Im Allgemeinen wird die Unterschlagung, § 246 StGB, als „eine praktisch wenig bedeutsame […], aber theoretisch anspruchsvolle und problematische Strafvorschrift“
Dies sollte jedoch keinen Anlass zur Sorge geben. Denn obwohl bei der Unterschlagung vieles im Detail umstritten ist, genügt meist ein profundes Verständnis der beiden Standardprobleme (Zueignungsbegriff → Rn. 13 ff.; Behandlung der wiederholten Zueignung → Rn. 78 ff.), um die hierauf abzielenden Klausuren in den Griff zu bekommen.
Im Übrigen liegt die größte Tücke des § 246 StGB darin, dass er in Klausuren häufig vergessen wird. Als Auffangtatbestand (→ Rn. 9) ist er nämlich meist am Ende der Klausur zu prüfen, wenn die Bearbeitungszeit erfahrungsgemäß bald abgelaufen ist. Wer in solchen Momenten trotzdem an die Unterschlagung denkt und sie angemessen kurz erörtert, hat für die juristischen Prüfungen schon einiges gewonnen.
Rechtsgut und Deliktsstruktur
Rechtsgut
Der § 246 StGB dient ausschließlich dem Schutz des Rechtsgutes „Eigentum“. Verletzter ist entsprechend immer nur der Eigentümer.
Vertiefung: Anders als beim Diebstahl (→ § 1 Rn. 12) wird bei § 246 StGB nicht diskutiert, ob der Tatbestand zusätzlich auch den Gewahrsam als Rechtsgut erfasst. Das ergibt sich schon daraus, dass § 246 Abs. 2 StGB gerade für solche Fälle sogar eine höhere Strafe vorsieht, in denen der Eigentümer dem Täter die Sache eigens anvertraut (→ Rn. 86 ff.) hat.
Deliktsstruktur
Das durch § 246 StGB unter Strafe gestellte Unrecht liegt in der Verletzung des Eigentums in Gestalt einer Zueignung, d. h. durch Enteignung und Aneignung (im Einzelnen → Rn. 13 ff.). Hierin liegt der zentrale strukturelle Unterschied zu Delikten, die lediglich die Aneignung fremder Sachen (zB § 248a StGB) oder nur den Entzug fremder Sachen (zB § 303 StGB) unter Strafe stellen.
Herrschend wird die Unterschlagung als Verletzungserfolgsdelikt eingeordnet.
Vertiefung: Kritik an der Einordnung der Unterschlagung als Verletzungserfolgsdelikt
Die Kategorisierung des § 246 StGB als Verletzungserfolgsdelikt wird in der Literatur zum Teil bezweifelt. Auf dem Boden der herrschenden „Manifestationstheorie“ (hierzu → Rn. 23 ff.) wird argumentiert, dass bei Anerkennung der bloßen Betätigung eines Zueignungswillen als „Zueignung“ im Sinne des § 246 StGB die Unterschlagung konsequenterweise als unechtes Unternehmensdelikt angesehen werden müsste.
Im systematischen Gefüge der §§ 242 ff. StGB dient die einfache Unterschlagung nach § 246 Abs. 1 StGB nach den Gesetzesmaterialien als Auffangtatbestand (nicht als Grundtatbestand aller Zueignungsdelikte
Verwirklichungsphasen
Hinsichtlich der Phasen der Deliktsverwirklichung ist zu berücksichtigen, dass der Zueignungsbegriff des § 246 StGB höchst umstritten ist. Wo die Grenze zwischen versuchter und vollendeter Zueignung liegt, ist wird mithin unterschiedlich beurteilt (→ Rn. 20 ff.). Jedenfalls nach der herrschenden Manifestationstheorie ist das Versuchsstadium deutlich reduziert (→ Rn. 40).
Vertiefung: Gibt es bei der Unterschlagung eine Beendigungsphase?
Neben Versuch und Vollendung wird zunehmend auch eine Beendigungsphase bei der Unterschlagung diskutiert.
Ob dies Anerkennung finden sollte, ist zweifelhaft. Die Konzeption einer Beutesicherungsphase von Lotz/Reschke hat zwar den Vorteil, dass sie im Verhältnis zum Diebstahl zu kohärenten Ergebnissen führt und durch die zeitliche Streckung der Unterschlagung auch spätere Notwehrhandlungen des Eigentümers sowie die Bestrafung sukzessiver Teilnahme zulässt.
Tatbestand
Grundtatbestand der Unterschlagung (§ 246 Abs. 1 StGB)
Tatobjekt: fremde bewegliche Sache
Wie bei § 242 StGB ist Tatobjekt der Unterschlagung eine fremde bewegliche Sache. Insofern kann auf die Ausführungen zu § 242 StGB (→ § 1 Rn. 14 ff.) verwiesen werden.
Tathandlung: „sich oder einem Dritten rechtswidrig zueignet“
Neben der Bezeichnung des Tatobjektes enthält der Tatbestand des § 246 Abs. 1 StGB lediglich die Voraussetzung, dass der Täter dieses „sich oder einem Dritten rechtswidrig zueigne[n]“ muss. Dementsprechend wird die Unterschlagung maßgeblich durch die Konkretisierung des Begriffs „Zueignen“ bestimmt. Die Konturierung des von § 246 Abs. 1 StGB erfassten Unrechts (und damit die Grenzziehung zwischen strafbarem und straflosem Verhalten) hängt insofern nahezu ausschließlich von diesem Tatbestandsmerkmal ab. Es ist daher nicht verwunderlich, dass der Zueignungsbegriff der zentrale Streitpunkt bei der Unterschlagung ist.
Klausurhinweis: Für die Klausurpraxis folgt hieraus, dass der Zueignungsbegriff in jedem Fall kurz erläutert werden muss. Regelmäßig liegt hierin jedoch sogar ein Klausurschwerpunkt, der eine tiefergehende Diskussion erfordert.
Die Zueignung besteht bei § 246 StGB aus einem subjektiven Element in Gestalt des Zueignungswillens und einer objektiven Komponente, die üblicherweise (→ Rn. 23 ff.) als Manifestation des Zueignungswillens bezeichnet wird.
Subjektives Element: Zueignungswille
Der Zueignungsbegriff des § 246 StGB stimmt in seiner subjektiven Dimension weitgehend mit der Zueignungsabsicht nach § 242 Abs. 1 StGB überein (→ § 1 Rn. 71 ff.). Es gilt die bei der Zueignungsabsicht im Rahmen von § 242 Abs. 1 StGB etablierte Definition der Zueignung als Bezugspunkt des Täterwillens.
Zueignung ist die dauernde Enteignung und mindestens vorübergehende Aneignung der Sache selbst oder des in ihr verkörperten Sachwertes.
Insofern stellen sich auch bei der Unterschlagung die schon für § 242 StGB diskutierten Fragen, worauf genau sich der Zueignungswillen beziehen muss (auf die Sachsubstanz, den Sachwert oder beides, vgl. → § 1 Rn. 80).
Der Unterschied zwischen dem subjektiven Tatbestand des Diebstahls und der Unterschlagung liegt darin, dass bei § 242 Abs. 1 StGB eine Zueignungsabsicht, bei § 246 StGB hingegen nach hM nur ein Zueignungsvorsatz (nach anderer Formulierung auch „Zueignungswille“) verlangt wird.
Zusammengefasst muss der Täter für den Zueignungswillen iSv § 246 StGB also mindestens für möglich halten und billigend in Kauf nehmen, dass die Sache oder den in ihr verkörperten Sachwert dem Eigentümer dauernd entzogen und dem Täter oder einem Dritten angeeignet ist.
Objektives Element
Wie eingangs schon gesagt genügt ein subjektives Zueignungselement zur Erfüllung von § 246 StGB nicht. Hier liegt ein wichtiger Unterschied zum Diebstahl, wo die Zueignungsabsicht ein rein subjektives Tatbestandsmerkmal ohne Entsprechung im objektiven Tatbestand ist (→ § 1 Rn. 71). Dagegen legt der Wortlaut von § 246 Abs. 1 StGB legt nahe, dass die Zueignung nicht nur subjektiv gewollt, sondern auch objektiv umgesetzt werden muss.
Beispiel: Nachdem A seinem Freund T ein Lehrbuch geliehen hat, fasst T den Entschluss, dieses zu behalten. Allein dieser Entschluss genügt nicht, um sich wegen Unterschlagung strafbar zu machen.
Umstritten ist nun aber, wie die über den bloßen Vorsatz hinausgehende „objektive Umsetzung“ des Zueignungswillen beschaffen sein muss.
Klausurhinweis: Der Begriff der Zueignung existiert seit über 200 Jahren in deutschen Strafgesetzen und ist seither umstritten.
Intellektuell unbefriedigend, aber durchaus hilfreich bei der Klausurbearbeitung mag zudem sein, sich an die herrschende Meinung zu halten; die Lösungsskizzen orientieren sich oft hieran. Eine andere Auffassung ist natürlich – solange sie gut begründet ist – nicht weniger richtig. Es muss aber pragmatisch gedacht werden: Die Unterschlagung taucht regelmäßig, wegen ihrer formellen Subsidiarität (→ Rn. 106 ff.) erst am Ende der Prüfung auf. Erfahrungsgemäß bleibt dann nur noch wenig Zeit für eine umfassende Darstellung. Je weiter Sie sich aber von der herrschenden Meinung entfernen, desto größer muss ihr Begründungsaufwand sein. Sie gehen dann die Gefahr ein, entweder die Klausur nicht rechtzeitig oder nicht mit der hinreichenden Begründungstiefe fertigstellen zu können – beides kostet Punkte!
Manifestationstheorie (hM in Rspr. und Lit.)
Nach der – vor allem in der Rechtsprechung, aber überwiegend auch in der Literatur vertretenen – Manifestationstheorie genügt für die objektive Tatseite der Zueignung bereits, dass sich der Zueignungswille objektiv manifestiert und dadurch nach außen tritt. Dementsprechend bezeichnet man diese Auffassung als Manifestationstheorie.
Erforderlich ist danach lediglich, dass der Täter ein Verhalten an den Tag legt, welches darauf schließen lässt, dass er die Sache oder den in ihr verkörperten Wert unter Ausschluss des Eigentümers seinem eigenen Vermögen einverleiben (Selbstzueignung, § 246 Abs. 1 Alt. 1 StGB) oder dem Vermögen eines Dritten (Drittzueignung, § 246 Abs. 1 Alt. 2 StGB) zuführen will. Die Zueignungselemente einer dauernden Enteignung und mindestens vorübergehende Aneignung müssen darüber hinaus nicht verwirklicht werden.
Beispiel (nach RGSt 54, 32): T, der bei der Bahn für die Zementverteilung in seinem Bezirk verantwortlich ist, bietet dem Kaufmann K 100 Säcke Zement zum Kauf an, weil er dringend Geld benötigt. K lehnt jedoch ab.
In dem Beispielsfall hat das RG (unter Verweis auf seine bisherige Rechtsprechung) eine Strafbarkeit wegen vollendeter Unterschlagung bereits dadurch verwirklicht gesehen, dass T den K das Angebot zum Kauf gemacht hat. Denn hierin habe sich der Wille des T, sich die Zementsäcke zuzueignen, manifestiert. Diese schon zu Zeiten des RG ständige Rechtsprechung hat der BGH grundsätzlich übernommen und fortgeführt.
Enge versus weite Manifestationstheorie
Die damit in ihren Grundzügen skizzierte Manifestationstheorie wird in unterschiedlichen Schattierungen vertreten, die näherer Betrachtung bedürfen. Hierzu ein
Beispiel: Der T findet auf dem Gehweg ein Handy und steckt es in dem Willen ein, dieses fortan als eigenes zu nutzen.
Es stellt sich die Frage, ob bereits das Aufheben des Telefons den Zueignungswillen des T hinreichend manifestiert.
Nach einem in der Rechtsprechung weit verbreiteten Verständnis – so insbesondere ausdrücklich der Große Strafsenat des BGH
Nach dieser weiten Manifestationstheorie kann eine Manifestation auch in für sich genommen neutralen Handlungen oder einem Unterlassen liegen, sofern nur die weiteren Umstände diese als Ausdruck des Zueignungswillens offenbar werden lassen.
Beispiele: Das bloße Aufheben einer Fundsache oder die Nichtrückgabe einer Mietsache nach Ablauf der Mietzeit (jeweils mit Zueignungswillen) können nach dieser Ansicht als vollendete Unterschlagung geahndet werden.
Demgegenüber wird in der hL
Wendet man diese Auffassung auf das obige Beispiel (T steckt ein gefundenes Handy ein) an, muss eine Unterschlagungsstrafbarkeit verneint werden. Denn allein das Einstecken einer Fundsache lässt nicht zweifelsfrei erkennen, dass der Finder sich die Sache zueignen will. Vielmehr würde auch ein Finder, der die Fundsache zum Fundbüro bringen möchte, diese zunächst einstecken. Selbiges gilt auch für die nicht rechtzeitige Rückgabe eines Mietwagens: Selbst wenn dies mit Zueignungswillen geschieht, lässt sich dies nicht aus der schlichten Nichtrückgabe ersehen. Vielmehr könnte der Mieter das Verstreichen der Mietzeit auch schlicht vergessen und das Rückgabedatum verpasst haben.
Korrekturbedarf der engen Manifestationstheorie nach einem Teil der Literatur
In der Literatur wird bezüglich der sog. engen Manifestationstheorie zT betont, dass diese – so man sie denn ernst nehmen will – die Unterschlagungsstrafbarkeit übermäßig weit einengt und insofern einer Korrektur bedürfe.
Beispiel: T leiht sich von seinem Freund A ein Lehrbuch während der Klausurenphase. Als A danach sein Buch zurückverlangt, weigert sich T.
Während die weite Manifestationstheorie ohne weiteres eine Strafbarkeit des T wegen (veruntreuender, vgl. → Rn. 86 ff.) Unterschlagung nach § 246 Abs. 2 StGB bejahen kann, müsste eine solche nach der engen Manifestationstheorie abgelehnt werden. Zwar tut T unzweifelhaft kund, dass er sich die Sachsubstanz des Buches aneignen will. Ob er den A jedoch diesbezüglich auch dauernd (!) enteignen oder aber nur das Buch für eine weitere Zeit benutzen und dann zurückgeben wolle, bleibt unklar. Während also der Aneignungswille eindeutig hervortritt, bleibt der Willen hinsichtlich der Enteignungskomponente offen.
Beispiel: Der Täter verweigert nicht nur die Rückgabe der Mietsache, sondern erklärt auch, dass er sie niemals wieder hergeben werde bzw. verbraucht die Mietsache zu eigenen Zwecken.
Diese Einschränkung der Vollendungsstrafbarkeit wird von vielen als zu weitgehend empfunden.
Vertiefender Hinweis: An dieser Stelle offenbart sich ein im Kontext der Unterschlagung typisches Argumentationsmuster – die Vorhaltung „typischer“ Unterschlagungskonstellationen, die vom Tatbestand erfasst sein sollen. Die dogmatische Diskussion richtet sich in nicht unerheblichem Maße hieran aus und bewertet die Tragfähigkeit einzelner Ansichten danach, ob diese „typischen Unterschlagungsfälle“ erfasst werden. Das mag auf den ersten Blick verwirren. Ist es nicht undogmatisch, den Tatbestand nach dem als strafwürdig empfundenen Verhalten „zuzuschneiden“, anstatt das strafwürdige Verhalten anhand des Straftatbestandes zu bestimmen? Hintergrund für diese Herangehensweise ist jedoch die Historie der Unterschlagungsstrafbarkeit. Bevor die Unterschlagung mit dem abstrakten Begriff „Zueignung“ umschrieben worden war, hatten die Strafgesetze eine Auflistung bestimmter Handlungen verwendet, um den Tatbestand auszuformen.
Um die skizzierten Strafbarkeitslücken zu schließen, wird vorgeschlagen, bereits die eindeutige Manifestation allein des Aneignungswillens für die Annahme einer vollendeten Unterschlagung, § 246 StGB, ausreichen zu lassen.
Kritik an der Manifestationstheorie und ihren Nuancen
Der weiten Manifestationstheorie wird zurecht entgegengehalten, dass sie nicht nur zu einer Subjektivierung des objektiven Tatbestandes führt, sondern letztlich das Unrecht der Unterschlagung ausschließlich subjektiv bestimmt.
Weiterhin kann beiden Schattierungen der Manifestationstheorie entgegengehalten werden, dass sie die Unterschlagung zu einem Delikt mit überschießender Innentendenz modifizieren, wofür jedoch – anders als etwa bei § 242 Abs. 1 StGB – der Normtext keine Grundlage bietet.
Schließlich wird den Manifestationstheorien vorgehalten, dass sie den Bereich der Versuchsstrafbarkeit zugunsten einer Anerkennung vollendeter Unterschlagungen übermäßig einengen würden. Dies sei vor allem deshalb problematisch, weil § 246 Abs. 3 StGB eine Versuchsstrafbarkeit gerade vorsehe und dieser Norm entsprechend nicht der Anwendungsbereich entzogen werden dürfe.
Vertiefung zum Anwendungsbereich von § 246 Abs. 3 StGB im Kontext der Manifestationstheorie(n)
Hinsichtlich des Anwendungsbereichs von § 246 Abs. 3 StGB im Kontext der Manifestationstheorie(n) muss differenziert werden.
Unzweifelhaft hat § 246 Abs. 3 StGB eine praktische Berechtigung jedenfalls in den Fällen des untauglichen Versuches der Unterschlagung.
Zweifelhaft ist dagegen, ob die Manifestationstheorie(n) auch Raum für einen tauglichen Versuch lässt bzw. lassen. Dies wird zum Teil für solche Handlungen angenommen, die sich auf noch nicht ausgesonderte Bestandteile einer Sachgesamtheit beziehen.
Beispiel: T ist Lagerist in einem Reifenlager. Er bietet seinem Freund F vier neue (jedoch nicht näher bestimmte) Reifen aus dem Lager seines Arbeitgebers zum Kauf an.
Richtigerweise hat sich T nicht nach § 246 Abs. 1 StGB wegen vollendeter Unterschlagung strafbar gemacht.
Ebenfalls ins Feld geführt wird die Konstellation, in welcher der Täter einen mit Geld befüllten Umschlag öffnet, um sich dieses zu nehmen. Nach der weiten Manifestationstheorie liegt hier bereits eine vollendete Unterschlagung vor, weil sich der auf das Geld bezogene Zueignungswille jedenfalls aus den Umständen ersehen lässt. Legt man jedoch die enge Manifestationstheorie zugrunde, lässt sich hierin ein Fall der versuchten Unterschlagung sehen.
Im Ergebnis zeigt sich also Folgendes: Während die weite Manifestationstheorie keinen Anwendungsbereich für eine Strafbarkeit wegen eines tauglichen Unterschlagungsversuches belässt, verbleibt nach der engen Manifestationstheorie hierfür jedenfalls in solchen Konstellationen ein Raum, in denen der Täter seinen Zueignungswillen zwar betätigt, diese Betätigung aber keinen eindeutigen Schluss auf den dahinterliegenden Willen zulässt. Die Kritik, welche an einen fehlenden Anwendungsbereich der Versuchsstrafbarkeit nach § 246 Abs. 3 StGB anknüpft
Eingrenzung der Manifestationstheorie: Herrschaftsbeziehung zur Sache
Wie eben dargelegt, ist einer der Haupteinwände gegen die Manifestationstheorien, dass durch sie auch solche Verhaltensweisen unter § 246 StGB subsumiert werden müssen, bei denen keinerlei Gefahr für das durch den Straftatbestand geschützte Rechtsgut Eigentum besteht. Hierzu folgendes
Beispiel (nach Sander/Hohmann, NStZ 1998, 273 [276]): Der T „schenkt“ seiner Freundin bei einem gemeinsamen Abendessen in Hamburg das Fahrrad von O, das sich in Os Keller in München befindet.
In diesem Beispiel befinden sich weder T noch seine Freundin auch nur in der Nähe des Fahrrads von O und können auch nicht hierauf zugreifen. Obwohl die Eigentumsposition von O durch die „Schenkung“ also nicht im Geringsten beeinträchtigt, ja noch nicht einmal gefährdet ist, lässt sie sich ohne weiteres als Manifestation eines Zueignungswillens unter § 246 Abs. 1 StGB subsumieren.
Dass insofern eine völlig ungefährliche Handlung nach § 246 StGB mit Strafe bedroht sein soll, erscheint problematisch.
Zum Teil wird zumindest eine „nicht völlig untergeordnete Herrschaftsbeziehung“ zwischen Täter und Tatobjekt vorausgesetzt.
Zum Teil wird dagegen eine Nähebeziehung zwischen Täter und Tatobjekt in Form eines (mindestens mittelbaren) Besitzes gefordert.
Nach wiederum anderer Ansicht kann darüber hinaus auch eine bloß scheinbare Besitzbeziehung (auch zwischen Tatobjekt und Empfänger einer Drittzueignung) ausreichen.
Vertiefender Hinweis: Versucht man die Quellen für die einzelnen Auffassungen zu sichten, fällt auf, dass nicht selten Autoren für Meinungen in Anspruch genommen werden, die sie im Detail so gar nicht vertreten. Insofern scheint die gemeinsame Intention der hL, eine Herrschaftsbeziehung zwischen Täter und Tatobjekt zu fordern, den Blick für die Unterschiede verstellt zu haben. Dementsprechend findet kaum eine Diskussion zwischen den verschiedenen Schattierungen einer solchen Herrschaftsbeziehung statt.
Klausurhinweis: Angesichts dessen, dass die hL eine Einschränkung der Zueignung hinsichtlich einer Herrschaftsbeziehung zwischen Täter und Tatobjekt verlangt, sollte man diesen Ansatz zur Einschränkung der Manifestationstheorien kennen. Allerdings darf man sich hier nicht in den Details der verschiedenen Auffassungen verlieren, sondern muss vielmehr den kleinsten gemeinsamen Nenner im Blick behalten: Nach allen Ansichten genügt der Besitz am Tatobjekt als hinreichende Herrschaftsbeziehung. Hinreichend ist also nach jeder Ansicht, dass der Täter als während der oder zumindest durch die Tat den Besitzt am Tatobjekt erlangt bzw. den Besitz einem Dritten verschafft. Umgekehrt sollen bloße „Verbalzueignungen“ nach keiner (Unter-)Ansicht unter § 246 StGB fallen.
Weitere Zueignungsbegriffe
Klausurhinweis: Die im Folgenden dargestellten Zueignungsbegriffe spielen in der Klausur eine eher untergeordnete Rolle. Wenn Sie die Manifestationstheorien inklusive der von der hL vertretenen Einschränkung hinsichtlich der Beziehung zum Tatobjekt darstellen können, ist schon viel gewonnen. Die Präsentation und Diskussion weiterer Zueignungsverständnisse kann realistischerweise kaum verlangt werden.
Allein sinnvoll kann es sein, ein streng objektives Zueignungsverständnis (also das Erfordernis einer objektiven, mindestens vorübergehenden Aneignung und einer objektiv eingetretenen, dauernden Enteignung als Voraussetzung für die Vollendung des § 246 Abs. 1 StGB) kurz abzulehnen. Dies lässt sich insbesondere durch einen Verweis auf die hierdurch geschaffenen Strafbarkeitslücken, welche nicht mit der gesetzgeberischen Funktion als Auffangtatbestand nicht in Einklang zu bringen seien, begründen. Eine weitere Auffächerung des Meinungsstandes bleibt Hausarbeiten vorbehalten.
Gemeinsamer Ausgangspunkt
Allen weiteren Zueignungsverständnissen ist gemein, dass sie die herrschende Manifestationstheorie als zu subjektiv ablehnen. Der objektive Tatbestand von § 246 StGB dürfe sich nicht maßgeblich aus dem Subjektiven schöpfen.
Vertiefender Hinweis: Der Verweis auf die Deliktsstruktur der Unterschlagung als Erfolgsdelikt ist problematisch. Die Deliktsstruktur ergibt sich nämlich aus der Gestalt des strafbaren Unrechts, mithin aus der Tathandlung. Daher ist es tautologisch, ein bestimmtes Verständnis der Deliktsstruktur vorauszusetzen, um hieraus ein bestimmtes Verständnis der Tathandlung begründen zu wollen.
Position 1: Erfordernis eines objektiven Zueignungserfolges
Ausgehend von der Definition der Zueignung (→ Rn. 16) fordert insbesondere Kargl
Diese Ansicht mag insoweit konsequent erscheinen, als sie den Wortlaut („zueignen“) ernst nimmt und zudem vermeidet, die Unterschlagung zu einem Delikt mit überschießender Innentendenz zu machen.
Gleichwohl hat das vorstehend beschriebene Zueignungsverständnis erst jüngst neue Beachtung gefunden. Der 6. Strafsenat des BGH hat sich in einer Entscheidung vom 23. November 2023
Dem Angeklagten war seitens der T-AG ein Tieflader zum Gebrauch überlassen worden. Nachdem aber über das Vermögen des Angeklagten eröffnet wurde, hatte dieser den bestellten Insolvenzverwalter weder über die Existenz noch den Aufenthaltsort dieser Maschine aufgeklärt. Auch gegenüber der T-AG hatte er die Herausgabe des Tiefladers nicht vorbehaltlos angeboten, sondern vielmehr an seinem Besitz festgehalten. Hierdurch verzögerte sich die Sicherstellung des Fahrzeugs über ein knappes Jahr.
Während das Instanzgericht den Angeklagten wegen vollendeter (veruntreuender) Unterschlagung verurteilt hatte, lehnte der 6. Strafsenat eine vollendete Unterschlagung ab. Mit eingehender Begründung positionierte er sich vielmehr wie folgt:
„Zueignung im Sinne des § 246 Abs. 1 StGB setzt […] voraus, dass der Täter sich die Sache oder den in ihr verkörperten wirtschaftlichen Wert wenigstens vorübergehend in sein Vermögen einverleibt und den Eigentümer auf Dauer von der Nutzung ausschließt.“
BGH NJW 2024, 1050 (1050).
Die Resonanz im Schrifttum war durchweg ablehnend.
Klausurhinweis: Durch die Entscheidung des 6. Strafsenates hat die zuvor dargestellte Auffassung ein „Revival“ erfahren. Wäre sie vorher in der Klausur kaum der Erwähnung wert gewesen, erscheint sie nunmehr sogar nicht unvertretbar. Insofern gilt: Was der BGH für richtig erachtet, kann in der Klausur nicht als falsch bewertet werden. Angesichts der überwiegenden Ablehnung in Literatur und Rechtsprechung bedarf dieses Zueignungsverständnis, sofern es vertreten werden sollte, aber auch weiterhin einer umfassenden Begründung.
In jedem Fall sollte diese Entscheidung des 6. Senates zumindest gelesen werden. Es erscheint naheliegend, dass die Prüfungsämter die hierdurch entstandene Erschütterung der sonst fest auf dem Boden der Manifestationstheorie stehenden Rechtsprechung nutzen werden, um die Diskussion um den Zueignungsbegriff in die kommenden (schriftlichen wie mündlichen) Prüfungen einzubinden.
Position 2: Erfordernis eines Zueignungserfolges als Dauererfolg
Eine – bislang wenig beachtete – Abwandlung der vorgenannten Ansicht hat Brodowski vorgeschlagen: Auch er geht im Grundsatz davon aus, dass die Zueignung als mindestens vorübergehende Aneignung und dauernde Enteignung zu verstehen ist und der Tatbestand des § 246 StGB deren objektive Verwirklichung fordere.
Diese Ansicht hat einiges für sich. Einerseits kann sie ebenso wie die vorgenannte Ansicht (→ Rn. 52 ff.) auf ihre Wortlauttreue verweisen. Andererseits verursacht sie nicht in dem gleichen Maße Strafbarkeitslücken und belässt somit die Unterschlagung als Auffangtatbestand. Letztlich gelingt es ihr so, die Vorteile eines streng objektiven Zueignungsbegriffes aufzugreifen, ohne dessen Nachteile gegen sich gelten lassen zu müssen.
Position 3: Erfordernis eines Enteignungs(gefahren)erfolges
Eine weitere Strömung in der rechtswissenschaftlichen Literatur sucht die Objektivierung des Zueignungsbegriffes allein in der Enteignung. Wie dies aber im Einzelnen ausgestaltet sein soll, wird wiederum verschieden beurteilt.
Teils wird eine tatsächliche Enteignung (nicht im Sinne des Beginn eines Dauerzustandes, sondern als endgültige Enteignung) verlangt.
Vertiefender Hinweis: Der Kritik, dass dies zu erheblichen Strafbarkeitslücken führe (so schon → Rn. 53) und daher nicht mit der gesetzgeberischen Konzeption als Auffangtatbestand vereinbar sei, wird entgegnet, dass die Lücken durch die Versuchsstrafbarkeit nach § 246 Abs. 3 StGB hinreichend geschlossen seien.
Es darf jedoch bezweifelt werden, dass der Gesetzgeber Fälle, die traditionell als vollendete Unterschlagung geahndet wurden, tatsächlich nur als versuchte Unterschlagung bestrafen wollte. Jedenfalls hat der Gesetzgeber ausdrücklich die Unterschlagung als solche und nicht nur die versuchte Unterschlagung als Auffangtatbestand vorgesehen.
Sofern eine endgültige Enteignung nicht verlangt wird, so wird doch mitunter zumindest eine „Enteignungsgefahr“ gefordert.
Vertiefender Hinweis: Diese Auffassung mag zwar die Strafbarkeitslücken, die das Erfordernis eines endgültigen Enteignungserfolges aufwirft, reduzieren. Gleichwohl verliert sie hierdurch auch an Bezug zum Wortlaut des § 246 StGB. Denn einerseits leuchtet angesichts der Formulierung von § 246 Abs. 1 StGB nicht recht ein, dass es sich hierbei um ein Gefährdungsdelikt handeln solle. Und andererseits wird § 246 StGB hierbei zu einem Delikt mit überschießender Innentendenz (Vorsatz hinsichtlich dauernder Enteignung obzwar objektiv diesbezügliche Gefährdung ausreichen solle) konstruiert, wofür der Wortlaut ebenfalls wenig Anhaltspunkte bietet.
Position 4: Erfordernis eines Aneignungserfolges
Schließlich wird in Teilen der Literatur eine Objektivierung der Aneignungskomponente der Zueignung vorgeschlagen.
Vertiefender Hinweis: Auch dieser Ansicht lässt sich entgegenhalten, dass sie die Unterschlagung zu einem Delikt mit überschießender Innentendenz (Vorsatz auch hinsichtlich dauernder Enteignung obzwar objektiv bereits Aneignung ausreicht) umstrukturiert. Hinzu tritt, dass die äußere Handlung (die Aneignung) als bloße Gebrauchsanmaßung in aller Regel – abgesehen von den Fällen des § 248b StGB – eigentlich straffrei ist. Auf dem Boden der Aneignungstheorien rührt also der Kern des strafbaren Unrechts aus dem Enteignungsvorsatz und damit von der subjektiven Tatseite her; das provoziert die Kritik, die Auffassung schaffe Gesinnungsstrafrecht.
Insofern kann dem Erfordernis eines Aneignungserfordernis ein gewisse Nähe zur Manifestationstheorie unterstellt werden. Dementsprechend wird gar zum Teil vertreten, die Aneignungstheorie sei letztlich nur eine Modifizierung der Manifestationstheorie insofern als die Manifestation des Zueignungswillens gerade durch die objektive Aneignung erfolgen müsse.
Rechtswidrigkeit der Zueignung
Hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der Zueignung kann auf die entsprechenden Ausführungen zu § 242 StGB verwiesen werden (→ § 1 Rn. 188 ff.). Die Zueignung ist rechtswidrig, soweit sie gegen die dingliche Rechtslage verstößt und nicht durch einen fälligen und einredefreien Übereignungsanspruch gedeckt ist.
Klausurhinweis: In Klausur ist vor allem die Einwilligung als Rechtfertigungsgrund relevant. Sie muss – wie auch sonst – vor der Zueignung erklärt werden. Eine nachträgliche Genehmigung des Eigentümers lässt die Strafbarkeit nicht entfallen. Überschreitet der Täter die Grenzen der Einwilligung, ist die erfolgte Zueignung rechtswidrig.
Relevante Fallgruppen der Einwilligung in eine Zueignung sind Fälle der Lieferung unter Eigentumsvorbehalt und des Zapfens von Kraftstoff an einer Selbstbedienungstankstelle.
Bei unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Waren kann (und wird regelmäßig) die Weiterverarbeitung oder der Weiterverkauf der Ware gestattet sein. Im Zweifel ist der genaue Umfang der Einwilligung durch Auslegung zu ermitteln. An dieser Stelle können auch in strafrechtlichen Klausuren Begriffe wie „verlängerter Eigentumsvorbehalt“ oder „Eigentumsvorbehalt mit Verarbeitungsklausel“ auftauchen, die dann eingeordnet werden müssen. In der Rechtsprechung ist zudem anerkannt, dass von einer Einwilligung hinsichtlich der Weiterveräußerung auszugehen ist, wenn die Lieferung unter Eigentumsvorbehalt an einen Wiederverkäufer erfolgt.
OLG Düsseldorf NJW 1984, 810 (811). Beim Selbstbedienungstanken (bzw. jedenfalls beim Wegfahren nach dem Tanken
Darauf abzielend Ast, NStZ 2013, 305 (309); anders Lange/Trost, JuS 2003, 961 (963): Betanken als Tathandlung und Wegfahren als tatbestandslose Zweitzueignung. ) fehlt es vor Kaufpreiszahlung an einer Einwilligung des Verkäufers hinsichtlich der Zueignung des Benzins.OLG Hamm NStZ 1983, 266 (267); OLG Koblenz NStZ-RR 1998, 364; eingehend Borchert/Hellmann, NJW 1983, 2799 (2802 f.); Ast, NStZ 2013, 305; aA Baier, JA 1999, 364 (366); zu solchen Tankstellenfällen auch BGH NJW 1983, 2827, jedoch unter schwerpunktmäßiger Befassung mit einer Betrugsstrafbarkeit. Selbst wenn man noch annehmen wolle, der Inhaber der Tankstelle (als Eigentümer des Benzins) sei mit dem Einfüllen des Benzins einverstanden, so ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass er auch darin einwillige, dass der Tankende ohne Bezahlen wegfährt.Eingehend Ast, NStZ 2013, 305.
Die Rechtswidrigkeit der Zueignung wird überwiegend als normatives Tatbestandsmerkmal behandelt.
Vertiefender Hinweis: Zu den Einordnungsvorschlägen der Rechtswidrigkeit und den korrespondierenden Irrtumsfolgen umfassend bereits → § 1 Rn. 188 ff., 208 ff.
Besondere Formen der Zueignung
Drittzueignung
Der Wortlaut von § 246 Abs. 1 StGB sieht ausdrücklich vor, dass der Täter das Tatobjekt nicht nur sich selbst, sondern auch einem Dritten zueignen kann.
Vertiefung zur Historie der Drittzueignungsvariante
Die gesetzgeberische Entscheidung, die Unterschlagung um die Alternative der Drittzueignung zu erweitern, beruht ausweislich der Gesetzesmaterialien auf einer Entscheidung des Großen Strafsenates des BGH.
Es muss insofern aber klar differenziert werden zwischen einer Drittzueignung und einer Selbstzueignung, die als Durchgangsstadium für die Weitergabe der Sache an Dritte dient.
Beispiel: Ein Buchhändler, der sich privat von seinem Freund ein Lexikon geliehen hat, verbringt dieses aus seiner Wohnung in seinen Laden verbringt und verkauft es.
Nach der Manifestationstheorie läge hier spätestens in dem Kaufangebot gegenüber dem Kunden eine Selbstzueignung des Buchhändlers. Denn durch das Kaufangebot manifestiert sich eindeutig der Wille des Buchhändlers, sich den im Buch verkörperten Sachwert unter Ausschluss des Eigentümers zu eigen machen zu wollen. Wenn der Buchhändler das entliehene Buch dagegen mitnimmt und einer Bibliothek spendet, manifestiert sich gerade kein Wille zur Selbstaneignung von Sachsubstanz oder -wert; vielmehr wird unzweifelhaft deutlich, dass er die Sachsubstanz der Bibliothek (und damit einem Dritten) zuführen möchte.
Diese – allein zur Selbstzueignung unterschiedliche – Drittaneignung wirft jedoch Fragen auf. Sie bewegen sich in den gleichen Bahnen wie auch die Diskussion im Rahmen von § 242 Abs. 1 StGB nach dem Inhalt der Drittzueignungsabsicht (→ § 1 Rn. 168 ff.). Im Kern lassen sich vor allem zwei Streitpunkte ausmachen:
Zum Ersten ist unklar, welche Position der Dritte im Rahmen der Drittzueignung einnehmen muss. Zum Teil wird insofern vertreten, dass eine Drittaneignung schon begrifflich eine vom Dritten vollzogene Aneignung voraussetze.
Kindhäuser/Hoven, in: NK-StGB, 6. Aufl. (2023), § 246 Rn. 36; ähnlich Mitsch, ZStW 111 (1999), 65 (86 f.). Demgegenüber meinen andere, dass ein Zusammenwirken mit dem Dritten oder dessen Einverständnis nicht erforderlich seiEtwa Duttge/Sotelsek, JURA 2002, 526 (532). ; es genüge auch eine aufgedrängte oder heimliche Zueignung“.Ausdrücklich Rengier, BT I, 26. Aufl. (2024), § 5 Rn. 45.
Vertiefender Hinweis: Zurecht wird aber darauf hingewiesen, dass die Mitwirkung des Dritten bei der Drittaneignung weniger eine Frage des Unterschlagungstatbestand ist, sondern mehr auf die Zuordnung von Tatherrschaft abzielt.
Zum Zweiten wird darüber gestritten, inwiefern sich die Drittzueignung objektiv ausdrücken müsse. Das diesbezügliche Meinungsspektrum verläuft letztlich parallel zur allgemeinen Diskussion um den allgemeinen Zueignungsbegriff: So wird auch hier eine bloße Manifestation des Drittzueignungswillens als ausreichend angesehen; ausgehend von der herrschenden engen Manifestationstheorie sei eine Drittzueignung dann vollendet, wenn der Täter Sachsubstanz oder Sachwert unter dauerndem Ausschluss des Eigentümers dem Vermögen des Dritten einverleiben will.
Wittig, in: BeckOK-StGB, 62. Ed. (Stand: 01.08.2024), § 246 Rn. 8; Rengier, BT I, 26. Aufl. (2024), § 5 Rn. 45. Andere argumentieren, dass bereits die Ermöglichung einer Selbstaneignung des DrittenEtwa Otto, JURA 1998, 550 (551). bzw. die Schaffung einer Nähebeziehung zwischen Tatobjekt und DrittemJäger, JuS 2000, 1167 (1168). ausreiche. Und schließlich wird auch hier die Meinung vertreten, dass dem Dritten Sachsubstanz oder -wert tatsächlich einverleibt werden.Vogel/Brodowski, in: LK-StGB, Bd. 13, 13. Aufl. (2022), § 246 Rn. 34.
Wiederholte Zueignung
Angesichts der Weite des herrschenden Zueignungsbegriffes (Manifestationstheorie) stellt sich die Frage, wie damit umzugehen ist, wenn der Täter seinen Zueignungswillen fortwährend manifestiert.
Beispiel: T hat ein auf dem Gehweg gefundenes Handy eingesteckt, um es fortan für sich zu benutzen. Dies tut er auch, indem regelmäßig damit telefoniert und SMS schreibt.
Nach der weiten Manifestationstheorie hat sich T bereits durch das Einstecken des Handys, nach der engen Manifestationstheorie zumindest durch die erste Benutzung des Handys wegen Unterschlagung nach § 246 Abs. 1 StGB strafbar gemacht. Allerdings manifestiert sich auch in jeder weiteren Benutzung des Handys sein (andauernder) Zueignungswille. Macht sich T also bei jedem Telefonat und jeder versendeten SMS einer erneuten Unterschlagung schuldig?
Im Ergebnis steht fest, dass jedenfalls eine Bestrafung wegen solcher „wiederholten Unterschlagungen“ ausscheiden soll. Dass T das Handy nach der ersten Unterschlagung benutzte, stellt kein eigenes Unrecht dar, dass einer gesonderten Strafsanktion bedarf. Zweifelhaft ist indes, wie dieses Ergebnis begründet wird.
Die in § 246 Abs. 1 StGB aE formulierte Subsidiaritätsklausel hilft hier nicht weiter, denn sie bezieht sich nur auf dieselbe Tat im materiell-rechtlichen Sinne (näher → Rn. 107). Mehrere zeitlich getrennte Zueignungshandlungen werden daher nicht von ihr erfasst.
Nach der Auffassung der Rechtsprechung
Der Tatbestandslösung ist zuzugeben, dass unter „Zueignung“ nach dem allgemeinen Wortsinn eher die erstmalige Herstellung der eigentümerähnlichen Herrschaft über die Sache oder die erstmalige Verfügung darüber, nicht aber die bloße Ausnutzung einer solchen Herrschaftsstellung verstanden werden dürfte.
Klausurhinweis: Weil sowohl die Tatbestandslösung als auch die Konkurrenzlösung letztlich zum selben Ergebnis, nämlich der Straflosigkeit der späteren Zueignung, gelangen, ist in der Klausur ein Streitentscheid regelmäßig nicht erforderlich. Gleichwohl ist der Streit um die Behandlung wiederholender Zueignungen ein Standardproblem der Unterschlagung, sodass die wesentlichen Argumente in der Klausur stets kurz benannt werden sollten.
Dies ändert sich jedoch, wenn eine Teilnahme an der späteren Zueignung in Betracht kommt. Während nach der Tatbestandslösung eine Teilnahme schon mangels Haupttat ausscheidet, ermöglicht die Konkurrenzlösung eine Bestrafung des Teilnehmers. Dementsprechend ist die oben skizzierte Diskussion für die Strafbarkeit des Teilnehmers relevant und muss daher umfassend geführt und entschieden werden.
Vertiefender Hinweis: Zweifelhaft ist, ob die vorstehenden Überlegungen sich auch auf eine Drittzueignung nach einer vorherigen Selbstzueignung übertragen lassen.
Qualifikationstatbestand der veruntreuenden Unterschlagung, § 246 Abs. 2 StGB
Die veruntreuende Unterschlagung nach § 246 Abs. 2 StGB ist ein qualifizierter Fall der Unterschlagung.
Anvertraut ist eine Sache, wenn sie dem Täter in dem Vertrauen überlassen wurde, er werde die Herrschaft nur im Sinne des Überlassenden ausüben.
Beispiele
Die Begrifflichkeit einer „veruntreuenden“ Unterschlagung darf dementsprechend nicht dahingehend missverstanden werden, dass wie bei § 266 StGB ein besonderes Treueverhältnis des Täters zum Eigentümer der unterschlagenen Sache vorausgesetzt wird.
Vertiefung zum Anvertraut-Sein bei Sachen, die zu verbotenen oder sittenwidrigen Zwecken übergeben wurden
Zweifelhaft ist indes, ob auch eine Sache, die zu verbotenen oder sittenwidrigen Zwecken übergeben wurde, dem Täter im Sinne des § 246 Abs. 2 StGB anvertraut wurde. Dies wird von der hM jedenfalls dann bejaht, wenn der Eigentümer selbst dem Täter zu einem solchen Zweck anvertraut.
Rechtswidrigkeit und Schuld
Rechtswidrigkeit
Die Rechtswidrigkeit der Zueignung ist bereits ein (normatives) Tatbestandsmerkmal und eine Rechtfertigung der Zueignung lässt entsprechend nicht erst die Rechtswidrigkeit, sondern bereits die Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens ausscheiden (→ Rn. 67 ff.). Insofern ist eine gesonderte Rechtswidrigkeitsprüfung jenseits des Unterschlagungstatbestandes nicht nur überflüssig, sondern sogar falsch; eine tatbestandsmäßige Unterschlagungshandlung kann niemals rechtmäßig sein, denn eine rechtmäßige Handlung erfüllt bereits den Tatbestand von § 246 StGB nicht.
Insofern unterscheidet sich die Rechtslage maßgeblich von der Situation beim Diebstahl (→ § 1 Rn. 188 ff., 218): Bei § 242 StGB wird lediglich die Rechtswidrigkeit der Zueignung als normatives Tatbestandsmerkmal behandelt. Insofern bleibt auf der Rechtswidrigkeitsebene die Prüfung der Rechtswidrigkeit hinsichtlich der Wegnahme. Im Gegensatz dazu verbleibt bei der Unterschlagung, deren Tathandlung sich ja in der Zueignung erschöpft, gerade kein eigenständiger Bezugspunkt für eine weitere Rechtfertigungsprüfung.
Dies wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Dogmatik der Rechtfertigungsgründe sich durch die Verlagerung in den Tatbestand nicht verändert – also eine Einwilligung des Eigentümers nicht als Einverständnis behandelt wird.
Klausurhinweis: Der Umstand, dass die Rechtswidrigkeit richtigerweise (nur) als normatives Tatbestandsmerkmal und nicht (auch) darüber hinaus geprüft werden darf, müsste sich konsequenterweise in der Gliederung des Gutachtens niederschlagen. Statt wie üblich „I. Tatbestand, II. Rechtswidrigkeit, III. Schuld“ müsste sie „I. Tatbestand, II. Schuld“ lauten. Diese Abweichung vom Standard ist bislang allerdings nicht geläufig
Wie also sollte man als Klausurbearbeiter:in mit diesem Dilemma umgehen? Vertretbar ist hier vieles, wobei Sie jedoch beachten müssen, dass Sie Ihren Aufbau an keiner Stelle näher erläutern dürfen. Am sinnvollsten erscheint Folgendes: Die vom Sachverhalt aufgeworfenen Rechtfertigungsgründe sind sämtlich im Tatbestand (und nur dort!) zu erörtern. Kommt man zu einer Rechtfertigung, ist die Prüfung an dieser Stelle (auf der Ebene „I. Tatbestand“) mangels tatbestandlicher Unterschlagungshandlung bereits beendet und die Frage nach der Bezeichnung weiterer Prüfungsebenen entfällt. Kommt man dagegen zur Rechtswidrigkeit der Unterschlagung, sollte hiernach (auf einer Ebene „II. Rechtswidrigkeit und Schuld“) in einem Satz die Rechtswidrigkeit des Handelns festgestellt werden. Diese Feststellung ist zwar mit Blick auf die bereits erfolgten Ausführungen auf Tatbestandsebene redundant, aber jedenfalls nicht inhaltlich falsch. Dogmatisch weniger strafrechtlich bewanderte Korrektor:innen werden durch dieses Vorgehen nicht irritiert. Umgekehrt lässt die Diskussion der Rechtswidrigkeitsaspekte bereits auf Tatbestandsebene keinen Zweifel an deren systematisch richtiger Einordnung.
Schuld
Hinsichtlich der Schuld birgt die Unterschlagung keine Besonderheiten.
Täterschaft und Teilnahme
Grundlegendes
Die Fragen von Täterschaft und Teilnahme an der Unterschlagung richten sich nach den allgemeinen Grundsätzen. Beteiligter kann jedoch nur sein, für wen das Tatobjekt fremd ist.
Bei der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme ist zu berücksichtigen, dass eine Grenzziehung nach subjektiven Gesichtspunkten nicht möglich ist.
Insofern müssen die Beteiligungsformen objektiv voneinander abgegrenzt werden. Dies wird allerdings dadurch erschwert, dass die Tathandlung der Unterschlagung, § 246 StGB, durch die herrschende Manifestationstheorie in hohem Maße subjektiviert ist.
Vertiefender Hinweis: Diese Problematik entschärft sich, je höher die Anforderungen an die tatbestandsmäßige Zueignungshandlung gestellt werden. Geht man beispielsweise davon aus, dass eine (Dritt-)Zueignung nicht bereits jedwede Manifestation eines (Dritt-)Zueignungswillens ist, sondern außerdem eine geschaffene Nähebeziehung zwischen Tatobjekt und Begünstigtem verlangt, gelingt eine Abgrenzung von Täterschaft (hinsichtlich einer Drittzueignung) und Teilnahme (an der Selbstzueignung des Dritten) auch danach, ob der Beteiligte zum Zeitpunkt des Zueignungsaktes eine Herrschaftsbeziehung zur Sache innehatte.
Letztlich bleibt die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme bei der Unterschlagung eine Frage des Einzelfalles.
Vertiefung zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme im Kontext der Drittzueignung
Besondere Schwierigkeiten bringt die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme im Kontext der Drittzueignung mit sich. Praktisch wird eine Drittzueignung selten ohne Mitwirkung des begünstigten Dritten erfolgen
Diese Erkenntnis, dass durch die Einführung der Drittzueignungsvariante in § 246 Abs. 1 Alt. 2 StGB ein Verhalten, welches früher als bloße Teilnahme gewertet werden konnte, nunmehr eine täterschaftliche Unterschlagung darstellen kann, darf aber nicht dahingehend missverstanden werden, dass die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme im Kontext der Drittzueignung obsolet geworden wäre. Es wäre falsch jedwede Unterstützung zur Selbstzueignung kategorisch als täterschaftliche Drittzueignung deuten zu wollen. In den Worten des BGH:
„Die Einfügung der Drittzueignungsabsicht durch das 6. Strafrechtsreformgesetz vom 26. Januar 1998 (BGBl. I S. 164) hat zwar den Anwendungsbereich der Mittäterschaft ausgedehnt, die allgemeinen Abgrenzungskriterien zwischen Täterschaft und Teilnahme in diesem Bereich jedoch nicht außer Kraft gesetzt.“
Vielmehr plädiert insbesondere die Literatur dafür, objektive Abgrenzungsmöglichkeiten zu finden.
Sukzessive Beteiligung
Sofern man eine (ihrerseits umstrittene, aber von der wohl hM
Besonderheiten hinsichtlich der veruntreuenden Unterschlagung (§ 246 Abs. 2 StGB)
Hinsichtlich der veruntreuenden Unterschlagung ist überdies zu beachten, dass das Anvertraut-Sein iSd § 246 Abs. 2 StGB des Tatobjektes mit einer besonderen Pflichtenstellung gerade desjenigen, dem die Sache anvertraut wird, einhergeht und daher ein besonderes persönliches Merkmal iSd § 28 StGB ist. Gemäß § 28 Abs. 2 können daher nur solche Beteiligte, denen die Sache anvertraut wurde, nach § 246 Abs. 2 StGB bestraft werden. Ansonsten kann nur eine Beteiligung an einer einfachen Unterschlagung nach § 246 Abs. 1 StGB geahndet werden.
Beispiel: T leiht sich von seinem Kommilitonen K ein Lehrbuch, um damit bis zu den Klausuren zu lernen. Sein Freund A überzeugt ihn jedoch, das Buch nicht wieder herauszugeben und stattdessen als eigens auszugeben.
Indem T das ihm geliehene und damit iSd § 246 Abs. 2 StGB anvertraute Lehrbuch für sich behalten, also sich selbst zueignen, wollte und dies durch die Verwendung als eigenes auch eindeutig manifestierte, hat er sich – nach der hM – nach § 246 Abs. 2 StGB strafbar gemacht. Weil A diesen Entschluss bei T bewusst verursacht hat und ihn somit zu seiner vorsätzlichen, rechtwidrigen Tat bestimmte, liegt eine strafbare Anstiftung (§ 26 StGB) vor. Jedoch hatte K das Lehrbuch nur dem T anvertraut, nicht auch dem A. Entsprechend konnte sich A nur wegen Anstiftung zur (einfachen) Unterschlagung gem. §§ 246 Abs. 1, 26 StGB strafbar machen.
Umgekehrt kann die Wirkung des § 28 Abs. 2 StGB aber auch zulasten des Teilnehmers gehen. Wäre im Beispielsfall das Buch also tatsächlich an den A und nicht an T verliehen worden und hätte es sich T sodann nach Anstiftung des As zugeeignet, dann hätte sich T nur wegen einer einfachen Unterschlagung, A jedoch wegen Anstiftung zu einer veruntreuenden Unterschlagung strafbar gemacht.
Versuch
Gemäß § 246 Abs. 3 StGB (iVm § 23 Abs. 1 Alt. 1 StGB) ist der Versuch der (einfachen wie veruntreuenden) Unterschlagung mit Strafe bedroht. Bei der Prüfung der Versuchsstrafbarkeit sind keine Besonderheiten zu beachten.
Zu dem Anwendungsbereich der Versuchsstrafbarkeit in Abhängigkeit von den verschiedenen Zueignungsbegriffen bereits → Rn. 40. Im Kern lässt sich diesbezüglich festhalten, dass der Versuchsstrafbarkeit nach § 246 Abs. 3 StGB umso mehr praktische Bedeutung zukommt, je enger eine vollendete Zueignung verstanden wird.
Konkurrenzen
Formelle Subsidiarität, § 246 Abs. 1 StGB aE
Die wohl wichtigste konkurrenzrechtliche Besonderheit der Unterschlagung ist die Subsidiaritätsklausel in § 246 Abs. 1 StGB aE. Hiernach kommt eine Bestrafung wegen einer Unterschlagung nur in Betracht, „wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.“ Man spricht insofern von einer „formellen Subsidiarität“ der Unterschlagung.
Mit der Bezeichnung „die Tat“ ist dabei nicht die Tat im prozessualen Sinne nach § 264 Abs. 1 StPO (d. h. der gesamte einheitliche Lebensvorgang) gemeint,
Weiterhin tritt die Strafbarkeit nach § 246 StGB nur zurück, wenn die Handlung im natürlichen Sinne „mit schwererer Strafe bedroht“ ist. Hierbei kommt es allein auf die abstrakte Strafandrohung, sprich den Strafrahmen an, wobei auch eine Strafrahmenverschiebung (zB bei einem besonders schweren Fall) zu berücksichtigen ist.
Vertiefender Hinweis: Jedoch stellt sich die Frage, ob jede schwere Strafandrohung zur formellen Subsidiarität der Unterschlagung führt.
Beispiel (nach BGHSt 47, 243): Der T ersticht seinen Freund und entschließt sich hierbei, ihm sodann das Handy abzunehmen. Dies setzt er in die Tat um.
Im Beispielsfall hat der BGH zunächst festgestellt, dass der Totschlag und die Unterschlagung tateinheitlich zueinanderstehen. Insofern stellte sich die Frage, ob die Unterschlagung im Wege formeller Subsidiarität (§ 246 Abs. 1 StGB aE) hinter dem mit höherer Strafe bedrohten Tötungsdelikt zurücktritt. Dies hat der BGH bejaht.
Obwohl die systematische Positionierung der Subsidiaritätsklausel in § 246 Abs. 1 StGB anderes vermuten ließe, findet sie auch auf § 246 Abs. 2 StGB sowie – angesichts der formellen Subsidiarität der Vollendungsstrafbarkeit: a maiore ad minor – auch auf die Versuchsstrafbarkeit nach § 246 Abs. 3 StGB Anwendung.
Weitere Konkurrenzen
Zur konkurrenzrechtlichen Behandlung der wiederholten Zueignung bereits → Rn. 78 ff.
Sofern der Täter durch eine Ausführungshandlung den Zueignungswillen hinsichtlich mehrerer Sachen manifestiert, liegt nur eine Unterschlagung vor.
Zwar tritt § 246 StGB aufgrund formeller Subsidiarität (→ Rn. 106 ff.) stets hinter einer Betrugsstrafbarkeit nach § 263 StGB (auch beim bloßen Betrugsversuch
Im Kontext von § 248b StGB ist zu beachten, dass der beim Gebrauch des Fahrzeugs notwendige Verbrauch von Benzin nicht als Unterschlagung nach § 246 StGB bestraft wird, weil die Unterschlagungsstrafbarkeit auf Konkurrenzebene zurücktritt (ähnlich wie bei § 242 StGB → § 1 Rn. 239).
Aufbauschema
Weil nach der hM die Tathandlung bereits in der Manifestation eines Zueignungswillen liegt, kann die objektive Tatseite (Manifestation) nur bejaht werden, wenn zuvor die subjektive Tatseite (Zueignungswillen) festgestellt wurde. Der klassische Aufbau, in dem zuerst der objektive Tatbestand und sodann der subjektive Tatbestand geprüft wird, passt daher für die Prüfung der Unterschlagung nicht. Insofern wird zT eine Umkehrung dieses Schemas empfohlen.
Im Ergebnis scheint es daher sinnvoll, sich bei der Prüfung des § 246 StGB gänzlich von den Kategorien „subjektiver Tatbestand“ und „objektiver Tatbestand“ zu lösen.
Tatbestand
Tatobjekt und ggf. Anvertraut-Sein iSv § 246 Abs. 2 StGB
Tathandlung; Zueignung
Subjektives Element
Objektives Element
Rechtswidrigkeit
Zum Dilemma der Verortung der Rechtswidrigkeitsprüfung im Gutachten → Rn. 92. / Schuld
Sollte dagegen ein von der Manifestationstheorie abweichender, objektiverer Zueignungsbegriff, wonach der objektiven Seite der Zueignung eine eigenständigere Bedeutung zukommt, vertreten werden, kann auch am klassischen Aufbauschema festgehalten werden.
Wissen für die Zweite Juristische Prüfung
Strafantrag
Wenn die Tat sich im familiären Nahbereich iSv § 247 StGB abspielt, kann eine Unterschlagung nur auf Antrag verfolgt werden. Dies gilt angesichts des Wortlautes („in den Fällen der §§ 242 und 246“), der nicht zwischen § 246 Abs. 1 und Abs. 2 StGB unterscheidet, sowohl für die einfache als auch für die veruntreuende Unterschlagung.
Sofern das Tatobjekt geringwertig iSv § 248a StGB ist, bedarf es ebenfalls grundsätzlich eines Strafantrages. Dies gilt wiederum sowohl für § 246 Abs. 1 als auch Abs. 2 StGB. Hinsichtlich der Wertbemessung sowie der Wertgrenze kann auf die Ausführungen zu § 243 Abs. 2 StGB (→ § 2 Rn. 45 f.) verwiesen werden.
Vom Strafantragserfordernis kann jedoch eine Ausnahme gemacht werden, wenn die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält. In diesem Fall kann die Verfolgung auch ohne Strafantrag erfolgen.
Tenor/Urteilsformel
Im Fall einer Verurteilung wegen Unterschlagung wird wie folgt tenoriert:
§ 246 Abs. 1 StGB: „Der Angeklagte ist der Unterschlagung schuldig.“
§ 246 Abs. 2 StGB: „Der Angeklagte ist der veruntreuenden Unterschlagung schuldig.“
Der Tenor muss also zwischen dem Grundtatbestand (§ 246 Abs. 1 StGB) und dem Qualifikationstatbestand (§ 246 Abs. 2 StGB) differenzieren und den jeweils einschlägigen Tatbestand zum Ausdruck bringen.
Studienliteratur und Übungsfälle
Weiterführende Studienliteratur
Kudlich/Koch, Die Unterschlagung (§ 246 StGB) in der Fallbearbeitung, JA 2017, 184
Fahl, Das schwierige Verhältnis von § 246 StGB zu § 242 StGB, JA 2014, 382
Kretschmer, Tatbestands-oder Konkurrenzlösung: eine typische Argumentation im Strafrecht, JuS 2013, 2
Börner, Zum Stand der Zueignungsdogmatik in den §§ 242, 246 StGB, JURA 2005, 389
Jäger, Unterschlagung nach dem 6. Strafrechtsreformgesetz – Ein Leitfaden für Studium und Praxis, JuS 2000, 1167
Übungsfälle
Kalle/Bednarz, Referendarexamensklausur – Strafrecht: Automobile Probleme, JuS 2024, 596
Esser/Zitzelsberger, Anfängerklausur – Strafrecht: Diebstahl – Weinblätter auf Abwegen, JuS 2021, 135
Großmann/Wehrstein, „ Die Drei aus dem Stübchen “, JA 2021, 113
Schumann/Zivanic, Breit gebaut, braun gebrannt, Schlüssel unter der Hantelbank, JA 2018, 504
Rosenau/Zimmermann, (Original-)Referendarexamensklausur – Strafrecht: Die Falsche im Schnee, JuS 2009, 541
Mitsch, Referendarexamensklausur – Strafrecht: Eigentums- und Vermögensdelikte, JuS 2007, 555
Dittrich/Pintaske, Übungsfall: Ein Student auf Abwegen, ZJS 2011, 157