Überblick und Deliktsstruktur
§ 153 StGB erfasst falsche uneidliche Aussagen vor Gericht oder anderen zur eidlichen Vernehmung zuständigen Stellen durch Zeugen oder Sachverständige. § 154 StGB betrifft dagegen falsche Aussagen unter Eid und stellt für Zeugen und Sachverständigen eine Qualifikation zu § 153 StGB dar, bei anderen Personen hingegen einen eigenen Tatbestand (→ Rn. 24). § 155 StGB erweitert den Anwendungsbereich des § 154 StGB u. a. um eidesgleiche Bekräftigungen. § 156 StGB stellt hingegen einen eigenen Tatbestand für falsche Erklärungen an Eides statt dar. In § 161 StGB wird auch die fahrlässige Begehung der §§ 154–156 StGB (nicht jedoch des § 153 StGB) pönalisiert. § 159 StGB erklärt die versuchte Anstiftung zu den §§ 153, 156 StGB – entgegen dem allgemeinen Grundsatze des § 30 Abs. 1 StGB – für anwendbar. Denn danach wäre die versuchte Anstiftung nicht strafbar, weil es sich bei den Straftatbeständen um keine Verbrechen handelt.
Um die §§ 153 ff. StGB in der Klausur zu beherrschen, ist ein Blick auf das geschützte Rechtsgut sowie die grundlegenden Deliktsstrukturen unerlässlich. Geschütztes Rechtsgut der §§ 153 ff. StGB ist die deutsche Rechtspflege (vgl. zu internationalen Gerichten aber § 162 Abs. 1 StGB).
Klausurhinweis: Mit Aussagedelikten gehen typischerweise auch die Tatbestände der §§ 257, 258, 164, 145d und ggf. 185 ff., 263 StGB einher, sodass in der Klausur auch an diese Normen gedacht werden sollte.
§ 153 StGB – Falsche uneidliche Aussage
Objektiver Tatbestand
Taugliche Täter
Täter des § 153 StGB können nur Zeugen oder Sachverständige sein. Wer Zeuge und Sachverständiger ist, bestimmt sich nach den Regelungen des jeweiligen Prozessrechts. Eine Legaldefinition des Zeugenbegriffs existiert nicht. Im Strafprozess zB ist Zeuge, wer in einem nicht gegen ihn selbst gerichteten Strafverfahren seine Wahrnehmungen über Tatsachen durch Aussagen kundgeben soll.
Gericht oder andere zuständige Stelle
Die Aussage muss vor einem Gericht oder einer anderen zur eidlichen Vernehmung zuständigen Stelle geschehen. Erfasst sind alle staatlichen Gerichte, also Strafgerichte, Zivilgerichte, Verwaltungsgerichte usw. § 162 StGB erweitert den Anwendungsbereich auf internationale Gerichte, die durch für die Bundesrepublik Deutschland verbindliche Rechtsakte errichtet worden sind, zB EuGH oder IStGH, sowie Untersuchungsausschüsse. Andere zur eidlichen Vernehmung zuständige Stellen sind nicht nur in der Praxis selten, sondern spielen auch in der Klausur regelmäßig keine Rolle.
Zu beachten ist, dass weder die Polizei noch die Staatsanwaltschaft zu eidlichen Vernehmungen befugt sind (§§ 161a Abs. 1 S. 3, 163 Abs. 3 S. 3 StPO). Falschaussagen vor der Polizei oder der Staatsanwaltschaft können aber ggf. unter die §§ 164, 145d StGB fallen.
Ob eine Vereidigung tatsächlich stattfindet, ist für § 153 StGB irrelevant. Die Norm knüpft nur daran an, dass die Behörde generell zur Abnahme von Eiden zuständig ist.
Aussage
Dem natürlichen Wortsinn entsprechend ist eine Aussage nach hM grds. nur eine mündliche Erklärung.
Vollendet ist die Tat mit Abschluss der Aussage. Die Aussage ist abgeschlossen, wenn (kumulativ) die Beweisperson zu erkennen gibt, keine weiteren Informationen geben zu können, die Verfahrensbeteiligten erklären, keine Fragen mehr zu haben und die Richter:in zum Ausdruck bringt, die Vernehmung sei beendet.
Achtung: Eine Vernehmung kann sich auch über mehrere Verhandlungstermine erstrecken!
Wird eine unrichtige Äußerung vor Abschluss der Vernehmung korrigiert, liegt keine strafbare Falschaussage vor.
Falschheit
Ein klassisches Problem (und bis heute umstritten) ist die Frage, wann eine Aussage iSd §§ 153 ff. StGB falsch ist. Folgende drei Ansichten sollten bekannt sein:
Nach der von der Rspr. und hM vertretenen objektiven Theorie ist eine Aussage falsch, wenn sie objektiv nicht mit der Realität übereinstimmt.
Klausurhinweis: Die Aussage muss in der Klausur daher „auf die Goldwaage gelegt“ werden und ihr Inhalt sorgfältig untersucht werden.
Beispiel: A ist wegen Einbruchdiebstahls angeklagt. Z, der den Einbruch beobachtet hat, soll im Prozess darüber berichten, welche Farbe die Jacke des Täters hatte. Tatsächlich trug der Täter eine schwarze Jacke. Da das Tatgeschehen aber bereits einige Monate zurückliegt, ist die Erinnerung von Z etwas getrübt und er glaubt, die Jacke sei blau gewesen. Sagt Z nun, sie sei blau gewesen, so ist die Aussage falsch, da sie nicht mit der objektiven Jackenfarbe übereinstimmt (Z fehlt jedoch der Vorsatz, eine Falschaussage zu begehen, § 16 Abs. 1 S. 1 StGB). Sagt er hingegen, die Jacke sei seiner Erinnerung nach blau gewesen, so ist die Aussage richtig. Z legt dann nämlich kein Zeugnis über die äußere Tatsache der Jackenfarbe ab, sondern über die innere Tatsache, wie die Jacke seiner Erinnerung nach aussieht.
Entgegengesetzt ist der Ansatzpunkt der heute kaum noch vertretenen subjektiven Theorie, nach welcher eine Aussage falsch sein soll, wenn der Täter sie für falsch hält. Die Aussage sei selbst dann falsch, wenn der Täter einem Irrtum unterliege und sie zufälligerweise der objektiven Wahrheit entspreche, sofern er die Aussage nur für die unwahr halte. Diese Ansicht fußt auf dem Gedanken, dass Beweispersonen nie von tatsächlichen Umständen berichten können, sondern immer nur von ihrem subjektiven Erleben der Umstände.
Die Pflichtentheorie knüpft hingegen an der prozessualen Pflicht der Beweisperson an. Diese müsse dasjenige aussagen, was sie nach bestmöglicher Anstrengung ihres Erinnerungsvermögens erinnere. Eine falsche Aussage liege also vor, wenn der Täter entweder entgegen seiner Erinnerung aussage oder aber sein Erinnerungsvermögen erst gar nicht hinreichend anstrenge. Zeugen und Sachverständigen sei es nämlich aufgrund von Fehleinschätzungen oder Erinnerungstrübungen häufig gar nicht möglich, die objektive Wahrheit vorzutragen. Daher bestehe ihre Aussagepflicht auch nicht darin, die objektive Wahrheit zu äußern. Sie seien stattdessen lediglich verpflichtet, ihr Erinnerungsvermögen bestmöglich anzustrengen und dasjenige auszusagen, woran sie sich daraufhin erinnern würden.
Für die objektive Theorie spricht das geschützte Rechtsgut der §§ 153 ff. StGB. Nur objektiv unwahre Aussagen können die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung der Rechtspflege gefährden.
Klausurhinweis: Dieser Standardstreit sollte in der Klausur immer (in der gebotenen Knappheit) adressiert werden, d. h. man sollte alle drei Ansichten nennen und unter diese subsumieren. Vertiefte Ausführungen, insb. eine eingehende Argumentation, sind indessen nur geboten, wenn die verschiedenen Theorien zu unterschiedlichen Ergebnissen führen.
Eine Aussage fällt aber nur dann in den Anwendungsbereich der Norm, wenn die Beweisperson bezüglich des Aussageinhalts eine Wahrheitspflicht trifft.
Weiterführendes Wissen: Der Gegenstand der Vernehmung wird im Zivilprozess durch den Beweisbeschluss, § 359 ZPO, umgrenzt.
Sehr umstritten ist die Beurteilung unwahrer Spontanäußerungen. Bei Spontanäußerungen handelt es sich um Aussagen der Beweisperson, die über den Vernehmungsgegenstand hinausgehen und von den Prozessbeteiligten auch nicht erfragt wurden. Nach einer Ansicht trifft die Beweisperson hier grds. keine Wahrheitspflicht, da dieser Inhalt nicht Teil des Vernehmungsgegenstandes sei. Anders sei es jedoch zu beurteilen, wenn das Gericht den Vernehmungsgegenstand nachträglich durch Nachfragen auf die ursprüngliche Spontanäußerung erweitere und die Beweisperson ihre frühere unwahre Aussage bestätige.
Beispiel: X wird vorgeworfen, auf offener Straße einen Raub begangen zu haben. Passant Y hat die Tat beobachtet und soll im Strafverfahren gegen sie als Zeuge aussagen. Y macht zwar wahrheitsgemäße Angaben zum beobachteten Tathergang, erklärt dabei aber ungefragt, während seiner Beobachtung auf dem Weg zu einem Freund gewesen zu sein. Tatsächlich war Y auf dem Weg zum Arzt, was er in der Verhandlung aber nicht publik machen will. Die Aussage ist zwar unwahr, dennoch unterfällt sie nicht § 153 StGB, da der Umstand, warum Y am Tatort gewesen ist, für das Strafverfahren gegen X keinerlei Rolle spielt.
Eine falsche Aussage liegt auch dann vor, wenn die Beweisperson bei ihrer ansonsten wahrheitsgemäßen Aussage wesentliche Informationen verschweigt und die Aussage als vollständig darstellt (also nicht offen zu bestimmten Themen schweigt).
Beispiel: Z sagt im Prozess als Zeuge wahrheitsgemäß aus, dass A den B geschlagen hat. Dabei verschweigt er aber bewusst, dass B den A währenddessen mit einem Messer bedrohte und A somit in Notwehr handelte. Die Aussage des Z ist unvollständig. Da die Drohung durch B eine wesentliche Information darstellt, weil sie über das Vorliegen einer Notwehrlage entscheidet, ist die Aussage nach allen drei Falschheitsbegriffen unwahr. Beachte: Der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit liegt hier nicht im Unterlassen, also im Verschweigen der Drohung von B, sondern im aktiven Zeichnen eines falschen Bildes. Denn Z gibt durch den Abschluss seiner Zeugenaussage konkludent und aktiv zum Ausdruck, dass er alles Relevante vorgetragen habe.
Verfahrensfehler
Vertiefung zur Verzahnung der Aussagedelikte mit dem Prozessrecht
Die besondere Verzahnung der Aussagedelikte mit dem Prozessrecht zeigt sich auch im Zusammenhang mit Verfahrensfehlern. Liegt einer Aussage ein Verfahrensfehler zugrunde, so ist umstritten, ob sie dem Anwendungsbereich der §§ 153 ff. StGB unterfällt.
Beispiel: L wird wegen Diebstahls angeklagt. Im Prozess soll auch M als Zeuge aussagen. Das Gericht übersieht hierbei, dass M und L früher verheiratet waren, nun aber geschieden sind. M wird daher nicht über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrt. Er sagt uneidlich falsch aus.
Dass die Ehe geschieden ist, ändert nichts am Bestehen des Zeugnisverweigerungsrechtes, vgl. § 52 Abs. 1 Nr. 2 StPO. Hierüber hätte M belehrt werden müssen, § 52 Abs. 3 S. 1 StPO. Dass das Gericht hiervon keine Kenntnis hatte, ist unschädlich.
Nach hM ist der Verfahrensfehler lediglich auf Strafzumessungsebene zu berücksichtigen.
Eine Minderheitenauffassung differenziert hingegen zutreffend zwischen verwertbaren und unverwertbaren Aussagen. Führt der Verfahrensverstoß dazu, dass die Aussage im Prozess nicht verwertet werden darf, so geht von dieser keine strafrechtlich relevante Gefahr aus. Eine Strafbarkeit muss damit ausscheiden. Bleibt die Aussage hingegen trotz des Verfahrensfehlers verwertbar, so wird der Verstoß nur bei der Strafzumessung berücksichtigt.
Subjektiver Tatbestand
Auf subjektiver Ebene ergeben sich keine Besonderheiten. Eventualvorsatz reicht aus.
§ 154 StGB – Meineid
Objektiver Tatbestand
Taugliche Täter und Verhältnis zu § 153 StGB
§ 154 StGB erfasst falsche Aussagen unter Eid. Der Täterkreis ist nicht auf Zeugen oder Sachverständige begrenzt, sodass – anders als bei § 153 StGB – zB auch Prozessparteien im Zivilprozess und Dolmetscher erfasst sind. Hieraus ergibt sich ein „janusköpfiges“ Verhältnis zwischen § 153 StGB und § 154 StGB: Handelt es sich im konkreten Fall um einen Zeugen oder Sachverständigen, so ist § 153 StGB das Grunddelikt und § 154 StGB die Qualifikation. Sagt hingegen eine Prozesspartei oder ein Dolmetscher aus, so stellt § 154 StGB ein eigenständiges Delikt dar, weil § 153 StGB für diese Personengruppen nicht einschlägig ist und folglich auch nicht das Grunddelikt bilden kann.
Der Beschuldigte selbst kann kein Täter sein, da er nicht vereidigt werden darf.
Klausurhinweis: Abhängig davon, welche prozessuale Rolle dem Täter zukommt, muss in der Klausur also ein isolierter Deliktsaufbau (Strafbarkeit nach § 154 StGB) oder der Aufbau einer Qualifikation (Strafbarkeit nach §§ 153, 154 StGB) gewählt werden, wobei auch die Prüfungsüberschrift entsprechend formuliert werden muss.
Vertiefung: Umstritten ist, ob auch Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und damit nach § 60 Nr. 1 Var. 1 StPO eidesunmündig sind, taugliche Täter des § 154 StGB sein können. Personen unter 18 Jahren sind Jugendliche iSd § 1 Abs. 1, 2 Alt. 1 JGG und damit nur strafbar, wenn sie die Einsichts- und Handlungsfähigkeit nach § 3 S. 1 JGG aufweisen. Eine Ansicht bejaht eine Strafbarkeit nach § 154 StGB bei Eidesunmündigen iSd § 60 Nr. 1 Var. 1 StPO, wenn diese die Reife nach § 3 S. 1 JGG aufweisen.
Falsche Aussage unter Eid
§ 154 StGB setzt voraus, dass eine Person entgegen ihrem Eidschwur falsch aussagt. Der Eidschwur muss nicht in allen Einzelheiten ordnungsgemäß ablaufen, sondern es ist ausreichend, wenn die wesentlichen Förmlichkeiten der Vereidigung eingehalten worden sind.
Die Aussage und die Eidesleistung müssen nach § 154 Abs. 1 StGB „vor Gericht oder vor einer anderen zur Abnahme von Eiden zuständigen Stelle“ geschehen. Zur eidlichen Vernehmung sind insb. weder die Staatsanwaltschaft (§ 161a Abs. 1 S. 3 StPO) noch die Polizei zuständig (§ 163 Abs. 3 S. 3 StPO). Über die allgemeine Eigenschaft als Gericht bzw. Zuständigkeit zur Eidesabnahme hinaus ist jedoch vorauszusetzen, dass das Gericht oder die Stelle bei der konkreten Verfahrensart überhaupt derartige Eide abnehmen darf.
Beim Vollendungszeitpunkt ist zwischen Vor- und Nacheid zu differenzieren. Beim Voreid wird die Person vereidigt und sagt erst danach aus. Die Tat ist in diesem Fall mit dem Abschluss der Aussage vollendet.
Wann eine Aussage falsch ist und wie weit die Wahrheitspflicht reicht, bestimmt sich im Rahmen des § 154 StGB ebenso wie bei § 153 StGB (→ Rn. 11 ff.).
§ 155 StGB erweitert den Anwendungsbereich um die eidesgleiche Bekräftigung
Subjektiver Tatbestand
Eventualvorsatz reicht iRd § 154 StGB aus.
Versuch
Da es sich bei § 154 StGB um ein Verbrechen handelt, ist der Versuch strafbar (§§ 23 Abs. 1 Alt. 1, 12 Abs. 1 StGB). Auch beim Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens muss zwischen dem Vor- und dem Nacheid unterschieden werden. Beim Voreid liegt das unmittelbare Ansetzen erst im Beginn der falschen Aussage nach Leistung des Voreides.
Leistet der Täter einen falschen Schwur und nimmt er dabei irrig die Zuständigkeit der betroffenen Stelle zur Abnahme von Eiden an, so sieht eine Ansicht hierin einen untauglichen Versuch.
Beispiel: Z sagt als Zeuge falsch vor der Staatsanwaltschaft aus und beschwört seine Aussage. Dabei geht er (entgegen § 161a Abs. 1 S. 3 StPO) davon aus, dass Staatsanwält:innen für die Abnahme von Eiden zuständig seien.
§ 156 StGB – Falsche Versicherung an Eides statt
§ 156 StGB betrifft die falsche Versicherung an Eides statt. Es handelt sich um einen eigenen Tatbestand und nicht etwa um eine Privilegierung zu § 154 StGB. Die Versicherung an Eides statt ist – wie der Eid – auf die Bekräftigung von Tatsachen in staatlichen Verfahren gerichtet, stellt aber eine schwächere Form der Bekräftigung dar.
Zuständige Behörde
Eine Behörde kann nach der Legaldefinition in § 11 Abs. 1 Nr. 7 StGB auch ein Gericht sein. Diese Behörde muss zur Abnahme eidesstattlicher Versicherungen zuständig sein. Nach hM erfordert dies: (1) Die Behörde muss generell zur Abnahme eidesstattlicher Versicherungen zuständig sein (generelle Zuständigkeit), (2) die Versicherung auch im konkreten Fall abnehmen dürfen (konkrete Zuständigkeit) und (3) die Versicherung an Eides statt darf im konkreten Fall rechtlich nicht völlig wirkungslos sein.
Insbesondere bei der Glaubhaftmachung von Tatsachenbehauptungen (§§ 920 Abs. 2 iVm 294 Abs. 1 ZPO, für das verwaltungsgerichtliche Verfahren zB iVm § 123 Abs. 3 VwGO) und der Abgabe eines Vermögensverzeichnisses im Rahmen der Zwangsvollstreckung (§ 802c Abs. 3 S. 1 ZPO) spielt § 156 StGB eine größere Rolle.
Falschheit
Ebenso wie bei den §§ 153, 154 StGB (→ Rn. 11 ff.) ist auch die Falschheit der Versicherung an Eides statt objektiv zu bestimmen. Zudem ist auch hier die Wahrheitspflicht durch den Verfahrensgegenstand und die Regeln bzw. Eigenart des Verfahrens begrenzt.
Beispiel: Schuldner S gibt im Rahmen des gegen ihn gerichteten Vollstreckungsverfahrens eine Vermögensauskunft nach § 802c ZPO ab und gibt eine Versicherung an Eides statt über deren Richtigkeit ab. Bei der Auskunft verschweigt er, dass er einen alten Staubsauger im Wert von 15 EUR hat. Die eidesstattliche Versicherung ist nicht falsch und damit nicht von § 156 StGB erfasst, da der Staubsauger offensichtlich nicht gepfändet werden kann – in Ansehung des geringen Wertes auch nicht im Wege einer Austauschpfändung (§§ 811 Abs. 1 Nr. 1, 811a Abs. 1 ZPO). Folglich war die Aufnahme des Staubsaugers in die Auskunft nicht von der Wahrheitspflicht umfasst (§ 802c Abs. 2 S. 4 ZPO).
Täterschaft und Teilnahme
Allgemeines
Wie oben bereits dargestellt, sind die §§ 153 ff. StGB eigenhändige Delikte, d. h. Täter kann nur sein, wer selbst aussagt; mittelbare Täterschaft oder Mittäterschaft sind nicht möglich. Bei den §§ 153–156 StGB kann eine Person, die an der falschen Aussage eines anderen mitwirkt, daher lediglich Anstifter oder Gehilfe sein.
Umstritten ist, ob die Wahrheitspflicht der Beweisperson ein besonderes persönliches Merkmal iSd § 28 Abs. 1 StGB
Eine Minderheitenauffassung qualifiziert die Wahrheitspflicht des Zeugen als besonderes persönliches Merkmal iSd § 28 Abs. 1 StGB.
Die hM sieht in der Wahrheitspflicht kein besonderes persönliches Merkmal.
§ 159 StGB – Versuch der Anstiftung zur Falschaussage
§ 30 Abs. 1 StGB pönalisiert die versuchte Anstiftung nach seinem eindeutigen Wortlaut nur bei Verbrechen. § 154 StGB stellt ein Verbrechen dar, sodass für diesen § 30 Abs. 1 StGB unmittelbar gilt. Die §§ 153, 156 StGB hingegen sind Vergehen, sodass eine Strafbarkeit der versuchten Anstiftung bei diesen Tatbeständen eigentlich nicht bestünde. Um dies zu vermeiden, erweitert § 159 StGB den Anwendungsbereich der §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB auf die §§ 153, 156 StGB.
§ 159 StGB betrifft Fälle, in denen der Anstifter die Beweisperson (zutreffend oder unzutreffend) für bösgläubig hält. Hält er die Beweisperson für gutgläubig, ist in Abgrenzung dazu stattdessen § 160 Abs. 1 bzw. Abs. 2 StGB einschlägig (→ Rn. 56 ff.).
§ 159 StGB erweitert lediglich den Anwendungsbereich der §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB, modifiziert die Regelungen aber nicht, sodass insoweit die allgemeinen Grundsätze der §§ 30 f. StGB gelten.
Beispiel: Buchhalter B hat im Unternehmen der C eine Untreue (§ 266 StGB) begangen. In dem gegen ihn gerichteten Strafverfahren soll auch die Kollegin K des B aussagen. Da C durch die Aufdeckung der Organisationsmängel einen Ansehensverlust für ihr Unternehmen fürchtet, bittet sie K, uneidlich falsch auszusagen. K lehnt entrüstet ab. C hat sich gem. §§ 153, 159, 30 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB strafbar gemacht, da sie erfolglos versuchte, den Tatentschluss iSd § 153 StGB bei K hervorzurufen.
Weiterführendes Wissen: Ein bemerkenswerter Wertungswiderspruch entsteht dadurch, dass § 159 StGB die Strafbarkeit der versuchten Anstiftung zu den §§ 153, 156 StGB anordnet, obwohl die §§ 153, 156 StGB selbst keine Versuchsstrafbarkeit kennen.
Zur Abmilderung dieser Wertungswidersprüche wird teilweise eine Einschränkung vorgeschlagen, wenn die Tat, zu der der Anstifter auffordert, einen untauglichen Versuch darstellen würde.
Beispiel nach BGHSt 24, 38: A stiftet Z an, vor dem Strafrichter S eine falsche Versicherung an Eides statt zur Schuldfrage abzugeben, wobei A und Z beide davon ausgehen, dass S als Strafrichter in diesem Fall zur Abnahme von eidesstattlichen Erklärungen zuständig sei. Da Strafrichter:innen insoweit jedoch nicht zur Abnahme eidesstattlicher Erklärungen zuständig sind, kann Z § 156 StGB von vornherein nicht vollenden. Da der Versuch des § 156 StGB allgemein nicht strafbar ist (§ 23 Abs. 1 StGB), scheidet auch eine Versuchsstrafbarkeit aus. Hinzu kommt, dass nach hier vertretener Ansicht in der irrigen Vorstellung der Zuständigkeit der vernehmenden Stelle ohnehin ein strafloses Wahndelikt liegt. Teilt man diese Ansicht nicht und verneint man ein Wahndelikt, so würde die geplante Tat für Z einen untauglichen Versuch darstellen. Für A stellt sich dann die Frage, ob er sich nach den §§ 156, 159 StGB iVm § 30 Abs. 1 StGB strafbar macht.
Der BGH und Teile der Literatur schlagen hier eine teleologische Reduktion des § 159 StGB vor, weil es sich bei der Tat, zu der aufgefordert wurde, um einen untauglichen Versuch handeln würde.
§§ 26, 30 Abs. 1 und 27 StGB
Wirken Dritte an Aussagedelikten mit, so kommen – wie oben bereits erläutert – aufgrund der Eigenhändigkeit nur Anstiftung und Beihilfe in Betracht. Dass Aussagedelikte Dritter durch die anderen Verfahrensbeteiligten begünstigt oder gar erst ermöglicht werden (etwa durch die Zeugenbefragung), ist jedoch kaum auszuschließen und Gerichtsprozessen immanent. Daher kann nicht jedes Verhalten, welches das Aussagedelikt einer anderen Person fördert, als Teilnahme hieran strafbar sein. Es stellt sich daher die Frage, wo die Grenze zwischen straflosem und strafbarem Prozessverhalten verläuft.
Aktives Tun
Bei aktivem Tun kommt es entscheidend auf die prozessuale Zulässigkeit des Verhaltens an. Was prozessual erlaubt ist, kann nicht strafrechtlich verboten sein. Denn wenn eine Verhaltensweise prozessual zulässig ist, setzt die Verfahrensbeteiligte hierdurch kein rechtlich missbilligtes Risiko.
Klausurhinweis: Dieses Problem sollte in der Klausur im Rahmen der objektiven Zurechnung diskutiert werden, wo zu klären ist, ob der Teilnehmer ein unerlaubtes Risiko geschaffen hat.
Beispiel: X benennt im gegen ihn gerichteten Strafprozess die Y als Zeugin, weil er damit rechnet, dass Y zu seinen Gunsten falsch aussagen wird. Eine vorherige Absprache mit Y erfolgte nicht. Tatsächlich sagt Y falsch aus. X könnte sich wegen Beihilfe zum Aussagedelikt des Y strafbar gemacht haben. X hat als Angeklagter aber das Recht, Zeugen zu benennen. Sein Verhalten ist prozessual erlaubt, und zwar selbst dann, wenn er mit einer falschen Aussage der Zeugin rechnet.
Unterlassen
Davon zu unterscheiden sind Konstellationen, in denen Verfahrensbeteiligte bemerken, dass eine Beweisperson falsch aussagt, dagegen aber nicht einschreiten. Unter welchen Umständen in derartigen Fällen eine Garantenstellung als Voraussetzung für eine Beihilfe durch Unterlassen vorliegt, ist umstritten.
Einigkeit besteht darüber, dass (im Zivilprozess) allein die Wahrheitspflicht des § 138 ZPO keine (Garanten-)Pflicht begründet, als Prozesspartei des Zivilprozesses die Unwahrheit einer Zeugenaussage offenzulegen.
Ebenso einig ist man sich darüber, dass das bloße Benennen eines Zeugen nicht zu einer Garantenstellung aus Ingerenz führen kann, da dies – wie oben dargelegt – kein pflichtwidriges Vorverhalten ist.
Beispiel: A benennt in einem Zivilprozess ihren Kollegen K als Zeugen. A weiß, dass K bei wahrheitsgemäßer Aussage eine eigene Untreuestrafbarkeit offenbaren müsste. K sagt falsch aus, wogegen A nicht einschreitet. Die Wahrscheinlichkeit, dass K falsch aussagen wird, geht über die jedem Prozess innewohnende Gefahr deutlich hinaus, weil K ersichtlich geneigt sein wird, seine bislang unerkannt gebliebene Untreuestrafbarkeit zu verschleiern. Da A diese Situation durch ihre Zeugenbenennung erst herbeigeführt hat und von dem Zwang, unter dem K bei seiner Aussage stehen wird, wusste, hat sie ein pflichtwidriges und gefährliches Vorverhalten verwirklicht, sodass sie eine Garantenstellung aus Ingerenz trifft.
Problematisch ist, dass die Unterscheidung zwischen prozessadäquaten und nicht prozessadäquaten Gefahren sehr vage ist.
§ 160 StGB – Verleitung zur Falschaussage
Allgemeines
Oben (→ Rn. 2) wurde dargelegt, dass § 160 StGB Lücken schließen soll, die aus der Rechtsnatur der § 153 ff. StGB als eigenhändige Delikte folgen. Aus diesem Grund erfasst § 160 StGB Verhaltensweisen, die bei nicht-eigenhändigen Delikten eine mittelbare Täterschaft darstellen würden und damit strafbar wären. Die Bedeutung und Notwendigkeit des § 160 StGB soll anhand eines einleitenden Beispiels verdeutlicht werden.
Beispiel: Ärztin A wird wegen Körperverletzung angeklagt. Um zu klären, ob sie die Patientin P wirksam über die Risiken und Notwendigkeit der Behandlung aufgeklärt hat, soll auch Krankenpfleger K als Zeuge vor Gericht aussagen. Da das Geschehen bereits zwei Jahre zurückliegt, kann sich K nicht mehr genau daran erinnern. Dies macht sich A, die tatsächlich keine wirksame Aufklärung vorgenommen hat, zunutze und „frischt das Gedächtnis des K auf“, indem sie ihm vor dem Prozess angebliche Details des Aufklärungsgesprächs nennt. Aufgrund dieses Gesprächs glaubt K tatsächlich, die Aufklärung habe so stattgefunden und sagt dies auch uneidlich vor Gericht aus. Genau dies hatte A sich auch vorgestellt.
Im Beispielfall hat A selbst nicht falsch ausgesagt, sodass § 153 StGB nicht in Betracht kommt. Auch die §§ 153, 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB sind nicht verwirklicht, da eine mittelbare Täterschaft bei eigenhändigen Delikten nicht möglich ist. Die §§ 153, 26 StGB scheiden mangels vorsätzlicher rechtswidriger Haupttat aus, da K nicht wusste, dass er falsch aussagt. Da A sich vorstellte, dass K unvorsätzlich handeln würde, kommt auch eine Strafbarkeit nach §§ 153, 159, 30 Abs. 1 StGB nicht in Betracht. A hat K jedoch im Sinne des § 160 StGB zu einer gutgläubigen Falschaussage „verleitet“. Gäbe es diesen Tatbestand nicht, bliebe A straflos.
Erfüllt das Verhalten im Einzelfall bereits die Voraussetzungen einer (versuchten) Anstiftung (§§ 26, 30 Abs. 1, 159 StGB), weil eine bösgläubige Beweisperson zur Falschaussage aufgefordert wird, so besteht keine Strafbarkeitslücke, die über § 160 StGB geschlossen werden müsste. In diesen Fällen scheidet § 160 StGB daher bereits tatbestandlich aus.
Verleiten
Verleiten ist jede Einwirkung auf den Willen der Beweisperson, durch die bei ihr der Entschluss zu einer Aussage hervorgerufen wird, die objektiv falsch ist. Die Einwirkung muss dazu führen, dass die Beweisperson den objektiven Tatbestand eines Delikts nach den §§ 153–156 StGB verwirklicht.
Ein klassischer Streit besteht darüber, wie Fälle zu beurteilen sind, in denen der Täter die Beweisperson für gutgläubig hält, diese aber tatsächlich bösgläubig falsch aussagt.
Beispiel: A wird wegen Einbruchdiebstahls angeklagt. Z soll zu der Frage, ob A zur Tatzeit gemeinsam mit ihr in ihrer Stammkneipe gewesen ist, als Zeugin gehört werden. A stellt Z vor Verhandlungsbeginn Suggestivfragen und erzählt von angeblichen Details des Kneipenbesuchs, um sie in die Irre zu führen und damit zu einer falschen Aussage zu veranlassen. Z erinnert sich jedoch noch genau an den Tatabend und weiß, dass A nicht in der Kneipe gewesen ist. Z lässt sich aber nichts anmerken und sagt uneidlich falsch aus, dass A den ganzen Abend über in der Kneipe war.
Z hat sich hier gem. § 153 StGB strafbar gemacht. Eine Strafbarkeit des A nach §§ 153, 26 StGB scheitert daran, dass er keinen Vorsatz bzgl. einer vorsätzlichen Haupttat hatte, da er Z für gutgläubig hielt. Denkbar wäre daher ein Fall des § 160 Abs. 1 StGB.
Nach dem BGH und der hM
Nach einer Minderheitenauffassung
Für die erstgenannte Ansicht spricht zwar, dass der offene Wortlaut („verleitet“) sich eben nicht auf unvorsätzlich oder gerechtfertigt getätigte Aussagen beschränkt.
Klausurhinweis: Dieses Problem betrifft letztlich die Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Verleiten“. Daher sollte der Streit in der Klausur auch anhand dieses Merkmals geführt werden.
Die gerade besprochene Fallgruppe erinnert konstruktiv an ein aus dem Allgemeinen Teil bekanntes Problem: Liegt im Willen zur Täterschaft als „Minus“ erst recht auch der Wille, lediglich als Teilnehmer an einer fremden Tat teilzunehmen?
Strafzumessung
In der Klausur ist regelmäßig nach der Strafbarkeit gefragt, wohingegen §§ 157 und 158 StGB die Strafzumessung betreffen. Dennoch werden bei entsprechenden Sachverhalten Ausführungen zu den §§ 157, 158 StGB erwartet. Wie bei anderen Strafzumessungsvorschriften auch, ist auf die §§ 157, 158 StGB erst dann einzugehen, wenn grundsätzlich eine Strafbarkeit festgestellt wurde, also nach der Schuld (ggf. auch erst nach der Verneinung eines strafbefreienden Rücktritts bei § 154 StGB).
§ 157 StGB – Aussagenotstand
Allgemeines
Bei § 157 Abs. 1 StGB handelt es sich nicht um einen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund, wie die begriffliche Nähe zu §§ 34, 35 StGB suggeriert, sondern um einen Strafmilderungsgrund. Ist § 157 Abs. 1 StGB einschlägig, so „kann“ (Ermessen) das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 2 StGB mildern bzw. im Falle des § 153 StGB sogar ganz von Strafe absehen.
Der Anwendungsbereich des § 157 StGB ist in dreierlei Hinsicht eingeschränkt. Die Norm gilt nur für die §§ 153, 154 StGB, nicht aber für die restlichen Aussagedelikte. Weiterhin sind nur Zeugen und Sachverständige erfasst, jedoch keine Prozessparteien im Zivilprozess usw. Zuletzt kommt der Strafmilderungsgrund nur dem „Täter“ zugute, Teilnehmern hingegen nicht.
Die Norm soll dem Konflikt zwischen der prozessualen Wahrheitspflicht und dem Interesse, sich selbst oder Angehörige (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB) durch die wahrheitsgemäße Aussage nicht zu belasten, Rechnung tragen.
Beispiel: A war in eine Kneipenschlägerei verwickelt und hat O verletzt. Im Strafprozess gegen A wird auch seine Schwester Z als Zeugin vernommen. Z wird gefragt, wo A zur Tatzeit gewesen ist. Z, die nicht weiß, wo A sich zur Tatzeit aufgehalten hat, sagt aus, ihr Bruder sei den ganzen Tag über bei ihr gewesen. Er könne nicht an der Schlägerei beteiligt gewesen sein. § 157 Abs. 1 StGB greift hier nicht ein. Würde Z wahrheitsgemäß antworten, dass sie nichts über den Aufenthaltsort wisse, so würde sie A damit nicht belasten. Sie sagt nur aus, um eine Entlastung zu bewirken. Daher besteht keine Zwangslage zwischen der Wahrheitspflicht und dem Interesse, keine Angehörigen zu belasten.
Gegenbeispiel: Hätte Z den A hingegen zufällig bei der Tat beobachtet, würde § 157 StGB eingreifen. Wenn Z wahrheitsgemäß ausgesagt hätte, dass A am Tatort gewesen ist, hätte sie ihren Bruder mit dieser Aussage belastet. Die Konfliktlage, vor der § 157 StGB schützen soll, liegt damit vor.
Besteht ein Zeugnis- oder Aussageverweigerungsrecht (insb. §§ 52, 55 StPO), schmälert dies den Konflikt zwischen Wahrheitspflicht und Entlastungsinteresse zwar. Da die Konfliktlage damit aber nicht vollständig aufgelöst wird, ist § 157 Abs. 1 StGB in diesen Fällen dennoch anwendbar.
Abwendungsabsicht
Der Täter muss die Absicht haben, bestimmte Maßnahmen abzuwenden. Dabei kommt es rein auf die subjektive Tätersicht an. Ob auch objektiv eine Sanktionierungsgefahr besteht, ist daher irrelevant.
Beispiel: A sagt als Zeuge falsch aus, weil er sich vorstellt, so die Bestrafung seiner Schwester S wegen einer Körperverletzung zu verhindern. Tatsächlich ist die Körperverletzung aber bereits verjährt.
Der Angehörigenbegriff ist in § 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB legaldefiniert. Beachtliche Stimmen wollen § 157 StGB analog auf andere nahestehende Personen (insb. nicht eheliche Partner:innen) anwenden, weil dort eine ähnliche Zwangslage bestehen kann.
§ 158 StGB – Berichtigung einer falschen Angabe
Allgemeines
§ 158 StGB stellt eine weitere Strafmilderungsnorm dar. Sie greift ein, wenn der Täter seine unwahren Angaben nach Vollendung des Aussagedelikts korrigiert. Berichtigt der Täter seine Angaben noch vor der Vollendung, so liegt bereits keine falsche Aussage vor bzw. kann darin bei §§ 154, 22, 23 Abs. 1 StGB ein strafbefreiender Rücktritt, § 24 StGB, gesehen werden.
Beispiel: Z wird als Zeugin vernommen und sagt vor Gericht bewusst falsch aus. Noch während ihrer Vernehmung kommen ihr Gewissensbisse. Sie legt offen, dass ihre bisherige Aussage gelogen gewesen ist und sagt nunmehr wahrheitsgemäß aus. Da Z ihre anfangs falschen Bekundungen noch vor dem Vernehmungsende korrigiert hat, lag keine falsche Aussage iSd § 153 StGB vor. Die Tat ist nicht vollendet, sodass Z straflos bleibt. Auf § 158 StGB kommt es hier nicht an.
Gegenbeispiel: Z sagt vor Gericht bewusst falsch aus und bleibt unvereidigt. Nachdem sie als Zeugin entlassen wurde und als sie gerade dabei ist, das Gerichtsgebäude zu verlassen, ereilen sie Schuldgefühle. Z kehrt zum Verhandlungssaal zurück und legt offen, dass ihre Aussage falsch war. In der erneuten Zeugenvernehmung tätigt sie nunmehr eine wahre Aussage. Eine falsche Aussage iSd § 153 StGB liegt vor, da die Vernehmung bereits beendet war, als Z ihre Aussage korrigierte. Eine Strafbarkeit nach § 153 StGB besteht damit. Jedoch ist § 158 StGB einschlägig, da insb. aufgrund des engen zeitlichen Zusammenhangs die Berichtigung noch rechtzeitig iSd § 158 Abs. 1, 2 StGB ist.
Klausurhinweis: Bei §§ 154, 22, 23 Abs. 1 StGB muss im Rahmen einer Berichtigung zuerst der strafbefreiende Rücktritt geprüft werden. Nur wenn dieser abgelehnt wird, ist auf § 158 StGB einzugehen, welcher anders als der Rücktritt gerade keine Freiwilligkeit voraussetzt.
Beispiel: Dolmetscher D übersetzt nach Ableistung seines Voreides im Rahmen der Vernehmung des Zeugen Z bewusst falsch. Die Vorsitzende V bemerkt dies vor dem Abschluss der Vernehmung und weist D darauf hin. Da D panische Angst hat, seinen Job zu verlieren und strafrechtlich verfolgt zu werden, sieht er sich gezwungen, die Übersetzung zu korrigieren. Aufgrund des inneren Zwanges liegt kein autonomes Motiv vor und scheidet ein Rücktritt aus. Da D die Übersetzung korrigiert hat, ist jedoch § 158 StGB einschlägig.
Voraussetzungen
Anwendungsbereich
Die Norm gilt direkt für die §§ 153, 154, 156 StGB, auf § 160 StGB ist sie analog anwendbar. Für § 161 Abs. 1 StGB gilt sie hingegen nicht, da § 161 Abs. 2 StGB eine Spezialregelung enthält. § 158 StGB ist (anders als § 157 StGB) nicht auf Zeugen und Sachverständige beschränkt und ist darüber hinaus auf Teilnehmer analog anwendbar.
Berichtigen
Die Beweisperson muss ihre ursprüngliche Aussage durch eine wahrheitsgemäße ersetzen (vgl. den Wortlaut „berichtigt“ und nicht etwa „zurücknimmt“), ein bloßes Abrücken reicht also nicht aus. Bei Zeugnisverweigerungsberechtigten liegt eine Berichtigung hingegen auch dann vor, wenn sie die Unwahrheit ihrer früheren Aussage offenlegen und danach auf Grundlage ihres Zeugnisverweigerungsrechtes schweigen.
Rechtzeitigkeit
Die Berichtigung muss rechtzeitig erfolgen. § 158 Abs. 2 StGB nennt insgesamt vier Gründe, die zu einer Verspätung und damit Unbeachtlichkeit der Berichtigung führen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Berichtigung bei der Entscheidung nicht mehr verwertet werden kann oder aus der Tat ein Nachteil für einen anderen entstanden ist. „Entscheidung“ meint die abschließende Entscheidung in der jeweiligen Instanz.
§ 161 StGB – Fahrlässiger Falscheid und fahrlässige falsche Versicherung an Eides statt
§ 161 StGB erweitert die Strafbarkeit nach den §§ 154–156 StGB auch auf Fahrlässigkeit. § 153 StGB kann hingegen nicht fahrlässig begangen werden.
Bezugspunkte der Fahrlässigkeit
Bemerkenswert ist die weite Formulierung des § 161 StGB: Erfasst ist ein Handeln „aus Fahrlässigkeit“ und nicht etwa das „fahrlässige Verkennen der Wahrheit“. Daraus folgt, dass sich die Fahrlässigkeit auf alle Tatbestandsmerkmale der §§ 154–156 StGB beziehen kann und nicht zwangsläufig die inhaltliche Falschheit der Aussage betreffen muss, obgleich dies in der Klausur den Hauptfall darstellt. § 161 StGB erfasst damit zB auch den Fall, dass die Beweisperson die Zuständigkeit der Stelle, vor der sie bewusst falsch aussagt, fahrlässig verkennt.
Sorgfaltsmaßstab
Von allen Beweispersonen wird verlangt, dass sie bei der Aussage ihr Erinnerungsvermögen bestmöglich anstrengen und dementsprechend antworten. Insbesondere im Zivilprozess (§ 378 ZPO), bei Zeugen, die Wahrnehmungen in amtlicher Eigenschaft gemacht haben, sowie bei Sachverständigen besteht darüber hinaus eine Pflicht zur Vorbereitung auf die Vernehmung.
Berichtigung (§ 161 Abs. 2 StGB)
§ 161 Abs. 2 StGB ist § 158 StGB nachgebildet und stellt eine Spezialregelung für die nachträgliche Berichtigung vollendeter Fahrlässigkeitstaten nach § 161 Abs. 1 StGB dar. Anders als bei § 158 StGB tritt im Rahmen des § 161 Abs. 2 StGB jedoch zwingend Straflosigkeit ein.
Konkurrenzen
Die Aussagedelikte treffen häufig mit §§ 145d, 164, 187, 257, 258 StGB und beim Prozessbetrug auch mit § 263 StGB zusammen. Die Delikte stehen aufgrund unterschiedlicher Schutzgüter in Tateinheit mit den §§ 153 ff. StGB.
Wird der Haupttäter zu einem Meineid angestiftet, kommt es jedoch zu keiner Vereidigung, so stehen die §§ 154, 30 Abs. 1 und §§ 153, 26 StGB des Anstifters in Tateinheit, wenn der Haupttäter falsch aussagt.
Sagt der Täter in einem Verfahren in derselben Instanz mehrmals falsch aus, so liegt eine einzige Tat vor. Bei Falschaussagen in verschiedenen Instanzen stehen die jeweiligen Delikte hingegen in Tatmehrheit.
Prüfungsschema
§§ 153, 154, 156 StGB
Tatbestand
Objektiver Tatbestand
Tauglicher Täter
Tauglicher Erklärungsadressat
Tathandlung: Falsche Aussage (§ 153 StGB)/Falsches Schwören (§ 154 StGB)/Falsche Versicherung an Eides statt etc. (§ 156 StGB)
Subjektiver Tatbestand
Rechtswidrigkeit
Schuld
§ 161 StGB
Tatbestand
Tauglicher Täter
Tauglicher Erklärungsadressat
Tathandlung: Handlungen nach den §§ 154–156 StGB (nicht nach § 153 StGB)
Objektive Sorgfaltspflichtverletzung bei objektiver Vorhersehbarkeit (bezogen auf die Merkmale nach 1.–3.)
Rechtswidrigkeit
Schuld (insb. subjektive Sorgfaltspflichtverletzung bei subjektiver Vorhersehbarkeit)
Strafaufhebungsgrund (§ 161 Abs. 2 StGB)
Wissen für die Zweite Juristische Prüfung
Wird ein Aussagedelikt in der Sitzung begangen, so muss das Gericht nach § 183 GVG das Vorkommnis protokollieren und das Protokoll an die Staatsanwaltschaft weiterleiten. Kommt das Gericht dieser Pflicht nicht nach, ist eine Strafbarkeit aus §§ 258, 258a, 13 StGB denkbar.
Obwohl die Aussagedelikte lediglich die Rechtspflege schützen, ist anerkannt, dass die durch die Falschaussage Betroffene ein Klageerzwingungsverfahren, § 172 StPO, einleiten kann.
Studienliteratur
Bartholme, Beihilfe zur Falschaussage durch Unterlassen, JA 1998, 204
Geppert, Grundfragen der Aussagedelikte (§§ 153 ff. StGB), JURA 2002, 173
Heinrich, Die strafbare Beteiligung des Angeklagten an falschen Zeugenaussagen, JuS 1995, 1115
Hettinger/Bender, Die Aussagedelikte (§§ 153–162 StGB), JuS 2015, 577
Katzenberger/Pitz, „Si tacuisses …“, Eine methodische Darstellung der Aussagedelikte, ZJS 2009, 659
Kudlich/Henn, Täterschaft und Teilnahme bei den Aussagedelikten, JA 2008, 510
Reese, Die Aussagedelikte als Prüfungsaufgabe, JA 2005, 612