Olivia Czerny Zivilrecht: Wissen und Methoden für die Falllösung Licensed under CC-BY-4.0

Wertungen §§ 932, 935 BGB

  • § 932 und § 935 BGB dienen dem Ausgleich zwischen Eigentumsschutz und Verkehrsfähigkeit von Gütern:

    • Interesse des Erwerbers, Eigentum an der Sache zu erhalten vs.

    • Interesse des Eigentümers, Eigentum zu behalten und die Sache vom jetzigen Besitzerherausverlangen zu können

  • §§ 929 S. 1, 932 I BGB lösen diesen Zielkonflikt grds. zugunsten der Verkehrsfähigkeit (also der Erwerber) auf.

    • Kann der Veräußerer die Sache übergeben,

    • begründet der Besitz schützenswertes Vertrauen in die Eigentümerstellung des Veräußerers (vgl. § 1006 BGB).

  • Anders in den Fällen des § 935 I BGB:

    • Hier hat der Eigentümer den Besitz nicht freiwilligaufgegeben.

    • Deshalb bewertet die Rechtsordnung das Interesse an „seinem“ Eigentum höher.

    • Denn nur bei freiwilliger Aufgabe konnte der Eigentümer selber eine Wahl treffen, welche Person er für vertrauenswürdig genug hält, um ihr die Sache zu geben.

    • Trifft er hier die "falsche" Wahl, ist es gerechtfertigt, ihn auf Ansprüche gegen die Person zu verweisen, der er die Sache ausgehändigt hat.

    • Konnte er keine Wahl treffen, ist er schutzwürdiger und kann gegen den jetzigen Besitzer (= potentiellen Erwerber) vorgehen.

  • Rückausnahme § 935 II BGB: Entscheidung zugunsten der Verkehrsfähigkeit

    • bei Gütern, die besonders verkehrsfähig sein sollen, z.B. Geld und

    • Situationen, in denen sich der Erwerber auf „seinen Erwerb“ verlassen können soll, z.B. öffentliche Versteigerung