Todesgefahr vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls. Wichtig ist, dass eine „Gefahr“ kein tatsächliches Ereignis ist, sondern eine Situation, von der man ex ante sagen würde, dass bei ungehindertem Fortgang ein Schaden eintreten wird. Letztlich handelt es sich also um ein prognostisches Urteil über einen sehr wahrscheinlichen Weltverlauf. Dabei wird wiederum darauf abgestellt, ob die Sicherheit einer bestimmten Person so stark beeinträchtigt worden ist, dass der Eintritt des Todes allein noch vom Zufall abhing. Die Tatsache, dass sich das Opfer letztlich in Sicherheit bringen konnte oder befreit wurde, steht daher der Annahme von § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht entgegen.
Beispiel: Der Täter zündet ein vierstöckiges Wohngebäude an. Erst nachdem das Gebäude einige Zeit lichterloh gebrannt hat, gelingt es dem Opfer, sich „in letzter Sekunde“ durch einen Sprung aus dem obersten Fenster in Sicherheit zu bringen. Die Brandermittlungen ergeben, dass sowohl der Sprung, die Hitzeentwicklung, als auch die durch das Feuer entstandenen Gase im konkreten Fall lebensgefährlich waren.
Erforderlich ist darüber hinaus ein Gefahrrealisierungszusammenhang zwischen Brandstiftungshandlung und Todesgefahr sowie Gefährdungsvorsatz (= Kennen der relevanten Umstände, die die Gefährdung des Lebens nach sich gezogen haben).
Vertiefungswissen: Problematisch ist freilich, dass jene Gefahrenprognose des Täters im Rahmen eines Strafverfahrens stets aus einer Perspektive ex post rekonstruiert wird, auch wenn man vorgibt, einen ex-ante-Maßstab zugrunde zu legen. In der Rückschau ist man jedoch geneigt, Sachverhalte, die im Ergebnis gut ausgegangen sind, eher als harmlos und schlechte Endergebnisse als dementsprechend vorhersehbar aufzufassen (sog. Hindsight bias/Rückschaufehler). Aber die Sensibilisierung für dieses Phänomen kann dessen Einfluss auf den Prozess, in dem man sich gedanklich in jene ex-ante-Perspektive zurückversetzt, zumindest ein wenig verringern.
Absicht der Ermöglichung oder Verdeckung einer Straftat
§ 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB bestraft die besondere Absicht, eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken und erinnert daher an die Verdeckungs- bzw. Ermöglichungsabsicht beim Mord (→ § 2 Rn. 84 ff.). Nr. 2 ist – wie im Rahmen des § 211 StGB – ausschließlich im subjektiven Tatbestand der Qualifikation zu prüfen.
Klausurhinweis: In der Klausurbearbeitung lässt sich gerade § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB gut mit Vermögensdelikten, insb. dem Betrug in einem besonders schweren Fall („Versicherungsbetrug“ gem. § 263 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 5 StGB) sowie dem Versicherungsmissbrauch nach § 265 StGB kombinieren. Es darf hierbei nicht übersehen werden, dass § 265 StGB an die Zerstörung des versicherten Gegenstands anknüpft, sich also Brandstiftung und Versicherungsmissbrauch im Handlungsteil überschneiden. Hingegen ist der „eigentliche“ Versicherungsbetrug der Brandstiftung nachgelagert, da hier die Tathandlung in der Falschangabe gegenüber der Versicherung besteht. Hier ergibt sich allerdings die Frage, ob derartige (nicht im unmittelbaren Zusammenhang zur Brandstiftung stehende, gerade an die Gefahren des Brandes anknüpfende Straftaten) angesichts der hohen Mindeststrafe Berücksichtigung finden dürfen, vgl. hierzu noch im Folgenden.
Bei der Prüfung der Ermöglichungs- oder Verdeckungsabsicht ergeben sich (wie bereits im Hinweiskasten angedeutet) zwei Probleme:
Zunächst wird darüber gestritten, ob die Brandstiftung mindestens Vorbereitungshandlung zu der weiteren Straftat (des Brandstifters selbst oder eines Dritten) sein muss.
Nach der Rechtsprechung genügt jede Verknüpfung zwischen dem Handeln des Täters und dem von ihm verfolgten Zweck der Ermöglichung einer Straftat.
Hingegen stellen sich einige Stimmen in der Literatur mit beachtlichen Gründen – vor allem unter Verweis auf die hohe Mindeststrafe – auf den Standpunkt, dass die beabsichtigte andere Straftat der Brandstiftung folgen muss.
Beispiel: Zündet der Täter sein eigenes Haus an, um die Prämie aus der Brandschutzversicherung zu erhalten, verneinen sowohl der BGH als auch die Literatur eine Ermöglichungsabsicht im Hinblick auf § 265 StGB, weil dieser durch dieselbe Handlung erfüllt wird.
Zum Zweiten (bzw. darüber hinaus) ist umstritten, ob eine Einschränkung des § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB bei zeitlich nachgelagerten Delikten vorzunehmen ist, die in keinerlei Zusammenhang mit den spezifischen Gefahren des Brandes mehr stehen.
Beispiel: Die beabsichtigte Täuschung nach Eintritt des Versicherungsfalls zu einem Zeitpunkt, in dem sich die besonderen Brandgefahren bereits realisiert haben bzw. sie bereits vorüber sind.
Auch hier spricht der hohe Mindeststrafrahmen dafür, nur solche Straftaten einzubeziehen, deren Ermöglichung gerade unter Ausnutzung der besonderen Brandgefahren erfolgen sollte. Schließlich sieht § 306b StGB auch nicht die Möglichkeit der Annahme eines minder schweren Falls vor.
Erschweren oder Verhindern des Löschens
Gem. § 306b Abs. 2 Nr. 3 StGB muss der Täter das Löschen des Brandes erschweren oder verhindern; gemeint ist kausal und zurechenbar den Brand aufrechterhalten oder etwaige Rettungskräfte aufhalten. Angesichts der Strafandrohung von nicht unter fünf Jahren sind an diesen Verhinderungs- bzw. Erschwerungserfolg hohe Anforderungen zu stellen. Insofern muss zunächst der hypothetische Verlauf der Brandbekämpfung überprüft werden, um sodann festzustellen, ob die Einwirkungshandlung eine „gewisse Erheblichkeit erreicht“ bzw. „das Löschen zeitlich relevant verzögert“ haben könnte.
Beispiel: Deinstallieren von Rauchmeldern oder Brandschutzanlagen. Blockieren des Zugangs zu Löschwasser.
Prüfungsschemata
§ 306b Abs. 1 StGB (Erfolgsqualifikation)
Tatbestandsmäßigkeit
Verwirklichung des Grunddelikts
Schwere Folge
Eintritt des qualifizierten Erfolges
1. Alt.: Schwere Gesundheitsschädigung oder
2. Alt.: Große Zahl an Geschädigten
Kausalzusammenhang zwischen Grunddelikt und Erfolg
Unmittelbarkeitszusammenhang/ tatbestandsspezifischer Gefahrverwirklichungszusammenhang
Fahrlässigkeit hinsichtlich der schweren Folge (§ 18 StGB)
Objektive Sorgfaltspflichtverletzung
Objektive Vorhersehbarkeit des Erfolges
Rechtswidrigkeit
Schuld
§ 306b Abs. 2 StGB (Qualifikation)
Verwirklichung des Grunddelikts (Verweis nach oben, alternativ auch gemeinsame Prüfung)
Tatbestandsmäßigkeit der Qualifikation
Objektiver Tatbestand
Nr. 1 Todesgefahr
Nr. 3 Verhinderung oder Erschwerung des Löschens
Subjektiver Tatbestand (Vorsatz!)
Nr. 1 Vorsatz
Nr. 2 Ermöglichungsabsicht/Verdeckungsabsicht (rein subjektives Merkmal)
Nr. 3 Vorsatz
Rechtswidrigkeit
Schuld