Bian Sukrow Self-Care-Box – Selbstfürsorge für Engagierte in (Refugee) Law Clinics und verwandten Initiativen Licensed under CC-BY-4.0

8. Zum Schluss

Bian Sukrow

Mein Sofa in der Komfortzone: Was Self-Care nicht ist

Können wir zu viel Self-Care betreiben? Wenn wir richtig verstehen, worum es geht, ver­mutlich nicht. Ich behaupte aber, dass wir „Self-Care“Ich setze den Begriff hier in Anführungszeichen, weil es streng genommen keine Selbstfürsorge mehr ist, wenn sie meiner Entwicklung entgegensteht. vor uns selbst als Vorwand verwenden können, um uns vor unbe­quemen Aufgaben zu drücken. Oder vor anstehenden Entwicklungs­schritten, vor denen wir Respekt haben. Ein Freund von mir sagte einmal: „Die Komfortzone heißt so, weil es da schön ist. Wieso soll ich mich da raus bewegen?“ Natürlich kannst du tagelang auf dem Sofa in deiner Komfortzone sitzen bleiben, Netflix leergucken und das als Self-Care deklarieren. Nach einer anstrengenden Prü­fungs­phase kann es auch völlig legitim und selbstfürsorglich sein, sich mal ein paar Tage oder sogar Wochen dort ein­zu­richten. Aber achte darauf, dass du den Weg zurück in die Aktivität und in die Welt findest. Self-Care ist nicht gleich­be­deu­tend mit Bequemlich­keit oder Rückzug.

Wir können uns, das ist ebenfalls eine Form falsch verstandener Selbstfürsorge, auch in ständige Selbstbeobachtung hineinsteigern und darüber den Kontakt zur Welt verlieren. Achtsam­keit ist aber nicht gleich­zusetzen mit dem Kreisen um sich selbst, Selbstfürsorge ist nicht gleichbe­deutend damit, andere und ihre Bedürfnisse zu übergehen. Die Aufgabe ist viel mehr, ein gutes Maß zu finden, also mir und anderen gegenüber angemes­sen zu handeln.

Self-Care heißt für mich, in mich hineinzuhorchen, herauszufinden, welche Verhaltens­weisen mir schaden, was mir zuträglich ist, wo die Grenzen sind, die ich setzen möchte und auf welche Ressourcen ich bauen kann. Dazu gehört manchmal auch, meine Schattenseiten an­zu­sehen, die unbequemen Wahrheiten, Ängste und Glaubenssätze. Vielleicht entscheide ich mich dann, mich mit die­sen Anteilen von mir zu versöhnen. Vielleicht bewege ich sie aber auch liebevoll dazu, sich zu ändern oder Platz für etwas anderes zu machen. Self-Care, Achtsamkeit mir selbst gegenüber, dient dazu, mich besser kennenzulernen. Dieser Prozess ist nie ab­ge­schlossen, schließ­lich ändere ich mich ständig, aber das zu akzeptieren gehört dazu.

Auf dieser Grundlage kann ich mich trauen, in den vollen Kontakt zur Welt und zu anderen Men­schen zu gehen. Entwicklung benötigt eben manchmal auch Herausforderung.