Sachverhalt
In der hessischen kreisfreien Stadt S möchte die Stadtverordnetenversammlung für ein Gebiet außerhalb der Innenstadt einen neuen Bebauungsplan aufstellen. Für das betreffende Gebiet, in dem sich ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil von S befindet, bestand bislang kein Bebauungsplan. Dem neuen Bebauungsplan soll das „Zentrumskonzept“ der Stadt S zugrunde liegen. Dieses Konzept sieht vor, dass innenstadtferne Gebiete von Einzelhandelsbetrieben mit näher bezeichneten „zentrenrelevanten Sortimenten“ freigehalten werden. Ziel ist es, entsprechende Betriebe in der Innenstadt zu konzentrieren. Die Stadtverordnetenversammlung will damit auf den Rückgang der Verkaufszahlen und die Schließung von Geschäften des Einzelhandels im Innenstadtbereich in den letzten Jahren reagieren.
Mit diesen Überlegungen beschließt die Stadtverordnetenversammlung am 20. August 2021, einen Bebauungsplan aufzustellen. Weil sich die Stadtverordnetenversammlung nicht sicher ist, auf wie viel Widerstand die Planungsabsichten stoßen werden, macht sie den Planaufstellungsbeschluss nicht ortsüblich bekannt und informiert auch die Öffentlichkeit und die Behörden zunächst nicht über die Zielvorstellungen der Planung und die bislang diskutierten unterschiedlichen Lösungsmöglichkeiten. Stattdessen führt die Stadt S eine Umweltprüfung durch, verfasst einen Umweltbericht und entwirft den Bebauungsplan. Sodann legt die Stadt S den Planentwurf zusammen mit der Begründung und dem Umweltbericht unter Einhaltung aller Fristen öffentlich aus und macht dies auch eine Woche vorher ortsüblich bekannt. Nach Ende der Auslegung prüft sie die eingegangenen Stellungnahmen und teilt ihr Ergebnis mit. Auf dieser Grundlage wird die Begründung des Planentwurfs noch einmal geringfügig ergänzt. Der Entwurf des Bebauungsplans und der Umweltbericht bleiben unverändert. Eine erneute Auslegung des unveränderten Bebauungsplans mit der ergänzten Begründung hält die Stadt S nicht für erforderlich. Die Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange werden ordnungsgemäß förmlich beteiligt.
Am 25. April 2022 beschließt die Stadtverordnetenversammlung mit großer Mehrheit den Bebauungsplan als Satzung. Für den Beschluss stimmt unter anderem Stadtverordneter V. Er hofft, von dem „Zentrumskonzept“ profitieren zu können: Er selbst ist Eigentümer eines Grundstücks im Plangebiet, betreibt dort ein Einzelhandelsgeschäft mit zentrumsrelevantem Sortiment aufgrund einer bestandskräftigen Baugenehmigung und geht davon aus, perspektivisch weniger Konkurrenz zu haben, weil neue Einzelhandelsgeschäfte mit entsprechendem Sortiment keine Baugenehmigung mehr erhalten werden. Der Satzungsbeschluss wird am 28. April 2022 zusammen mit dem erforderlichen Hinweis auf die Möglichkeit, den Bebauungsplan einzusehen, ortsüblich bekanntgemacht.
Unternehmer U will in den bislang als Wohnung genutzten Räumen seines im Plangebiet liegenden Hauses ein Schuhgeschäft eröffnen. Seine Rechtsanwältin R teilt U aber mit, dass wenig Hoffnung auf die Erteilung der erforderlichen Baugenehmigung bestehe: Der Handel mit Schuhen gehöre zu den „zentrenrelevanten Sortimenten“, die nach dem neuen Bebauungsplan im Plangebiet nicht zulässig seien. U hält den Bebauungsplan für „offensichtlich rechtswidrig und daher ungültig“. Der Bebauungsplan sei jedenfalls voller formeller Rechtsfehler. Und materiell handele es sich beim Ausschluss bestimmter Betriebe um eine gesetzlich nicht vorgesehene und daher in einem Bebauungsplan gar nicht zulässige Festsetzung. Jedenfalls seien hierbei seine eigenen und die Interessen anderer Inhaber von Einzelhandelsbetrieben nicht berücksichtigt worden.
U will den Bebauungsplan gerichtlich „aus der Welt schaffen“ und lässt dazu R am 17. Oktober 2022 einen entsprechenden Antrag beim Verwaltungsgerichtshof Kassel im Namen des U stellen. U will hier erst einmal Klarheit haben, bevor er einen „sonst zu riskanten“ Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung stellt.
Hat das gerichtliche Vorgehen gegen den Bebauungsplan Aussicht auf Erfolg?
Bearbeitungshinweise:
Begutachtungszeitpunkt ist der 16. November 2022.
Es ist davon auszugehen, dass der Bebauungsplan gemäß § 8 Abs. 2 S. 1 BauGB aus dem Flächennutzungsplan entwickelt worden ist.
Lösungsvorschlag
Das gerichtliche Vorgehen des U gegen den Bebauungsplan hat Aussicht auf Erfolg, soweit es zulässig und begründet ist.
Zulässigkeit
Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs
Eine aufdrängende Sonderzuweisung zu den Verwaltungsgerichten ist § 47 Abs. 1 VwGO. Hiernach entscheidet das Oberverwaltungsgericht im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit bestimmter Rechtsvorschriften. Die Wendung „im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit“ setzt allerdings voraus, dass um die Gültigkeit einer Rechtsnorm gestritten wird, zu deren Vollzug im Verwaltungsrechtsweg anfechtbare oder mit Verpflichtungsklagen erzwingbare Verwaltungsakte ergehen können oder aus deren Anwendung sonstige öffentlich-rechtliche Streitigkeiten entstehen können, für die der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet ist.
Zum Vollzug eines Bebauungsplans werden Baugenehmigungen erteilt oder Anträge auf Erteilung einer Baugenehmigung abgelehnt. Dazu sind ausschließlich Träger öffentlicher Gewalt als solche berechtigt und verpflichtet, sodass die streitentscheidenden Rechtsnormen nach der Sonderrechtslehre (modifizierten Subjektstheorie) dem öffentlichen Recht angehören. Es handelt sich daher um öffentlich-rechtliche Streitigkeiten. Da auch nicht Verfassungsorgane um Verfassungsrecht streiten, sind die Streitigkeit auch nichtverfassungsrechtlicher Natur. Eine abdrängende Sonderzuweisung für diese Streitigkeiten ist nicht ersichtlich. Somit ist für Streitigkeiten aus dem Vollzug eines Bebauungsplans der Verwaltungsrechtsweg eröffnet.
Im Ergebnis entscheidet das Oberverwaltungsgericht damit im Sinne von § 47 Abs. 1 VwGO „im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit“ über die Gültigkeit eines Bebauungsplans. Der Verwaltungsrechtsweg ist also eröffnet.
Statthafter Rechtsbehelf
Der statthafte Rechtsbehelf richtet sich nach dem Begehren des Rechtsschutzsuchenden (vgl. §§ 88, 122 Abs. 1 VwGO). U möchte den Bebauungsplan gerichtlich „aus der Welt schaffen“. Es geht ihm (noch) nicht um eine Baugenehmigung, sondern um die gerichtliche Überprüfung des Bebauungsplans mit dem Ziel, den Bebauungsplan gerichtlich für ungültig erklären zu lassen. Nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO können Gegenstand eines Normenkontrollverfahrens Satzungen sein, die nach den Vorschriften des BauGB erlassen worden sind. Nach § 10 Abs. 1 BauGB beschließt die Gemeinde den Bebauungsplan als Satzung.
Vertiefungshinweis zu den Bauleitplänen
Bauleitpläne sind das Instrument, mit dem die Gemeinde die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in ihrem Gebiet nach Maßgabe des BauGB vorbereitet und leitet und damit ihre von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gewährleistete Planungshoheit wahrnimmt. Das Bauplanungsrecht kennt zwei Arten von Bauleitplänen, den Flächennutzungsplan und den Bebauungsplan.
Der Bebauungsplan ergeht als kommunale Satzung (§ 10 Abs. 1 BauGB). Er ist ein verbindlicher Bauleitplan (§ 1 Abs. 2 BauGB). Nach § 8 Abs. 1 BauGB enthält er rechtsverbindliche Festsetzungen für die städtebauliche Ordnung und bildet so die Grundlage für weitere, zum Vollzug des BauGB erforderliche Maßnahmen. Der Bebauungsplan ist damit stets tauglicher Gegenstand des Normenkontrollverfahrens.
Beim Flächennutzungsplan handelt es sich demgegenüber um einen vorbereitenden Bauleitplan (§ 1 Abs. 2 BauGB). Er stellt die Bodennutzung nach § 5 Abs. 1 S. 1 BauGB in den Grundzügen dar. Besondere Regelungen zum Flächennutzungsplan finden sich – ergänzend zu den allgemeinen Vorschriften in den §§ 1 ff. BauGB – in den §§ 5 ff. BauGB. Wichtig ist vor allem das allgemeine Genehmigungserfordernis nach § 6 Abs. 1 BauGB.
Der Bebauungsplan der Stadt S, gegen den U sich wendet, ist auch bereits in Kraft getreten und damit tauglicher Gegenstand des Normenkontrollverfahrens. Statthaft ist damit ein Normenkontrollantrag des U.
Vertiefungshinweis zur prinzipalen und inzidenten NormenkontrolleAusführlich zur prinzipalen und inzidenten Normenkontrolle Ehlers, in: Ehlers/Schoch (Hrsg.), Rechtsschutz im Öffentlichen Recht, 2021, § 32 Rn. 1 ff.
Greift der Rechtsschutzsuchende eine Rechtsnorm unmittelbar an, spricht man von einer prinzipalen Normenkontrolle. Dazu zählt das Verfahren nach § 47 Abs. 1 VwGO. Die Wirksamkeit untergesetzlicher Rechtsnormen (für Rechtsnormen im Rang des einfachen Gesetzes gilt das Verwerfungsmonopol des BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG!) kann das Verwaltungsgericht auch in einem sonstigen Antrags- oder Klageverfahren inzident überprüfen, wenn es darauf ankommt. Hält das Gericht die Rechtsnorm für unwirksam, lässt es sie unangewendet. Man spricht hierbei von der inzidenten Normenkontrolle. Im Baurecht ist häufig die Wirksamkeit eines Bebauungsplans inzident zu überprüfen, wenn sich die Frage stellt, ob sich ein Vorhaben nach § 30 Abs. 1 bzw. Abs. 3 BauGB oder (bei Unwirksamkeit des Bebauungsplans) nach §§ 34, 35 BauGB richtet. Rechtsschutzkonstellationen sind zum Beispiel die Verpflichtungsklage des Bauherrn auf Erteilung der Baugenehmigung, die Anfechtungsklage des Nachbarn gegen die Baugenehmigung oder die Anfechtungsklage des Bauherrn gegen eine Maßnahme der repressiven Bauaufsicht.
Antragsbefugnis
Um antragsbefugt zu sein, muss U als natürliche Person nach § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO geltend machen, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in seinen Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden.
Vertiefungshinweis zu § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO
§ 47 Abs. 2 S. 1 VwGO bestimmt nicht etwa diejenigen Rechtssubjekte, die überhaupt einen Antrag stellen dürfen. Die Vorschrift regelt nicht die Beteiligungsfähigkeit oder eine „Antragsberechtigung“.
An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung sind keine höheren Anforderungen zu stellen als an die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO.
§ 1 Abs. 7 BauGB als geltend zu machendes Recht des U
U ist unter anderem der Meinung, bei der Festsetzung des Ausschlusses bestimmter Einzelhandelsbetriebe seien seine eigenen und die Interessen anderer Betriebsinhaber nicht berücksichtigt worden. Er macht damit geltend, seine Belange seien nicht mit dem ihnen gebührenden Gewicht in die nach § 1 Abs. 7 BauGB vorzunehmende Abwägung eingestellt worden. U kann seinen Antrag auf die Verletzung des Abwägungsgebots stützen, wenn § 1 Abs. 7 BauGB dem U ein subjektiv-öffentliches Recht einräumt. Dafür muss § 1 Abs. 7 BauGB überhaupt eine drittschützende Norm, also zumindest auch den Interessen Einzelner zu dienen bestimmt sein (Schutznormtheorie), und U muss persönlich und sachlich in den Schutzbereich der Norm fallen.
§ 1 Abs. 7 BauGB betrifft materielle Anforderungen an den Erlass eines Bebauungsplans und damit einer Rechtsnorm. Da abstrakt-generelle Regelungen (Rechtsnormen) in der Regel keinen abgrenzbaren Personenkreis betreffen, dienen auch die auf ihren Erlass gerichteten Vorschriften grundsätzlich nur dem Interesse der Allgemeinheit. Mit Blick auf den Bebauungsplan kommen weitere Erwägungen dazu. Inhaltlich handelt es sich bei einem Bebauungsplan um ein im öffentlichen Interesse liegendes Instrument der nachhaltigen Gebiets- und Strukturplanung (vgl. § 1 Abs. 1 und Abs. 3 BauGB). Dass es kein Recht auf die Durchführung eines Planaufstellungsverfahrens gibt (§ 1 Abs. 3 S. 2 BauGB), könnte ebenfalls systematisch dafür sprechen, dass erst recht kein Anspruch auf die fehlerfreie Durchführung eines solchen Verfahrens besteht. Diesen Überlegungen stehen allerdings der Wortlaut des § 1 Abs. 7 BauGB entgegen, der die gerechte Abwägung öffentlicher und privater Belange fordert, und der Zweck dieser Vorschrift: Der Bebauungsplan soll zukünftige Konflikte im Rahmen der Abwägung ausgleichen und damit vermeiden. Dass dabei anders als grundsätzlich bei Rechtsnormen ein abgrenzbarer Personenkreis in den Blick genommen wird, erklärt sich daraus, dass es sich beim Bebauungsplan im Grunde um ein sog. Ortsgesetz handelt, das räumlich und gegenständlich begrenzt ist. Im Ergebnis besteht daher im Rahmen des § 1 Abs. 7 BauGB ein subjektiv-öffentliches Recht auf adäquate Berücksichtigung auch privater Belange bei der Aufstellung eines Bebauungsplans.
Als Eigentümer eines Grundstücks im Planbereich fällt U persönlich in den Schutzbereich dieses drittschützendes Abwägungsgebots. Sachlich fällt er nur in den Schutzbereich, wenn er geltend macht, dass in der konkreten Planungssituation ein Belang zu kurz gekommen ist, der für die Abwägung beachtlich war. Das sind nur solche privaten Belange, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben. Nicht abwägungserheblich sind dabei geringwertige oder mit einem Makel behaftete Interessen sowie solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solche, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren.
Damit kann sich U im Ergebnis über § 1 Abs. 7 BauGB auf die Belange der Wirtschaft in § 1 Abs. 6 Nr. 8a BauGB berufen.
Möglichkeit der Verletzung
Die Stadt S hat das Interesse der Inhaber bestimmter Einzelhandelsbetriebe gegenüber ihrem „Zentrumskonzept“ in der Abwägung zurückgestellt. Dass die Belange des U und anderer Inhaber von Einzelhandelsbetrieben nicht in gebührendem Maße berücksichtigt worden, ist nicht von vornherein offenkundig ausgeschlossen. Damit besteht die Möglichkeit, dass das drittschützende Abwägungsgebot aus § 1 Abs. 7 BauGB verletzt ist.
Zwischenergebnis
U ist möglicherweise in seinem Recht auf adäquate Berücksichtigung auch der Belange der Wirtschaft bei der Aufstellung eines Bebauungsplans aus § 1 Abs. 7 BauGB verletzt. Er ist somit antragsbefugt.
Antragsfrist
Nach § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO muss der Normenkontrollantrag innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift gestellt werden. Der Bebauungsplan wurde am am 28. April 2022 ortsüblich bekanntgemacht. Ein Jahr ist im Begutachtungszeitpunkt seitdem noch nicht vergangen.
Richtiger Antragsgegner
Der Antrag ist nach § 47 Abs. 2 S. 2 VwGO gegen die Stadt S als diejenige Körperschaft zu richten, die den Bebauungsplan erlassen hat.
Beteiligungs- und Prozessfähigkeit
Der Antragssteller U ist als natürliche und nach dem bürgerlichen Recht geschäftsfähige Person (§§ 2, 104 ff. BGB) nach § 61 Nr. 1 Alt. 1 VwGO beteiligungsfähig und nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 VwGO prozessfähig. Die Stadt S ist als juristische Person (§ 1 Abs. 2 HGO) nach § 61 Nr. 1 Alt. 2 VwGO beteiligungsfähig lässt sich im Prozess nach § 62 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 71 Abs. 1 S. 1 HGO durch den Magistrat vertreten.
Wirksamkeit der Antragsstellung
Nach § 67 Abs. 4 S. 1 VwGO müssen sich die Beteiligten vor dem Oberverwaltungsgericht, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen, ihnen selbst fehlt die Postulationsfähigkeit. Das gilt nach § 67 Abs. 4 S. 2 VwGO auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Der Normenkontrollantrag des U ist damit nur dann wirksam gestellt, wenn U sich von einem nach § 67 Abs 2 S. 1 VwGO zugelassenen Bevollmächtigten hat vertreten lassen (§ 67 Abs. 4 S. 3 VwGO). R ist Rechtsanwältin im Sinne von § 67 Abs. 2 S. 1 VwGO. Sie konnte den Antrag damit wirksam für U stellen.
Zuständigkeit des Gerichts
Sachlich und örtlich zuständiges Gericht ist gem. § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 1 Abs. 1 HessAGVwGO der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel.
Rechtsschutzbedürfnis
Dem U fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis, wenn eine stattgebende Entscheidung des Gerichts seine rechtliche Stellung nicht verbessern kann oder er auf andere Weise einfacher und schneller zu seinem Ziel kommt. Infolge des Normenkontrollantrags kann es dazu kommen, dass der Verwaltungsgerichtshof den Bebauungsplan allgemein verbindlich für unwirksam erklärt (§ 47 Abs. 5 S. 2 VwGO). Damit ist U zwar noch nicht im Besitz einer Baugenehmigung. Daher könnte man daran denken, den U darauf zu verweisen, den Bebauungsplan im Rahmen einer Verpflichtungsklage inzident überprüfen zu lassen (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO), gerichtet darauf, die Stadt S dazu zu verpflichten, ihm eine Baugenehmigung zu erteilen. Allerdings müsste U dafür zunächst eine Baugenehmigung beantragen und eine negative Bescheidung abwarten. Dieser Weg wäre daher jedenfalls nicht schneller. Im Übrigen ist das Normenkontrollverfahren ein unabhängiges Verfahren der VwGO und der im Erfolgsfall wegfallende Ausschluss bestimmter Einzelhandelsbetriebe würde die Rechtsstellung des U und auch anderer Betriebsinhaber unmittelbar verbessern. Dem U fehlt damit nicht das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis.
Zwischenergebnis
Der Antrag des U ist zulässig.
Begründetheit
Der Antrag ist begründet, soweit der Bebauungsplan ungültig ist (§ 47 Abs. 5 S. 2 VwGO), soweit der Bebauungsplan also wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht fehlerhaft und der Fehler beachtlich ist. Anders als etwa nach § 113 Abs. 1 S. 1 und § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO ist eine tatsächliche Rechtsverletzung des Antragstellers nicht erforderlich.
Vertiefungshinweis zum Charakter des Normenkontrollverfahrens als objektives Beanstandungsverfahren
Das Normenkontrollverfahren ist ein objektives Beanstandungsverfahren. Das bedeutet, dass der Antrag auch dann begründet ist, wenn sich der Rechtsfehler, der die Rechtsvorschrift ungültig macht, nicht auf die Rechte des Antragsstellers auswirkt. Trotzdem (oder gerade deswegen) verlangt § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO im Rahmen der Zulässigkeit natürlichen und juristischen Personen – nicht: Behörden – eine Antragsbefugnis ab, das heißt die Geltendmachung einer Rechtsverletzung. Dort reicht die Möglichkeit der Rechtsverletzung aus. Das führt dazu, dass der Antrag im Ergebnis Erfolg haben kann, wenn eine drittschützende Rechtsvorschrift zwar „möglicherweise“ verletzt ist, sich bei der Prüfung der Begründetheit dann aber als nicht verletzt herausstellt, solange nur irgendeine andere – nicht notwendig drittschützende – Vorschrift in rechtserheblicher Weise verletzt ist. Anders gewendet: Die natürliche oder juristische Person muss die Hürde der Möglichkeit einer Rechtsverletzung für die Zulässigkeit des Antrags nehmen. Welcher Rechtsfehler den Antrag dann aber begründet macht, kann dem Antragssteller egal sein.
Ermächtigungsgrundlage
Die Befugnis der Stadt S, die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft durch Satzung zu regeln, folgt bereits allgemein aus § 5 Abs. 1 S. 1 HGO und verfassungsrechtlich aus Art. 137 Abs. 1 S. 1 HV. Die Regelung der Bodennutzung im Gemeindegebiet ist eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft und damit an sich der Regelung durch Satzung zugänglich. Allerdings ist die verbindliche Regelung der Bodennutzung eine grundrechtswesentliche Entscheidung, die sich als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums darstellt (Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG) und darüber hinaus nach dem allgemeinen Vorbehalt des Gesetzes, der sich ableiten lässt aus dem Demokratie- und dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 2 und Abs. 3 GG) und aus den Grundrechten, einer speziellen formell-gesetzlichen Rechtsgrundlage bedarf. Eine solche Rechtsgrundlage für den Erlass des Bebauungsplans findet sich in §§ 1 Abs. 3, 2 Abs. 1 S. 1, 10 Abs. 1 BauGB.
Beachtliche formelle Rechtsfehler des Bebauungsplans
Vertiefungshinweis zur Planerhaltung – Unbeachtlichkeit von Verfahrens- und FormfehlernAusführlich zur Planerhaltung nach den §§ 214 f. BauGB Wickel, in: Ehlers/Fehling/Pünder (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht II, 4. Aufl. 2020, § 40 Rn. 171 ff.
Verstößt eine Rechtsnorm gegen höherrangiges Recht, gilt grundsätzlich das Nichtigkeitsdogma: Der Verstoß macht die Rechtsnorm nichtig und damit unwirksam. Eine Ausnahme davon gilt nach §§ 214 f. BauGB für den Flächennutzungsplan und die Satzungen nach dem BauGB, das heißt vor allem den Bebauungsplan und die Veränderungssperre.
§ 214 Abs. 1 BauGB regelt, in welchen Fällen eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften von vornherein beachtlich ist. Im Umkehrschluss gilt: Verfahrens- und Formfehler, die nicht aufgezählt sind, sind immer unbeachtlich. Auch innerhalb von § 214 Abs. 1 BauGB gibt es noch Fehler, die unbeachtlich sind. Das betrifft § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Hs. 2 und Nr. 3 Hs. 2 BauGB.
Für beachtliche Fehler sieht § 214 Abs. 4 BauGB die Möglichkeit vor, den Flächennutzungsplan oder die Satzung durch ein ergänzendes Verfahren rückwirkend in Kraft zu setzen.
Daneben kann ein zunächst beachtlicher Verfahrens- oder Formfehler auch durch Zeitablauf nach § 215 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB unbeachtlich werden, wenn er nicht innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung des Flächennutzungsplans oder der Satzung geltend gemacht wird.
Für die Fallprüfung bedeutet das, dass ein festgestellter Verfahrens- oder Formfehler immer auch auf seine Beachtlichkeit nach §§ 214 f. BauGB untersucht werden muss. Nachfolgend werden aus didaktischen Gründen alle bedeutsamen Verfahrens- und Formvorschriften angesprochen. In der Fallprüfung genügt es, die wesentlichen und insbesondere die im Sachverhalt angesprochenen Verfahrensschritte herauszugreifen und zu prüfen.
Zuständigkeit
Die Verbandskompetenz der Stadt S für den Erlass des Bebauungsplans ergibt sich aus §§ 1 Abs. 3 S. 1, 2 Abs. 1 S. 1 BauGB.
Vertiefungshinweis: Zuständigkeitsmängel stets beachtlich
Beschließt jemand anderes als die Gemeinde den Bebauungsplan, ist dieser Zuständigkeitsmangel stets beachtlich und führt zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans.
Verfahren bei der Aufstellung des Bebauungsplans
Ortsüblich bekannt gemachter Planaufstellungsbeschluss
Nach § 2 Abs. 1 S. 2 BauGB ist der Beschluss, einen Bauleitplan aufzustellen, ortsüblich bekannt zu machen. Die Stadt S hat einen Planaufstellungsbeschluss gefasst. Allerdings hat sie den Beschluss aufgrund eines Versehens entgegen § 2 Abs. 1 S. 2 BauGB nicht ortsüblich bekanntgemacht.
Damit stellt sich die Frage, ob dieser formelle Rechtsfehler für die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans beachtlich ist. Zwar ist ein Planaufstellungsbeschluss materiell-rechtliche Voraussetzung für bestimmte Maßnahmen nach dem BauGB wie z. B. den Erlass einer Veränderungssperre (§ 14 Abs. 1 BauGB) und die Zurückstellung von Baugesuchen (§ 15 Abs. 1 BauGB). Doch ist nirgendwo im BauGB geregelt, dass ein Planaufstellungsbeschluss auch Wirksamkeitsvoraussetzung für einen Bebauungsplan ist. Jedenfalls ist ein Fehler beim Planaufstellungsbeschluss nicht als beachtlicher Verfahrensfehler in § 214 Abs. 1 S. 1 BauGB aufgelistet. Allenfalls käme eine Beachtlichkeit der fehlenden Bekanntmachung des Planaufstellungsbeschlusses analog § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BauGB in Betracht. Das erforderte eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage. Zweck der (beachtlichen) Pflicht zur Bekanntmachung des Bebauungsplans selbst ist es, sicherzustellen, dass die von dem Bebauungsplan Betroffenen die Möglichkeit haben, von dem Plan Kenntnis zu nehmen. Die Kenntnisnahme eines vorherigen Planaufstellungsbeschlusses ist aber nicht in vergleichbarem Maße bedeutsam wie die Kenntnisnahme des Bebauungsplans selbst. Die Beteiligung der Planbetroffenen an der Bauleitplanung wird nicht durch § 2 Abs. 1 S. 2 BauGB, sondern durch § 3 Abs. 1 BauGB sichergestellt. Es fehlt daher schon an einer vergleichbaren Interessenlage. Die fehlerhafte Bekanntmachung des Planaufstellungsbeschlusses ist also kein beachtlicher formeller Rechtsfehler.
Ermittlungs- und Bewertungsgebot
Gemäß § 2 Abs. 3 BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind, zu ermitteln und zu bewerten. Bevor Verstöße gegen diese Vorschrift geprüft werden können, ist der Inhalt dieses Ermittlungs- und Bewertungsgebots zunächst von dem Inhalt des Gebots abzugrenzen, ein gerechtes Abwägungsergebnis herzustellen (§ 1 Abs. 7 BauGB).
Inhalt des Ermittlungs- und Bewertungsgebots
§ 2 Abs. 3 BauGB und § 1 Abs. 7 BauGB beziehen sich beide auf Teile der bauplanerischen Abwägung. § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB zeigt jedoch, dass es sich bei § 2 Abs. 3 BauGB um eine Verfahrensvorschrift handelt. Im Übrigen besagt § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB, dass Mängel, die Gegenstand der Regelung in § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB sind, nicht als Mängel der Abwägung geltend gemacht werden können. Deutlich wird also, dass zwischen formellen Fehlern im Abwägungsvorgang (Verstöße gegen § 2 Abs. 3 BauGB) und materiellen Fehlern bei der Herstellung des Abwägungsergebnisses (Verstoß gegen § 1 Abs. 7 BauGB) zu trennen ist.
Mit Blick auf den Abwägungsvorgang im Sinne von § 2 Abs. 3 BauGB prüft das Gericht, ob eine Ermittlung und Bewertung der Belange überhaupt stattgefunden hat (sonst Abwägungsausfall), ob alle abwägungserheblichen Belange ermittelt und bewertet wurden (sonst Abwägungsdefizit) und ob die Bedeutung jedes betroffenen Belangs richtig erkannt wurde (sonst Abwägungsfehleinschätzung).
Vertiefungshinweis zur bauplanerischen Abwägung
Die bauplanungsrechtlichen Anforderungen an eine rechtmäßige Abwägung unterscheiden sich inhaltlich nicht von denjenigen Anforderungen, die allgemein an eine Abwägung gestellt werden. Erkennbar ist auch, dass sich der Maßstab der Abwägungskontrolle zwar begrifflich, nicht aber inhaltlich vom Maßstab der Ermessenskontrolle im Sinne von § 114 S. 1 VwGO unterscheidet. Jeweils ist zu prüfen, ob der ermächtigte Träger öffentlicher Gewalt seinen Entscheidungsspielraum überhaupt ausgefüllt hat, alle und nur die relevanten Umstände/Interessen berücksichtigt hat, keine gesetzliche Vorgewichtung eines Belangs übergangen und schließlich einen gerechten/vertretbaren Interessenausgleich vorgenommen hat.
Eine Besonderheit der bauplanerischen Abwägung liegt darin, dass das BauGB diese Anforderungen aufspaltet und in zwei verschiedenen Rechtsvorschriften zum Ausdruck bringt. Sinn dieser Aufteilung ist es, an die ersten drei Anforderungen – die sich in § 2 Abs. 3 BauGB wiederfinden – mit den §§ 214 f. BauGB andere Fehlerfolgen anzuknüpfen als an die vierte Anforderung in § 1 Abs. 7 BauGB. Aus diesem Grund erklärt § 214 Abs. 1 S. 1 BauGB den § 2 Abs. 3 BauGB in auch zu einer Verfahrensvorschrift.
In der Fallprüfung führt das dazu, dass die Überprüfung der gemeindlichen Abwägung in zwei Teile aufgespalten wird, von denen der erste am Maßstab von § 2 Abs. 3 BauGB hier bei der Prüfung der beachtlichen formellen Rechtsfehler des Bebauungsplans vorgenommen wird, der zweite am Maßstab von § 1 Abs. 7 BauGB unten bei der Prüfung der beachtlichen materiellen Rechtsfehler des Bebauungsplans. Diese Aufteilung kann und sollte in einer Klausur kurz dargestellt werden (etwa entsprechend dem oben gemachten Formulierungsvorschlag). Jedenfalls muss zum Ausdruck kommen, dass zwischen den Anforderungen in § 2 Abs. 3 BauGB und § 1 Abs. 7 BauGB wegen der unterschiedlichen Fehlerfolgen in §§ 214 f. BauGB zu unterscheiden ist.
Abwägungsausfall
Dass die Stadt S überhaupt keine Belange ermittelt und bewertet hätte, ist nicht ersichtlich.
Abwägungsdefizit
Ermittelt und bewertet hat die Stadt S jedenfalls den Belang der Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche nach § 1 Abs. 6 Nr. 4 BauGB. Abwägungserheblich sind daneben auch die Belange der Wirtschaft nach § 1 Abs. 6 Nr. 8 Buchst. a) BauGB, in denen sich unter anderem die grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG widerspiegelt. Bei diesen Belangen der Wirtschaft handelt es sich gerade auch um diejenigen Interessen, welche die Stadt S mit dem Ausschluss bestimmter Einzelhandelsbetriebe offensichtlich zurückstellen musste. Daher lässt sich nicht annehmen, dass die Stadt S diese Belange übersehen, das heißt nicht ermittelt oder bewertet hätte.
Abwägungsfehleinschätzung
Ein besonderes Gewicht, das diese Belange haben könnten und das eine Vorgewichtung hinsichtlich des eigentlichen Abwägungsergebnisses darstellen könnte (sog. Optimierungsgebot), hat die Stadt S nicht verkannt.
Zwischenergebnis
Die Stadt S hat somit ordnungsgemäß im Sinne von § 2 Abs. 3 BauGB die abwägungsrelevanten Belange ermittelt und bewertet.
Vertiefungshinweis: Rechtsfehler unter Bedingungen beachtlich
Ein Fehler bei der Ermittlung und Bewertung der von der Planung berührten Belange ist nach § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB nur dann beachtlich, wenn der Mangel offensichtlich und auf das Ergebnis des Verfahrens von Einfluss gewesen ist. Zudem müssen die Belange in wesentlichen Punkten nicht zutreffend ermittelt oder bewertet worden sein. Der Fehler muss nach § 215 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden.
Umweltprüfung und Umweltbericht
Eine Umweltprüfung im Sinne von § 2 Abs. 4 BauGB hat stattgefunden; ein Umweltbericht im Sinne des § 2a S. 2 Nr. 2 BauGB wurde verfasst.
Vertiefungshinweis: Rechtsfehler grundsätzlich beachtlich
Ein Fehlen des Umweltberichts und der Entwurfsbegründung nach § 2a BauGB generell ist nach Maßgabe von § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BauGB grundsätzlich beachtlich, muss aber nach § 215 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden.
Frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden
Nach § 3 Abs. 1 S. 1 BauGB ist die Öffentlichkeit möglichst frühzeitig über die allgemeinen Ziele und Zwecke der Planung, sich wesentlich unterscheidende Lösungen, die für die Neugestaltung oder Entwicklung eines Gebiets in Betracht kommen, und die voraussichtlichen Auswirkungen der Planung öffentlich zu unterrichten; ihr ist Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung zu geben. Entsprechendes gilt nach § 4 Abs. 1 BauGB mit Blick auf Behörden und sonstige Träger öffentlicher Belange. Abgesehen werden kann von der Unterrichtung und Erörterung nach § 3 Abs. 1 S. 3 BauGB (i.V.m. § 4 Abs. 1 BauGB), wenn ein Bebauungsplan aufgestellt oder aufgehoben wird und sich dies auf das Plangebiet und die Nachbargebiete nicht oder nur unwesentlich auswirkt oder die Unterrichtung und Erörterung bereits zuvor auf anderer Grundlage erfolgt sind.
Die Stadt S hat von einer solchen frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung abgesehen. Eine Unterrichtung und Erörterung sind auch nicht bereits zuvor auf anderer Grundlage erfolgt. Nicht zweifelsfrei ist, ob sich die Aufstellung des Bebauungsplans auf das Plangebiet und die Nachbargebiete nicht oder nur unwesentlich auswirkt. Daher lässt sich nicht ohne weitere Informationen bestimmen, ob von der frühzeitigen Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung abgesehen werden durfte.
Das kann hier aber offenbleiben, wenn das rechtswidrige Absehen von der frühzeitigen Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung kein beachtlicher Rechtsfehler ist. § 214 Abs. 1 BauGB spricht einen solchen Rechtsfehler nicht an. Da eine Verletzung von Verfahrensvorschriften des BauGB für die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans nur in den in § 214 Abs. 1 S. 1 BauGB aufgezählten Fällen beachtlich ist, bedeutet das im Umkehrschluss, dass das Absehen von der von der frühzeitigen Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung jedenfalls kein beachtlicher Rechtsfehler ist.
Förmliche Beteiligung der Öffentlichkeit
Zu prüfen ist weiter, ob die Öffentlichkeit ordnungsgemäß entsprechend den Vorgaben von § 3 Abs. 2 BauGB und § 4a BauGB förmlich beteiligt worden ist. Nach § 3 Abs. 2 S. 1 BauGB sind die Entwürfe der Bauleitpläne mit der Begründung und den nach Einschätzung der Gemeinde wesentlichen, bereits vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen für die Dauer eines Monats, mindestens jedoch für die Dauer von 30 Tagen, oder bei Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Dauer einer angemessenen längeren Frist öffentlich auszulegen.
Ort und Dauer der Auslegung sowie Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, hat die Stadt S im Einklang mit § 3 Abs. 2 S. 2 BauGB eine Woche vorher ortsüblich bekannt gemacht. Nach Ende der Auslegung hat die Stadt S die eingegangenen Stellungnahmen geprüft und ihr Ergebnis mitgeteilt (§ 3 Abs. 2 S. 4 BauGB).
Zweifelhaft ist allein, ob der Planentwurf nach § 4a Abs. 3 S. 1 BauGB erneut hätte ausgelegt werden müssen. Nach Ende der Auslegung wurde die Begründung des Planentwurfs auf Grundlage der eingegangenen Stellungnahmen noch einmal geringfügig ergänzt, wobei der Entwurf des Bebauungsplans und der Umweltbericht unverändert geblieben sind. Der Wortlaut von § 4a Abs. 3 S. 1 BauGB legt nahe, dass eine erneute Auslegung nur dann erforderlich ist, wenn der Entwurf des Bauleitplans selbst geändert oder ergänzt worden ist. Das ist hier nicht der Fall. Dass das Gesetz zwischen dem Planentwurf und seiner Begründung unterscheidet, zeigt sich systematisch an § 2a S. 1 BauGB. Dass es sich bloß um eine geringfügige Ergänzung der Begründung handelte, lässt zudem den Schluss nahe, dass der Entwurf vorher nicht unvollständig war. Damit war im Ergebnis eine erneute Auslegung nicht erforderlich.
Die Anforderungen an die förmliche Beteiligung der Öffentlichkeit nach § 3 Abs. 2 BauGB wurden somit eingehalten.
Vertiefungshinweis: Rechtsfehler grundsätzlich beachtlich
Ein Fehler bei der förmlichen Beteiligung der Öffentlichkeit nach § 3 Abs. 2, § 4a Abs. 3 und Abs. 4 S. 1 BauGB ist nach Maßgabe von § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB grundsätzlich beachtlich, muss aber nach § 215 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden.
Förmliche Beteiligung der Behörden
Die Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange wurden ordnungsgemäß förmlich beteiligt (§ 4 Abs. 2 BauGB).
Vertiefungshinweis: Rechtsfehler grundsätzlich beachtlich
Ein Fehler bei der förmlichen Beteiligung der Behörden ist nach Maßgabe von § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB grundsätzlich beachtlich, muss aber nach § 215 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden.
Wirksamer Satzungsbeschluss
Die dafür zuständige (§ 51 Nr. 6 HGO) Stadtverordnetenversammlung hat den Bebauungsplan am 25. April 2022 im Einklang mit § 10 Abs. 1 BauGB als Satzung beschlossen. Zu prüfen ist, ob dieser Beschluss auch wirksam und ein etwaiges Fehlen eines wirksamen Satzungsbeschlusses beachtlich ist.
Klausurhinweis: Einfallstor für kommunalrechtliche Probleme
Das Erfordernis des wirksamen Beschlusses ist das Einfallstor für kommunalrechtliche Probleme in der bauplanungsrechtlichen Klausur. Klassiker ist das hier besprochene Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit. Aber auch andere Fragen des Geschäftsgangs in der Gemeindevertretung bzw. Stadtverordnetenversammlung sind denkbar, zum Beispiel Beteiligungsmängel, Fehler bei der Einberufung oder im Ablauf der Sitzungen (zum Beispiel Missachtung des Grundsatzes der Öffentlichkeit, mangelnde Beschlussfähigkeit) sowie sonstige Formverstöße vor dem Verkündungsakt.
Mit Blick auf die Beachtlichkeit des Rechtsfehlers stellt sich immer zunächst kommunalrechtlich die Frage, ob der Rechtsfehler den Beschluss unwirksam macht. Vorschriften dazu finden sich in § 5 Abs. 4 und § 25 Abs. 6 HGO. Ist der Rechtsfehler aus kommunalrechtlicher Sicht unbeachtlich, liegt ein wirksamer Satzungsbeschluss und somit kein Verstoß gegen § 10 Abs. 1 BauGB vor. Nur dann, wenn der Rechtsfehler kommunalrechtlich beachtlich ist, fehlt es an einem wirksamen Satzungsbeschluss im Sinne von § 10 Abs. 1 BauGB und stellt sich die Frage nach der bauplanungsrechtlichen Beachtlichkeit, die sich nach § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BauGB richtet.
Fehlen eines wirksamen Satzungsbeschlusses
Nach § 25 Abs. 6 S. 1 HGO sind Beschlüsse grundsätzlich unwirksam, wenn sie unter Verletzung von § 25 Abs. 1–4 HGO gefasst worden sind. Zweifel an der Wirksamkeit des Satzungsbeschlusses kommen hier auf, weil der Stadtverordnete V an der Abstimmung mitgewirkt hat.
Verstoß gegen das Mitwirkungsverbot in § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGO
§ 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGO bestimmt, dass niemand in haupt- oder ehrenamtlicher Tätigkeit in einer Angelegenheit beratend oder entscheidend mitwirken darf, wenn er durch die Entscheidung in der Angelegenheit einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil erlangen kann. V ist als Stadtverordneter Gemeindevertreter (§ 49 S. 2 HGO) und damit nach § 35 Abs. 2 S. 1 HGO ehrenamtlich Tätiger im Sinne des § 25 HGO. Er hat in der Angelegenheit des Beschluss des Bebauungsplans jedenfalls entscheidend mitgewirkt, das heißt bei der Abstimmung. Vorteile im Sinne des § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGO können insbesondere rechtlicher oder wirtschaftlicher Art sein.
Dieser Vorteil muss schließlich auch unmittelbar auf der Entscheidung in der Angelegenheit beruhen. Der Begriff der Unmittelbarkeit ist vage. Denkbar wäre, Begriff der „Unmittelbarkeit“ mit Blick auf den Wortlaut formal zu verstehen und zu fordern, dass kein weiteres Ereignis hinzutreten muss, um den Vorteil herbeizuführen. Hier schließt der Beschluss des Bebauungsplans und die damit einhergehende Verschlechterung der bauplanungsrechtlichen Lage die Möglichkeit, dass neue Konkurrenz für V im Plangebiet auftritt, aus, ohne dass noch ein weiteres Ereignis hinzutreten müsste. Formal gesehen beruht der Vorteil also unmittelbar auf der Entscheidung in der Angelegenheit. Der Zweck von § 25 Abs. 1 HGO liegt darin, sicherzustellen, dass die öffentliche Verwaltung auf kommunaler Ebene unparteiisch und uneigennützig handelt. Das rechtfertigt ein anderes, teleologisch begründetes Verständnis der Unmittelbarkeit, nämlich dahingehend, dass der Gemeindevertreter auf Grund besonderer persönlicher Beziehungen zu dem Gegenstand der Beschlussfassung ein individuelles Sonderinteresse an der Entscheidung hat, das zu einer Interessenkollision führen kann und die Besorgnis einer beeinflussten Stimmabgabe rechtfertigt.
Damit hat V mit der Abstimmung über den Bebauungsplan gegen das Mitwirkungsverbot in § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGO verstoßen.
Kommunalrechtliche Beachtlichkeit des Rechtsfehlers?
Zu prüfen ist weiter, ob der Verstoß gegen das Mitwirkungsverbot den Satzungsbeschluss im Ergebnis auch unwirksam macht oder umgekehrt unbeachtlich ist. Die Rechtsfolge in § 25 Abs. 6 S. 1 HGO, dass Beschlüsse unwirksam sind, die unter Verletzung von § 25 Abs. 1–4 HGO gefasst worden sind, gilt jedenfalls unabhängig davon, ob die Beratung oder Abstimmung der ausgeschlossenen Person für das Ergebnis der Abstimmung entscheidend war.
Allerdings gelten solche Beschlüsse nach § 25 Abs. 6 S. 2 HGO als von Anfang an wirksam zustande gekommen, wenn nicht der Gemeindevorstand (bzw. Magistrat, § 9 Abs. 2 S. 2 HGO) oder der Bürgermeister innerhalb von sechs Monaten nach der Beschlussfassung oder, wenn eine öffentliche Bekanntmachung erforderlich ist, innerhalb von sechs Monaten nach dieser Bekanntmachung widersprochen oder die Aufsichtsbehörde den Beschluss innerhalb dieser Frist beanstandet hat. Hier hat weder der Magistrat oder der Bürgermeister dem Beschluss widersprochen noch die Aufsichtsbehörde den Beschluss beanstandet. Da der Beschluss des Bebauungsplans nach § 10 Abs. 3 S. 1 BauGB ortsüblich bekannt zu machen ist, setzte die ortsübliche Bekanntmachung am 28. April 2022 die sechsmonatige Frist in Gang. Diese Frist ist nach §§ 31 Abs. 1 HVwVfG i.V.m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB am 28. Oktober 2022 abgelaufen. Demnach gilt der Beschluss prinzipiell als von Anfang an wirksam zustande gekommen.
Nach § 25 Abs. 6 S. 3 HGO tritt die Wirksamkeit allerdings nicht gegenüber demjenigen ein, der vor Ablauf der Sechsmonatsfrist ein Rechtsmittel eingelegt oder ein gerichtliches Verfahren anhängig gemacht hat, wenn in dem Verfahren der Mangel festgestellt wird. U hat schon am 17. Oktober 2022 und damit vor Ablauf der Sechsmonatsfrist den Antrag beim Verwaltungsgerichtshof Kassel gestellt und damit ein gerichtliches Verfahren anhängig gemacht. Im Normenkontrollverfahren nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO werden die Wirksamkeit des Satzungsbeschlusses überprüft und auch ein etwaiger Mangel der Wirksamkeit wegen eines Verstoßes gegen das Mitwirkungsverbot festgestellt. Damit ist die Wirksamkeit des Satzungsbeschlusses nicht gegenüber U eingetreten.
Zwischenergebnis
Im Verhältnis zu U fehlt es an einem wirksamen Satzungsbeschluss im Sinne von § 10 Abs. 1 BauGB.
Beachtlichkeit des Fehlens eines wirksamen Satzungsbeschlusses
Aus bauplanungsrechtlicher Sicht ist eine Verletzung von Verfahrensvorschriften nach § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BauGB beachtlich, wenn ein Beschluss der Gemeinde über die Satzung nicht gefasst ist. Dem nicht gefassten Beschluss steht der unwirksame Beschluss gleich. Da der Satzungsbeschluss im Verhältnis zu U nicht wirksam ist, ist dieser Rechtsfehler somit im Verhältnis zu U auch bauplanungsrechtlich beachtlich.
Der Bebauungsplan ist bislang auch nicht durch ein ergänzendes Verfahren zur Behebung von Fehlern nach § 214 Abs. 4 BauGB rückwirkend in Kraft gesetzt worden. Der Rechtsfehler musste auch nicht innerhalb einer bestimmten Frist nach § 215 Abs. 1 S. 1 BauGB geltend gemacht werden.
Zwischenergebnis
Im Verhältnis zu U liegt kein wirksamer Satzungsbeschluss vor. Dieser Rechtsfehler ist auch beachtlich.
Begründung des Bebauungsplans
Dem Bebauungsplan wurde gem. § 9 Abs. 8 BauGB eine Begründung beigefügt.
Vertiefungshinweis: Rechtsfehler stets beachtlich
Eine gänzlich fehlende Begründung ist nach § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BauGB beachtlich, muss aber nach § 215 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden.
Genehmigung des Bebauungsplans
Da der Bebauungsplan im Einklang mit § 8 Abs. 2 S. 1 BauGB aus dem Flächennutzungsplan entwickelt worden ist, handelt es sich nicht um einen Bebauungsplan nach § 8 Abs. 2 S. 2 BauGB. Auch liegt kein Bebauungsplan nach § 8 Abs. 3 S. 2 und Abs. 4 BauGB vor. Damit bedurfte der Bebauungsplan nicht der Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde (§ 10 Abs. 2 S. 1 BauGB) bzw. Aufsichtsbehörde (§ 5 Abs. 1 S. 2 HGO).
Ortsübliche Bekanntmachung des Bebauungsplans
Der Beschluss des Bebauungsplans wurde im Sinne des § 10 Abs. 3 BauGB mit den erforderlichen Hinweisen ortsüblich bekanntgemacht.
Vertiefungshinweis: Rechtsfehler unter Bedingungen beachtlich
Ein Fehler bei der ortsüblichen Bekanntmachung ist nach § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BauGB beachtlich und muss nicht nach § 215 Abs. 1 BauGB geltend gemacht werden, wenn der mit der Bekanntmachung verfolgte Hinweiszweck nicht erreicht worden ist.
Zwischenergebnis
In formeller Hinsicht ist das Fehlen eines wirksamen Satzungsbeschlusses im Verhältnis zu U entgegen § 10 Abs. 1 BauGB ein beachtlicher Rechtsfehler des Bebauungsplans.
Beachtliche materielle Rechtsfehler des Bebauungsplans
Vertiefungshinweis: Beachtlichkeit von materiellen Rechtsfehlern
Wie auch bei den Verfahrens- und Formfehlern (siehe oben) gilt, dass nicht jeder materielle Rechtsfehler beachtlich ist und zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans führt. § 214 Abs. 2 und Abs. 3 BauGB regeln, in welchen Fällen Verstöße gegen materielle Vorschriften unbeachtlich sind. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis ist hier umgekehrt als bei den Verfahrens- und Formfehlern nach § 214 Abs. 1 BauGB: Ein nicht aufgezählter materieller Fehler ist beachtlich. Allerdings ist auch hier ein ergänzendes Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB zur Fehlerbehebung möglich und bestimmte beachtliche Fehler müssen innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden (§ 215 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB).
Städtebauliche Erforderlichkeit
Nach § 1 Abs. 3 S. 1 BauGB haben die Gemeinden Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Diese Wendung erfordert, dass hinreichend gewichtige städtebauliche Allgemeinbelange erkennbar sind, die für den Erlass des Bebauungsplans sprechen.
Vertiefungshinweis: Rechtsfehler stets beachtlich
Die fehlende Planrechtfertigung ist in § 214 Abs. 2 BauGB nicht aufgezählt und damit stets beachtlich.
Anpassung an Ziele der Raumordnung
Anzeichen dafür, dass der Bebauungsplan nicht im Sinne von § 1 Abs. 4 BauGB an die Ziele der Raumordnung angepasst wäre, sind nicht ersichtlich.
Vertiefungshinweis: Rechtsfehler stets beachtlich
Die fehlende Anpassung an die Ziele der Raumordnung ist in § 214 Abs. 2 BauGB nicht aufgezählt und damit stets beachtlich.
Entwicklungsgebot
Vertiefungshinweis zum Entwicklungsgebot
„Entwickeln“ bedeutet nicht, dass die Gemeinde das grobe Raster des Flächennutzungsplans lediglich mit genaueren Festsetzungen auszufüllen hat. Vielmehr darf sie innerhalb des vorgeplanten Rahmens eigenständig weiterplanen und dabei auch von den gegenständlichen Darstellungen wie auch den räumlichen Grenzen abweichen. Derartige Abweichungen sind jedoch nur dann zulässig, wenn sie sich aus dem Übergang in eine konkretere Planungsstufe rechtfertigen und die Grundkonzeption des Flächennutzungsplans unberührt lassen.
Der Bebauungsplan ist gemäß § 8 Abs. 2 S. 1 BauGB aus dem Flächennutzungsplan entwickelt worden.
Vertiefungshinweis: Rechtsfehler unter Bedingungen beachtlich
Ein Verstoß gegen das Entwicklungsgebot ist nach § 214 Abs. 2 Nr. 2 BauGB nur dann beachtlich, wenn hierbei die sich aus dem Flächennutzungsplan ergebende geordnete städtebauliche Entwicklung beeinträchtigt worden ist.
Zulässige Festsetzungen
Den zulässigen Inhalt von Festsetzungen im Bebauungsplan bestimmt § 9 BauGB. Nach § 9 Abs. 2a S. 1 BauGB kann für im Zusammenhang bebaute Ortsteile im Sinne von § 34 BauGB zur Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche, auch im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und der Innenentwicklung der Gemeinden, in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der nach § 34 Abs. 1 und Abs. 2 BauGB zulässigen baulichen Nutzungen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können. Dabei ist nach § 9 Abs. 2a S. 2 BauGB insbesondere ein hierauf bezogenes städtebauliches Entwicklungskonzept im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB zu berücksichtigen, das Aussagen über die zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereiche der Gemeinde oder eines Gemeindeteils enthält.
Der angegriffene Bebauungsplan der Stadt S betrifft ein Gebiet, das bislang einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil im Sinne von § 34 BauGB darstellte. Die Stadt S verfügt mit ihrem „Zentrumskonzept“, nach dem innenstadtferne Gebiete von Einzelhandelsbetrieben mit näher bezeichneten „zentrenrelevanten Sortimenten“ freigehalten und solche Betriebe dadurch in der Innenstadt konzentriert werden sollen, über ein städtebauliches Entwicklungskonzept. Im Sinne von § 9 Abs. 2a S. 1 BauGB geht es danach bei dem Ausschluss bestimmter Einzelhandelsbetrieb aus dem Plangebiet um die Erhaltung eines zentralen Versorgungsbereichs im Stadtzentrum. Die Voraussetzungen von § 9 Abs. 2a S. 1 BauGB sind somit erfüllt. Die Festsetzung des Ausschlusses bestimmter Einzelhandelsbetriebe ist nicht unzulässig.
Vertiefungshinweis: Rechtsfehler stets beachtlich
Eine unzulässige Festsetzung ist in § 214 Abs. 2 BauGB nicht aufgezählt und damit stets beachtlich.
Ordnungsgemäße Abwägung der privaten und öffentlichen Belange
Nach § 1 Abs. 7 BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Hier geht es – im Gegensatz zu möglichen Fehlern im Abwägungsvorgang, das heißt bei der Ermittlung und Bewertung der abwägungserheblichen Belange nach § 2 Abs. 3 BauGB – ausschließlich noch um die Herstellung eines rechtmäßigen Abwägungsergebnisses. Fehler im Abwägungsergebnis sind immer beachtlich und müssen nicht gerügt werden, wie sich aus einem Umkehrschluss zu § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 und § 215 Abs. 1 Nr. 3 BauGB ergibt.
Prüfungsmaßstab des Gerichts
Die planende Gemeinde hat bei der Gewichtung der Belange, also dem relativen In-Beziehung-Setzen, einen weiten, durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG und Art. 137 Abs. 1 S. 1 HV garantierten Gestaltungsspielraum (Planungshoheit), der eine Ausnahme von der nach Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG grundsätzlich vorausgesetzten vollständigen gerichtlichen Kontrolle in rechtlicher Hinsicht rechtfertigt. Eine Planung ohne Gestaltungsspielraum wäre ein Widerspruch in sich. § 1 Abs. 7 BauGB wird daher insbesondere dann nicht verletzt, wenn sich die Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Rückstellung des anderen entscheidet.
Zu prüfen ist daher, ob die Gewichtung der relevanten Belange – das heißt hier in erster Linie die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereich auf der einen und die Belange der Wirtschaft auf der anderen Seite – in einer Weise stattgefunden hat, die mit Blick auf die objektiv zu beurteilende Bedeutung der Belange noch vertretbar ist (sonst Abwägungsdisproportionalität).
Beurteilung der vorgenommenen Abwägung
Mit Blick auf die Belange der Wirtschaft ist zu berücksichtigen, dass eine Einschränkung der Nutzungsmöglichkeiten, die mit dem Ausschluss bestimmter Einzelhandelsbetriebe einhergeht, schwerwiegend in das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) eingreift und die von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG gewährleistete Privatnützigkeit des Eigentums beschränkt. Zum einen werden Betroffene an dem Betrieb eines bestimmten Einzelhandelsgeschäfts insofern gehindert, als sie nicht oder nur mit hohen Aufwendungen auf ein Grundstück im Innenstadtbereich zugreifen können, in dem der Betrieb zulässig wäre. Zum anderen fällt eine eigentumsrechtlich relevante Nutzungsmöglichkeit weg.
Allerdings hat die Stadt S mit dem „Zentrumskonzept“ eine elementare planerische Entscheidung getroffen, die zum Ausdruck bringt, wie und in welcher Richtung sie sich städtebaulich fortentwickeln will. Für die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche – die nach § 1 Abs. 6 Nr. 4 BauGB nach der gesetzgeberischen Entscheidung ein berücksichtigungsfähiger Belang ist – ist es gerade typisch, dass bestimmte Formen der Versorgung außerhalb des Zentrums nicht ermöglicht werden sollen. Betroffen sind außerdem nicht alle, sondern nur diejenigen Inhaber von Einzelhandelsbetrieben, welche die im Bebauungsplan näher bezeichneten „zentrenrelevanten Sortimente“ führen. Zudem betrifft die Änderung der Rechtslage auch nur noch nicht aufgenommene und im Wege einer Baugenehmigung legalisierte Einzelhandelsbetriebe. Schließlich stehen den betroffenen Eigentümern von Grundstück im Plangebiet andere Nutzungsmöglichkeiten offen, wie etwa dem U das Wohnen.
Mit Blick auf die objektiv zu beurteilende Bedeutung der Belange ist der gefundene Ausgleich der Belange damit im Ergebnis noch als vertretbar zu werten.
Zwischenergebnis
Die Stadt S hat damit die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abgewogen.
Zwischenergebnis
Der Bebauungsplan leidet in materieller Hinsicht nicht an beachtlichen Rechtsfehlern.
Ergebnis
Der Bebauungsplan ist mangels wirksamen Satzungsbeschlusses ungültig. Der Antrag des U ist damit begründet.
Gesamtergebnis
Der Antrag des U ist zulässig und unbegründet. Er hat somit Aussicht auf Erfolg.