Kilian Wegner Strafrecht Besonderer Teil I: Delikte gegen die Person und die Allgemeinheit Licensed under CC-BY-4.0

§ 45: Aussagedelikte (§§ 153 ff. StGB)

Autor: Manuel Richter

Überblick und Deliktsstruktur

§ 153 StGB erfasst falsche uneidliche Aussagen vor Gericht oder anderen zur eidlichen Vernehmung zuständigen Stellen durch Zeugen oder Sachverständige. § 154 StGB betrifft dagegen falsche Aussagen unter Eid und stellt für Zeugen und Sachverständigen eine Qualifikation zu § 153 StGB dar, bei anderen Personen hingegen einen eigenen Tatbestand (→ Rn. 24). § 155 StGB erweitert den Anwendungsbereich des § 154 StGB u. a. um eidesgleiche Bekräftigungen. § 156 StGB stellt hingegen einen eigenen Tatbestand für falsche Erklärungen an Eides statt dar. In § 161 StGB wird auch die fahrlässige Begehung der §§ 154156 StGB (nicht jedoch des § 153 StGB) pönalisiert. § 159 StGB erklärt die versuchte Anstiftung zu den §§ 153, 156 StGB – entgegen dem allgemeinen Grundsatze des § 30 Abs. 1 StGB – für anwendbar. Denn danach wäre die versuchte Anstiftung nicht strafbar, weil es sich bei den Straftatbeständen um keine Verbrechen handelt.

Um die §§ 153 ff. StGB in der Klausur zu beherrschen, ist ein Blick auf das geschützte Rechtsgut sowie die grundlegenden Deliktsstrukturen unerlässlich. Geschütztes Rechtsgut der §§ 153 ff. StGB ist die deutsche Rechtspflege (vgl. zu internationalen Gerichten aber § 162 Abs. 1 StGB).Überblick über Präzisierungen des geschützten Rechtsguts bei Müller, in: MüKo-StGB, Bd. 3, 4. Aufl. (2021), Vor § 153 Rn. 7 ff. Da es sich um Tätigkeitsdelikte bzw. abstrakte Gefährdungsdelikte handelt, muss ein Schaden oder eine konkrete Gefahr für die Rechtspflege nicht eintreten.Hettinger/Bender, JuS 2015, 577 (577). Weiterhin sind die §§ 153 ff. StGB nach ganz hM eigenhändige Delikte, Täter kann also nur sein, wer die Aussage selbst tätigt.Stellvertretend Heinrich, JuS 1995, 1115 (1116); Hettinger/Bender, JuS 2015, 577 (577); aA Mitsch ZIS 2022, 35. Bei eigenhändigen Delikten ist eine mittelbare Täterschaft nicht möglich, sondern lediglich Anstiftung und Beihilfe. Um diese Lücke zu schließen, hat der Gesetzgeber in § 160 StGB das Verleiten zu einer Falschaussage normiert (zum Streit über den Anwendungsbereich der Norm → Rn. 60 ff.).

Klausurhinweis: Mit Aussagedelikten gehen typischerweise auch die Tatbestände der §§ 257, 258, 164, 145d und ggf. 185 ff., 263 StGB einher, sodass in der Klausur auch an diese Normen gedacht werden sollte.

§ 153 StGB – Falsche uneidliche Aussage

Objektiver Tatbestand

Taugliche Täter

Täter des § 153 StGB können nur Zeugen oder Sachverständige sein. Wer Zeuge und Sachverständiger ist, bestimmt sich nach den Regelungen des jeweiligen Prozessrechts. Eine Legaldefinition des Zeugenbegriffs existiert nicht. Im Strafprozess zB ist Zeuge, wer in einem nicht gegen ihn selbst gerichteten Strafverfahren seine Wahrnehmungen über Tatsachen durch Aussagen kundgeben soll.RGSt 52, 289. Der Angeklagte im Strafprozess bzw. die Prozessparteien im Zivilverfahren scheiden bei § 153 StGB als taugliche Täter aus.

Gericht oder andere zuständige Stelle

Die Aussage muss vor einem Gericht oder einer anderen zur eidlichen Vernehmung zuständigen Stelle geschehen. Erfasst sind alle staatlichen Gerichte, also Strafgerichte, Zivilgerichte, Verwaltungsgerichte usw. § 162 StGB erweitert den Anwendungsbereich auf internationale Gerichte, die durch für die Bundesrepublik Deutschland verbindliche Rechtsakte errichtet worden sind, zB EuGH oder IStGH, sowie Untersuchungsausschüsse. Andere zur eidlichen Vernehmung zuständige Stellen sind nicht nur in der Praxis selten, sondern spielen auch in der Klausur regelmäßig keine Rolle.

Zu beachten ist, dass weder die Polizei noch die Staatsanwaltschaft zu eidlichen Vernehmungen befugt sind (§§ 161a Abs. 1 S. 3, 163 Abs. 3 S. 3 StPO). Falschaussagen vor der Polizei oder der Staatsanwaltschaft können aber ggf. unter die §§ 164, 145d StGB fallen.

Ob eine Vereidigung tatsächlich stattfindet, ist für § 153 StGB irrelevant. Die Norm knüpft nur daran an, dass die Behörde generell zur Abnahme von Eiden zuständig ist.

Aussage

Dem natürlichen Wortsinn entsprechend ist eine Aussage nach hM grds. nur eine mündliche Erklärung.Müller, in: MüKo-StGB, Bd. 3, 4. Aufl. (2021), § 153 Rn. 8; aA Bosch/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. (2019), Vor §§ 153 ff. Rn. 22.

Vollendet ist die Tat mit Abschluss der Aussage. Die Aussage ist abgeschlossen, wenn (kumulativ) die Beweisperson zu erkennen gibt, keine weiteren Informationen geben zu können, die Verfahrensbeteiligten erklären, keine Fragen mehr zu haben und die Richter:in zum Ausdruck bringt, die Vernehmung sei beendet.Hettinger/Bender, JuS 2015, 577 (581).

Achtung: Eine Vernehmung kann sich auch über mehrere Verhandlungstermine erstrecken!Katzenberger/Pitz, ZJS 2009, 659 (666).

Wird eine unrichtige Äußerung vor Abschluss der Vernehmung korrigiert, liegt keine strafbare Falschaussage vor.Katzenberger/Pitz, ZJS 2009, 659 (666).

Falschheit

Ein klassisches Problem (und bis heute umstritten) ist die Frage, wann eine Aussage iSd §§ 153 ff. StGB falsch ist. Folgende drei Ansichten sollten bekannt sein:

Nach der von der Rspr. und hM vertretenen objektiven Theorie ist eine Aussage falsch, wenn sie objektiv nicht mit der Realität übereinstimmt.BGHSt 7, 148; Geppert, JURA 2002, 173 (175). Da diese Ansicht auf den objektiven Wahrheitsgehalt abstellt, können kleine Abweichungen in der Formulierung der Aussage (insb. bei inneren Tatsachen) große Auswirkungen haben.Kritisch Gallas, GA 1957, 315 (322).

Klausurhinweis: Die Aussage muss in der Klausur daher „auf die Goldwaage gelegt“ werden und ihr Inhalt sorgfältig untersucht werden.

Beispiel: A ist wegen Einbruchdiebstahls angeklagt. Z, der den Einbruch beobachtet hat, soll im Prozess darüber berichten, welche Farbe die Jacke des Täters hatte. Tatsächlich trug der Täter eine schwarze Jacke. Da das Tatgeschehen aber bereits einige Monate zurückliegt, ist die Erinnerung von Z etwas getrübt und er glaubt, die Jacke sei blau gewesen. Sagt Z nun, sie sei blau gewesen, so ist die Aussage falsch, da sie nicht mit der objektiven Jackenfarbe übereinstimmt (Z fehlt jedoch der Vorsatz, eine Falschaussage zu begehen, § 16 Abs. 1 S. 1 StGB). Sagt er hingegen, die Jacke sei seiner Erinnerung nach blau gewesen, so ist die Aussage richtig. Z legt dann nämlich kein Zeugnis über die äußere Tatsache der Jackenfarbe ab, sondern über die innere Tatsache, wie die Jacke seiner Erinnerung nach aussieht.

Entgegengesetzt ist der Ansatzpunkt der heute kaum noch vertretenen subjektiven Theorie, nach welcher eine Aussage falsch sein soll, wenn der Täter sie für falsch hält. Die Aussage sei selbst dann falsch, wenn der Täter einem Irrtum unterliege und sie zufälligerweise der objektiven Wahrheit entspreche, sofern er die Aussage nur für die unwahr halte. Diese Ansicht fußt auf dem Gedanken, dass Beweispersonen nie von tatsächlichen Umständen berichten können, sondern immer nur von ihrem subjektiven Erleben der Umstände.OLG Bremen NJW 1960, 1827; Gallas, GA 1957, 315.

Die Pflichtentheorie knüpft hingegen an der prozessualen Pflicht der Beweisperson an. Diese müsse dasjenige aussagen, was sie nach bestmöglicher Anstrengung ihres Erinnerungsvermögens erinnere. Eine falsche Aussage liege also vor, wenn der Täter entweder entgegen seiner Erinnerung aussage oder aber sein Erinnerungsvermögen erst gar nicht hinreichend anstrenge. Zeugen und Sachverständigen sei es nämlich aufgrund von Fehleinschätzungen oder Erinnerungstrübungen häufig gar nicht möglich, die objektive Wahrheit vorzutragen. Daher bestehe ihre Aussagepflicht auch nicht darin, die objektive Wahrheit zu äußern. Sie seien stattdessen lediglich verpflichtet, ihr Erinnerungsvermögen bestmöglich anzustrengen und dasjenige auszusagen, woran sie sich daraufhin erinnern würden.Otto, GK BT, 7. Aufl. (2005), § 97 Rn. 7 ff.

Für die objektive Theorie spricht das geschützte Rechtsgut der §§ 153 ff. StGB. Nur objektiv unwahre Aussagen können die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung der Rechtspflege gefährden.Katzenberger/Pitz, ZJS 2009, 659 (660); Eisele, JA 2011, 667 (669). Gegen die subjektive Theorie spricht daneben die Systematik: § 160 StGB betrifft den Fall, dass die Beweisperson von der Richtigkeit ihrer Aussage überzeugt ist („verleitet“; näher zu § 160 StGB → Rn. 56 ff.). Dieser Norm liegt also das objektive Falschheitsverständnis zugrunde. Warum bei den übrigen Aussagedelikten ein anderes Falschheitsverständnis gelten soll,So aber Gallas, GA 1957, 315 (323). erschließt sich nicht.Geppert, JURA 2002, 173 (175); Hettinger/Bender, JuS 2015, 577 (580). Zudem ist es dem StGB fremd, das objektive Tatbestandsmerkmal der Falschheit subjektiv aufzuladen, wie ein Vergleich mit den §§ 164, 263 StGB zeigt.Bosch/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. (2019), Vor §§ 153 ff. Rn. 6. Auch die Pflichtentheorie kann unter systematischen Gesichtspunkten nicht überzeugen: § 161 StGB (fahrlässiger Falscheid) differenziert zwischen der Falschheit der Aussage und der Sorgfaltswidrigkeit. Das wiederum bedeutet, dass beide Merkmale nicht gleichgesetzt und zu einem einzigen Merkmal „verschliffen“ werden dürfen.Rengier, BT II, 25. Aufl. (2024), § 49 Rn. 8.

Klausurhinweis: Dieser Standardstreit sollte in der Klausur immer (in der gebotenen Knappheit) adressiert werden, d. h. man sollte alle drei Ansichten nennen und unter diese subsumieren. Vertiefte Ausführungen, insb. eine eingehende Argumentation, sind indessen nur geboten, wenn die verschiedenen Theorien zu unterschiedlichen Ergebnissen führen.

Eine Aussage fällt aber nur dann in den Anwendungsbereich der Norm, wenn die Beweisperson bezüglich des Aussageinhalts eine Wahrheitspflicht trifft.Hettinger/Bender, JuS 2015, 577 (578). Eine Wahrheitspflicht besteht nur bzgl. des Gegenstands der Vernehmung, und umfasst auch Umstände, die für die gerichtliche Entscheidung unwesentlich sind. Lediglich für die Entscheidung gänzlich irrelevante Inhalte sind nicht von der Wahrheitspflicht umfasst.Bosch/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. (2019), Vor §§ 153 ff. Rn. 9, 14 f.

Weiterführendes Wissen: Der Gegenstand der Vernehmung wird im Zivilprozess durch den Beweisbeschluss, § 359 ZPO, umgrenzt.Eisele, JA 2011, 667 (668). Im Strafprozess bezieht sich der Gegenstand der Vernehmung auf die verfahrensgegenständliche Tat im prozessualen Sinne, also auf das gesamte Verhalten des Beschuldigten bzgl. des durch die Strafverfolgungsbehörden (insb. durch die Anklageschrift) näher bezeichneten Verhaltens, soweit es nach allgemeiner Lebensauffassung ein einheitliches Geschehen darstellt.Eisele, JA 2011, 667 (668). Der Gegenstand der Vernehmung ist dem Zeugen im Strafprozess nach § 69 Abs. 1 S. 2 StPO vor der Vernehmung zu bezeichnen. Der Vernehmungsgegenstand kann in beiden Fällen durch Nachfragen der Prozessbeteiligten erweitert werden.Zum Ganzen Katzenberger/Pitz, ZJS 2009, 659 (660 ff.). Zum Vernehmungsgegenstand zählt bei Zeugen auch die Vernehmung zur Person, insb. die Befragung zu Namen, Alter und Anschrift (s. etwa § 68 Abs. 1 S. 1 StPO, § 395 Abs. 2 ZPO).Katzenberger/Pitz, ZJS 2009, 659 (661); Hettinger/Bender, JuS 2015, 577 (579). Bei Sachverständigen wird dies in der Literatur teilweise anders beurteilt. Demnach bestimme sich der Vernehmungsbegriff bei Sachverständigen nach dem Gutachtenauftrag. Für das Gutachten seien die persönlichen Verhältnisse des Sachverständigen jedoch irrelevant, sodass ihn insoweit keine Wahrheitspflicht treffe.Katzenberger/Pitz, ZJS 2009, 659 (661); aA BGH NStZ 2019, 462 (463); Bosch/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. (2019), Vor §§ 153 ff. Rn. 13.

Sehr umstritten ist die Beurteilung unwahrer Spontanäußerungen. Bei Spontanäußerungen handelt es sich um Aussagen der Beweisperson, die über den Vernehmungsgegenstand hinausgehen und von den Prozessbeteiligten auch nicht erfragt wurden. Nach einer Ansicht trifft die Beweisperson hier grds. keine Wahrheitspflicht, da dieser Inhalt nicht Teil des Vernehmungsgegenstandes sei. Anders sei es jedoch zu beurteilen, wenn das Gericht den Vernehmungsgegenstand nachträglich durch Nachfragen auf die ursprüngliche Spontanäußerung erweitere und die Beweisperson ihre frühere unwahre Aussage bestätige.BGH NStZ 1982, 464; Bosch/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. (2019), Vor §§ 153 ff. Rn. 15. Eine andere Ansicht nimmt bei Spontanäußerungen generell eine Wahrheitspflicht an, wenn der Aussageinhalt entscheidungserheblich ist. Dass der Aussageinhalt außerhalb des Vernehmungsgegenstandes liege (insb. im Zivilrecht außerhalb des durch den Beweisbeschluss vorgezeichneten Rahmens), ändere nichts daran, dass die unwahre Aussage die Wahrheitsfindung gefährde.Müller, in: MüKo-StGB, Bd. 3, 4. Aufl. (2021), § 153 Rn. 20a.

Beispiel: X wird vorgeworfen, auf offener Straße einen Raub begangen zu haben. Passant Y hat die Tat beobachtet und soll im Strafverfahren gegen sie als Zeuge aussagen. Y macht zwar wahrheitsgemäße Angaben zum beobachteten Tathergang, erklärt dabei aber ungefragt, während seiner Beobachtung auf dem Weg zu einem Freund gewesen zu sein. Tatsächlich war Y auf dem Weg zum Arzt, was er in der Verhandlung aber nicht publik machen will. Die Aussage ist zwar unwahr, dennoch unterfällt sie nicht § 153 StGB, da der Umstand, warum Y am Tatort gewesen ist, für das Strafverfahren gegen X keinerlei Rolle spielt.

Eine falsche Aussage liegt auch dann vor, wenn die Beweisperson bei ihrer ansonsten wahrheitsgemäßen Aussage wesentliche Informationen verschweigt und die Aussage als vollständig darstellt (also nicht offen zu bestimmten Themen schweigt).

Beispiel: Z sagt im Prozess als Zeuge wahrheitsgemäß aus, dass A den B geschlagen hat. Dabei verschweigt er aber bewusst, dass B den A währenddessen mit einem Messer bedrohte und A somit in Notwehr handelte. Die Aussage des Z ist unvollständig. Da die Drohung durch B eine wesentliche Information darstellt, weil sie über das Vorliegen einer Notwehrlage entscheidet, ist die Aussage nach allen drei Falschheitsbegriffen unwahr. Beachte: Der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit liegt hier nicht im Unterlassen, also im Verschweigen der Drohung von B, sondern im aktiven Zeichnen eines falschen Bildes. Denn Z gibt durch den Abschluss seiner Zeugenaussage konkludent und aktiv zum Ausdruck, dass er alles Relevante vorgetragen habe.Rengier, BT II, 25. Aufl. (2024), § 49 Rn. 13.

Verfahrensfehler

Vertiefung zur Verzahnung der Aussagedelikte mit dem Prozessrecht

Die besondere Verzahnung der Aussagedelikte mit dem Prozessrecht zeigt sich auch im Zusammenhang mit Verfahrensfehlern. Liegt einer Aussage ein Verfahrensfehler zugrunde, so ist umstritten, ob sie dem Anwendungsbereich der §§ 153 ff. StGB unterfällt.

Beispiel: L wird wegen Diebstahls angeklagt. Im Prozess soll auch M als Zeuge aussagen. Das Gericht übersieht hierbei, dass M und L früher verheiratet waren, nun aber geschieden sind. M wird daher nicht über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrt. Er sagt uneidlich falsch aus.

Dass die Ehe geschieden ist, ändert nichts am Bestehen des Zeugnisverweigerungsrechtes, vgl. § 52 Abs. 1 Nr. 2 StPO. Hierüber hätte M belehrt werden müssen, § 52 Abs. 3 S. 1 StPO. Dass das Gericht hiervon keine Kenntnis hatte, ist unschädlich. BGH StV 1988, 89 (90). Es liegt ein Verfahrensfehler vor, der ein Beweisverwertungsverbot zur Folge hat.Siehe nur BGHSt 9, 159 (160).

Nach hM ist der Verfahrensfehler lediglich auf Strafzumessungsebene zu berücksichtigen.BGH StV 1995, 249; Rengier, BT II, 25. Aufl. (2024), § 49 Rn. 36. Von der Aussage gehe nämlich trotz des Verfahrensfehlers eine Gefahr für die Rechtspflege aus, weil das Gericht das Beweisverwertungsverbot übersehen und die Aussage berücksichtigen könnte.Rengier, BT II, 25. Aufl. (2024), § 49 Rn. 36. M ist somit nach § 153 StGB strafbar, wobei der Verfahrensfehler strafmildernd zu berücksichtigen ist. Zudem kann vorliegend nach § 157 Abs. 1 StGB die Strafe gemildert oder von ihr abgesehen werden (→ Rn. 68 ff.), da der Angehörigenbegriff des StGB ebenfalls bereits geschiedene Eheleute umfasst (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) StGB).

Eine Minderheitenauffassung differenziert hingegen zutreffend zwischen verwertbaren und unverwertbaren Aussagen. Führt der Verfahrensverstoß dazu, dass die Aussage im Prozess nicht verwertet werden darf, so geht von dieser keine strafrechtlich relevante Gefahr aus. Eine Strafbarkeit muss damit ausscheiden. Bleibt die Aussage hingegen trotz des Verfahrensfehlers verwertbar, so wird der Verstoß nur bei der Strafzumessung berücksichtigt.Zöller, in: SK-StGB, Bd. 3, 9. Aufl. (2019), § 153 Rn. 32 ff. M ist nach dieser Ansicht also nicht strafbar. Für diese Ansicht spricht, dass es wertungsmäßig nicht überzeugt, die Strafwürdigkeit prozessual unverwertbarer falscher Aussagen damit zu begründen, dass der Staat die Unverwertbarkeit übersehen und die Aussage daher versehentlich verwerten könnte, denn dabei handelte es sich nur um einen erneuten Verfahrensverstoß aus der Sphäre des Staates.Zöller, in: SK-StGB, Bd. 3, 9. Aufl. (2019), § 153 Rn. 32 ff.

Subjektiver Tatbestand

Auf subjektiver Ebene ergeben sich keine Besonderheiten. Eventualvorsatz reicht aus.

§ 154 StGB – Meineid

Objektiver Tatbestand

Taugliche Täter und Verhältnis zu § 153 StGB

§ 154 StGB erfasst falsche Aussagen unter Eid. Der Täterkreis ist nicht auf Zeugen oder Sachverständige begrenzt, sodass – anders als bei § 153 StGB – zB auch Prozessparteien im Zivilprozess und Dolmetscher erfasst sind. Hieraus ergibt sich ein „janusköpfiges“ Verhältnis zwischen § 153 StGB und § 154 StGB: Handelt es sich im konkreten Fall um einen Zeugen oder Sachverständigen, so ist § 153 StGB das Grunddelikt und § 154 StGB die Qualifikation. Sagt hingegen eine Prozesspartei oder ein Dolmetscher aus, so stellt § 154 StGB ein eigenständiges Delikt dar, weil § 153 StGB für diese Personengruppen nicht einschlägig ist und folglich auch nicht das Grunddelikt bilden kann.

Der Beschuldigte selbst kann kein Täter sein, da er nicht vereidigt werden darf.BGHSt 10, 8 (10).

Klausurhinweis: Abhängig davon, welche prozessuale Rolle dem Täter zukommt, muss in der Klausur also ein isolierter Deliktsaufbau (Strafbarkeit nach § 154 StGB) oder der Aufbau einer Qualifikation (Strafbarkeit nach §§ 153, 154 StGB) gewählt werden, wobei auch die Prüfungsüberschrift entsprechend formuliert werden muss.

Vertiefung: Umstritten ist, ob auch Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und damit nach § 60 Nr. 1 Var. 1 StPO eidesunmündig sind, taugliche Täter des § 154 StGB sein können. Personen unter 18 Jahren sind Jugendliche iSd § 1 Abs. 1, 2 Alt. 1 JGG und damit nur strafbar, wenn sie die Einsichts- und Handlungsfähigkeit nach § 3 S. 1 JGG aufweisen. Eine Ansicht bejaht eine Strafbarkeit nach § 154 StGB bei Eidesunmündigen iSd § 60 Nr. 1 Var. 1 StPO, wenn diese die Reife nach § 3 S. 1 JGG aufweisen.Heger, in: Lackner/Kühl/Heger, 30. Aufl. (2023), § 154 Rn. 2; vgl. BGHSt 10, 142 (144). Eine andere Ansicht versteht § 60 Nr. 1 Var. 1 StPO zutreffend als unwiderlegliche Vermutung in Bezug auf § 3 S. 1 JGG, dass Jugendliche nicht die Reife besitzen, um die Bedeutung und Tragweite eines Eides(‑verstoßes) zu erfassen.Rengier, BT II, 25. Aufl. (2024), § 49 Rn. 20. Eine Strafbarkeit nach § 154 StGB scheidet nach der letztgenannten Ansicht damit aus, während eine Strafbarkeit nach § 153 StGB (unter den Voraussetzungen des § 3 S. 1 JGG) weiterhin möglich bleibt.

Falsche Aussage unter Eid

§ 154 StGB setzt voraus, dass eine Person entgegen ihrem Eidschwur falsch aussagt. Der Eidschwur muss nicht in allen Einzelheiten ordnungsgemäß ablaufen, sondern es ist ausreichend, wenn die wesentlichen Förmlichkeiten der Vereidigung eingehalten worden sind.Hettinger/Bender, JuS 2015, 577 (581); siehe zu den wesentlichen Förmlichkeiten etwa RGSt 70, 366. Insbesondere müssen die Worte „ich schwöre“ gesprochen werden, vgl. zB für den Strafprozess § 64 Abs. 2 StPO.Hettinger/Bender, JuS 2015, 577 (581).

Die Aussage und die Eidesleistung müssen nach § 154 Abs. 1 StGB „vor Gericht oder vor einer anderen zur Abnahme von Eiden zuständigen Stelle“ geschehen. Zur eidlichen Vernehmung sind insb. weder die Staatsanwaltschaft (§ 161a Abs. 1 S. 3 StPO) noch die Polizei zuständig (§ 163 Abs. 3 S. 3 StPO). Über die allgemeine Eigenschaft als Gericht bzw. Zuständigkeit zur Eidesabnahme hinaus ist jedoch vorauszusetzen, dass das Gericht oder die Stelle bei der konkreten Verfahrensart überhaupt derartige Eide abnehmen darf.Katzenberger/Pitz, ZJS 2009, 659 (667).

Beim Vollendungszeitpunkt ist zwischen Vor- und Nacheid zu differenzieren. Beim Voreid wird die Person vereidigt und sagt erst danach aus. Die Tat ist in diesem Fall mit dem Abschluss der Aussage vollendet.Katzenberger/Pitz, ZJS 2009, 659 (668). Beim Nacheid hingegen tätigt die Beweisperson erst ihre Aussage und beeidigt danach, dass die Aussage wahrheitsgemäß gewesen sei. Hier ist die Tat vollendet, wenn die Eidesformel vollständig gesprochen wurde.Eisele JA 2011, 667 (670). Das deutsche Prozessrecht sieht grundsätzlich den Nacheid vor (vgl. §§ 59 Abs. 2 S. 1 StPO, 392 S. 1, 452 Abs. 2 ZPO, zB auch iVm 98 VwGO). Der Voreid kommt jedoch zB bei Dolmetschern zur Anwendung (vgl. § 189 Abs. 1 S. 1 GVG).

Wann eine Aussage falsch ist und wie weit die Wahrheitspflicht reicht, bestimmt sich im Rahmen des § 154 StGB ebenso wie bei § 153 StGB (→ Rn. 11 ff.).

§ 155 StGB erweitert den Anwendungsbereich um die eidesgleiche BekräftigungDie eidesgleiche Bekräftigung dient demselben Zweck wie der Eid und steht Personen offen, die die Eidesleistung aus religiösen oder gewissensbezogenen Gründen ablehnen, vgl. §§ 65 StPO, 484 ZPO zB auch iVm 98 VwGO; vgl. hierzu auch BVerfGE 33, 23. bzw. um die Bezugnahme auf einen früheren Eid oder eine frühere eidesgleiche Bekräftigung.

Subjektiver Tatbestand

Eventualvorsatz reicht iRd § 154 StGB aus.

Versuch

Da es sich bei § 154 StGB um ein Verbrechen handelt, ist der Versuch strafbar (§§ 23 Abs. 1 Alt. 1, 12 Abs. 1 StGB). Auch beim Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens muss zwischen dem Vor- und dem Nacheid unterschieden werden. Beim Voreid liegt das unmittelbare Ansetzen erst im Beginn der falschen Aussage nach Leistung des Voreides.Katzenberger/Pitz, ZJS 2009, 659 (668); Eisele, JA 2011, 667 (669). Beim Nacheid setzt der Täter hingegen nicht bereits mit der falschen Aussage unmittelbar an, sondern erst, wenn er beginnt, die Eidesworte zu sprechen.Katzenberger/Pitz, ZJS 2009, 659 (668); Eisele, JA 2011, 667 (669 f.).

Leistet der Täter einen falschen Schwur und nimmt er dabei irrig die Zuständigkeit der betroffenen Stelle zur Abnahme von Eiden an, so sieht eine Ansicht hierin einen untauglichen Versuch.BGHSt 12, 56 (58); bezüglich § 156 StGB BGHSt 24, 38 (38). Die Gegenansicht betont zutreffend, dass der Irrtum sich hier nicht auf tatsächliche Umstände bezieht, sondern auf die rechtliche Wertung des Geschehens, namentlich die Zuständigkeitsregelungen des Prozessrechts. Damit ist von einem straflosen Wahndelikt auszugehen.Rengier, BT II, 25. Aufl. (2024), § 49 Rn. 25; Eisele, JA 2011, 667 (668).

Beispiel: Z sagt als Zeuge falsch vor der Staatsanwaltschaft aus und beschwört seine Aussage. Dabei geht er (entgegen § 161a Abs. 1 S. 3 StPO) davon aus, dass Staatsanwält:innen für die Abnahme von Eiden zuständig seien.

§ 156 StGB – Falsche Versicherung an Eides statt

§ 156 StGB betrifft die falsche Versicherung an Eides statt. Es handelt sich um einen eigenen Tatbestand und nicht etwa um eine Privilegierung zu § 154 StGB. Die Versicherung an Eides statt ist – wie der Eid – auf die Bekräftigung von Tatsachen in staatlichen Verfahren gerichtet, stellt aber eine schwächere Form der Bekräftigung dar.RGSt 67, 169. Der Tatbestand taucht in Klausuren nur selten auf, da er eng mit prozessrechtlichen Fragen verwoben ist, zu denen vertiefte Kenntnisse nicht erwartet werden.

Zuständige Behörde

Eine Behörde kann nach der Legaldefinition in § 11 Abs. 1 Nr. 7 StGB auch ein Gericht sein. Diese Behörde muss zur Abnahme eidesstattlicher Versicherungen zuständig sein. Nach hM erfordert dies: (1) Die Behörde muss generell zur Abnahme eidesstattlicher Versicherungen zuständig sein (generelle Zuständigkeit), (2) die Versicherung auch im konkreten Fall abnehmen dürfen (konkrete Zuständigkeit) und (3) die Versicherung an Eides statt darf im konkreten Fall rechtlich nicht völlig wirkungslos sein.BGHSt 17, 303 (303); Katzenberger/Pitz, ZJS 2009, 659 (669).

Insbesondere bei der Glaubhaftmachung von Tatsachenbehauptungen (§§ 920 Abs. 2 iVm 294 Abs. 1 ZPO, für das verwaltungsgerichtliche Verfahren zB iVm § 123 Abs. 3 VwGO) und der Abgabe eines Vermögensverzeichnisses im Rahmen der Zwangsvollstreckung (§ 802c Abs. 3 S. 1 ZPO) spielt § 156 StGB eine größere Rolle.

Falschheit

Ebenso wie bei den §§ 153, 154 StGB (→ Rn. 11 ff.) ist auch die Falschheit der Versicherung an Eides statt objektiv zu bestimmen. Zudem ist auch hier die Wahrheitspflicht durch den Verfahrensgegenstand und die Regeln bzw. Eigenart des Verfahrens begrenzt.Bosch/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. (2019), § 156 Rn. 5.

Beispiel: Schuldner S gibt im Rahmen des gegen ihn gerichteten Vollstreckungsverfahrens eine Vermögensauskunft nach § 802c ZPO ab und gibt eine Versicherung an Eides statt über deren Richtigkeit ab. Bei der Auskunft verschweigt er, dass er einen alten Staubsauger im Wert von 15 EUR hat. Die eidesstattliche Versicherung ist nicht falsch und damit nicht von § 156 StGB erfasst, da der Staubsauger offensichtlich nicht gepfändet werden kann – in Ansehung des geringen Wertes auch nicht im Wege einer Austauschpfändung (§§ 811 Abs. 1 Nr. 1, 811a Abs. 1 ZPO). Folglich war die Aufnahme des Staubsaugers in die Auskunft nicht von der Wahrheitspflicht umfasst (§ 802c Abs. 2 S. 4 ZPO).BayObLG NJW 2003, 2181; Katzenberger/Pitz, ZJS 2009, 659 (669).

Täterschaft und Teilnahme

Allgemeines

Wie oben bereits dargestellt, sind die §§ 153 ff. StGB eigenhändige Delikte, d. h. Täter kann nur sein, wer selbst aussagt; mittelbare Täterschaft oder Mittäterschaft sind nicht möglich. Bei den §§ 153156 StGB kann eine Person, die an der falschen Aussage eines anderen mitwirkt, daher lediglich Anstifter oder Gehilfe sein.Ausführlich zur Kategorie der eigenhändigen Delikte Satzger, JURA 2011, 103.

Umstritten ist, ob die Wahrheitspflicht der Beweisperson ein besonderes persönliches Merkmal iSd § 28 Abs. 1 StGBAllgemein zu besonderen persönlichen Merkmalen Valerius, JURA 2013, 15. darstellt. Dieser Streit muss nach der Strafbarkeit des Teilnehmers auf Strafzumessungsebene geführt werden. Denn subsumiert man die Wahrheitspflicht unter § 28 Abs. 1 StGB, so kommt Teilnehmern die Strafmilderung nach § 28 Abs. 1 StGB zugute, weil diese keine Zeugen usw. darstellen und daher auch nicht von einer entsprechenden Wahrheitspflicht betroffen sind. Auch der BGH hatte sich in einer kürzlich veröffentlichten und ausführlich begründeten Entscheidung mit dieser Frage auseinanderzusetzen.BGH BeckRS 2024, 10686. Entsprechend ist diese Problematik in besonderem Maße prüfungsrelevant.

Eine Minderheitenauffassung qualifiziert die Wahrheitspflicht des Zeugen als besonderes persönliches Merkmal iSd § 28 Abs. 1 StGB.Herzberg, ZStW 88 (1976), 68 (103 f.); Zöller, in: SK-StGB, Bd. 3, 9. Aufl. (2019), Vor § 153 Rn. 10. Für diese Ansicht wird angeführt, die prozessuale Wahrheitspflicht erfasse ausschließlich die Beweisperson. Damit treffe diese eine besondere Pflicht, der etwaige Teilnehmer gerade nicht unterlägen.Zöller, in: SK-StGB, Bd. 3, 9. Aufl. (2019), Vor § 153 Rn. 10. Weiter rechtfertige sich die erhebliche Privilegierung des Täters im Rahmen des § 160 StGB (vgl. den gegenüber anderen Aussagedelikten sehr niedrigen Strafrahmen) damit, dass er – anders als Zeugen – nicht von einer persönlichen Wahrheitspflicht erfasst sei. Er verleite lediglich Beweispersonen zur Falschaussage, die eine besondere Wahrheitspflicht treffe, verstoße aber nicht gegen eine eigene besondere Wahrheitspflicht, woraus sich der geringe Strafrahmen des § 160 StGB erkläre.Herzberg, ZStW 88 (1976), 68 (103 f.).

Die hM sieht in der Wahrheitspflicht kein besonderes persönliches Merkmal.Müller, in: MüKo-StGB, Bd. 3, 4. Aufl. (2021), Vor § 153 Rn. 19 f.; Bosch/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. (2019), Vor §§ 153 ff. Rn. 42; Katzenberger/Pitz, ZJS 2009, 659 (663). Dieser Ansicht schloss sich in seiner kürzlich ergangenen Entscheidung auch der BGH an.BGH BeckRS 2024, 10686 Rn. 5 ff. Der BGH bringt vor, das Merkmal „als Zeuge“ in § 153 StGB beschreibe nicht die Persönlichkeit des Täters und sei keine vorstrafrechtliche Pflicht. Vielmehr stelle § 153 StGB ein an jedermann gerichtetes Verbot auf, als Zeuge vor Gericht zu lügen, was gegen ein besonderes persönliches Merkmal spreche.BGH BeckRS 2024, 10686 Rn. 9 f. Dieses Verständnis sei mit dem Wortlaut der Norm vereinbar. Die Wendung „als Zeuge“ könne so interpretiert werden, dass sie denjenigen kennzeichne, der in einer Zeugenvernehmung falsch aussage; so verstanden beschreibe das Merkmal die Tatsituation und nicht die Täterperson bzw. -persönlichkeit.BGH BeckRS 2024, 10686 Rn. 11. Die historische Auslegung stütze dieses Ergebnis: Das StGB habe früher lediglich eine Strafbarkeit für falsche Aussagen unter Eid vorgesehen, weil Vereidigungen nach den früheren Verfahrensordnungen obligatorisch gewesen seien. Nachdem die obligatorische Vereidigung abgeschafft wurde, habe sich damit eine Strafbarkeitslücke für falsche uneidliche Aussagen ergeben, sodass auch für diese eine Strafbarkeit eingeführt worden sei. Dies sei aber nicht unter Strafe gestellt worden, weil die unvereidigten Zeugen eine besondere Pflicht treffe, sondern weil auch unwahre uneidliche Aussagen die Rechtspflege gefährden würden.BGH BeckRS 2024, 10686 Rn. 12. In systematischer Hinsicht führt der BGH an, dass § 154 StGB neben Zeugen auch Parteien des Zivilprozesses erfasse. Dies spreche gegen eine besondere persönliche Wahrheitspflicht von Zeugen. Die Gegenansicht müsse zur Auflösung von Wertungswidersprüchen entweder im Rahmen des § 154 StGB gänzlich (also auch bzgl. Zeugen) auf eine Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB verzichten oder aber auch bei den Parteien des Zivilprozesses von einer besonderen persönlichen Wahrheitspflicht ausgehen.BGH BeckRS 2024, 10686 Rn. 14 f. Auch der auf § 160 StGB gestützten Kritik tritt der BGH entgegen: Da sich die Norm ohnehin nicht bruchlos in die Systematik der Aussagedelikte einfüge, könnten systematische Schlüsse hieraus nicht ohne Weiteres gezogen werden.BGH BeckRS 2024, 10686 Rn. 18. Auch sei der im Vergleich zu §§ 15426 StGB niedrige Strafrahmen des § 160 Hs. 1 StGB historisch zu erklären: Der Meineid habe nach damaliger Vorstellung den sakralen Verstoß pönalisieren sollen, der gerade im vorsätzlichen Verstoß gegen den Eid gelegen habe. Bei § 160 Hs. 1 StGB liege jedoch kein vorsätzlicher Verstoß gegen den Eid vor, sodass nach damaliger Vorstellung ein Verleiten zum unvorsätzlichen Falscheid weniger strafwürdig erschienen habe als die Anstiftung zum Meineid. Deshalb privilegiere § 160 Hs. 1 StGB den Verleitungstäter gegenüber dem Anstifter zum Meineid. Die Privilegierung sei historisch also nicht damit zu erklären, dass den Verleitungstäter keine besondere persönliche Wahrheitspflicht treffe.BGH BeckRS 2024, 10686 Rn. 18. Schließlich führt der BGH auch teleologische Erwägungen an: Telos des § 153 StGB sei der Schutz der Rechtspflege vor unwahren Aussagen, nicht die Verhinderung von Verstößen gegen eine etwaige besondere Zeugenpflicht.BGH BeckRS 2024, 10686 Rn. 20. Zudem treffe den Zeugen keine besondere Verantwortung für den Schutz der Rechtspflege; dieses Rechtsgut sei ihm nicht „anvertraut“. Vielmehr sei die Zeugenpflicht rein formal-prozessualer Natur. Schließlich sei der Zeuge lediglich ein (personales) Beweismittel, wohingegen die Beweiswürdigung allein dem Gericht obliege.BGH BeckRS 2024, 10686 Rn. 21. Darauf aufbauend sei es auch sachlich nicht gerechtfertigt, die Strafe des Teilnehmers über § 28 Abs. 1 StGB zu mildern. Zum einen treffe den Zeugen keine besondere Pflicht, die eine höhere Strafe rechtfertige, und zum anderen gefährde der Teilnehmer die Rechtspflege ebenso wie der Zeuge selbst.BGH BeckRS 2024, 10686 Rn. 20 f. Zuletzt bringt der BGH vor, die Zeugenpflicht sei eine zeitlich auf die Vernehmung begrenzte Pflicht. Außerhalb der Vernehmung sei der Zeuge wieder „jedermann“, für den keine besonderen Pflichten gelten, sondern lediglich die allgemeinen Straftatbestände. Dies unterscheide die Zeugeneigenschaft von besonderen persönlichen Merkmalen, wie etwa bei der Untreue oder den Amtsdelikten, die auf längere Dauer angelegt seien.BGH BeckRS 2024, 10686 Rn. 22.

§ 159 StGB – Versuch der Anstiftung zur Falschaussage

§ 30 Abs. 1 StGB pönalisiert die versuchte Anstiftung nach seinem eindeutigen Wortlaut nur bei Verbrechen. § 154 StGB stellt ein Verbrechen dar, sodass für diesen § 30 Abs. 1 StGB unmittelbar gilt. Die §§ 153, 156 StGB hingegen sind Vergehen, sodass eine Strafbarkeit der versuchten Anstiftung bei diesen Tatbeständen eigentlich nicht bestünde. Um dies zu vermeiden, erweitert § 159 StGB den Anwendungsbereich der §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB auf die §§ 153, 156 StGB.

§ 159 StGB betrifft Fälle, in denen der Anstifter die Beweisperson (zutreffend oder unzutreffend) für bösgläubig hält. Hält er die Beweisperson für gutgläubig, ist in Abgrenzung dazu stattdessen § 160 Abs. 1 bzw. Abs. 2 StGB einschlägig (→ Rn. 56 ff.).

§ 159 StGB erweitert lediglich den Anwendungsbereich der §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB, modifiziert die Regelungen aber nicht, sodass insoweit die allgemeinen Grundsätze der §§ 30 f. StGB gelten.

Beispiel: Buchhalter B hat im Unternehmen der C eine Untreue (§ 266 StGB) begangen. In dem gegen ihn gerichteten Strafverfahren soll auch die Kollegin K des B aussagen. Da C durch die Aufdeckung der Organisationsmängel einen Ansehensverlust für ihr Unternehmen fürchtet, bittet sie K, uneidlich falsch auszusagen. K lehnt entrüstet ab. C hat sich gem. §§ 153, 159, 30 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB strafbar gemacht, da sie erfolglos versuchte, den Tatentschluss iSd § 153 StGB bei K hervorzurufen.

Weiterführendes Wissen: Ein bemerkenswerter Wertungswiderspruch entsteht dadurch, dass § 159 StGB die Strafbarkeit der versuchten Anstiftung zu den §§ 153, 156 StGB anordnet, obwohl die §§ 153, 156 StGB selbst keine Versuchsstrafbarkeit kennen.Geppert, JURA 2002, 173 (179). Dies führt dazu, dass zB bei Nichtvollendung des § 153 StGB der unmittelbar ansetzende Haupttäter mangels Versuchsstrafbarkeit straffrei bleibt, der Anstifter hingegen über §§ 153, 159 iVm 30 Abs. 1 StGB strafbar ist. Erklärt wird diese Diskrepanz mit der besonderen Gefährlichkeit der Anstiftung zu Aussagedelikten.Müller, in: MüKo-StGB, Bd. 3, 4. Aufl. (2021), § 159 Rn. 4.

Zur Abmilderung dieser Wertungswidersprüche wird teilweise eine Einschränkung vorgeschlagen, wenn die Tat, zu der der Anstifter auffordert, einen untauglichen Versuch darstellen würde.

Beispiel nach BGHSt 24, 38: A stiftet Z an, vor dem Strafrichter S eine falsche Versicherung an Eides statt zur Schuldfrage abzugeben, wobei A und Z beide davon ausgehen, dass S als Strafrichter in diesem Fall zur Abnahme von eidesstattlichen Erklärungen zuständig sei. Da Strafrichter:innen insoweit jedoch nicht zur Abnahme eidesstattlicher Erklärungen zuständig sind, kann Z § 156 StGB von vornherein nicht vollenden. Da der Versuch des § 156 StGB allgemein nicht strafbar ist (§ 23 Abs. 1 StGB), scheidet auch eine Versuchsstrafbarkeit aus. Hinzu kommt, dass nach hier vertretener Ansicht in der irrigen Vorstellung der Zuständigkeit der vernehmenden Stelle ohnehin ein strafloses Wahndelikt liegt. Teilt man diese Ansicht nicht und verneint man ein Wahndelikt, so würde die geplante Tat für Z einen untauglichen Versuch darstellen. Für A stellt sich dann die Frage, ob er sich nach den §§ 156159 StGB iVm § 30 Abs. 1 StGB strafbar macht.

Der BGH und Teile der Literatur schlagen hier eine teleologische Reduktion des § 159 StGB vor, weil es sich bei der Tat, zu der aufgefordert wurde, um einen untauglichen Versuch handeln würde.BGHSt 24, 38 (40); Kudlich/Henn, JA 2008, 510 (511 f.); anders noch BGHSt 17, 303 (305). Begründet wird dies damit, dass in diesem Verhalten von vornherein keine Gefahr für das geschützte Rechtsgut liege.Kudlich/Henn, JA 2008, 510 (512). Diese Lösung mag zwar billigere Ergebnisse erzielen, die systematische Widersprüchlichkeit wird dadurch aber nicht gelöst, sondern lediglich in die Versuchsdogmatik verlagert: Beim Versuch (und damit auch beim Versuch der Beteiligung iSd § 30 Abs. 1 StGB) kommt es nach den allgemeinen Grundsätzen allein auf die subjektive Tätervorstellung an. Ob der Versuch tatsächlich geeignet ist, eine Gefahr für das geschützte Rechtsgut zu schaffen, ist dagegen irrelevant, wie die Strafbarkeit des untauglichen Versuchs (vgl. § 23 Abs. 3 StGB) zeigt. Daher überzeugt eine teleologische Reduktion aufgrund mangelnder Eignung zur Rechtsgutsgefährdung auch bei § 159 StGB nicht.Katzenberger/Pitz, ZJS 2009, 659 (672).

§§ 26, 30 Abs. 1 und 27 StGB

Wirken Dritte an Aussagedelikten mit, so kommen – wie oben bereits erläutert – aufgrund der Eigenhändigkeit nur Anstiftung und Beihilfe in Betracht. Dass Aussagedelikte Dritter durch die anderen Verfahrensbeteiligten begünstigt oder gar erst ermöglicht werden (etwa durch die Zeugenbefragung), ist jedoch kaum auszuschließen und Gerichtsprozessen immanent. Daher kann nicht jedes Verhalten, welches das Aussagedelikt einer anderen Person fördert, als Teilnahme hieran strafbar sein. Es stellt sich daher die Frage, wo die Grenze zwischen straflosem und strafbarem Prozessverhalten verläuft.

Aktives Tun

Bei aktivem Tun kommt es entscheidend auf die prozessuale Zulässigkeit des Verhaltens an. Was prozessual erlaubt ist, kann nicht strafrechtlich verboten sein. Denn wenn eine Verhaltensweise prozessual zulässig ist, setzt die Verfahrensbeteiligte hierdurch kein rechtlich missbilligtes Risiko.Geppert, JURA 2002, 173 (178); Katzenberger/Pitz, ZJS 2009, 659 (663).

Klausurhinweis: Dieses Problem sollte in der Klausur im Rahmen der objektiven Zurechnung diskutiert werden, wo zu klären ist, ob der Teilnehmer ein unerlaubtes Risiko geschaffen hat.

Beispiel: X benennt im gegen ihn gerichteten Strafprozess die Y als Zeugin, weil er damit rechnet, dass Y zu seinen Gunsten falsch aussagen wird. Eine vorherige Absprache mit Y erfolgte nicht. Tatsächlich sagt Y falsch aus. X könnte sich wegen Beihilfe zum Aussagedelikt des Y strafbar gemacht haben. X hat als Angeklagter aber das Recht, Zeugen zu benennen. Sein Verhalten ist prozessual erlaubt, und zwar selbst dann, wenn er mit einer falschen Aussage der Zeugin rechnet.Bosch/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. (2019), Vor §§ 153 ff. Rn. 36. Er setzt durch sein Verhalten kein rechtlich missbilligtes Risiko. Anders wäre es zu beurteilen, wenn X über die bloße Benennung von Y als Zeugin hinausgeht und auf diese einwirkt (zB durch vorherige Absprachen über den Aussageinhalt). Dort endet der prozessual zulässige Bereich, sodass eine Strafbarkeit nach §§ 153, 26/27 StGB in Betracht kommt.Hettinger/Bender, JuS 2015, 577 (584).

Unterlassen

Davon zu unterscheiden sind Konstellationen, in denen Verfahrensbeteiligte bemerken, dass eine Beweisperson falsch aussagt, dagegen aber nicht einschreiten. Unter welchen Umständen in derartigen Fällen eine Garantenstellung als Voraussetzung für eine Beihilfe durch Unterlassen vorliegt, ist umstritten.

Einigkeit besteht darüber, dass (im Zivilprozess) allein die Wahrheitspflicht des § 138 ZPO keine (Garanten-)Pflicht begründet, als Prozesspartei des Zivilprozesses die Unwahrheit einer Zeugenaussage offenzulegen.Heinrich, JuS 1995, 1115 (1119); Kudlich/Henn, JA 2008, 510 (510). Der Angeklagte im Strafprozess ist hierzu erst recht nicht verpflichtet („nemo tenetur se ipsum accusare“).Heinrich, JuS 1995, 1115 (1119).

Ebenso einig ist man sich darüber, dass das bloße Benennen eines Zeugen nicht zu einer Garantenstellung aus Ingerenz führen kann, da dies – wie oben dargelegt – kein pflichtwidriges Vorverhalten ist.Prittwitz, StV 1995, 270 (274); anders die vielfach kritisierte Entscheidung des OLG Hamm NJW 1992, 1977; s. zur Kritik nur Seebode, NStZ 1993, 83. Bringt die Benennung eines Zeugen diesen jedoch in eine prozessinadäquate, besondere Gefahr der Falschaussage, soll dies nach hM eine Garantenstellung aus Ingerenz begründen.OLG Hamm NJW 1992, 1977; Hilgendorf, in Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, BT, 4. Aufl. (2021), § 47 Rn. 150.

Beispiel: A benennt in einem Zivilprozess ihren Kollegen K als Zeugen. A weiß, dass K bei wahrheitsgemäßer Aussage eine eigene Untreuestrafbarkeit offenbaren müsste. K sagt falsch aus, wogegen A nicht einschreitet. Die Wahrscheinlichkeit, dass K falsch aussagen wird, geht über die jedem Prozess innewohnende Gefahr deutlich hinaus, weil K ersichtlich geneigt sein wird, seine bislang unerkannt gebliebene Untreuestrafbarkeit zu verschleiern. Da A diese Situation durch ihre Zeugenbenennung erst herbeigeführt hat und von dem Zwang, unter dem K bei seiner Aussage stehen wird, wusste, hat sie ein pflichtwidriges und gefährliches Vorverhalten verwirklicht, sodass sie eine Garantenstellung aus Ingerenz trifft.

Problematisch ist, dass die Unterscheidung zwischen prozessadäquaten und nicht prozessadäquaten Gefahren sehr vage ist.Geppert, JURA 2002, 173 (178). Jedenfalls aber im Strafprozess vermag diese Lösung nicht zu überzeugen. Denn im Strafverfahren gilt der nemo-tenetur-Grundsatz. Den Beschuldigten trifft also keine Pflicht, an seiner eigenen Strafverfolgung aktiv mitzuwirken. Gegen diesen elementaren Verfahrensgrundsatz würde eine Offenlegungspflicht des Angeklagten jedoch verstoßen. Eine Pflicht des Angeklagten, gegen unwahre Aussagen Dritter einzuschreiten, ist daher abzulehnen, und zwar auch bei prozessinadäquaten Gefahren.Bartholme, JA 1998, 204 (206 f.).

§ 160 StGB – Verleitung zur Falschaussage

Allgemeines

Oben (→ Rn. 2) wurde dargelegt, dass § 160 StGB Lücken schließen soll, die aus der Rechtsnatur der § 153 ff. StGB als eigenhändige Delikte folgen. Aus diesem Grund erfasst § 160 StGB Verhaltensweisen, die bei nicht-eigenhändigen Delikten eine mittelbare Täterschaft darstellen würden und damit strafbar wären. Die Bedeutung und Notwendigkeit des § 160 StGB soll anhand eines einleitenden Beispiels verdeutlicht werden.

Beispiel: Ärztin A wird wegen Körperverletzung angeklagt. Um zu klären, ob sie die Patientin P wirksam über die Risiken und Notwendigkeit der Behandlung aufgeklärt hat, soll auch Krankenpfleger K als Zeuge vor Gericht aussagen. Da das Geschehen bereits zwei Jahre zurückliegt, kann sich K nicht mehr genau daran erinnern. Dies macht sich A, die tatsächlich keine wirksame Aufklärung vorgenommen hat, zunutze und „frischt das Gedächtnis des K auf“, indem sie ihm vor dem Prozess angebliche Details des Aufklärungsgesprächs nennt. Aufgrund dieses Gesprächs glaubt K tatsächlich, die Aufklärung habe so stattgefunden und sagt dies auch uneidlich vor Gericht aus. Genau dies hatte A sich auch vorgestellt.

Im Beispielfall hat A selbst nicht falsch ausgesagt, sodass § 153 StGB nicht in Betracht kommt. Auch die §§ 153, 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB sind nicht verwirklicht, da eine mittelbare Täterschaft bei eigenhändigen Delikten nicht möglich ist. Die §§ 153, 26 StGB scheiden mangels vorsätzlicher rechtswidriger Haupttat aus, da K nicht wusste, dass er falsch aussagt. Da A sich vorstellte, dass K unvorsätzlich handeln würde, kommt auch eine Strafbarkeit nach §§ 15315930 Abs. 1 StGB nicht in Betracht. A hat K jedoch im Sinne des § 160 StGB zu einer gutgläubigen Falschaussage „verleitet“. Gäbe es diesen Tatbestand nicht, bliebe A straflos.

Erfüllt das Verhalten im Einzelfall bereits die Voraussetzungen einer (versuchten) Anstiftung (§§ 26, 30 Abs. 1, 159 StGB), weil eine bösgläubige Beweisperson zur Falschaussage aufgefordert wird, so besteht keine Strafbarkeitslücke, die über § 160 StGB geschlossen werden müsste. In diesen Fällen scheidet § 160 StGB daher bereits tatbestandlich aus.Heinrich, JuS 1995, 1115 (1118); Kretschmer, JURA 2003, 535 (538).

Verleiten

Verleiten ist jede Einwirkung auf den Willen der Beweisperson, durch die bei ihr der Entschluss zu einer Aussage hervorgerufen wird, die objektiv falsch ist. Die Einwirkung muss dazu führen, dass die Beweisperson den objektiven Tatbestand eines Delikts nach den §§ 153156 StGB verwirklicht.

Ein klassischer Streit besteht darüber, wie Fälle zu beurteilen sind, in denen der Täter die Beweisperson für gutgläubig hält, diese aber tatsächlich bösgläubig falsch aussagt.Ausführlich Eschenbach, JURA 1993, 407 (411).

Beispiel: A wird wegen Einbruchdiebstahls angeklagt. Z soll zu der Frage, ob A zur Tatzeit gemeinsam mit ihr in ihrer Stammkneipe gewesen ist, als Zeugin gehört werden. A stellt Z vor Verhandlungsbeginn Suggestivfragen und erzählt von angeblichen Details des Kneipenbesuchs, um sie in die Irre zu führen und damit zu einer falschen Aussage zu veranlassen. Z erinnert sich jedoch noch genau an den Tatabend und weiß, dass A nicht in der Kneipe gewesen ist. Z lässt sich aber nichts anmerken und sagt uneidlich falsch aus, dass A den ganzen Abend über in der Kneipe war.

Z hat sich hier gem. § 153 StGB strafbar gemacht. Eine Strafbarkeit des A nach §§ 15326 StGB scheitert daran, dass er keinen Vorsatz bzgl. einer vorsätzlichen Haupttat hatte, da er Z für gutgläubig hielt. Denkbar wäre daher ein Fall des § 160 Abs. 1 StGB.

Nach dem BGH und der hMBGHSt 21, 116 (117 f.); Heinrich, JuS 1995, 1115 (1118); Katzenberger/Pitz, ZJS 2009, 659 (673). liegt ein Fall des § 160 Abs. 1 StGB auch dann vor, wenn der Täter sich die Gutgläubigkeit der Beweisperson zumindest vorstellt. Da A irrig annimmt, Z sei gutgläubig, ist der objektive Tatbestand des § 160 Abs. 1 StGB nach diesem Verständnis hier erfüllt. Diese Ansicht kommt vorliegend auch zur Strafbarkeit des Z nach § 160 Abs. 1 StGB, da kein vorsatzausschließender Irrtum iSd § 16 Abs. 1 S. 1 StGB vorliege; dass die Beweisperson entgegen der Vorstellung des Verleitenden nicht gutgläubig ist, sei eine unerhebliche Abweichung vom vorgestellten Tatablauf.Hilgendorf, in Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, BT, 4. Aufl. (2021), § 47 Rn. 132.

Nach einer MinderheitenauffassungVormbaum, in: Bloy u. a. (Hrsg.), FS Maiwald, 2010, S. 824 ff.; Kretschmer, JURA 2003, 535 (538); Kudlich/Henn, JA 2008, 510 (513); Hettinger/Bender, JuS 2015, 577 (584). ist § 160 Abs. 1 StGB in diesen Konstellationen nicht einschlägig. Diese Ansicht knüpft an der oben genannten Lückenschlussfunktion des § 160 StGB an. Wenn die Beweisperson ein vorsätzliches und rechtswidriges Aussagedelikt begeht, seien allein die §§ 26, 30, 159 StGB anwendbar. Der Anwendungsbereich des § 160 StGB beschränke sich danach auf die (konstruktiv mittelbarer Täterschaft entsprechende) Ausnutzung einer unvorsätzlich (bzw. gerechtfertigt) handelnden Beweisperson. A verwirklicht § 160 Abs. 1 StGB damit vorliegend nicht. Da er sich aber vorstellte, Z sei gutgläubig, liegt ein untauglicher Versuch nach §§ 160 Abs. 2, 22 StGB vor.

Für die erstgenannte Ansicht spricht zwar, dass der offene Wortlaut („verleitet“) sich eben nicht auf unvorsätzlich oder gerechtfertigt getätigte Aussagen beschränkt.Rengier, BT II, 25. Aufl. (2024), § 49 Rn. 57. Auch wird angeführt, der Verleitungstäter habe sein Ziel erreicht, da er tatsächlich eine – wenn auch vorsätzliche – Falschaussage hervorgerufen habe und die Rechtspflege dadurch gefährdet worden sei.Katzenberger/Pitz, ZJS 2009, 659 (673). Letztlich überzeugt diese Ansicht dennoch nicht, da die Minderheitenauffassung dem Unrechtsgehalt und den dogmatischen Besonderheiten der vorliegenden Konstellation eher gerecht wird. Bei einer bösgläubigen Beweisperson ist der Angriff auf die Rechtspflege der Verleitenden nämlich weniger stark zurechenbar als sie plante, da schließlich die Beweisperson Zentralgestalt des Rechtsgutsangriffs ist und nicht die Verleitende selbst. Die Bestrafung aus Versuch ist also durchaus angemessen, da die Verleitende weniger erreichte als sie angestrebt hat: Sie wollte – wie ein mittelbarer Täter – die Tat selbst kontrollieren, hat objektiv aber – wie ein Teilnehmer – nur an der eigenständigen und fremden Straftat der bösgläubigen Beweisperson mitgewirkt.Kretschmer, JURA 2003, 535 (538); Kudlich/Henn, JA 2008, 510 (513); Hettinger/Bender, JuS 2015, 577 (584).

Klausurhinweis: Dieses Problem betrifft letztlich die Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Verleiten“. Daher sollte der Streit in der Klausur auch anhand dieses Merkmals geführt werden.

Die gerade besprochene Fallgruppe erinnert konstruktiv an ein aus dem Allgemeinen Teil bekanntes Problem: Liegt im Willen zur Täterschaft als „Minus“ erst recht auch der Wille, lediglich als Teilnehmer an einer fremden Tat teilzunehmen?Dazu Kretschmer, JURA 2003, 535 (536 f.). Wenn dem so wäre, könnte man hier überlegen, ob A sich nicht aus §§ 153, 26 StGB strafbar gemacht hat. Denn er wollte als Verleitender, also als Zentralgestalt, das Aussagegeschehen kontrollieren, hat aber objektiv betrachtet nur am Aussagedelikt der Z teilgenommen. Dieser Erst-recht-Schluss verfängt hier jedoch nicht. Denn die §§ 153 ff., 26 StGB enthalten eine höhere Strafandrohung als § 160 Abs. 1 StGB. Im Willen, § 160 Abs. 1 StGB zu begehen, kann also nicht als „Minus“ auch der Wille zur Begehung der §§ 153 ff.26 StGB gesehen werden.Eschelbach, JURA 1993, 407 (411); Kretschmer, JURA 2003, 535 (537 f.).

Strafzumessung

In der Klausur ist regelmäßig nach der Strafbarkeit gefragt, wohingegen §§ 157 und 158 StGB die Strafzumessung betreffen. Dennoch werden bei entsprechenden Sachverhalten Ausführungen zu den §§ 157, 158 StGB erwartet. Wie bei anderen Strafzumessungsvorschriften auch, ist auf die §§ 157, 158 StGB erst dann einzugehen, wenn grundsätzlich eine Strafbarkeit festgestellt wurde, also nach der Schuld (ggf. auch erst nach der Verneinung eines strafbefreienden Rücktritts bei § 154 StGB).

§ 157 StGB – Aussagenotstand

Allgemeines

Bei § 157 Abs. 1 StGB handelt es sich nicht um einen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund, wie die begriffliche Nähe zu §§ 34, 35 StGB suggeriert, sondern um einen Strafmilderungsgrund. Ist § 157 Abs. 1 StGB einschlägig, so „kann“ (Ermessen) das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 2 StGB mildern bzw. im Falle des § 153 StGB sogar ganz von Strafe absehen.

Der Anwendungsbereich des § 157 StGB ist in dreierlei Hinsicht eingeschränkt. Die Norm gilt nur für die §§ 153, 154 StGB, nicht aber für die restlichen Aussagedelikte. Weiterhin sind nur Zeugen und Sachverständige erfasst, jedoch keine Prozessparteien im Zivilprozess usw. Zuletzt kommt der Strafmilderungsgrund nur dem „Täter“ zugute, Teilnehmern hingegen nicht.

Die Norm soll dem Konflikt zwischen der prozessualen Wahrheitspflicht und dem Interesse, sich selbst oder Angehörige (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB) durch die wahrheitsgemäße Aussage nicht zu belasten, Rechnung tragen.BGHSt 1, 22 (28); Hettinger/Bender, JuS 2015, 577 (585). § 157 Abs. 1 StGB greift also nicht, wenn die Beweisperson sich oder den Angehörigen durch eine wahrheitsgemäße Aussage nicht belasten würde, sondern nur deshalb falsch aussagt, weil sie eine entlastende Wirkung herbeiführen möchte. Denn in diesem Fall kann die Beweisperson wahrheitsgemäß aussagen, ohne sich oder Angehörige zu belasten; die innere Konfliktlage, vor der § 157 Abs. 1 StGB schützen soll, besteht nicht.Katzenberger/Pitz, ZJS 2009, 659 (671); Hettinger/Bender, JuS 2015, 577 (585).

Beispiel: A war in eine Kneipenschlägerei verwickelt und hat O verletzt. Im Strafprozess gegen A wird auch seine Schwester Z als Zeugin vernommen. Z wird gefragt, wo A zur Tatzeit gewesen ist. Z, die nicht weiß, wo A sich zur Tatzeit aufgehalten hat, sagt aus, ihr Bruder sei den ganzen Tag über bei ihr gewesen. Er könne nicht an der Schlägerei beteiligt gewesen sein. § 157 Abs. 1 StGB greift hier nicht ein. Würde Z wahrheitsgemäß antworten, dass sie nichts über den Aufenthaltsort wisse, so würde sie A damit nicht belasten. Sie sagt nur aus, um eine Entlastung zu bewirken. Daher besteht keine Zwangslage zwischen der Wahrheitspflicht und dem Interesse, keine Angehörigen zu belasten.

Gegenbeispiel: Hätte Z den A hingegen zufällig bei der Tat beobachtet, würde § 157 StGB eingreifen. Wenn Z wahrheitsgemäß ausgesagt hätte, dass A am Tatort gewesen ist, hätte sie ihren Bruder mit dieser Aussage belastet. Die Konfliktlage, vor der § 157 StGB schützen soll, liegt damit vor.

Besteht ein Zeugnis- oder Aussageverweigerungsrecht (insb. §§ 52, 55 StPO), schmälert dies den Konflikt zwischen Wahrheitspflicht und Entlastungsinteresse zwar. Da die Konfliktlage damit aber nicht vollständig aufgelöst wird, ist § 157 Abs. 1 StGB in diesen Fällen dennoch anwendbar.BGHSt 1, 22 (28); Katzenberger/Pitz, ZJS 2009, 659 (670).

Abwendungsabsicht

Der Täter muss die Absicht haben, bestimmte Maßnahmen abzuwenden. Dabei kommt es rein auf die subjektive Tätersicht an. Ob auch objektiv eine Sanktionierungsgefahr besteht, ist daher irrelevant.BGH NStZ-RR 2008, 9 (9).

Beispiel: A sagt als Zeuge falsch aus, weil er sich vorstellt, so die Bestrafung seiner Schwester S wegen einer Körperverletzung zu verhindern. Tatsächlich ist die Körperverletzung aber bereits verjährt.

Der Angehörigenbegriff ist in § 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB legaldefiniert. Beachtliche Stimmen wollen § 157 StGB analog auf andere nahestehende Personen (insb. nicht eheliche Partner:innen) anwenden, weil dort eine ähnliche Zwangslage bestehen kann.Krümpelmann/Heusel, JR 1987, 39 (41 f.); Geppert, JURA 2002, 173 (180). Die Zwangslage ist zwar durchaus vergleichbar, es mangelt jedoch an einer planwidrigen Regelungslücke, da von einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers auszugehen ist. Insbesondere hat der Gesetzgeber die Legaldefinition des Angehörigen erst kürzlich geändert,G. v. 18. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2639). ohne andere nahestehenden Personen aufzunehmen, obwohl die Diskussion bei § 157 StGB bereits seit Langem geführt wird. Auch die parallele Erfassung sowohl Angehöriger als auch anderer nahestehender Personen in § 35 Abs. 1 S. 1 StGB spricht dafür, dass der Gesetzgeber durchaus zwischen beiden Personengruppen differenziert, sodass eine planwidrige Regelungslücke abzulehnen ist.OLG Celle NJW 1997, 1084 (1085); Rengier, BT II, 25. Aufl. (2024), § 49 Rn. 43; Katzenberger/Pitz, ZJS 2009, 659 (671).

§ 158 StGB – Berichtigung einer falschen Angabe

Allgemeines

§ 158 StGB stellt eine weitere Strafmilderungsnorm dar. Sie greift ein, wenn der Täter seine unwahren Angaben nach Vollendung des Aussagedelikts korrigiert. Berichtigt der Täter seine Angaben noch vor der Vollendung, so liegt bereits keine falsche Aussage vor bzw. kann darin bei §§ 154, 22, 23 Abs. 1 StGB ein strafbefreiender Rücktritt, § 24 StGB, gesehen werden.

Beispiel: Z wird als Zeugin vernommen und sagt vor Gericht bewusst falsch aus. Noch während ihrer Vernehmung kommen ihr Gewissensbisse. Sie legt offen, dass ihre bisherige Aussage gelogen gewesen ist und sagt nunmehr wahrheitsgemäß aus. Da Z ihre anfangs falschen Bekundungen noch vor dem Vernehmungsende korrigiert hat, lag keine falsche Aussage iSd § 153 StGB vor. Die Tat ist nicht vollendet, sodass Z straflos bleibt. Auf § 158 StGB kommt es hier nicht an.

Gegenbeispiel: Z sagt vor Gericht bewusst falsch aus und bleibt unvereidigt. Nachdem sie als Zeugin entlassen wurde und als sie gerade dabei ist, das Gerichtsgebäude zu verlassen, ereilen sie Schuldgefühle. Z kehrt zum Verhandlungssaal zurück und legt offen, dass ihre Aussage falsch war. In der erneuten Zeugenvernehmung tätigt sie nunmehr eine wahre Aussage. Eine falsche Aussage iSd § 153 StGB liegt vor, da die Vernehmung bereits beendet war, als Z ihre Aussage korrigierte. Eine Strafbarkeit nach § 153 StGB besteht damit. Jedoch ist § 158 StGB einschlägig, da insb. aufgrund des engen zeitlichen Zusammenhangs die Berichtigung noch rechtzeitig iSd § 158 Abs. 1, 2 StGB ist.

Klausurhinweis: Bei §§ 154, 22, 23 Abs. 1 StGB muss im Rahmen einer Berichtigung zuerst der strafbefreiende Rücktritt geprüft werden. Nur wenn dieser abgelehnt wird, ist auf § 158 StGB einzugehen, welcher anders als der Rücktritt gerade keine Freiwilligkeit voraussetzt.Zum fehlenden Freiwilligkeitserfordernis Eisele, JA 2011, 667 (670); Hettinger/Bender, JuS 2015, 577 (584).

Beispiel: Dolmetscher D übersetzt nach Ableistung seines Voreides im Rahmen der Vernehmung des Zeugen Z bewusst falsch. Die Vorsitzende V bemerkt dies vor dem Abschluss der Vernehmung und weist D darauf hin. Da D panische Angst hat, seinen Job zu verlieren und strafrechtlich verfolgt zu werden, sieht er sich gezwungen, die Übersetzung zu korrigieren. Aufgrund des inneren Zwanges liegt kein autonomes Motiv vor und scheidet ein Rücktritt aus. Da D die Übersetzung korrigiert hat, ist jedoch § 158 StGB einschlägig.

Voraussetzungen

Anwendungsbereich

Die Norm gilt direkt für die §§ 153, 154, 156 StGB, auf § 160 StGB ist sie analog anwendbar. Für § 161 Abs. 1 StGB gilt sie hingegen nicht, da § 161 Abs. 2 StGB eine Spezialregelung enthält. § 158 StGB ist (anders als § 157 StGB) nicht auf Zeugen und Sachverständige beschränkt und ist darüber hinaus auf Teilnehmer analog anwendbar.Bosch/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. (2019), § 158 Rn. 2.

Berichtigen

Die Beweisperson muss ihre ursprüngliche Aussage durch eine wahrheitsgemäße ersetzen (vgl. den Wortlaut „berichtigt“ und nicht etwa „zurücknimmt“), ein bloßes Abrücken reicht also nicht aus. Bei Zeugnisverweigerungsberechtigten liegt eine Berichtigung hingegen auch dann vor, wenn sie die Unwahrheit ihrer früheren Aussage offenlegen und danach auf Grundlage ihres Zeugnisverweigerungsrechtes schweigen.Bosch/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. (2019), § 158 Rn. 5. Auf die Freiwilligkeit der Berichtigung kommt es nicht an.Eisele, JA 2011, 667 (670); Hettinger/Bender, JuS 2015, 577 (584).

Rechtzeitigkeit

Die Berichtigung muss rechtzeitig erfolgen. § 158 Abs. 2 StGB nennt insgesamt vier Gründe, die zu einer Verspätung und damit Unbeachtlichkeit der Berichtigung führen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Berichtigung bei der Entscheidung nicht mehr verwertet werden kann oder aus der Tat ein Nachteil für einen anderen entstanden ist. „Entscheidung“ meint die abschließende Entscheidung in der jeweiligen Instanz.Eisele, JA 2011, 667 (671). Der Begriff des Nachteils wird weit verstanden und umfasst jeden rechtserheblichen Nachteil, der über die bloße Verschlechterung der Beweislage hinausgeht, zB die Einreichung einer Klage oder die Entstehung von Verfahrenskosten für andere Prozessbeteiligte.Eisele, JA 2011, 667 (671).

§ 161 StGB – Fahrlässiger Falscheid und fahrlässige falsche Versicherung an Eides statt

§ 161 StGB erweitert die Strafbarkeit nach den §§ 154156 StGB auch auf Fahrlässigkeit. § 153 StGB kann hingegen nicht fahrlässig begangen werden.

Bezugspunkte der Fahrlässigkeit

Bemerkenswert ist die weite Formulierung des § 161 StGB: Erfasst ist ein Handeln „aus Fahrlässigkeit“ und nicht etwa das „fahrlässige Verkennen der Wahrheit“. Daraus folgt, dass sich die Fahrlässigkeit auf alle Tatbestandsmerkmale der §§ 154156 StGB beziehen kann und nicht zwangsläufig die inhaltliche Falschheit der Aussage betreffen muss, obgleich dies in der Klausur den Hauptfall darstellt. § 161 StGB erfasst damit zB auch den Fall, dass die Beweisperson die Zuständigkeit der Stelle, vor der sie bewusst falsch aussagt, fahrlässig verkennt.

Sorgfaltsmaßstab

Von allen Beweispersonen wird verlangt, dass sie bei der Aussage ihr Erinnerungsvermögen bestmöglich anstrengen und dementsprechend antworten. Insbesondere im Zivilprozess (§ 378 ZPO), bei Zeugen, die Wahrnehmungen in amtlicher Eigenschaft gemacht haben, sowie bei Sachverständigen besteht darüber hinaus eine Pflicht zur Vorbereitung auf die Vernehmung.Katzenberger/Pitz, ZJS 2009, 659 (674). Verletzt die Beweisperson diese Pflicht, handelt sie fahrlässig.

Berichtigung (§ 161 Abs. 2 StGB)

§ 161 Abs. 2 StGB ist § 158 StGB nachgebildet und stellt eine Spezialregelung für die nachträgliche Berichtigung vollendeter Fahrlässigkeitstaten nach § 161 Abs. 1 StGB dar. Anders als bei § 158 StGB tritt im Rahmen des § 161 Abs. 2 StGB jedoch zwingend Straflosigkeit ein.

Konkurrenzen

Die Aussagedelikte treffen häufig mit §§ 145d, 164, 187, 257, 258 StGB und beim Prozessbetrug auch mit § 263 StGB zusammen. Die Delikte stehen aufgrund unterschiedlicher Schutzgüter in Tateinheit mit den §§ 153 ff. StGB.Bosch/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. (2019), § 153 Rn. 12/13.

Wird der Haupttäter zu einem Meineid angestiftet, kommt es jedoch zu keiner Vereidigung, so stehen die §§ 154, 30 Abs. 1 und §§ 153, 26 StGB des Anstifters in Tateinheit, wenn der Haupttäter falsch aussagt.Bosch/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. (2019), § 153 Rn. 12/13.

Sagt der Täter in einem Verfahren in derselben Instanz mehrmals falsch aus, so liegt eine einzige Tat vor. Bei Falschaussagen in verschiedenen Instanzen stehen die jeweiligen Delikte hingegen in Tatmehrheit.Geppert, JURA 2002, 173 (180); aA BGH NJW 1999, 2378 (2380).

Prüfungsschema

§§ 153, 154, 156 StGB

  1. Tatbestand

    1. Objektiver Tatbestand

      1. Tauglicher Täter

      2. Tauglicher Erklärungsadressat

      3. Tathandlung: Falsche Aussage (§ 153 StGB)/Falsches Schwören (§ 154 StGB)/Falsche Versicherung an Eides statt etc. (§ 156 StGB)

    2. Subjektiver Tatbestand

  2. Rechtswidrigkeit

  3. Schuld

  4. Strafmilderungsgründe (§§ 157, 158 StGB)

§ 161 StGB

  1. Tatbestand

    1. Tauglicher Täter

    2. Tauglicher Erklärungsadressat

    3. Tathandlung: Handlungen nach den §§ 154156 StGB (nicht nach § 153 StGB)

    4. Objektive Sorgfaltspflichtverletzung bei objektiver Vorhersehbarkeit (bezogen auf die Merkmale nach 1.–3.)

  2. Rechtswidrigkeit

  3. Schuld (insb. subjektive Sorgfaltspflichtverletzung bei subjektiver Vorhersehbarkeit)

  4. Strafaufhebungsgrund (§ 161 Abs. 2 StGB)

Wissen für die Zweite Juristische Prüfung

Wird ein Aussagedelikt in der Sitzung begangen, so muss das Gericht nach § 183 GVG das Vorkommnis protokollieren und das Protokoll an die Staatsanwaltschaft weiterleiten. Kommt das Gericht dieser Pflicht nicht nach, ist eine Strafbarkeit aus §§ 258, 258a, 13 StGB denkbar.

Obwohl die Aussagedelikte lediglich die Rechtspflege schützen, ist anerkannt, dass die durch die Falschaussage Betroffene ein Klageerzwingungsverfahren, § 172 StPO, einleiten kann.OLG Frankfurt NStZ-RR 2002, 174.

Studienliteratur

  • Bartholme, Beihilfe zur Falschaussage durch Unterlassen, JA 1998, 204

  • Geppert, Grundfragen der Aussagedelikte (§§ 153 ff. StGB), JURA 2002, 173

  • Heinrich, Die strafbare Beteiligung des Angeklagten an falschen Zeugenaussagen, JuS 1995, 1115

  • Hettinger/Bender, Die Aussagedelikte (§§ 153162 StGB), JuS 2015, 577

  • Katzenberger/Pitz, „Si tacuisses …“, Eine methodische Darstellung der Aussagedelikte, ZJS 2009, 659

  • Kudlich/Henn, Täterschaft und Teilnahme bei den Aussagedelikten, JA 2008, 510

  • Reese, Die Aussagedelikte als Prüfungsaufgabe, JA 2005, 612