Birgit Weitemeyer Recht der Non-Profit-Organisationen Licensed under CC-BY-4.0

Skript IX - Gemeinnützigkeitssteuerrecht II

Das Skript behandelt die Anforderungen an den steuerbegünstigten Zweck und die Art seiner Verwirklichung sowie die Grenzen der wirtschaftlichen Betätigung von steuerbegünstigten Körperschaften.

Steuerbegünstigte Zwecke

Systematik

Arten der steuerbegünstigten Zwecke

Eine Körperschaft muss, um in den Genuss der steuerrechtlichen Privilegierungen zu kommen, gemeinnützige (§ 52 AO), mildtätige (§ 53 AO) oder kirchliche (§ 54 AO) Zwecke verfolgen (§ 51 Abs. 1 S. 1 AO). Auch wenn gemeinnützige Zwecke damit nur einen Unterfall der steuerbegünstigten Zwecke bilden, werden die steuerbegünstigten Zwecke in der Praxis auch allgemein als “gemeinnützige Zwecke” oder steuerbegünstigte Körperschaften als “gemeinnützige” Körperschaften bezeichnet.

Mildtätig ist eine Körperschaft, wenn sie Personen selbstlos unterstützt, die infolge ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustands (§ 53 Nr. 1 AO) oder in finanzieller Hinsicht (§ 53 Nr. 2 AO) hilfsbedürftig sind. Anders als bei der Förderung gemeinnütziger Zwecke können mildtätige Organisationen auch nur einen abgeschlossenen Personenkreis begünstigen. Die ausschließliche Versorgung von Mitgliedern einer Familie wird aber regelmäßig nicht steuerbegünstigt sein, weil sie nicht selbstlos erfolgt (siehe noch unten).AEAO zu § 53 AO Rn. 3; Unger in HHSp, § 53 AO Rn. 10 f.

Kirchliche Zwecke werden nur verfolgt, wenn eine der Religionsgemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, selbstlos gefördert werden (§ 54 Abs. 1 AO). Bei Religionsgemeinschaften, die nicht Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, kann eine gemeinnützige Tätigkeit wegen Förderung der Religion (§ 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO) in Betracht kommen.

Gemeinnützig (im engeren Sinne) ist die Tätigkeit der Körperschaft, wenn sie die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos fördert (§ 52 Abs. 1 S. 1 AO; dazu noch sogleich).

Zweck und Zweckverwirklichung

Von den verfolgten Zwecken ist die Art der Zweckverwirklichung zu unterscheiden (vgl. auch § 60 Abs. 1 S. 1 AO). Zweckverwirklichung meint die konkrete Tätigkeit bzw. die Betätigungsfelder der Körperschaft. Diese können neben ideellen Tätigkeiten auch Zweckbetriebe und wirtschaftliche Geschäftsbetriebe umfassen.

Mildtätige Zwecke können beispielsweise durch den Betrieb von Altenheimen, Tafeln, Werkstätten für Behinderte oder eine Telefonseelsorge verwirklicht werden.Für weitere Beispiele Erdbrügger in: BeckOK AO, § 53 Rn. 81 ff. Klassische Beispiele für die Verwirklichung kirchlicher Zwecke sind die Verkündigung im In- und Ausland, die Organisation und Durchführung kirchlicher Seelsorge und die Veranstaltung von Kirchentagen.Im Einzelnen Jachmann/Unger in: Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 54 AO Rn. 26 ff. Wissenschaftliche Zwecke (§ 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO) werden beispielsweise durch den Betrieb einer Hochschule verwirklicht usw.

Die Differenzierung zwischen dem Zweck und der Zweckverwirklichung wirkt sich insbesondere bei Stiftungen aus, weil eine Änderung des Zwecks eingeschränkten Voraussetzungen unterliegt (siehe Skript Stiftungsrecht).

Verankerung in der Satzung der Körperschaft

Der von der Körperschaft verfolgte Zweck muss nach §§ 59 Hs. 1, 60 Abs. 1 S. 1 AO in der Satzung genannt werden. Für die Bezeichnung des Zwecks gilt das Bestimmtheitsgebot des § 60 Abs. 1 S. 1 AO, d.h. die Zweckbestimmung muss so genau gefasst werden, dass die Finanzverwaltung überprüfen kann, ob die satzungsmäßigen Voraussetzungen für Steuerbegünstigungen gegeben sind. Es reicht zwar aus, wenn sich die satzungsmäßigen Voraussetzungen aufgrund einer Auslegung der gesamten Satzungsbestimmungen ergeben.Vgl. nur BFH v. 1.2.2022 – V R 1/20, BStBl II 2022, 629, Rz. 29; in diesem Sinne auch AEAO zu § 60 AO Rz. 1 S. 1: “Die Satzung muss so präzise gefasst sein […]“ Verbleibende Unklarheiten bei der Auslegung gehen aber zulasten der Körperschaft,Vgl. nur BFH v. 1.2.2022 – V R 1/20, BStBl II 2022, 629, Rz. 29; BFH v. 7.2.2018 – V B 119/17, BFH/NV 2018, 544, Rz. 8. sodass der konkret verfolgte Zweck so präzise wie möglich bezeichnet werden sollte. Es genügt weder die pauschale Angabe, dass steuerbegünstigte Zwecke im Sinne der §§ 52-54 AO verfolgt werden, noch eine floskelhafte Wiederholung der vollständigen gesetzlichen Definitionen der §§ 52-54 AO.Vgl. z.B. FG Rheinland-Pfalz v. 11.10.1993 – 5 K 1341/92, EFG 1994, 594; ausreichend dürfte aber angesichts der Formulierungen in der Mustersatzung in Anlage 1 zu § 60 AO die Bezeichnung eines konkreten Zwecks aus den §§ 52-54 AO unter Wiederholung des spezifischen Gesetzeswortlauts sein; ebenso Jachmann/Unger in Gosch, § 60 AO Rz. 10 m.w.N. Besonderer Konkretisierungsbedarf besteht bei Zwecken, die auch nicht gemeinnützige Bestrebungen enthalten können.BFH v. 15.11.2017 – I R 39/15, BFH/NV 2018, 611, Rz. 23; Beispiele aus der Rechtsprechung bei Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, 5. Auflage 2021, Rz. 4.195.  Bei Körperschaften mit Sitz im Ausland wird man zwar schon wegen der sprachlichen Unterschiede eine großzügige Auslegung der ausländischen Satzung fordern müssen. Auch hier bleibt es aber dabei, dass alle nach deutschem Recht erforderlichen Bestimmungen sich hinreichend klar aus der Satzung ergeben müssen.Vgl. nur BFH v. 18.8.2022 – V R 15/20, BStBl. II 2023, 302, Rz. 16.

Die Satzung muss alle tatsächlich verfolgten Zwecke nennen, weil andernfalls die tatsächliche Geschäftsführung nicht der Satzung entspricht (§§ 59 Hs. 2, 63 AO).Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, 5. Auflage 2021, Rz. 4.189; Seer in Tipke/Kruse, § 60 Rz. 1 Die erforderliche Übereinstimmung zwischen Satzung und tatsächlicher Geschäftsführung sowie das Gebot der gegenwartsnahen Verwirklichung gemeinnütziger ZweckeVgl. dazu nur BFH v. 23.7.2003 – I R 29/02, BStBl II 2003, 930, Rz. 18; Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, 5. Auflage 2021, Rz. 4.165 ff. m.w.N. schränkt auch die Möglichkeit ein, tatsächlich nicht verfolgte Zwecke in die Satzung aufzunehmen (sog. Vorratszwecke): Die Körperschaft muss sich zumindest ernsthaft um eine zeitnahe Verwirklichung der in ihrer Satzung aufgenommenen Zwecke bemühen.Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, 5. Auflage 2021, Rz. 4.169; 4. 189; Seer in Tipke/Kruse, § 60 Rz. 1 (Stand: April 2020).

Die Satzung muss nach § 60 Abs. 1 S. 1 AO weiterhin Angaben zur Art der Zweckverwirklichung enthalten, die der Finanzverwaltung ermöglichen, die satzungsmäßigen Voraussetzungen für Steuerbegünstigungen zu überprüfen. Auch wenn das Bestimmtheitsgebot des § 60 Abs. 1 S. 1 AO für Zweckbestimmung und Art der Zweckverwirklichung gleichermaßen gilt, bestehen bei der satzungsmäßigen Verankerung der Art der Zweckverwirklichung geringere Anforderungen:Ebenso Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, 5. Auflage 2021, Rz. 4.196; Jachmann/Unger in Gosch, § 60 AO Rz. 15. Es genügt eine beispielhafte Aufzählung (“insbesondere durch...”) aus der zum einen hervorgeht, wie der Zweck im Wesentlichen verwirklicht werden soll, und zum anderen, dass auch nicht explizit genannte Zweckverwirklichungen zulässig sind. Auch die Mustersatzung sieht eine entsprechende Formulierung vor.

Insbesondere: gemeinnützige Zwecke

Allgemeine Anforderungen

Das Gesetz konkretisiert die allgemeine Definition gemeinnütziger Zwecke durch einen grundsätzlich abschließenden Katalog von Einzelzwecken (§ 52 Abs. 2 S. 1 AO; dazu sogleich) und eine Öffnungsklausel (§ 52 Abs. 2 S. 2, 3 AO): Auch wenn der von der Körperschaft verfolgte Zweck nicht unter die ausdrücklich genannten Zwecke fällt, kann er von der Finanzverwaltung für gemeinnützig erklärt werden, wenn er die Allgemeinheit in entsprechender Weise fördert. Allerdings ist der bestehende Ermessensspielraum der Finanzverwaltung insoweit eng auszulegen, um die Wertungsentscheidung des Gesetzgebers für die Bestimmung bestimmter förderungswürdiger Zwecke in § 52 Abs. 2 S. 1 AO nicht zu unterlaufen. Die in der Praxis seltene Anerkennung katalogfremder Zwecke kommt daher nur bei Härtefällen in Betracht, die sämtliche Förderziele eines der genannten Zwecke erfüllen.Jachmann in: Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 52 Rn. 127 f.

Sowohl die ausdrücklich genannten Zwecke als auch im Einzelfall für gleichwertig erklärte Zwecke sind nur dann gemeinnützig, wenn durch sie die Allgemeinheit gefördert wird. Eine Förderung der Allgemeinheit ist dann nicht gegeben, wenn der Kreis der Personen, dem die Förderung zugutekommt, fest abgeschlossen ist oder auf Dauer nur klein sein kann (§ 52 Abs. 1 S. 2 AO). Das Gesetz nennt als Regelbeispiele, bei denen eine Förderung der Allgemeinheit fehlt, die Förderung von Angehörigen einer Familie oder Zugehörigen eines Betriebs. Wichtig ist folgende Differenzierung: Die Gesellschafter oder Mitglieder der Körperschaft können sich aus einem abgeschlossenen Kreis zusammensetzen, wenn der Zweck der Körperschaft nicht nur auf die Förderung der Mitglieder gerichtet ist, sondern vielmehr außenstehende Personen begünstigt werden. Ist die Körperschaft hingegen ausschließlich mitgliedernützig, muss die Mitgliedschaft der Allgemeinheit offen stehen (z.B. bei einem Sportverein, der nur Mitgliedern eine Teilnahme an seinen Veranstaltungen gestattet). Gemeinnützigkeitsrechtlich problematisch sind bei mitgliedernützigen Körperschaften dann Zugangsbeschränkungen, die nicht aus der Natur des verfolgten Zwecks sachlich gerechtfertigt werden können. Dazu ein

Beispiel: Die traditionellen Freimaurerlogen verfolgen als satzungsmäßige Zwecke die Förderung der Religion. Dieser Zweck wird im Wesentlichen durch die rituellen Arbeiten und die Pflege der freimaurerischen Traditionen im Kreis der Mitglieder verwirklicht. Von der Mitgliedschaft sind Frauen generell ausgeschlossen. Ist dies nur chauvinistisch oder schon ein Verstoß gegen die Gemeinnützigkeit?

Damit der verfolgte Zweck der Freimaurerloge als gemeinnützig anerkannt wird, muss dieser darauf gerichtet sein die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern, § 52 Abs. 1 S. 1 AO. Die Freimaurerlogen wirken im Wesentlichen zugunsten ihrer Mitglieder. Dementsprechend kommt es darauf an, ob die Mitgliedschaft in den Logen der Allgemeinheit offen steht. Das Tatbestandsmerkmal der Allgemeinheit ist ein auslegungsbedürftiger unbestimmter Rechtsbegriff. Dieser Auslegung liegt insbesondere die objektive Werteordnung zugrunde, die in den Art. 1 bis Art. 19 des GG zum Ausdruck kommen. Insbesondere zu beachten ist dabei der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) bzw. das Verbot der Diskriminierung zwischen den Geschlechtern (Art. 3 Abs. 3 GG). Ein Verein, der Frauen die Mitgliedschaft und die Teilnahme an Tätigkeiten im Rahmen seines wesentlichen Satzungszwecks versagt, kann nicht als gemeinnützig anerkannt werden, wenn für diese Diskriminierungen keine zwingenden Gründe vorgetragen werden können. Die Freimaurerloge schließt Frauen aus, ohne dafür einen sachlichen Grund, der den Ausschluss zwingend erforderlich macht, zu haben. Nach der überzeugenden Entscheidung des BFH fördert sie daher nicht die Allgemeinheit und verfolgt damit keine gemeinnützigen Zwecke (BFH v. 17.5.2017, V R 52/15).

Das Urteil des BFH hat (auch wegen eines entsprechenden Hinweises in der Pressemitteilung des Gerichts) zu großer Unruhe bei Gesangs-, Schützen- und geschlechtergetrennten Sportvereinen geführt. Hier lassen sich allerdings vielfach durchaus sachliche Gründe für eine Differenzierung finden.siehe im Einzelnen Weitemeyer/Wrede, npoR 2018, 3.

Beispiel: Eine Körperschaft schließt mit verschiedenen Unternehmen Verträge über die Errichtung und den Betrieb von Kinderbetreuungseinrichtungen. Diese Verträge sehen vor, dass die Plätze in den Einrichtungen primär an Personen bzw. deren Kinder vergeben werden, die in diesen Unternehmen beschäftigt sind. Andere Personen können einen Betreuungsplatz (nur) in Anspruch nehmen, wenn die Unternehmen aus ihrer Belegschaft keinen Bedarf haben oder wenn die Plätze unbelegt bleiben. Tatsächlich bleiben nach Versorgung der Belegschaften der Unternehmen nur noch wenige Plätze für andere Kinder frei. Verfolgt die Körperschaft damit einen gemeinnützigen Zweck iSd § 52 AO?

  • Ja, die Gruppe der Personen, denen ein Platz in den Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden kann, ist nicht fest abgeschlossen. Es besteht die Öffnung gegenüber Personen, die nicht Teil der Belegschaft eines der Unternehmen sind. Damit wird auch weiterhin iSd § 52 Abs. 1 S. 1 AO die Allgemeinheit gefördert.
  • Ja, die Körperschaft erfüllt die Förderung der Jugendhilfe und die Erziehung gem. § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 bzw. Nr. 7 AO und verfolgt damit einen gemeinnützigen Zweck.
  • Nein, die Körperschaft verfolgt von Anfang an schon nicht den Zweck die Allgemeinheit iSd § 52 Abs. 1 S. 1 AO zu fördern.
  • Nein, da die Belegschaft eines Unternehmens gefördert wird scheidet eine Förderung der Allgemeinheit nach § 52 Abs. 1 S. 2 AO aus.

Damit eine Körperschaft im Sinne des § 52 AO einen gemeinnützigen Zweck verfolgt muss ihre Tätigkeit darauf gerichtet sein, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern (§ 52 Abs. 1 S. 1 AO). Dafür reicht es ausweislich § 52 Abs. 2 AO nicht aus lediglich einen der dort genannten Zwecke zu verfolgen (“unter den Voraussetzungen des Abs. 1”). Damit die Förderung der Allgemeinheit vorliegt ist es jedoch auch nicht grundsätzlich schädlich (auch) die Belegschaft eines Unternehmens (siehe § 52 Abs. 1 S. 2 a.E. AO) zu fördern. Damit jedoch weiterhin eine Förderung der Allgemeinheit vorliegt reicht es wiederum nicht aus (nur) die Restplätze, soweit sie nicht von den Betrieben gebraucht werden, auch außerhalb des fest abgesteckten Personenkreises zu verteilen. Liegt keine feste “Restplatzquote” vor, die an Kinder außerhalb dieses Personenkreises vergeben wird, ist der durch die Körperschaft verfolgte Zweck von Anfang an nicht darauf gerichtet die Allgemeinheit zu fördern.Siehe: BFH Urt. v. 1.2.2022, V R 1/20.

Einzelne gemeinnützige Zwecke

Der Katalog des § 52 Abs. 2 S. 1 AO enthält einerseits einen Kernbestand an Zwecken, der fast weltweit als gemeinnützig anerkannt ist. In den 26 Einzelnummern finden sich aber auch teilweise schwer verständliche Konzessionen an gesellschaftliche Sonderinteressen (Amateurfunk, Modellflug, Hundesport). Die Zweckbegriffe sind nur in Einzelfällen legaldefiniert. Regelmäßig ist eine Auslegung anhand des Wortlauts, ggfs. auch mit systematischem Bezug zu anderen einfachgesetzlichen Regelungen im Steuer- oder Sozialrecht oder verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen wie dem Grundrechtekatalog geboten.

So lässt sich die Förderung von Wissenschaft und Forschung (§ 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO) anhand der verfassungsrechtlichen Wertungen der Wissenschaftsfreiheit konkretisieren: Wissenschaft ist alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist.BVerfG 29.5.1973 - 1 BvR 424/71, 1 BvR 325/72, BVerfGE 35, 79 (113); BVerfG v. 1.3.1978 - 1 BvR 333/75, BVerfGE 47, 327 Forschung ist die systematische Suche nach Neuem mit wissenschaftlichen Methoden. Der Wissenschaft und Forschung dienen vor allem die Forschung und Lehre an wissenschaftlichen Hochschulen (Universitäten und Fachhochschulen). Auch die finanzielle Unterstützung von Wissenschaftlern und Forschungseinrichtungen, beispielsweise durch Drittmittel, Stipendien,oder Druckkostenzuschüsse fällt unter § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO.

Für die Begriffe der Jugend- und Altenhilfe (§ 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 AO) bietet sich eine Orientierung am sozialrechtlichen Begriffsverständnis an (vgl. z.B. § 2 Abs. 2 SGB VIII, § 71 Abs. 1, 2 SGB XII). Umfasst sind insbesondere die Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit, die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und Tagespflege.

Die Begriffe der Kunst und Kultur (§ 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 AO) werden im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Kunstfreiheit weit ausgelegt. Kunst zeichnet sich aus durch „die freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden“.Vgl. nur BVerfG v. 24.2.1971 - 1 BvR 435/68, BVerfGE 30, 173, 188 f. Ein bestimmtes Kunstniveau wird nicht vorausgesetzt.

Die Begriffe der Bildung und Erziehung (§ 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 AO) gehen ineinander über, wobei Bildung auch die Erwachsenenbildung umfasst. Bildung wird begriffen als Vermehrung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Einzelnen und von gemeinnützigen Organisationen häufig in Verbindung mit einem anderen gemeinnützigen Zweck verwirklicht (z.B. Bildung zu Themen des Umweltschutzes).

Die Förderung von Natur- und Umweltschutz sowie Landschaftspflege (§ 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 8 AO) ist mit Blick auf die ausdrücklich genannten einfachgesetzlichen Bestimmungen im Bundesnaturschutzgesetz und den Naturschutzgesetzen der Länder sowie der Staatszielbestimmung des Art. 20a GG auszulegen. Durch das Jahressteuergesetz 2020 wurde ausdrücklich der Klimaschutz als Teil des Naturschutzes hervorgehoben.BT-Drucks. 19/25160, S. 200; zuvor schon BFH-Urteil v. 20.3.2017 - X R 13/15, BStBl. II 2017, 1110, 1116.

In § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 10 AO ist die Hilfe für bestimmte Gruppen von Verfolgten und Vertriebenen zusammengefasst. Im Kontext von akuten Notlagen erlaubt die Finanzverwaltung regelmäßig im Wege von Billigkeitsmaßnahmen auch anderen gemeinnützigen Organisationen die Unterstützung dieser Gruppen.Vgl. z.B. BMF v. 20.11.2014, BStBl. I 2014, 1613; BMF v. 22.9.2015, BStBl. I 2015, 745; BMF v. 9.2.2016, BStBl. I 2016, 223; dazu näher Graffe, Non Profit Law Yearbook 2015/2016, 141 (150 ff.).

Die Entwicklungszusammenarbeit (§ 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 15 AO) umfasst alle Übertragungen von Kapital und Wissen in Entwicklungsländer. Anhaltspunkt für die Einstufung eines Landes als Entwicklungsland kann die Aufnahme in die vom OECD-Ausschuss für Entwicklungshilfe regelmäßig aktualisierte LänderlisteAbrufbar unter www.oecd.org/dac/financing-sustainable-development/development-finance-standards/daclist.htm. sein.Vgl. auch die nicht mehr aktualisierte Liste in § 6 Abs. 1 Entwicklungsländer-Steuergesetz.

Wesentliches Merkmal des Sports (§ 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 21 AO) ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs die körperliche Ertüchtigung. Erforderlich ist aber nur eine „körperliche, über das ansonsten übliche Maß hinausgehende Aktivität, die durch äußerlich zu beobachtende Anstrengungen oder durch die einem persönlichen Können zurechenbare Kunstbewegung gekennzeichnet ist.“BFH v. 29.10.1997 - I R 13/97, BStBl. II 1998, 9; ebenso BFH v. 17.2.2000 - I R 108/98, BFH/NV 2000, 1071. Auch wenn eine Betätigung als Sport in diesem Sinne zu begreifen ist, kann eine gemeinnützige Tätigkeit daran scheitern, dass nicht die Allgemeinheit gefördert wird. Dies betrifft zum einen mitgliedernützige Vereine, die nicht hinreichend für neue Mitglieder geöffnet sind. Zum anderen wird im Einzelfall bei wettkampfmäßigen Kriegsspielen (z.B. Paintball, Gotcha) eine nicht förderungswürdige Tätigkeit angenommen.AEAO zu § 52 AO Nr. 6; vgl. zur Abgrenzung BFH v. 27.9.2018 - V R 48/16, BStBl. II 2019, 790.

Die Förderung des demokratischen Staatswesens (§ 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 24 AO) setzt die objektive und neutrale Auseinandersetzung mit den demokratischen Grundprinzipien voraus.BFH v. 23.9.1999 - XI R 63/98, BStBl. II 2000, 200 (202). Explizit ausgeschlossen ist die Förderung von Einzelinteressen (§ 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 24 AO) oder einzelnen politischen Parteien (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 AO). Eng verbunden mit der Förderung des demokratischen Staatswesens ist die politische Bildungsarbeit, die auch von § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 AO erfasst wird. Im Rahmen dieser Bildungsarbeit ist es unschädlich, wenn eine Körperschaft gelegentlich zu tagespolitischen Themen Stellung nimmt, solange nicht die politische Einflussnahme im Zentrum der Tätigkeit steht.BFH v. 10.1.2019 - V R 60/17, BStBl. II 2019, 301.

Der deutsche Trägerverein von Attac verfolgt nach seiner Satzung die Ziele „Förderung von (Volks-)Bildung, Wissenschaft und Forschung, die Förderung des Schutzes der Umwelt und des Gemeinwesens, der Demokratie und der Solidarität unter besonderer Berücksichtigung der ökonomischen und gesellschaftlichen Auswirkungen der Globalisierung“. Ferner fördert er die Völkerverständigung und den Frieden. Das Attac-Netzwerk beschäftigte sich in den Jahren 2010 bis 2012 öffentlichkeitswirksam mit zahlreichen politischen Themen und brachte vielfach eigene Gestaltungsvorschläge in die politische Diskussion ein (z.B. im Zusammenhang mit der Finanz- und Wirtschaftskrise, der Besteuerung von Finanzmärkten, der Umverteilung von Reichtum, einer Finanztransaktionssteuer, Steuern gegen Armut, Spekulation mit Lebensmitteln, Blockupy, Regulierung der Finanzmärkte, der Einführung einer Vermögensteuer, einer Reform der Erbschaftsteuer, Steueroasen, Stuttgart 21 oder der Einführung einer 30-Stunden-Woche). Liegt noch eine gemeinnützige Tätigkeit vor?

Der BundesfinanzhofBFH v. 10.1.2019 - V R 60/17, BStBl. II 2019, 301 hat angenommen, dass die Grenzen einer zulässigen Stellungnahme zu tagespolitischen Themen überschritten wurden. Attac sei es nicht nur um die Vermittlung von Kenntnissen zu bestimmten Themen gegangen, sondern vielmehr darum, eigene Vorstellungen zu tagespolitischen Themen öffentlichkeitswirksam darzustellen und durchzusetzen. Dies zeige sich insbesondere an den konkreten (Gegen-)Vorschlägen, die von Attac entwickelt und öffentlichkeitswirksam vertreten wurden. Die Einflussnahme auf die politische Willensbildung und auf die öffentliche Meinung stehe damit im Zentrum der Tätigkeit und die von Attac vermittelte Bildung erfolge nicht mit der hinreichenden Offenheit gegenüber anderen Vorstellungen.

Steuerbegünstigte Zweckverwirklichung

Überblick und satzungsmäßige Verankerung

Eine steuerbegünstigte Körperschaft muss nicht nur einen steuerbegünstigten Zweck verfolgen, sondern dabei auch auf eine bestimmte Art und Weise handeln. Das Gesetz nennt die Grundprinzipien bzw. Grundsätze der Selbstlosigkeit (§ 55 AO), Ausschließlichkeit (§ 56 AO) und der Unmittelbarkeit (§ 57 AO). Die Selbstlosigkeit umfasst insbesondere das Gebot der zeitnahen Mittelverwendung (§ 55 Abs. 1 Nr. 5 AO), das zum Teil auch als eigenständiger Grundsatz begriffen wird. Die Grundsätze sind nicht ausnahmslos verwirklicht; vor allem § 58 AO nennt verschiedene Durchbrechungen.

Die Grundsätze müssen nicht nur in der tatsächlichen Geschäftsführung beachtet werden (§ 63 Abs. 1 AO), sondern stets auch in der Satzung der Körperschaft verankert sein. Dies ergibt sich für die Grundsätze der Selbstlosigkeit, Ausschließlichkeit und Unmittelbarkeit aus § 59 Hs. 1 AO. Der Bundesfinanzhof geht davon aus, dass auch für diese Grundsätze das satzungsmäßige Bestimmtheitsgebot des § 60 Abs. 1 S. 1 AO greift.Ausdrücklich z.B. BFH v. 7.2.2018 – V B 119/17, BFH/NV 2018, 544, Rz. 8; vgl. auch BFH v. 24.3.2021 – V R 35/18, BStBl II 2021, 657, Rz. 35 ff. Detailliert geregelt werden muss zudem die gemeinnützige Vermögensbindung (§§ 55 Abs. 1 Nr. 4, 61 AO) als spezielle Ausprägung des Grundsatzes der Selbstlosigkeit. Ebenso wie bei den gemeinnützigen Zwecken muss es auch für die Verankerung der Grundsätze und der Vermögensbindung genügen, wenn sich die Festlegungen durch Auslegung zweifelsfrei aus der Satzung ergeben.Vgl. zur Vermögensbindung nur BFH v. 7.2.2018 – V B 119/17, BFH/NV 2018, 544, Rz. 8; BFH v. 12.1.2011 – I R 91/09, BFH/NV 2011, 1111, Rz. 12; teilweise wird die ausdrückliche Nennung der Begriffe "ausschließlich" und "unmittelbar" gefordert; vgl. z.B. Jachmann/Unger in Gosch, § 60 AO Rz. 24 (Stand: Februar 2010); wohl auch Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 60 Rz. 8 (Stand: April 2020), vgl. aber § 60 Rz. 5; als gesetzgeberische Intention, aber m.E. ohne inhaltliche Positionierung auch wiedergegeben von BFH v. 23.7.2009 – V R 20/08, BStBl II 2010, 719, Rz. 17.

Selbstlosigkeit, § 55 AO

Kirchliche, mildtätige oder gemeinnützige Zwecke müssen selbstlos verfolgt werden, d.h. die Körperschaft darf nicht primär eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgen und ihre Tätigkeit darf nicht den Interessen der Mitglieder oder Gesellschafter dienen.

Selbstlosigkeit im engeren Sinne (§ 55 Abs. 1 Hs. 1 AO)

Selbstlos ist eine Tätigkeit zunächst nach § 55 Abs. 1 Hs. 1 AO, wenn dadurch nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt werden (Selbstlosigkeit im engeren Sinne). Früher leitete insbesondere die Finanzverwaltung aus dieser Vorgabe ab, dass die Körperschaft selbst nicht durch ihre wirtschaftliche Tätigkeit geprägt sein dürfe (“Geprägetheorie”).Vgl. zur Rechtsentwicklung nur Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, 5. Aufl. 2021, Rn. 4.142 ff. Heute entspricht es allgemeiner Ansicht, dass insoweit allein der Grundsatz der Ausschließlichkeit maßgeblich ist (siehe dazu unter III.).Deutlich zuletzt BFH v. 4.3.2020 - I B 57/18, BFH/NV 2020, 1236, Rn. 17 m.w.N. Eigenwirtschaftliche Zwecke im Sinne von § 55 Abs. 1 Hs. 1 AO meint vielmehr unmittelbare oder mittelbare wirtschaftliche Vorteile der Mitglieder oder Gesellschafter der Körperschaft.BFH v. 22.8.2019 - V R 67/16, BStBl. II 2020, 40, Rn. 25 m.w.N.; Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, 5. Aufl. 2021, Rn. 4.128 ff.; Maciejewski, npoR 2021, 69, 71. Solche Vorteile sind nicht per se ausgeschlossen, sondern die Tätigkeit der Körperschaft darf nur nicht “in erster Linie” auf die Erzielung dieser Vorteile gerichtet sein. Erforderlich ist insoweit eine objektive Abwägung zwischen der Förderung der Allgemeinheit und der Förderung der Mitgliederinteressen.In der Obersatzbildung, nicht aber in der Subsumtion auch mit subjektiven Kriterien BFH v. 22.8.2019 - V R 67/16, BStBl. II 2020, 40, Rn. 26 f. m.w.N.; kritisch dazu Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, 5. Aufl. 2021, Rn. 4.132 f.; vgl. auch Maciejewski, npoR 2021, 69, 71 f. Zu berücksichtigen sind dabei aber auch die Wertungen aus den spezialgesetzlichen Regelungen in § 55 Abs. 1 Hs. 2 Nr. 1-5 AO)

Beispiel:Vgl. Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, 5. Aufl. 2021, Rn. 4.121; Bühring, DStZ-A 1958, 305, 306. Eine Gruppe von Schauspielern gründet eine gemeinnützige GmbH. Die gGmbH verfolgt ausschließlich kulturelle Zwecke und verwirklicht diese durch den Betrieb eines Theaters. Als Schauspieler am Theater treten neben externen Kulturschaffenden auch die Gesellschafter auf. Die GmbH schließt mit allen Schauspielern Verträge zu fremdüblichen Bedingungen ab. Liegt eine selbstlose Tätigkeit der Körperschaft vor?

Die Tätigkeit der GmbH verschafft den Gesellschaftern die Möglichkeit einer bezahlten Beschäftigung. Allerdings zeigt § 55 Abs. 1 Hs. 2 Nr. 3 AO, dass nicht jede Vergütung einen eigenwirtschaftlichen Vorteil darstellen kann. Denn § 55 Abs. 1 Hs. 2 Nr. 3 AO untersagt nur eine Begünstigung anderer Personen durch “unverhältnismäßig hohe Vergütungen”. Fremdübliche Vergütungen dürfen auch durch gemeinnützige Körperschaften gezahlt werden. Das Gesetz differenziert insoweit auch nicht zwischen Vergütungen an Gesellschafter und an andere Personen. Allenfalls könnte man in der bloßen Verschaffung einer Arbeitsmöglichkeit einen eigenwirtschaftlichen Vorteil sehen. Selbst dann müsste dieser Vorteil der Mitglieder aber mit der Förderung der Allgemeinheit abgewogen werden: Die Beschäftigung der Gesellschafter dient unmittelbar der Verwirklichung der kulturellen Zwecke und die GmbH beschäftigt neben den Gesellschaftern auch externe Schauspieler. Dies spricht dagegen, eine in erster Linie eigenwirtschaftliche Tätigkeit anzunehmen.

Spezielle Ausprägungen (§ 55 Abs. 1 Hs. 2 Nr. 1-5)

In § 55 Abs. 1 Hs. 2 Nr. 1-5 AO konkretisiert der Gesetzgeber das Gebot der Selbstlosigkeit für bestimmte Konfliktsituation.

Zentral ist das Verbot, die Mitglieder oder Gesellschafter an den Gewinnen der Körperschaft zu beteiligen. Die Mitglieder dürfen bei ihrem Ausscheiden oder bei der Auflösung der Körperschaft maximal die von ihnen geleisteten Einlagen zurückerhalten (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 AO). Gewinne der Körperschaft dürfen nicht an sie ausgeschüttet werden (§ 55 Abs. 1 Hs. 2 Nr. 1 S. 2 AO). Zu den verbotenene Gewinnausschüttungen zählen auch verdeckte Gewinnausschüttungen, d.h. die Weitergabe von wirtschaftlichen Vorteilen an die Gesellschafter oder ihnen nahe stehende Personen im Rahmen einer zusätzlichen schuldrechtlichen Vereinbarung. Das bedeutet nicht, dass die Gesellschafter keine entgeltlichen schuldrechtlichen Verträge mit der Körperschaft abschließen dürfen. Diese Verträge müssen aber einem Fremdvergleich standhalten. Diesen Maßstab erstreckt § 55 Abs. 1 Nr. 3 AO auch auf die Beziehung zu anderen Personen: Die Körperschaft darf niemanden durch zweckfremde Ausgaben oder unangemessen hohe Vergütungen begünstigen.Zur Angemessenheit von Geschäftsführervergütungen BFH v. 12.3.2020 - V R 5/17, BStBl. II 2021, 55, Rn. 39 ff.; insoweit kommt es nicht nur auf den Vergleich zu anderen gemeinnützigen, sondern auch zu gewinnorientierten Arbeitgebern an, da alle um dieselben Arbeitnehmer konkurrieren. Die Verbote der Begünstigung von Gesellschaftern oder Dritten sichern ab, dass die Mittel der Körperschaft ausschließlich für die Verwirklichung der gemeinnützigen Zwecke verwendet werden (ausdrücklich als Vorgabe formuliert in § 55 Abs. 1 Hs. 2 Nr. 1 AO).

Wann liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz der Selbstlosigkeit vor?

  • Gesellschafter A gewährt einer gemeinnützigen Körperschaft ein Darlehen, das mit einem Zinssatz deutlich über dem Marktzins verzinst ist
  • Gesellschafter B mietet von einer gemeinnützigen Körperschaft ein Grundstück zu einem Mietzins deutlich unterhalb der Marktmiete
  • Der Geschäftsführer einer gemeinnützigen GmbH erhält eine Vergütung, die deutlich oberhalb der Vergütung von Geschäftsführern vergleichbarer gewinnorientierter Konkurrenzunternehmen liegt.

Nach § 55 Abs. 1 Hs. 2 Nr. 1 S. 2 AO dürfen an Gesellschafter keine Gewinne ausgeschüttet werden. Untersagt sind auch verdeckte Gewinnausschüttungen durch fremdunübliche Vergütungen für sonstige Leistungen. Solche liegen hier in dem zu hoch vergüteten Darlehen des Gesellschafters A und dem zu günstig an Gesellschafter B vermieteten Grundstück vor. Nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 AO dürfen auch dritte Personen, hier der Geschäftsführer, nicht durch unangemessen hohe Vergütungen begünstigt werden.

Das Gebot der ausschließlichen Mittelverwendung für gemeinnützige Zwecke greift nach § 55 Abs. 1 Hs. 2 Nr. 4 AO auch bei der Auflösung der Körperschaft: Sämtliches Vermögen, das über die von den Gesellschaftern geleisteten Einlagen hinausgeht, muss für gemeinnützige Zwecke verwendet werden oder an eine andere Körperschaft übertragen werden, die gemeinnützige Zwecke verfolgt (Grundsatz der Vermögensbindung). Die Vermögensbindung muss nach § 61 Abs. 1 AO in der Satzung so genau verankert werden, dass allein anhand der Satzung geprüft werden kann, ob der angegebene Zweck steuerbegünstigt ist. Die Mustersatzung schlägt alternativ die Benennung einer konkreten Körperschaft vor.

Insbesondere: Gebot der zeitnahen Mittelverwendung (§ 55 Abs. 1 Hs. 2 Nr. 5 AO)

§ 55 Abs. 1 Nr. 5 AO ergänzt das Gebot der gemeinnützigen Mittelverwendung in zeitlicher Hinsicht: Mittel müssen grundsätzlich zeitnah für die steuerbegünstigten Zwecke eingesetzt werden, dürfen also nicht oder jedenfalls nur in eingeschränktem Maße angespart werden. Der erforderliche zeitliche Zusammenhang ist noch gewahrt, wenn die Mittel spätestens in den auf den Zufluss folgenden zwei Kalender- oder Wirtschaftsjahren verwendet werden. Für kleine steuerbegünstige Körperschaften mit jährlichen Einnahmen von maximal 45.000 € greifen die Vorgaben nicht. Zudem sind bestimmte Mittelzuwendungen nach § 62 Abs. 3 AO ausgenommen, insbesondere Zuwendungen, die nach dem Willen des Zuwendenden ausdrücklich das Vermögen der Körperschaft stärken sollen.

Das Gebot der zeitnahen Mittelverwendung rechtfertigt sich daraus, dass die Steuervorteile nicht das Ansammeln von Vermögen, sondern die Verwirklichung der Zwecke der gemeinnützigen Körperschaft fördern wollen. Anders als bei gewinnorientierten Unternehmen ist bei NPO nicht sichergestellt, dass die Gesellschafter oder Mitglieder auf die tatsächliche Zweckverwirklichung hinwirken, weil sie selbst von zeitnahen Erfolgen nicht profitieren. Dementsprechend bedarf es einer gesetzlichen Pflicht, Mittel auch tatsächlich für die Zwecke der NPO einzusetzen.Die Pflicht ist regelmäßig zugleich eine zivilrechtliche, weil die Satzung der NPO den Vorstand auf die Einhaltung der gemeinnützigkeitssteuerrechtlichen Vorgaben verpflichtet; für Stiftungen ergibt sich ein Admassierungsverbot auch schon aus § 80 Abs. 1 S. 1 BGB; vgl. auch Walz/Fischer, Non Profit Law Yearbook, 2004, S. 159 ff.

Rücklagen und Vermögen dürfen demnach nur in Ausnahmefällen gebildet werden. Hierfür finden sich in § 62 AO detaillierte Vorgaben. Eine Rücklagenbildung kann zulässig sein, wenn durch die Ansammlung von Mitteln die steuerbegünstigten Zwecke überhaupt erst verwirklicht werden können (zweckgebundene Rücklage, § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO). Plant beispielsweise ein Sportverein den Bau einer Turnhalle, können hierfür auch Mittel angespart werden. Einen Sonderfall einer derartigen zweckgebundenen Rücklage bildet die Rücklage zur Wiederbeschaffung von Wirtschaftsgütern, die für die Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke erforderlich sind (§ 62 Abs. 1 Nr. 2 AO). Danach könnte beispielsweise eine gemeinnützige Körperschaft, die Essen auf Rädern anbietet, Rücklagen für den Austausch von Fahrzeugen bilden. Daneben tritt eine freie, aber der Höhe nach beschränkte Rücklage (§ 62 Abs. 1 Nr. 3 AO). Für Stiftungen und für Holdinggesellschaften gibt es weitere Sonderregelungen (§ 62 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 AO).

In welcher dieser Fälle kann eine Rücklage gebildet werden?

  • Ein Sportverein plant zum hundertjährigen Vereinsjubiläum in fünf Jahren ein großes Sportfest
  • Der Vorstand einer Stiftung ist sich bisher nicht darüber einig geworden, welches karitative Projekt als nächstes umgesetzt werden soll
  • Eine gemeinnützige GmbH, die ein Altersheim betreibt, muss in absehbarer Zeit das Dach des Gebäudes erneuern

Das Sportfest dient der Verwirklichung der gemeinnützigen Zwecke, sodass eine zweckgebundene Rücklage gebildet werden kann (§ 62 Abs. 1 Nr. 1 AO). Auch für die Instandsetzung des Gebäudes, das zur Verwirklichung der mildtätigen Zwecke verwendet wird, kann eine (Wiederbeschaffungs-)Rücklage gebildet werden (§ 62 Abs. 1 Nr. 2 AO). Dass noch kein Beschluss über die Mittelverwendung getroffen wurde, rechtfertigt hingegen keine Rücklagenbildung. Vielmehr soll das Gebot zeitnaher Mittel gerade zum tatsächlichen Einsatz der Mittel anhalten.

Über die gesetzlichen Tatbestände des § 62 AO hinaus dürfen im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb Rücklagen gebildet werden, wenn dies bei vernünftiger kaufmännischer Betrachtung wirtschaftlich begründet ist.AEAO zu § 55 Nr. 3 S. 3, Nr. 28 Abs. 2 S. 2 zu § 62 Nr. 1 Abs. 1 S. 1 ff. Anlässe können insbesondere geplante Reinvestitionen im betrieblichen Bereich sein (beispielsweise eine Betriebserweiterung oder Kapazitätsausweitung). Auch im Bereich der Vermögensverwaltung können Rücklagen gebildet werden, um die Substanz des angelegten Vermögens zu erhalten (z.B. Instandhaltung vermieteter Immobilien).AEAO zu § 62 Nr. 1 Abs. 2 S. 1 f. Zudem unterliegen Gewinne aus der Umschichtung von vorhandenem und angelegtem Vermögen (z.B. Kursgewinne beim Verkauf von Aktien oder Gewinne aus dem Verkauf einer vermieteten Immobilie) nicht dem Gebot zeitnaher Mittelverwendung.AEAO zu § 55 Nr. 32 Abs. 1 S. 1.

Ausschließlichkeit (§ 56 AO)

Eine steuerbegünstigte Körperschaft darf ausschließlich ihre steuerbegünstigen Zwecke verfolgen. Werden mehrere Zwecke verfolgt, muss jeder Zweck steuerbegünstigt, also kirchlich, mildtätig oder gemeinnützig sein. Die gleichzeitige Verfolgung steuerbegünstigter und nicht steuerbegünstigter Zwecke ist nicht möglich. Eine solche hybride Zweckverfolgung ist de lege lata nur durch die Einschaltung weiterer Körperschaften möglich (zu Gestaltungsmöglichkeiten und Reformoptionen de lege ferenda schon Skript 1).

Dem Gebot der Ausschließlichkeit steht es nicht entgegen, wenn die steuerbegünstigte Körperschaft einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält oder eigenes Vermögen verwaltet. Die wirtschaftliche Tätigkeit darf nur nicht um ihrer selbst willen ausgeübt werden. Sie muss vielmehr final darauf gerichtet sein, zusätzliche Mittel für die Verwirklichung ihrer steuerbegünstigten Zwecke zu erwirtschaften. Regelmäßig dienen wirtschaftliche Tätigkeiten der Mittelbeschaffung. Nur in Einzelfällen kann bei einer umfassenden Abwägung im Einzelfall davon auszugehen sein, dass die Grenze zu einer wirtschaftlichen Tätigkeit um ihrer selbst willen überschritten ist.

Beispiel: Satzungsmäßiger Gegenstand der Kunst GmbH ist die Förderung von Kunst und Kultur. Ihre Tätigkeit beschränkte sich insoweit auf die Ausrichtung einer einwöchigen Ausstellung pro Jahr. Ihre finanziellen Mittel verwendete die Kunst GmbH im Übrigen dazu, Aktien deutscher Unternehmen von ausländischen Anlegern zeitlich kurz vor und nach dem Dividendenstichtag zu erwerben und zu veräußern oder über den Dividendenstichtag zu leihen, um so die Erstattung der Kapitalertragsteuer auf die Dividende zu ermöglichen(sog. Cum-Cum-Geschäfte). Die Geschäfte fanden das gesamte Jahr über statt, beruhten auf komplexen Vertragswerken und hatten ein Volumen von hohen zweistelligen Millionenbeträgen. Die Kunst GmbH wurde von den beteiligten Banken als professioneller Anleger geführt. Liegt noch eine ausschließliche Tätigkeit zur Förderung gemeinnütziger Zwecke vor?

Das Finanzgericht und der BundesfinanzhofBFH v. 4.3.2020 - I B 57/18, BFH/NV 2020, 1236, Rn. 17 f.; vgl. dazu auch Maciejewski, npoR 2021, 69, 73; gingen von einer wirtschaftlichen Tätigkeit um ihrer selbst willen aus. Die Tätigkeit sei sowohl nach ihrer wirtschaftlichen Bedeutung als auch nach dem zeitlichen und personellen Einsatz primär auf die Durchführung der Wertpapiergeschäfte gerichtet gewesen. Der gemeinnützige Satzungszweck habe demgegenüber nur untergeordnete Bedeutung (und diente hier wohl nur dazu, eine Freistellung von der Kapitalertragsteuer erreichen zu können).

Unmittelbarkeit (§ 57 AO)

Schließlich muss eine steuerbegünstigte Körperschaft ihre kirchlichen, mildtätigen oder gemeinnützigen Zwecken unmittelbar verfolgen. Das heißt, die Körperschaft muss grundsätzlich selbst tätig werden (§ 57 Abs. 1 S. 1 AO). Dabei ist selbstverständlich das Handeln von Organen und verfassungsmäßigen Vertretern der Körperschaft zuzurechnen.

Nach § 57 Abs. 1 S. 2 AO darf die Körperschaft darüber hinaus auch Dritte als Hilfspersonen einsetzen, wenn deren Handeln nach den Umständen des Falls (insbesondere den rechtlichen und tatsächlichen Zwecken) das Wirken der Hilfsperson wie ein eigenes Wirken der Körperschaft anzusehen ist. Erforderlich ist, dass die Hilfsperson planmäßig in die Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke der Körperschaft eingeschaltet wird. Dies ist ohne Weiteres bei weisungsgebundenen Arbeitnehmern, Vereinsmitgliedern, Auftragnehmern oder Werkunternehmern der Fall.Vgl. im Einzelnen Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, 5. Aufl. 2021, Rn. 4.50 ff. m.w.N.

Problematischer ist die arbeitsteilige Zusammenarbeit verschiedener gemeinnütziger Körperschaften, sei es innerhalb gemeinnütziger Konzerne oder bei punktuellen Kooperationen. Hier hat der Gesetzgeber für Dachverbände (§ 57 Abs. 2 AO), Holdinggesellschaften (§ 57 Abs. 4 AO) und Servicekörperschaften (§ 57 Abs. 3 AO) gesonderte Regelungen geschaffen. In der Vergangenheit ergaben sich insbesondere Schwierigkeiten, wenn Servicefunktionen aus steuerbegünstigten Körperschaften auf eigenständige Körperschaften ausgegliedert wurden. Beispielsweise konnte die Gemeinnützigkeit gefährdet sein, wenn die Wäscherei oder Apotheke eines Krankenhauses in der Form einer eigenen GmbH betrieben wurde. Selbst wenn die GmbH ausschließlich steuerbegünstigte Zwecke verfolgte, verwirklichte sie diese Zwecke nicht unmittelbar, sondern war nur gewerblich tätig. Nunmehr erlaubt § 57 Abs. 3 AO die gemeinsame Betrachtung mehrerer Körperschaften für die Frage der Unmittelbarkeit. Voraussetzung ist aber, dass die Kooperation schon in der Satzung verankert wird, wobei umstritten ist, wie detailliert die Satzungsangaben sein müssen.Vgl. AEAO zu § 57 AO Rz. 8: Bezeichnungen der Körperschaft und der Art und Weise der Kooperation; kritisch dazu z.B. Kirchhain/Unger, DStR 2023, 1281, 1286.

 Unschädliche Betätigungen (§ 58 AO)

Von diesen Grundsätzen sieht § 58 AO verschiedene Ausnahmen vor.

Insbesondere verletzen steuerbegünstigte Körperschaften die Grundsätze der Unmittelbarkeit und Ausschließlichkeit nicht, wenn sie Mittel, Arbeitskräfte oder Räume an andere gemeinnützige Körperschaften (z.T. auch solche mit anderen Zwecken) zur Verfügung stellt(§ 58 Nr. 1, 3-5 AO). Beabsichtigt eine Körperschaft, ihre Zwecke ausschließlich durch die Weitergabe von Mitteln an andere Körperschaften zu verwirklichen (sog. Förderkörperschaft), muss diese Art der Zweckverwirklichung in der Satzung ausdrücklich in der Satzung benannt werden (§ 58 Nr. 1 S. 4 AO). In § 58a AO ist für die zuwendende Körperschaft geregelt, dass sie sich auf die Feststellung der satzungsmäßigen Gemeinnützigkeit der empfangenden Körperschaft verlassen kann. Der zuwendenden Körperschaft droht dann also nicht der Entzug der eigenen Gemeinnützigkeit, wenn die empfangende Körperschaft gegen Vorgaben des Gemeinnützigkeitsrechts verstößt.

Stiftungen dürfen höchstens ein Drittel ihres Einkommens als Ausnahme zum Gebot der Selbstlosigkeit dazu verwenden, den Stifter Stiftung und dessen Familie in gewissem Umfang zu versorgen (§ 58 Nr. 6 AO). Dadurch soll ein Anreiz gesetzt werden, Vermögen in eine gemeinnützige Stiftung zu überführen. Die Regelung erlaubt partiell eine hybride Verfolgung sowohl gemein- als auch privatnütziger Zwecke.

Schließlich dürfen steuerbegünstigte Körperschaften in untergeordnetem Rahmen auch gesellige Zusammenkünfte veranstalten (§ 58 Nr. 7 AO).

Wirtschaftliche Betätigung

Unterschiedliche Formen wirtschaftlicher Betätigung

Körperschaften, die steuerbegünstigte Zwecke verfolgen, sind regelmäßig zumindest partiell wirtschaftlich tätig. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe: Teilweise lassen sich steuerbegünstigte Zwecke ausschließlich oder zumindest auch durch wirtschaftliche Tätigkeiten verwirklichen. So kann zum Beispiel die Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens (§ 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AO) durch den Betrieb eines Krankenhauses, die Förderung von Kunst und Kultur (§ 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 AO) durch den Betrieb eines Museums oder Theaters oder die Förderung der Erziehung (§ 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 AO) durch den Betrieb von Kindertagesstätten erfüllt werden. Aber selbst wenn die Verbindung zwischen wirtschaftlicher Tätigkeit und Zweckverwirklichung nicht so eng ist, müssen steuerbegünstigte Körperschaften regelmäßig wirtschaftlich tätig sein, um sich überhaupt finanzieren zu können. Wirtschaftliche Tätigkeit kann also sowohl der unmittelbaren Zweckverwirklichung als auch der Mittelbeschaffung dienen.

Steuerlich muss zwischen der Zweckverwirklichung und der Mittelbeschaffung differenziert werden. Denn die steuerliche Privilegierung gemeinnütziger Körperschaften knüpft an die Verwirklichung der gemeinnützigen Zwecke und die damit verbundene Entlastung des Staats an. Sie ist nur insoweit gerechtfertigt, als die Wettbewerbsrechte von Konkurrenten nicht verletzt werden (siehe Skript VIII): Werden Güter oder Dienstleistungen auch von gewinnorientierten Unternehmen angeboten, besteht prinzipiell keine Rechtfertigung für den Staat, einzelne Wettbewerber steuerlich zu privilegieren. Für ein steuerbegünstigtes Unternehmen besteht nämlich ein latenter Anreiz, den Steuervorteil an seine Kunden weiterzugeben, um durch die steigende Nachfrage die eigene Marktposition zulasten der Konkurrenz zu verbessern.

Dementsprechend sind die einfachgesetzlichen direkten Begünstigungen für gemeinnützige Körperschaften insoweit ausgeschlossen, als die Körperschaft einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 KStG, § 3 Nr. 6 S. 2 GewStG). Insoweit ist die gemeinnützige Körperschaft also partiell steuerpflichtig. Ihre Gewinne aus dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb sind genau so zu ermitteln und zu besteuern wie bei gewinnorientierten Wettbewerbern. Die partielle Steuerpflicht schützt einen marktwirtschaftlichen Wettbewerb.Ausdrücklich z.B. BFH v. 25.8.2010 - I R 97/09, BFH/NV 2011, 312, Rn. 22.

Eine Rückausnahme gilt, wenn der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb ein Zweckbetrieb ist, also gerade der Verwirklichung der gemeinnützigen Zwecke dient. Hier greift der Privilegierungsgrund und es besteht eine hinreichende verfassungsrechtliche Rechtfertigung für die Steuerbefreiung.

Weitere Einnahmen erzielen steuerbegünstigte Körperschaften typischerweise dadurch, dass sie ihr Vermögen ertragsbringend anlegen, beispielsweise, indem sie Aktien oder festverzinsliche Wertpapiere erwerben oder in vermietete Immobilien investieren. Einkommensteuerlich liegen insoweit regelmäßig keine gewerblichen Einkünfte (§ 15 EStG) vor, sondern solche aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) oder aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) vor. Obwohl die Körperschaft mit diesen Tätigkeiten nicht unmittelbar ihre steuerbegünstigten Zwecke verwirklicht, sondern sich nur zusätzliche Mittel verschafft, unterliegen die Einnahmen aus der Vermögensverwaltung nicht der partiellen Steuerpflicht. Dies liegt nicht an der unterschiedlichen einkommensteuerlichen Qualifikation der Erträge. Entscheidend ist vielmehr abermals der Wettbewerbsgedanke:Vgl. nur Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, 21. Aufl. 2021, Rn. 6.124 ff. Im Bereich der Vermögensverwaltung ist typischerweise nicht zu erwarten, dass ein Marktteilnehmer einen Steuervorteil als Wettbewerbsvorteil am Markt einsetzen wird. Investoren realisieren vielmehr den Vorteil selbst in Form einer höheren Rendite und setzen ihn für andere Zwecke ein. Diese typisierende Überlegung liegt der Differenzierung zwischen wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb und bloßer Vermögensverwaltung in § 14 S. 1, 3 AO zugrunde.Ebenso auch BFH v. 25.8.2010 - I R 97/09, BFH/NV 2011, 312, Rn. 22. Dementsprechend wird auch international bei der Reichweite steuerlicher Begünstigungen für Gemeinnützige zwischen “aktiven” Einkünften aus einer Tätigkeit am Markt und “passiven” Einkünften aus der bloßen Verwaltung und Anlage eigenen Vermögens unterschieden.Vgl. für das US-Steuerrecht Hopkins, The Law of Tax-exempt Organizations, 12. Aufl. 2019, S. 676.

Nimmt man die originäre ideelle Tätigkeit einer steuerbegünstigten Körperschaft hinzu, ergeben sich daraus vier steuerliche Vermögenssphären:

  1. Die steuerbegünstigte Tätigkeit und die dadurch veranlassten Einnahmen (insbesondere Spenden, Mitgliedsbeiträge, Zuwendungen in den Vermögensstock einer Stiftung) zählen zum ideellen Bereich und sind steuerfrei.

  2. Wird nur Kapitalvermögen (verzinslich) angelegt oder unbewegliches Vermögen vermietet und verpachtet, liegt eine reine Vermögensverwaltung vor (§ 14 S. 3 AO). Auch die Beteiligung an anderen Personen- oder Kapitalgesellschaften kann noch zur bloßen Vermögensverwaltung gehören. Die daraus erzielten Einnahmen (Zinsen, Dividenden, Mieten) sind steuerfrei.

  3. Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist eine selbständige nachhaltige Tätigkeit, durch die Einnahmen erzielt werden und die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht (§ 14 S. 1 AO). Gewinnerzielungsabsicht ist nicht erforderlich (§ 14 S. 2 AO). Nur die Gewinne aus einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb sind steuerpflichtig.

  4. Selbst wenn ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb im Sinne von § 14 S. 1 AO vorliegt, kann der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb als Zweckbetrieb weiterhin an der Steuerbefreiung teilnehmen (§ 64 Abs. 1 Hs. 2 AO).

Insbesondere: Wirtschaftliche Geschäftsbetriebe

Entscheidend für die Besteuerung der steuerbegünstigten Körperschaften ist vor allem, in welchem Umfang wirtschaftliche Geschäftsbetriebe vorliegen. Denn nur insoweit besteht eine partielle Steuerpflicht. Nach § 14 S. 1 AO ist ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb eine selbständige nachhaltige Tätigkeit, durch die Einnahmen oder andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden und die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht. Eine Gewinnerzielungsabsicht ist nicht erforderlich (§ 14 S. 2 AO). Klassische Beispiele für wirtschaftliche Geschäftsbetriebe sind eigene gewerbliche Tätigkeiten der Körperschaft, z. B. der Verkauf von Speisen und Getränken, die Durchführung von geselligen Veranstaltungen oder die kurzfristige Vermietung von Wirtschaftsgütern im Rahmen von Sponsoring oder Werbung. Eine steuerbegünstigte Körperschaft darf prinzipiell jede gewerbliche Tätigkeit ausüben, um zusätzliche Mittel zu erzielen. Eine Grenze besteht erst dann, wenn die gewerbliche Tätigkeit nicht mehr final auf die Zweckverwirklichung ausgerichtet ist, sondern um ihrer selbst willen betrieben wird (s.o. B. III.).

Abgrenzung zum Zweckbetrieb

Die partielle Steuerpflicht greift nicht, wenn der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb ein Zweckbetrieb ist (§ 64 Abs. 1 Hs. 2 AO). Mit anderen Worten: Auch Gewinne aus einem Zweckbetrieb sind steuerfrei.

Ein Zweckbetrieb ist nach der allgemeinen Definition des § 65 AO gegeben, wenn der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb in seiner Gesamtrichtung dazu dient, die steuerlichen Zwecke zu verwirklichen (§ 65 Nr. 1 AO) und die Zwecke nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb verwirklicht werden können (§ 65 Nr. 2 AO). Außerdem darf der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu gewinnorientierten Betrieben nur in dem unbedingt notwendigen Maße in Konkurrenz treten (§ 65 Nr. 3 AO). Speziell die Konkurrenzklausel des § 65 Nr. 3 AO zeigt erneut das Gebot der Wettbewerbsneutralität als Rechtfertigungsgrenze der Privilegien für gemeinnützige Körperschaften.

Für die praktisch relevantesten Zweckbetriebe finden sich in den Folgevorschriften der §§ 66-68 AO spezielle Regelungen. Diese legen in typisierender Weise fest, wann ein Betrieb der Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke dient und den Wettbewerb nicht übermäßig beeinträchtigt. So stellt beispielsweise § 67 AO für Krankenhäuser beispielsweise auf den Anteil der Belegungstage ab, die auf Patienten entfällt, bei denen nur Entgelte für allgemeine Krankenhausleistungen berechnet werden. Bei sportlichen Veranstaltungen kommt es darauf an, ob die teilnehmenden Sportler über eine Aufwandsentschädigung hinaus Vergütungen erhalten (§ 67a Abs. 3 AO). Bei Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen ist entscheidend, ob die Träger sich überwiegend aus Zuwendungen der öffentlichen Hand oder Dritter oder aus der Vermögensverwaltung finanziert (§ 68 Nr. 9 AO).

Die speziellen Vorschriften erhalten daneben mehrfach weitere Privilegierungen. So sind beispielsweise nach § 67a Abs. 1 AO sportliche Veranstaltungen eines Sportvereins ein Zweckbetrieb, wenn die Einnahmen (außer Einnahmen aus dem Verkauf von Speisen und Sponsoring) insgesamt 45.000 € im Jahr nicht übersteigen. Diese Freigrenze tritt für Sportvereine neben die allgemeine Freigrenze für alle wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe in § 64 Abs. 3 AO (siehe noch unter 3.). Volkshochschulen und andere Einrichtungen, die Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art durchführen, sind auch insoweit Zweckbetrieb, als den Teilnehmern Beköstigung oder Unterkunft gewährt wird (§ 68 Nr. 8 AO).

Gegen diese pauschalen Zweckbetriebsdefinitionen werden verfassungs- und unionsrechtliche Einwände erhoben. Verfassungsrechtlich hängt die Rechtfertigung davon ab, inwieweit man noch von einer realitätsgerechten Typisierung ausgehen kann. Dabei wird dem Gesetzgeber aber ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt. Unionsrechtlich wird insbesondere in Frage gestellt, ob es sich bei den Sonderregelungen um unzulässige Beihilfen handeln könnte. Allerdings waren viele der Regelungen bereits vor Inkrafttreten der europäischen Verträge in Kraft, sodass sie als zulässige Alt-Beihilfen gelten.

Entsprechende Einschätzungen hat der BFH für Einrichtungen der Wohlfahrtspflege (§ 66 AO)BFH v. 27.11.2013 – I R 17/12, BStBl II 2016, 68, Rz. 50. und Krankenhäuser (§ 67 AO)BFH v.18.10.2017 – V R 46/16, BStBl II 2018, 672, Rz. 48; BFH v. 31.7.2013 – I R 82/12, BStBl II 2015, 123, Rz. 35 ff.; BFH v. 31.7.2013 – I R 31/12, BFH/NV 2014, 185, Rz. 31 ff. und die Kommission für Jugendherbergen (§ 68 Nr. 1 b) AO) getroffen.Kommission v. 26.10.2015 – C (2015) 7225 endg, Rz. 15 ff.

Der vom Finanzamt als gemeinnützig iSd § 52 Abs. 2 Nr. 23 AO anerkannte Karnevalsverein Fasching e.V. widmet sich laut seiner Satzung der Erhaltung und Pflege heimatlichen Brauchtums, insbesondere der Förderung des Karnevals in seinem historischen Sinne. Zur Erreichung dieser Ziele führt er karnevalistische und gesellige Veranstaltungen wie etwa Büttenreden, tänzerischen und musikalischen Darbietungen karnevalistischer Art, Präsentation des Elferrates usw. durch. Im Jahr 2023 veranstaltet der e.V. die “Nacht der Nächte”. Dabei handelt es sich um eine Kostümparty, bei der kommerzielle Musik gespielt wird und am Rande traditionelle Programmpunkte stattfinden. Die Teilnehmer der Party verkleiden sich und verbringen den Abend mit Musik, Tanz und Geselligkeit. Handelt es sich bei der Nacht der Nächte um ein Zweckbetrieb des Vereins?

  • Nein, weil die Veranstaltung nicht iSd § 65 Nr. 1 AO in ihrer Gesamtrichtung dazu dient, die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen.
  • Nein, weil die Zwecke nicht nur durch eine solche Veranstaltung gem. § 65 Nr. 2 AO erreicht werden können.
  • Nein, weil die Veranstaltung iSd § 65 Nr. 3 AO zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlicher Art in größerem Umfang in Wettbewerb tritt, als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist.
  • All of the above
  • None of the above

Der Verein widmet sich dem heimatlichen Brauchtum, insbesondere der Förderung des Karnevals im historischen Sinne und erfüllt damit die Voraussetzung des § 52 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 23 AO. Nach § 65 Nr. 1 AO muss ein Zweckbetrieb dazu dienen, die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen. Eine auf vorwiegend kommerzielle und Vergnügungszwecke ausgelegte Veranstaltung dient diesem Zweck nicht. Erforderlich ist, dass die Veranstaltung durch Elemente des Karnevals in seiner traditionellen Form geprägt wird. Demnach können die Zwecke auch nicht nur durch eine solche Veranstaltung nach § 65 Nr. 2 AO erreicht werden. Dafür müsste die Nacht der Nächte von der Verfolgung des steuerbegünstigten Zwecks nicht trennen lassen. Vorliegend handelt es sich jedoch vielmehr um eine kommerziell geprägte Veranstaltung, in der das traditionelle Brauchtum nur am Rande eine Rolle spielt. Schließlich tritt der Verein auch nach § 65 Nr. 3 AO in größerem Umfang in Wettbewerb, da auch nicht steuerbegünstigte kommerzielle Anbieter im Rahmen des Karnevals ähnliche Kostümpartys veranstalten können und tatsächlich auch veranstalten.

Abgrenzung zur Vermögensverwaltung

Eine Vermögensverwaltung liegt nach § 14 S. 3 AO in der Regel vor, wenn Kapitalvermögen verzinslich angelegt oder unbewegliches Vermögen vermietet oder verpachtet wird. In diesen Fällen liegen einkommensteuerlich regelmäßig keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb, sondern solche aus Kapitalvermögen oder Vermietung und Verpachtung vor. Ausgehend von einer wettbewerbsbezogenen Abgrenzung (s.o.) können aber auch Einkünfte aus Kapitalvermögen einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb begründen oder umgekehrt gewerbliche Einkünfte noch zur bloßen Vermögensverwaltung gehören.Siehe etwa zur Einordnung der Bandenwerbung beim DfB: Riehm, npoR 2022, 13.

Letzteres ist insbesondere bei der Beteiligung an einer so genannten gewerblich geprägten Personengesellschaft der Fall: Eine Personengesellschaft, bei der nur Kapitalgesellschaften persönlich haftende Gesellschafter sind und nur diese Personen oder Nicht-Gesellschafter zur Geschäftsführung befugt sind, ist nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG immer gewerblich tätig. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn sie nur vermögensverwaltende Tätigkeiten ausübt (also z.B. nur Immobilien vermietet). Eine steuerbegünstigte Körperschaft, die an einer solchen Personengesellschaft beteiligt ist, erzielt daher steuerlich Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Gleichwohl zählen diese Einkünfte nur zur bloßen Vermögensverwaltung der Körperschaft, da die vermögensverwaltende Tätigkeit der Personengesellschaft den Wettbewerb nicht nennenswert beeinträchtigt.BFH v. 25.5.2011 - I R 60/10, BStBl. II 2012, 858, Rn. 10 ff.; BFH v. 18.2.2016 - V R 60/13, BStBl. II 2017, 251, Rn. 15; AEAO zu § 64 AO Rn. 3 S. 3.

Umgekehrt erzielt ein Steuerpflichtiger aus der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft zählt zwar regelmäßig zur Vermögensverwaltung. Es ist aber denkbar, dass sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb begründet. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn eine steuerbegünstigte Körperschaft einen wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Kapitalgesellschaft ausübt und dadurch den eigenen Steuervorteil an die Kapitalgesellschaft weiterreicht (z.B. durch den nachhaltigen Verzicht auf marktübliche Ausschüttungen).Vgl. im Einzelnen BFH v. 25.8.2010 - I R 97/09, BFH/NV 2011, 312, Rn. 11 m.w.N.; AEAO zu § 64 AO Rn. 3 S. 4 ff.; Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, 5. Aufl. 2021, Rn. 6.135 ff.

Vereinfachende Sonderregelungen für wirtschaftliche Geschäftsbetriebe

In § 64 AO finden sich vereinfachende Regelungen für die Besteuerung von wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben:

Nach § 64 Abs. 2 AO werden mehrere wirtschaftliche Geschäftsbetriebe zusammengefasst und als ein einziger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb behandelt. Diese Zusammenfassung führt insbesondere dazu, dass Verluste eines Betriebs durch Gewinne aus einem anderen Betrieb ausgeglichen werden können (siehe zu Verlusten noch unter III.).

Nach § 64 Abs. 3 AO unterliegen die Gewinne aus kleinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben nicht der Besteuerung. Obwohl also eigentlich eine Konkurrenzsituation zu gewinnorientierten Unternehmen besteht, verzichtet der Staat aus Vereinfachungsgründen auf eine Besteuerung der anfallenden Gewinne. Diese Steuerbefreiung greift für wirtschaftliche Geschäftsbetriebe, deren Einnahmen einschließlich Umsatzsteuer 45.000 € im Jahr nicht übersteigen. Für diese kleinen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe greift auch das Gebot zeitnaher Mittelverwendung nicht (§ 55 Abs. 1 Nr. 5 S. 4 AO, siehe schon unter B. II. 3.).

Schließlich kann nach § 64 Abs. 6 AO bei bestimmten wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben der Gewinn in stark vereinfachender und im Zweifel vorteilhafter Weise pauschal als 15 % der Einnahmen ermittelt werden. Dies gilt insbesondere für Gewinne aus Werbe- bzw. Sponsoringtätigkeiten (§ 64 Abs. 6 Nr. 1 AO).

Verluste als Problem der Mittelverwendung

Jede wirtschaftliche Betätigung bringt die Gefahr mit sich, dass Verluste erzielt werden. Bei steuerbegünstigten Körperschaften können insbesondere Verluste aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben zu Rechtfertigungsproblemen führen. Denn wenn die Verluste dauerhaft hingenommen und von der Körperschaft ausgeglichen werden, werden im Ergebnis Mittel aus dem steuerbefreiten Bereich (ideeller Bereich, Zweckbetrieb, Vermögensverwaltung) verwendet, um eine nicht rentable wirtschaftliche Tätigkeit fortzuführen. Diese Quersubventionierung verzerrt den Wettbewerb: Der Steuervorteil wird in den Bereich des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs weitergereicht.

Indes sollen steuerbegünstigte Körperschaften im Bereich des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs durch die partielle Steuerpflicht nur gleichbehandelt werden mit gewinnorientierten Unternehmen und nicht schlechter. Verluste gehören zur wirtschaftlichen Tätigkeit am Markt. Daher darf nicht jeder erlittene Verlust die Steuerbegünstigung von gemeinnützigen Körperschaften gefährden.

Der Gesetzgeber erlaubt steuerbegünstigten Körperschaften eine Gesamtbetrachtung aller wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe (§ 64 Abs. 2 AO). Das heißt Verlustbetriebe und Gewinnbetriebe werden gemeinsam betrachtet; Verluste und Gewinne werden konsolidiert. Dies entspricht der Gesamtbetrachtung eines gewinnorientierten Unternehmens, bei dem nur einzelne Tätigkeiten verlustträchtig sind. Die Steuerbegünstigung ist nur dann gefährdet, wenn die steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe insgesamt Verluste erwirtschaften.

Die Finanzverwaltung erlaubt darüber hinaus eine Gesamtbetrachtung eines längeren Zeitraums: Ein Gesamtverlust ist unbeachtlich, wenn in den vergangenen sechs Jahren aus den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben Gewinne in entsprechender Höhe erzielt wurden.AEAO zu § 55 AO Rn. 4 S. 4 f. Außerdem werden (unter weiteren Voraussetzungen) Verluste toleriert, die sich nur aus Abschreibungen ergeben.AEAO zu § 55 AO Rn. 5. Schließlich sind Verluste unschädlich, die auf einer betriebswirtschaftlichen Fehlkalkulation beruhen, wenn die Verluste zeitnah wieder ausgeglichen werden.AEAO zu § 55 AO Rn. 6 Im Zweifel wird vermutet, dass ein Verlust auf einer Fehlkalkulation beruht; insbesondere wenn zu Beginn einer Tätigkeit Anlaufverluste anfallen.AEAO zu § 55 AO Rn. 8.