Fahrlässige Brandstiftung gem. § 306d Abs. 1 StGB
§ 306d StGB regelt die Fälle fahrlässigen Handelns. Die Norm verweist auf die drei Grunddelikte in § 306 StGB, § 306a Abs. 1 und Abs. 2 StGB. In Verbindung mit § 306d StGB wird aus diesen jeweils ein eigenständiges Fahrlässigkeitsdelikt, das dann nicht mehr als Grunddelikt für Qualifikationstatbestände (§§ 306b, 306c StGB) in Betracht kommt. Eine Besonderheit gilt für § 306d iVm § 306a Abs. 2 StGB: Bezüglich § 306a Abs. 2 StGB differenziert § 306d StGB danach, ob der Täter fahrlässig bzgl. der Tathandlung, aber vorsätzlich bzgl. der konkreten Gefahr (§ 306d Abs. 1 Alt. 2 iVm § 306a Abs. 2 StGB, Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination und wegen §§ 18, 11 Abs. 2 StGB insgesamt ein Vorsatzdelikt) oder fahrlässig bezüglich Tathandlung und konkreter Gesundheitsgefahr handelt (§ 306d Abs. 2 iVm § 306a Abs. 2 StGB, Fahrlässigkeits-Fahrlässigkeits-Kombination, echtes Fahrlässigkeitsdelikt).
Beispiel: Der Täter wirft aus Achtlosigkeit, aber ohne, dass er eine Brandgefahr in Kauf nimmt, eine Zigarette in die Scheune eines Bauern, in welcher dieser unter anderem getrocknete Heuballen lagert (Fahrlässigkeit bzgl. Handlung). Dabei weiß der Täter, dass am Hof Mitarbeiter beschäftigt sind, die sich zur Tatzeit gelegentlich in der Scheune aufhalten. Es kommt zur Entzündung des Heus und schließlich der Scheune, wobei die sich tatsächlich dort befindlichen Mitarbeiter gerade noch mit Rauchvergiftungen aus der zusammenstürzenden Scheune retten können (Fahrlässigkeit bzgl. konkreter Gesundheitsgefahr).
Vertiefungswissen: Diese Ausgestaltung ist missglückt, da kein Grund für die Privilegierung „kumulativer Fahrlässigkeit“ nach § 306d Abs. 2 StGB gegenüber § 306d Abs. 1 StGB ersichtlich ist. Wer in den Fällen des § 306 Abs. 1 StGB oder des § 306a Abs. 1 StGB fahrlässig ein geeignetes Objekt in Brand setzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft. Wer zusätzlich noch bezüglich der Gesundheitsschädigung fahrlässig handelt, wird nur mit bis zu drei Jahren bestraft. Es führt folglich zu einem Wertungswiderspruch, den Täter wegen doppelter Fahrlässigkeitstat zu privilegieren. Einleuchtend wäre es allenfalls, den Fall der fahrlässigen Gefährdung allein etwas milder und alle Fälle der fahrlässigen Handlung einheitlich unter einen nochmals gemilderten Strafrahmen zu stellen.
Vertiefungswissen: Wenn § 306a Abs. 2 StGB ausweislich des Wortlauts die Tatobjekte des § 306 Abs. 1 StGB einbezieht, umgekehrt aber nicht verlangt, dass es sich um fremde Sachen handeln muss, lässt sich daraus schließen, dass es sich bei § 306a Abs. 2 StGB nicht um eine Qualifikation des § 306 Abs. 1 StGB oder des § 306a Abs. 1 StGB handelt. Das ist im Hinblick auf die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit nur sachgerecht: Würde man in § 306a Abs. 2 StGB eine Qualifikation des § 306 Abs. 1 StGB sehen, würde beim Inbrandsetzen fremder Gebäude eine (zusätzliche) fahrlässige Gefährdung von Personen zu einer Strafrahmenmilderung führen, § 306d Abs. 1 Alt. 3 StGB. Würde man hingegen davon ausgehen, dass § 306a Abs. 2 StGB ausschließlich herrenlose/eigene Wohngebäude erfasst, würde dies zu einer sinnlosen Privilegierung des Inbrandsetzens fremder Gebäude mit Herbeiführung einer Gesundheitsgefahr führen, als in solch einem Fall ausschließlich § 306 Abs. 1 StGB anzuwenden wäre, mithin die Tatbestandsmäßigkeit des § 306a Abs. 2 StGB verneint werden müsste.
An § 306d StGB ist insbesondere im Kontext von Tatbestandsirrtümern zu denken (Tatbestandsirrtum bzgl. objektiven Tatbestandsmerkmalen des Grunddelikts, zB Irrtum über Fremdheit, Irrtum über Eigenschaften des Gebäudes iSv § 306a Abs. 1 StGB uÄ), aber auch wenn der Täter schlicht unachtsam ein Feuer verursacht hat. Der Aufbau der Prüfung entspricht demjenigen des Fahrlässigkeitsdelikts: Nach dem Erfolg des Inbrandsetzens bzw. Zerstörens (infolge einer Brandlegung) ist zu überprüfen, ob dem Täter objektive Fahrlässigkeit zur Last fällt, mithin eine Sorgfaltspflichtverletzung bei objektiver Vorhersehbarkeit des Erfolges angenommen werden kann. Hinsichtlich der Prüfung im Übrigen ergeben sich keine Besonderheiten.
Beispiele: Der Täter zündet nachts ein Gebäude an, welches er für ein Lagerhaus hält. Dabei geht es ihm ausschließlich darum, Sachwerte zu zerstören. Tatsächlich ist die Räumlichkeit aber bewohnt. (§ 306a Abs. 1 scheitert dann am Vorsatz bzgl. Wohnnutzung, Abs. 2 hingegen am Vorsatz bzgl. einer konkreten Gesundheitsgefährdung, weil der Täter sich hier in einem Irrtum über die Tatumstände befindet, § 16 Abs. 1 S. 1 StGB. Nach § 16 Abs. 1 S. 2 bleibt eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit nach § 306d).
§ 306d Abs. 1 Alt. 1 StGB: Der Täter stößt im Schlaf eine Kerze um und verursacht hierdurch einen Hausbrand.
§ 306d Abs. 1 Alt. 2 StGB: Der Täter geht davon aus, dass es sich bei den angezündeten Räumlichkeiten um eine nicht mehr genutzte Betriebsstätte handelt, tatsächlich liegt eine Widmung zu Wohnzwecken vor.
§ 306d Abs. 1 Alt. 3 StGB: Der Täter setzt vorsätzlich seine Geschäftsräume zur Nachtzeit in Brand, geht aber davon aus, dass niemand ernsthaft gefährdet werden könnte (aufgrund seiner vermeidbaren Vorstellung, es befinde sich niemand mehr im Büro).
§ 306d Abs. 2 StGB: Der Täter stößt im Schlaf eine Kerze um und gefährdet dadurch seine Ehefrau.
Tätige Reue gem. § 306e Abs. 1 StGB
Rechtsnatur
§ 306e StGB berücksichtigt nicht zuletzt wegen der Vorverlagerung der Strafbarkeit im Wege der Vorfeldkriminalisierung und der gleichzeitig enormen Strafhöhe honorierfähiges Nachtatverhalten des Täters. Die tätige Reue ist, vergleichbar mit dem Rücktritt beim Versuch, ein Strafbefreiungs- bzw. Strafmilderungsgrund und daher nach der Schuld zu prüfen. Anders als der Rücktritt setzt die tätige Reue aber ein bereits vollendetes Delikt, bei dem nur noch kein „erheblicher Schaden“ eingetreten ist, voraus. Sinn und Zweck ist es, den Täter dafür zu honorieren, dass er den Eintritt einer Rechtsgutsbeeinträchtigung („erheblicher Schaden darf nicht eintreten“) abwendet oder abzuwenden versucht. Diese prima facie paradox wirkende Situation (Tatbestandsvollendung, ohne dass ein „erheblicher Schaden“ bereits eingetreten ist), kann es nur bei Gefährdungsdelikten geben und ist geradezu typisch für sie. Daher ist die tätige Reue (untechnisch und salopp formuliert) so etwas wie ein Rücktritt vom Gefährdungsdelikt.
Insofern schließen sich § 24 StGB und § 306e StGB gegenseitig aus. Das heißt aber auch, dass der Täter im Falle einer versuchten Brandstiftung zurücktreten kann. § 24 StGB bleibt also gerade im Versuchsstadium der Brandstiftung einschlägig, sodass sich die Aufgabe der Tat bspw. noch vor dem Anzünden des in der Wohnung bereits verteilten Benzins nach dieser Vorschrift richtet. Erst ab formeller Tatbestandsvollendung (meist: sobald ein Löschen des Brands erforderlich ist), scheidet § 24 StGB aus und an dessen Stelle tritt dann § 306e StGB.
Klausurhinweis: Damit wäre es nicht verkehrt, dieses Verhältnis auch in der Klausurbearbeitung dadurch herauszuarbeiten, dass die Anwendung der allgemeinen Rücktrittsregelung nach § 24 StGB wegen formeller Tatbestandsvollendung ausscheidet.
Die Tätige Reue setzt voraus, dass der Täter Abstand von seiner Tat nehmen will. Der Täter muss demnach „freiwillig (vgl. Freiwilligkeit beim Rücktritt) den Brand löschen“. Außerdem genügt ein Bemühen analog zu § 24 StGB, wenn die Löscharbeiten des Täters nicht kausal für das Verhindern eines erheblichen Schadens werden.
Beispiel: So kommt eine tätige Reue bzgl. § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB noch in Betracht, wenn zwar ein Sachschaden in Millionenhöhe eintritt, aber verhindert wird, dass jemand zu Tode kommt.
Vertiefungswissen: Strittig ist neuerdings, ob entgegen dem Wortlaut „Löschen“ auch die Rettung des Opfers hinreicht, wofür vor allem der Telos der Norm spricht, die Abwendung bestimmter Schäden durch den Täter zu berücksichtigen, deren Eintritt die einschlägigen Delikte auch zu verhindern bezwecken. Der BGH entschied, dass § 306e Abs. 1 StGB auf die Qualifikation des § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB analog anzuwenden ist, wenn der Täter – anstatt den Brand zu löschen – die (konkrete) Lebensgefahr für das Opfer freiwillig durch anderweitige Rettungshandlungen beseitigt.
Prüfungsschema
Die Tätige Reue ist im Rahmen der Strafzumessung zu prüfen. Dabei sollten folgende Voraussetzungen erörtert werden:
Formelle Vollendung der Tat
Reuehandlung: Löschen oder ernsthaftes Bemühen
Kein erheblicher Schaden (diff. je nach Delikt)
Freiwilligkeit (ähnlich § 24 StGB)
Rechtsfolge des § 306e Abs. 1 StGB ist dann entweder ein Absehen von Strafe oder eine Strafmilderung, in Fällen von § 306d StGB sogar zwingend Straffreiheit.