Notwendiges Vorwissen: Kenntnisse über abstrakte Gefährdungsdelikte sowie über andere Straßenverkehrsdelikte (§§ 315b ff. StGB), die zu § 316 StGB als leges speciales gelten, sind hilfreich.
In der Praxis hat § 316 StGB eine hohe Relevanz, da er mit einem Anteil von 40 % an den Aburteilungen und Verurteilungen wegen Straftaten im Straßenverkehr verbunden ist. Obwohl die Anzahl der abgeurteilten und verurteilten Trunkenheitsfahren in den letzten Jahren abgenommen hat, legen Dunkelfeldstudien nahe, dass das Delikt weit verbreitet ist. Obwohl § 316 StGB sämtliche Rauschmittel und Verkehrsmittel wie Bahn, Luft und Schiffe umfasst, sind in Klausuren sowie in der Praxis Trunkenheitsfahrten im Straßenverkehr, insbesondere alkoholbedingte, die Regel.
Rechtsgut und Deliktsstruktur
§ 316 StGB schützt das Recht der Allgemeinheit auf einen sicheren Bahn-, Schiffs-, Luft- und Straßenverkehr.
Klausurhinweis: In Klausuren wird fast ausschließlich der Straßenverkehr behandelt.
Weiterführendes Wissen
Nach einer selten vertretenen Meinung schützt § 316 StGB auch die Rechtsgüter Leben, Gesundheit und (fremdes) Eigentum. Im Gegensatz zu den §§ 315 ff. StGB (→ § 27 Rn. 3 und § 28 Rn. 2) finden sich diese Rechtsgüter jedoch gerade nicht als Anknüpfungspunkt der Strafbarkeit im Gesetzestext. Das BVerfG verwies zwar auf den Schutz anderer Verkehrsteilnehmer vor ungeeigneten Kraftfahrern, dürfte aber lediglich die praktische Wirkung der Norm beschrieben haben und nicht ein abweichendes Rechtsgut.
§ 316 StGB ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt. Der Eintritt eines Verletzungserfolges oder einer konkreten Gefahr ist damit nicht erforderlich, anders als zB bei §§ 315a–315c StGB, die jeweils einen „Beinahe-Unfall“ erfordern (→ § 28 Rn. 16 ff.).
Weil § 316 StGB ein verhaltensgebundenes Delikt ist, ist nach der BGH-Rechtsprechung keine actio libera in causa möglich.
Zuletzt stellt die Trunkenheit im Verkehr eine Dauerstraftat dar.
Objektiver Tatbestand
Das Führen eines Fahrzeugs
§ 316 StGB ist ein schlichtes Tätigkeitsdelikt. Der Gesetzgeber legt – wie auch in den §§ 315b, 316c StGB – ein bestimmtes Verhalten als Straftat fest: das Führen eines Fahrzeugs. Es handelt sich bei § 316 StGB demnach um ein Delikt, das nur durch ein eigenhändiges Führen des Fahrzeugs erfüllt werden kann.
Klausurhinweis: Die Einstufung des § 316 StGB als eigenhändiges Delikt hat zur Folge, dass es nicht in mittelbarer Täterschaft begangen werden kann.
Fahrzeug
Fahrzeuge iS der Straßenverkehrsdelikte (einschließlich § 316 StGB) sind alle am Straßenverkehr teilnehmenden Verkehrsmittel mit Ausnahme der in § 24 StVO genannten (beispielsweise Rodelschlitten, Kinderwagen oder Inline-Skates). Fahrzeug ist also nicht nur das in Praxis und Klausur dominierende Kfz, sondern etwa auch das Mofa, Fahrrad, das Pferdefuhrwerk, das Segelboot sowie das Schienenfahrzeug. Der Wortlaut setzt voraus, dass es fahren kann. Das Reiten eines Pferdes ist damit beispielsweise kein Fall von § 316 StGB.
Klausurhinweis: Gem. § 24 Abs. 1 StVO sind auch „ähnliche nicht motorbetriebene Fortbewegungsmittel“ keine Fahrzeuge. In der Klausur kommt es bei nicht namentlich aufgezählten Fortbewegungsmitteln vor allem auf das Problembewusstsein und die Argumentation an. In einer Klausur könnte bspw. ein Segway oder ein Elektroscooter vorkommen, die beide nach der Rechtsprechung die Fahrzeugeigenschaft des § 316 StGB erfüllen.
Führen
Ein Fahrzeug führt, wer dieses unter Bedienung der dafür vorgesehenen technischen Vorrichtungen in Bewegung setzt oder in Bewegung hält. Erforderlich ist, dass die Räder rollen. Im Stillstand wird das Fahrzeug nicht geführt. Der Einsatz von Motorkraft ist keine Voraussetzung, da die von Fahrzeugen ausgehenden Schädigungsgefahren nicht nur auf der Motorkraft beruhen.
Beispiele:
Positivbeispiele: Nach diesen Maßstäben führt ein Fahrzeug zB derjenige, der ein Kfz während der Fahrbewegung lenkt, selbst wenn der Motor nicht läuft, das Kfz aber abgeschleppt oder geschoben wird bzw. ein Gefälle hinab rollt.
Negativbeispiele: Das Einstecken des Zündschlüssels, das Anlassen des Motors oder das Einschalten des Lichts reichen nicht aus. Gleiches gilt für das Anschieben eines Zweirads, ohne auf dem Sitz zu sitzen, sowie für den vergeblichen Versuch, ein im Sand oder Schlamm festsitzendes Auto als Fahrer loszubekommen.
Weiterführendes Wissen: Ob Fahrlehrer:innen aufgrund ihrer technischen Eingriffsmöglichkeiten in das Fahrzeug als Fahrzeugführer zu qualifizieren sind, ist umstritten. Bejaht wird dies aufgrund von § 2 Abs. 15 S. 2 StVG, nach dem bei Ausbildungsfahrten die Fahrlehrer:in als Führer des Kraftfahrzeugs gilt. Andere sehen die Norm als Argument, dass Fahrlehrer:innen einem Fahrzeugführer zwar im Rahmen des StVG, aber nicht in anderen Gesetzen gleichgestellt sind.
Tathandlung im Verkehr
Durch die Trunkenheit im Verkehr werden – anders als bei den §§ 315b, 315c StGB – alle Arten des Verkehrs vor den Gefahren einer drogenbedingten Fahruntüchtigkeit geschützt. Erfasst sind Bahn-, Schiffs-, Luft- und Straßenverkehr (s. den expliziten Verwies auf die §§ 315–315e StGB). Unter § 316 StGB fallen allerdings nur Vorgänge im (faktisch) öffentlichen Verkehrsraum.
Die Öffentlichkeit einer Verkehrsfläche ergibt sich aus der faktischen Zugänglichkeit. Eigentumsverhältnisse oder Widmungen spielen hier keine Rolle. Sobald eine Fläche für jedermann zugänglich ist und von der Allgemeinheit (im Sinne eines unbestimmten Personenkreises) tatsächlich benutzt wird, gehört sie zum öffentlichen Verkehrsraum.
Beispiel: Öffentlich sind damit auch Parkplätze von Geschäften, Parkhäuser, Fußgängerbereiche oder Straßen in einem zwar abgezäunten, aber auch für Besucher zugänglichen Komplex.
Trotz Fahruntüchtigkeit
Gemäß § 316 StGB muss das Fahrzeug geführt wird, wenn der Täter „nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen“. Fahruntüchtigkeit liegt vor, wenn die Gesamtleistungsfähigkeit des Täters so weit reduziert ist, dass er ein Fahrzeug nicht mehr über eine längere Strecke sicher steuern kann und plötzlich auftretenden schwierigen Verkehrssituationen nicht gewachsen ist. Die vorausgesetzte Leistungsfähigkeit beschreibt die biologisch-physischen, intellektuell-kognitiven und emotionalen Mindestanforderungen, um im Verkehr Rechtsgutsschädigungen zu vermeiden. Das Gesetz verlangt für die Fahrtüchtigkeit mehr als nur die Fähigkeit, ein Fahrzeug im Wesentlichen zu steuern.
Weiterführendes Wissen: Die Begriffe der Fahruntüchtigkeit und der Fahrunsicherheit werden weitgehend synonym verwendet. Der Begriff der Fahrunsicherheit setzt sich jedoch langsam durch, da für die Erfüllung von § 316 StGB nicht zwingend eine gänzliche Untüchtigkeit zum Fahren vorliegen muss.
Alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit
Bedeutsam ist insbesondere die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit. Entscheidend für die Fahruntüchtigkeit ist hier die Blutalkoholkonzentration (BAK). Die BAK wird in Promille angegeben (Alkohol in Gramm pro 1.000 ccm Blut) und ist in aller Regel durch die Analyse einer Blutprobe festzustellen. Für die Grenzwertbestimmung kommt es hierbei auf die BAK zur Tatzeit an.
Klausurhinweis: In der Klausur wird die BAK meist angegeben. In der Praxis wird die BAK zum Zeitpunkt der Blutprobe bestimmt und für den Tatzeitpunkt zurückgerechnet. Die Rückrechnung erfolgt mit den für den Täter günstigsten Sicherheitszuschlägen und Abbauwerten. Wissen über die einschlägigen Berechnungsmethoden wird erst in der 2. Juristischen Prüfung verlangt (näher → Rn. 64 ff.).
Unterschieden wird traditionell zwischen absoluter und relativer Fahruntüchtigkeit. Beide reichen für eine Fahruntüchtigkeit iSv § 316 StGB aus, unterliegen aber unterschiedlichen Beweisanforderungen.
Absolute Fahruntüchtigkeit
Es ist wissenschaftlich gesichert, dass Menschen ab einem bestimmten Alkoholisierungsgrad nicht mehr in der Lage sind, ein Fahrzeug sicher im Straßenverkehr zu führen (sog. absolute Fahruntüchtigkeit). Wenn ein Fahrzeugführer eine bestimmte BAK-Schwelle erreicht, gilt er unabhängig von anderen Beweiszeichen als absolut fahruntauglich. Diese Vermutung ist unwiderlegbar, d. h. die betroffene Person hat keine Möglichkeit eines Gegenbeweises.
Gemäß einem Grundsatzurteil des BGH aus dem Jahr 1990, das die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Wirkung des Alkohols berücksichtigt hat, gilt jeder Kraftfahrer (d. h. Autofahrer und Motorradfahrer) mit einem BAK-Wert von 1,1 Promille als absolut fahruntüchtig. Ein Gegenbeweis, beispielsweise durch eine Trinkprobe oder durch den Hinweis auf ein längeres einwandfreies Fahren, ist unzulässig. Die Promillegrenze von 1,1 Promille setzt sich aus einem Grundwert von 1,0 Promille und einem Sicherheitszuschlag von 0,1 Promille zusammen.
Gemäß der Rechtsprechung des BGH gilt für die absolute Fahruntüchtigkeit eines Radfahrers heute ein Grenzwert von 1,6 Promille.
Für E-Scooter war teilweise offengelassen worden, ob die Grenze bei 1,1 oder bei 1,6 Promille liegen soll. Der überwiegenden Rechtsprechung, die auch hier auf den Wert von 1,1 Promille abstellte, hat sich mittlerweile der BGH angeschlossen.
Weiterführendes Wissen: Entscheidend ist die Blutalkoholkonzentration im Tatzeitpunkt. Regelmäßig erfolgt die Blutprobenentnahme aber zu einem späteren Zeitpunkt. Letzterer kann in der Anflutungsphase liegen, in der der Körper den Alkohol noch aufnimmt und in der somit der BAK-Wert höher liegt als zur Tatzeit, er kann aber auch in der Eliminationsphase liegen, in der der Körper den Alkohol bereits wieder abbaut. Erforderlich ist daher eine Rückrechnung. Wird die Blutprobe in der Eliminationsphase entnommen, bedarf es der Addition des Abbauwerts („Hochrechnung“). Ist aber nach Lage des Falls mit einem Ansteigen der Blutalkoholkonzentration noch zwischen Trinkende und Blutentnahme zu rechnen, so muss unter Umständen von dem in der Blutprobe festgestellten Wert ein Abzug vorgenommen werden. Dagegen hilft dem Betreffenden die Behauptung, es liege ein „Sturztrunk“ vor, also eine schnelle Aufnahme großen Mengen Alkohols kurz vor der Fahrt, zur Vermeidung der Annahme absoluter Fahruntüchtigkeit nicht weiter. Nach dem BGH ist ausreichend, dass sich im Zeitpunkt der Tat die Alkoholmenge im Körper befindet, die dann später zu einer BAK über dem absoluten Grenzwert führt. Ergab die Blutprobe 1,1 ‰ oder mehr, steht die absolute Fahruntüchtigkeit zur Tatzeit jedenfalls fest. Die Alkoholwirkung hat in der Anflutungsphase die gleichen Folgen auf die Fahrsicherheit, wie eine BAK von 1,1 ‰ in der Eliminationsphase.
Ab einer BAK von 2,0 Promille ist § 21 StGB im Rahmen der Schuld anzusprechen (→ F.). Für Schuldunfähigkeit gem. § 20 StGB kommt als Anhaltspunkt eine BAK von 3,0 Promille in Betracht, die nicht von näheren Feststellungen entbindet (→ F.).
Relative Fahruntüchtigkeit
Auch wenn keine absolute Fahruntüchtigkeit vorliegt, kann die Alkoholkonzentration im Blut ein wichtiges Beweisanzeichen für eine relative Fahruntüchtigkeit sein. Liegt der BAK-Wert des Täters unterhalb der Grenze von 1,1 Promille, aber oberhalb einer Mindestgrenze von 0,3 Promille, kommt die relative Fahruntüchtigkeit in Betracht. Der Alkoholisierungsgrad des Fahrers ist in diesem Fall nur ein Indiz für eine mögliche Fahruntüchtigkeit. Es müssen daher weitere Beweisanzeichen vorliegen, um eine Fahruntüchtigkeit feststellen oder ausschließen zu können. Je niedriger der BAK-Wert ist, desto höher sind die Anforderungen an die zusätzlichen Beweisanzeichen. Es ist notwendig, alle objektiven und subjektiven Umstände insgesamt zu bewerten, einschließlich Faktoren wie Straßen- und Wetterbedingungen.
Beispiele: Derartige Beweisanzeichen liegen typischerweise in alkoholbedingten Ausfallerscheinungen. Beispiele hierfür sind eine auffällig sorglose und leichtsinnige Fahrweise, das Fahren in Schlangenlinien sowie das Schwanken des Fahrers.
Weiterführendes Wissen
Teilweise wird bei außergewöhnlich starken Ausfallerscheinungen eine relative Fahruntüchtigkeit auch unter 0,3 Promille angenommen.
Infolge Alkoholkonsums oder anderer berauschender Mittel
Die Fahruntüchtigkeit muss auf den Konsum von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln zurückzuführen sein. Im Gegensatz dazu steht § 315c Abs. 1 Nr. 1 lit. b) StGB, der bei geistigen oder körperlichen Mängeln greift, die nicht auf den Genuss alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel zurückzuführen sind. Fahrten unter Alkoholeinfluss (siehe auch → Rn. 19 ff.) stellen in der Praxis den häufigsten Anwendungsfall dar.
Es gibt bei diesen Drogen keine allgemein gültigen Feststellungsmaßstäbe, die unabhängig vom Einzelfall gelten (wie beispielsweise ein bestimmter Wert für die Rauschmittelkonzentration). Daher müssen konkrete Ausfallerscheinungen vorliegen, die sich auf die Fahreignung auswirken. Die Vorgehensweise ähnelt der bei der relativen Fahruntüchtigkeit bei Alkoholabusus.
Zwar hat das BVerfG zu § 24a StVG im Zusammenhang mit Cannabis entschieden, dass nicht jeder Nachweis von THC (wichtigstes der psychoaktiven Inhaltsstoffe von Cannabisprodukten) im Blut des Verkehrsteilnehmers für eine Verurteilung nach § 24a Abs. 2 StVG ausreicht. Es müsse eine Konzentration festgestellt werden, die es als möglich erscheinen lässt, dass der Fahrzeugführer in seiner Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war. Als Untergrenze wird dabei eine THC-Blutkonzentration von 1,0 ng/ml angenommen. Anders als in § 24a StVG, bei dem der Nachweis der Substanz im Blut verlangt wird, knüpft § 316 StGB nicht daran, sondern an die Fahruntüchtigkeit an. Diese kann aber durchaus vorliegen, wenn sogar gar kein Nachweis (mehr) im Blut möglich ist, aber feststeht, dass der Betreffende Drogen eingenommen hat und Ausfallerscheinungen infolge des Drogenkonsums feststellbar sind.
Klausurhinweis: Letztere Fälle spielen mangels klarer Grenzwerte in Klausuren kaum eine Rolle. Falls doch, werden klare Fahrfehler zu finden sein.
Subjektiver Tatbestand
Für § 316 Abs. 1 StGB ist vorsätzliches Handeln erforderlich. Gemäß § 316 Abs. 2 StGB ist auch die fahrlässige Tatbestandsverwirklichung mit dem gleichen Strafrahmen strafbar. Die eigenhändige Beteiligung bleibt stets Voraussetzung der Tat. Die Fahrlässigkeit bezieht sich allein auf die Fahruntüchtigkeit → D.
Vorsätzlich im Sinne von § 15 StGB handelt, wer in Kenntnis der Umstände des objektiven Tatbestands handelt und deren Verwirklichung mindestens billigend in Kauf nimmt (Umkehrschluss aus § 16 Abs. 1 S. 1 StGB). Dies ist der Fall, wenn der Täter sich zumindest der Möglichkeit seiner Fahrunsicherheit bewusst ist und er sich trotzdem zum Fahren entschließt. Wer sich trotz Kenntnis der Umstände (gemeint ist: trotz Kenntnis der Konsummenge und des Konsumzeitraums) dennoch für fahrsicher hält, unterliegt einem (unbeachtlichen) Subsumtionsirrtum. Es ist damit keine Kenntnis einer BAK-Grenze erforderlich, diese ist nicht Tatbestandsmerkmal.
Da es keinen Erfahrungssatz gibt, nach dem ein Kraftfahrer ab einem bestimmten Alkoholisierungsgrad seine Fahrunsicherheit erkennt, zumal bei fortschreitender Trunkenheit erfahrungsgemäß die Fähigkeit zur Selbstkritik abnimmt, kann aus der BAK allein noch nicht auf den Vorsatz geschlossen werden. Allerdings stellt eine hohe BAK durchaus ein belastendes Indiz dar. Freilich gibt es auch keine umgekehrte Regel, wonach vermindert Schuldfähige sich stets für fahrtüchtig hielten. Bei der Beurteilung kommt es daher auf die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls an, insbesondere auch auf die Intelligenz und Selbstkritik des Fahrers. Daneben sind Indizien wie ein „planvoller“ Geschehensablauf vor der Trunkenheitsfahrt, Verhalten oder Äußerungen bei der Kontrolle, Warnhinweise Dritter vor Fahrtbeginn heranzuziehen. Vorsatz begründen auch dem Fahrer bewusst gewordene Ausfallerscheinungen, insbesondere auffällige Fahrfehler, die allerdings vom Fahrer bemerkt worden sein müssen. Es gibt keinen Erfahrungssatz, dass und welche Fahrfehler ein Fahrer bemerkt. Besonders langsames oder vorsichtiges Fahren ist auch bei hoher BAK kein ausreichendes Indiz. Die unter anderem von Fischer vertretene Gegenauffassung will dies sowie das Nutzen von Schleichwegen genügen lassen. Hierbei wird verkannt, dass – ebenso wie in den Fluchtfällen – Fahrer häufig nur übertrieben normgerecht fahren dürften, um Kontrollen und eine OWi zu vermeiden. Bei Fahrtantritt wird häufig die subjektive Überzeugung von der Fahrsicherheit vorliegen. Die Sorge, dass der Konsum entdeckt wird, lässt keinen gesicherten Rückschluss auf Vorsatz vor der Fahrunsicherheit zu.
Problematisch bei der Vorsatzbeurteilung ist, dass die Selbstüberschätzung der eigenen Fähigkeiten zu den typischen Auswirkungen von Alkohol zählt. Es wird zur Verteidigung gegenüber dem Vorwurf „Vorsatz“ nicht ausreichen, nur anzugeben, der Fahrer habe sich „fahrtüchtig gefühlt“. Denn mit dieser Begründung werden bei einer hohen BAK ernsthafte Zweifel des Gerichts an einem zumindest bedingten Vorsatz häufig nicht geweckt werden können. Wiederholt wird das Trinken in Fahrbereitschaft, zB als Taxifahrer, als Indiz für den Vorsatz gewertet. Wenigstens bei mehr als 1,1 Promille und einer einschlägigen Vorstrafe soll dies für die Vorsatzannahme ausreichen. Es überzeugt aber nicht, dass allein die stärkere Zurückhaltung beim Konsum und intensivere Selbstkontrolle der Wirkungen, die bei einem Konsum in Fahrbereitschaft gefordert werden mögen, bereits ausreichen sollen, um die ansonsten differenzierten Anforderungen an die Vorsatzfeststellungen dermaßen zu vereinfachen.
Selbst bei BAK-Werten von zwei Promille kann die für den Vorsatz erforderliche Einsicht, betrunken im Straßenverkehr zu fahren, trotz der herabgesetzten Steuerungsfähigkeit infolge des Alkoholkonsums bestehen. Um den Vorsatz auszuschließen, müssen weitere Indizien bzw. Angaben im Sachverhalt hinzutreten. Erst bei nachhaltiger Beeinträchtigung der Einsichtsfähigkeit kommt der Ausschluss des Vorsatzes in Betracht. Hier wird tendenziell – auch aufgrund von Beweisschwierigkeiten – eher eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit gemäß § 316 Abs. 2 StGB zu prüfen sein.
Fahrlässigkeit, § 316 Abs. 2 StGB
Gem. § 316 Abs. 2 StGB ist auch die fahrlässige Tatbestandsverwirklichung mit dem gleichen Strafrahmen wie beim Vorsatzdelikt strafbar ist. Da § 316 StGB keinen Taterfolg kennt, entfallen alle Fahrlässigkeitsmerkmale, die den Erfolg und den Zurechnungszusammenhang zwischen Tathandlung und Erfolg betreffen. Die eigenhändige Beteiligung in Gestalt des „Führens“ eines Fahrzeugs bleibt Voraussetzung der Tat. Aufgrund des finalen Elements des Merkmals „führen“ ist Fahrlässigkeit bzgl. der Tathandlung kaum möglich. Das liegt daran, dass eine solche zielgerichtete Handlung nur vorsätzlich denkbar ist. Die Fahrlässigkeit bezieht sich idR allein auf die Fahruntüchtigkeit. Der Täter hält sich also bewusst oder unbewusst fahrlässig für fahrtüchtig. Aufgrund der allgemeinen Bekanntheit der Auswirkungen von Alkoholkonsum dürfte die Vorhersehbarkeit grds. gegeben sein. Ansonsten folgt die Prüfung von § 316 Abs. 2 StGB der üblichen Fahrlässigkeitsstruktur. Auch gilt dabei, dass die Fahrlässigkeitstat gegenüber der Vorsatztat (§ 316 Abs. 1 StGB) subsidiär ist.
Rechtswidrigkeit
Es gelten grundsätzlich die allgemeinen Rechtfertigungsgründe. Da das Rechtsgut von § 316 StGB – die Sicherheit des öffentlichen Verkehrs – ein Kollektivrechtsgut ist, kommt eine Rechtfertigung durch Notwehr oder Einwilligung nicht in Betracht. Eine Tat nach § 316 StGB kann sich nicht gegen ein Rechtsgut eines Angreifers richten (nach ganz überwiegender Auffassung) und kann damit keine taugliche Verteidigungshandlung iSv § 32 StGB darstellen.
Eine Rechtfertigung gem. § 34 StGB kommt grundsätzlich zB bei einem Notarzteinsatz in Betracht oder bei einer (Trunkenheits-)Fahrt, um bspw. eine Entführung zu verhindern. Das Notstandsrecht setzt aber voraus, dass die Trunkenheitsfahrt das einzige Mittel zur Abwehr einer übermäßigen Gefahr war. Hieran wird § 34 StGB scheitern, wenn mildere, ebenso effektive Mittel zur Verfügung stehen (Fahrt durch andere Personen, Krankenwagen, Taxi) und die Notstandshandlung somit nicht erforderlich ist.
Schuld
Bei jedweder Art von Substanzkonsum, insb. bei Alkoholisierung, kommt naturgemäß eine Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit in Frage und es könnten die §§ 20, 21 StGB zu erörtern sein.
Bei einer hohen BAK ab 2,0 Promille kommt eine eingeschränkte Schuldfähigkeit in Betracht. Jedoch sind die Voraussetzungen des § 21 StGB in jedem Einzelfall sorgfältig zu prüfen. Eine pauschale Bejahung verminderter Schuld in Verbindung mit einer bestimmten BAK wäre verfehlt.
Führt die Volltrunkenheit zur Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB, handelt der Täter schuldlos. Die Anwendung der Grundsätze der actio libera in causa scheidet nach heute ghM bei § 316 StGB aus: (Vorwerfbares) Berauschen ist noch kein Führen eines Fahrzeugs. In solchen Fällen ist der Täter nach § 323a StGB zu bestrafen.
Täterschaft und Teilnahme; Unterlassen
Täterschaft
Da es sich bei § 316 StGB um ein eigenhändiges Delikt handelt, kann Täter nur sein, wer jedenfalls Teilfunktionen, die für die Bewegung des Fahrzeugs zuständig sind, selbst bedient. Eine mittelbare Täterschaft ist damit ausgeschlossen. Dies hat zur Konsequenz, dass auch gewichtige Tatbeiträge von Nicht-Fahrzeug-Führern höchstens eine Teilnahmestrafbarkeit begründen können.
Beispiel: A fährt betrunken, weil B ihn dazu anweist und ihm detaillierte Vorgaben zur Strecke und zum Tempo macht. Hier ist alleine eine Anstiftung möglich.
Eine Mittäterschaft kommt nur bei gemeinsamem Führen des Fahrzeugs in Betracht.
Beispiel: Eine Person lenkt, die andere bedient die Kupplung.
Teilnahme
Für eine Teilnahme müsste eine (in der Praxis eher seltene) vorsätzliche Haupttat vorliegen. Es müsste also sowohl einen seine Fahrunsicherheit zumindest für möglich haltenden und sich damit abfindenden Täter sowie einen ebenfalls bedingt vorsätzlich handelnden Teilnehmer geben. Denkbar ist neben dem obigen Beispiel ein Anstifter, der den fahrunsicheren Täter zur Fahrt überredet. Auch Beihilfe kommt in Betracht, zB durch Ausleihen eines Fahrzeugs. Bloßes gemeinsames Trinken stellt im Regelfall keine Beihilfe dar.
Weiterführendes Wissen
Durch Unterlassen ist mitschuldig, wer den Betrunkenen nicht von der Fahrt abhält, obwohl er aufgrund einer Garantenstellung dazu verpflichtet ist.
Die Verantwortlichkeit nach den §§ 222, 229 StGB für eine fahrlässige Tötung oder Körperverletzung, die der Betrunkene auf der Fahrt verursacht, kann auch Personen treffen, die zu der Fahrt beigetragen haben, ohne das Fahrzeug zu führen, insb. den Halter.
Die Frage, ob das Fahrzeugführen durch Unterlassen verwirklicht werden kann, ist – wie allgemein für Tätigkeitsdelikte – umstritten. Sie wird in der Praxis schon deswegen lediglich in extremen Ausnahmekonstellationen relevant, weil das „Führen“ nur eigenhändig erfüllt werden kann. Ein solcher Ausnahmefall hat BayObLG JR 1979, 289 zugrunde gelegen. Das BayObLG bejaht Führen durch Unterlassen, weil sich der alkoholkranke Täter in nüchternem Zustand nicht seines Fahrzeugs entledigt hat. Dagegen wird aber eingewandt, dass einerseits die bloße Haltereigenschaft nicht zu einer Garantenstellung führen könne und andererseits so Täter bevorteilt würden, die im Zustand der Trunkenheit ein anderes als ihr eigenes Fahrzeug benutzen.
Versuch
Der Versuch einer Trunkenheitsfahrt iSv § 316 StGB ist nicht strafbar.
Weiterführendes Wissen
Gesetzesentwürfe zur Einführung einer Versuchsstrafbarkeit bei § 316 StGB haben bisher keine politischen Mehrheiten gefunden. Diese fehlende Versuchsstrafbarkeit wird kritisiert. Neben einem kriminalpolitischen Strafbedürfnis wird hierzu systematisch angeführt, dass der Versuch der Gefährdung des Straßenverkehrs in gewissen Fällen, darunter § 315c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB strafbar sei. Gegen die Einführung einer Versuchsstrafbarkeit sprechen allerdings die jetzt schon bestehenden Beweisschwierigkeiten bei der vorsätzlichen Vollendungsstrafbarkeit. Wenn bereits selten Vorsatz angenommen wird, so würde das auch für einen etwaigen Versuch gelten.
Strafzumessung
Der Strafrahmen von Geldstrafe bis zu Freiheitsstrafe von einem Jahr ist sowohl für das Vorsatz- als auch für das Fahrlässigkeitsdelikt derselbe.
Weiterführendes Wissen
Diese Gleichstellung von Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikt ist nicht unumstritten.
Besondere Tatumstände iSd § 47 StGB können zB darin liegen, dass der Täter vorsätzlich mit hohem Blutalkoholgehalt gefahren ist und in Fahrbereitschaft getrunken hat. Besondere Umstände in der Person sind vor allem dann gegeben, wenn der Täter rückfällig ist und Geldstrafe bisher ohne Wirkung blieb.
Eine Tat nach § 316 StGB zieht grundsätzlich die Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB) bzw. die Anordnung einer isolierten Sperrfrist (§ 69a Abs. 1 S. 3 StGB) nach sich.
Konkurrenzen
Gem. § 316 Abs. 1 letzter Hs. StGB ist die Trunkenheit im Verkehr formell subsidiär gegenüber §§ 315a, 315c StGB. Da mit „Tat“ iSd Subsidiaritätsklausel des § 316 StGB allein die Trunkenheitstat gemeint ist, wird § 316 StGB nur durch die §§ 315a Abs. 1 Nr. 1, 315c Abs. 1 Nr. 1 StGB verdrängt. Mit § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB ist Tateinheit möglich. Dasselbe gilt für andere Delikte, die während der Trunkenheitsfahrt begangen werden (etwa § 229 StGB) und auf die die Subsidiaritätsklausel von vornherein keine Anwendung findet.
Klausurhinweis: Aufgrund der formellen Subsidiarität ist § 316 StGB erst nach den anderen in Frage kommenden Straßenverkehrsdelikten und auch nur dann zu prüfen, wenn diese nicht vorliegen.
§ 316 StGB ist – von Zäsuren (zB Unfall) abgesehen – eine Dauerstraftat, die auch von kurzen Fahrunterbrechungen nicht aufgespalten wird und die bereits mit dem Anfahren vollendet und erst dann beendet ist, wenn die Fahrt endgültig abgeschlossen ist oder die Fahrunsicherheit nicht mehr besteht.
Klausurhinweis: Bei Fahrtunterbrechungen ist genau auf den Zweck und die Absicht des Täters zu schauen. So stellt eine Pause zum Tanken zum Zweck der Weiterfahrt keine Unterbrechung dar, die den Beginn einer neuen (handlungsmehrheitlich begangenen) Tat iSv § 316 StGB darstellt.
Eine neue Tat wird dagegen begangen, wenn ein neuer Tatentschluss gefasst wird.
Beispiel: Der Täter fährt zunächst betrunken und verursacht einen Unfall. Danach entscheidet er sich zu einer sog. Unfallflucht gem. § 142 StGB und fährt aus diesem Grund weiter. In einem solchen Fall liegt eine Tat nach § 316 StGB (= Fahrt vor dem Unfall) vor, die in Tatmehrheit (§ 53 StGB) zu §§ 316, 142, 52 Abs. 1 StGB (= Fahrt nach dem Unfall) steht.
Tateinheit gem. § 52 StGB ist insb. mit den §§ 315, 315a Abs. 1 Nr. 2, 315b StGB denkbar. Darüber hinaus stehen sämtliche Delikte, die innerhalb der Dauerdelikt-Phase verwirklicht, also aufgrund der Fahrt oder durch die Fahrt ermöglicht werden, in Tateinheit mit § 316 StGB. Häufig sind das die §§ 113, 142, 242, 323a StGB, Verletzungs- und Tötungsdelikte, § 21 StVG, Waffendelikte oder Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG).
Aufbauschema
Tatbestand
Rechtswidrigkeit
Schuld
Wissen für die Zweite Juristische Prüfung
In der Zweiten Juristischen Prüfung werden auch Berechnungsmethoden zur Rückrechnung der Blutalkoholkonzentration (BAK) sowie die dortigen Berechnungsschwierigkeiten relevant:
Liegt das Ergebnis einer BAK-Untersuchung vor, muss bei der Interpretation der Werte bedacht werden, dass zwischen Tatzeitpunkt und Blutentnahme regelmäßig Zeit vergangen ist, während der der Alkohol im Körper abgebaut worden ist. Der BAK-Wert zum Zeitpunkt der Tat muss in diesen Fällen rückgerechnet werden. Die Rückrechnung erfolgt, indem ein Abbauwert von 0,1 Promille pro Stunde zugrunde gelegt wird. Nicht berücksichtigt werden dabei die ersten zwei Stunden nach Trinkende, da in dieser Zeit der Alkohol noch vom Körper resorbiert wird. Ist der Zeitpunkt des Trinkendes nicht bekannt, ist in dubio pro reo davon auszugehen, dass Tatzeitpunkt und Trinkende zusammenfallen. Grundsätzlich ist bei der Berechnung der BAK zu beachten, dass eine niedrigere Tatzeit-BAK günstiger für den Täter ist, es sei denn §§ 20, 21 StGB kommen in Betracht.
Beispiel: Dem Täter wird um 6:00 Uhr eine Blutprobe abgenommen, bei der ein BAK-Wert von 1,0 Promille festgestellt wird. Trinkende war um Mitternacht, Zeitpunkt der Tatbegehung 2:00 Uhr. In der Zeit von Mitternacht bis 2:00 Uhr wird wegen der Resorptionsphase nicht zurückgerechnet, sodass die vier Stunden zwischen 2:00 Uhr und 6:00 Uhr für die Rückrechnung verbleiben. Die BAK zum Tatzeitpunkt betrug demnach 1,4 Promille.
Zum Sturztrunk s. o. → Rn. 27.
Studienliteratur und Übungsfälle
Moldenhauer/Willumat, „Die Gasleitung und der E-Scooter“, JA 2024, 206
Schach, „Heimweg nach dem Stammtisch“, JA 2024, 113
Seier/Wember, Schwerpunktbereichsklausur – Verkehrsstrafrecht: Eine Trunkenheitsfahrt ohne Folgen?, JuS 2007, 361