Birgit Weitemeyer Recht der Non-Profit-Organisationen Licensed under CC-BY-4.0

Skript V - Vereinsrecht II

Das Skript erläutert die Vereinsverfassung und die Haftungsverfassung des Vereins

Vereinsverfassung

Als Vereinsverfassung wird die rechtliche Grundordnung des Vereins bezeichnet, die die das Vereinsleben bestimmenden Grundentscheidungen umfasst.BGH, v. 24.10.1988 - II ZR 311/87, NJW 1989, 1724, 1725; Schöpflin, BeckOK-BGB, Stand 01.05.2023, § 25 Rn. 2; im Einzelnen sogleich. Die Verfassung wirkt nur im Innenverhältnis, begründet also Rechte und Pflichten lediglich innerhalb des Vereins zwischen den Organen und zwischen dem Verein und seinen Mitgliedern.

Art. 9 Abs. 1 GG gewährleistet den Vereinen auch das Recht, ihre inneren Verhältnisse eigenverantwortlich zu regeln (Selbstbestimmung über die eigene Organisation).BVerfG, v. 10.06.2009 - 1 BvR 706/08, 1 BvR 814/08, 1 BvR 819/08, 1 BvR 832/08, 1 BvR 837/08, BVerfGE 123, 186, 230. Dem entspricht einfachgesetzlich das durch § 25 BGB begründete Stufenverhältnis der für die Vereinsverfassung maßgeblichen Normen: Gemäß § 25 BGB wird die Vereinsverfassung, soweit sie nicht auf den nachfolgenden Vorschriften, den §§ 26 - 53 BGB, beruht, durch die Vereinssatzung bestimmt. Damit gilt für die Vereinsverfassung in dieser Reihenfolge:

  1. zwingendes Gesetzesrecht, erkennbar insbesondere an § 40 S. 1 BGB und teilweise direkt in der Norm (Bsp.: § 39 Abs. 2 BGB). Zwingend sind auch ungeschriebene Rechtsgrundsätze, etwa der Gleichbehandlungsgrundsatz.

  2. die jeweilige Vereinssatzung, bezüglich derer dem Verein ein weitgehender Gestaltungsspielraum zukommt.Zu notwendigen und fakultativen Satzungsbestandteilen siehe bereits oben und noch im Folgenden.

  3. dispositives Gesetzesrecht der §§ 26 - 53 BGB, sofern die Satzung keine Bestimmungen trifft.

Neben dem Rangordnungsverhältnis der die Verfassung bestimmenden Normen regelt § 25 BGB auch den Satzungsvorbehalt, demzufolge die Vereinsverfassung in der Satzung und nicht in Unterordnungen (Geschäftsordnungen, Gebührenordnung, etc.) auszugestalten ist. Dies dient dem Mitgliederschutz: Die Vereinsmitglieder sollen die Verfassung nur aus der Satzung erkennen können und die besonderen Vorschriften zur Satzungsänderung (§§ 33, 71 BGB) zur Herbeiführung einer Verfassungsänderung nicht umgangen werden können.Leuschner, MüKo-BGB, 9. Aufl. 2021, § 25 Rn. 1, 19.

Dem Satzungsvorbehalt unterliegen insbesondere:

  • alle Pflicht- und Sollbestimmungen gemäß §§ 57 f. BGB.

  • alle Abweichungen vom dispositiven Gesetzesrecht der §§ 26 - 53 BGB.

  • die Pflicht zur Zahlung eines Beitrags. Die Höhe kann durch den Vorstand oder ein anderes Organ festgelegt werden. Die Satzung muss keine Obergrenze enthalten.

  • die Pflicht zur Zahlung einer Umlage. Dafür muss die Satzung eine bezifferte oder bezifferbare Obergrenze in der Satzung enthalten.

  • ein Vereinsstrafrecht, insbesondere die Möglichkeit des Ausschlusses eines Vereinsmitglieds.

  • eine Schiedsklausel.

  • abhängig vom Vereinszweck auch weitere, diesen konkretisierende Regelungen, die von wesentlicher Bedeutung sind. Entschieden wurden beispielsweise, dass eine Züchtervereinigung das Zuchtprogramm, die Zuchtziele und die Voraussetzungen für die Eintragung eines Tieres in das Zuchtbuch in der Satzung geregelt werden müssen.BGH, v. 04.10.1983 - KVR 2/82, MDR 84, 119.

  • Verweisungen auf Satzungen übergeordneter Vereine (Verbände) sind als statische Verweisungen (mit dem Inhalt zum Zeitpunkt der Satzungsgebung oder -änderung) zulässig,OLG Hamm NJW-RR 1988, 183. als dynamische Verweisungen (mit dem jeweils aktuell gültigen Inhalt) nach herrschender Ansicht hingegen unzulässig.Offenlassend BGH, v. 20.09.2016 - II ZR 25/15, NJW 2017, 402, 406; Schöpflin, BeckOK-BGB, 01.08.2023, § 25 Rn. 6; vgl. dazu noch unten.

Fall: M ist Mitglied in einem Pferdezuchtverein, einer staatlich anerkannten Züchtervereinigung. Zweck des Vereins ist es, die Pferdezucht zu fördern, wozu der Verein insbesondere ein Zuchtbuch führt, Abstammungen feststellt und Tierzuchtbescheinigungen ausstellt. Züchter haben einen gesetzlichen Anspruch auf Eintragung eines Zuchttieres, sofern das Tier den Anforderungen der Züchtervereinigung entspricht. M begehrt die Eintragung eines Hengstes in das Zuchtbuch, der erfolgreich die staatliche Zuchteignungsprüfung durchlief (sog. Körung). Der Antrag wird duch die zuständige Vereinskommission jedoch unter Hinweis auf die (zulässigerweise) strengere Zuchtbuchordnung, deren Anforderungen der Hengst nicht genügt (mangelnde “Typhaftigkeit” des Pferdes, betreffend Körperbau, Muskulatur, Aussehen etc.), abgelehnt. M wendet sich an die staatlichen Gerichte und trägt unter anderem vor, die Voraussetzungen der Eintragungen in das Zuchtbuch müssten in der Satzung geregelt sein, nicht in einer bloßen sonstigen Vereinsordnung. Wie wird das Gericht entscheiden?

Das Gericht wird den Verein zur Eintragung des Hengstes verurteilen, wenn die Klage des M zulässig und begründet ist.

Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen keine Bedenken.

Die Klage ist begründet, wenn M einen Anspruch auf Eintragung seines Hengstes hat. Dieser ergibt sich aus dem Gesetz (vgl. Art. 13 Abs. 2 lit. a VO (EU) 2016/1012).

Der Hengst genügte zwar den Voraussetzungen der gesetzlichen Zuchteignungsprüfung, jedoch nicht denen des Pferdezuchtvereins, wie dieser sie zulässigerweise in seiner Zuchtbuchordnung festlegte.

Fraglich ist jedoch, ob die Regelung der Voraussetzungen einer Eintragung in das Zuchtbuch in einer bloßen Vereinsordnung zulässig ist, oder nicht vielmehr durch die Satzung erfolgen müsste. Nach dem in § 25 BGB niedergelegten sog. Satzungsvorbehalt muss der Verein die Vereinsverfassung in der Satzung selbst bestimmen. Dazu gehören insbesondere auch der Vereinszweck und die Art der Zweckverwirklichung (vgl. § 57 Abs. 1 BGB). Die Satzung beschränkt sich insoweit auf die Angabe der Förderung der Pferdezucht unter anderem durch Führung eines Zuchtbuchs, ohne die Voraussetzungen der Eintragung genauer zu regeln.

Die Regelung des Zuchtprogramms, also insbesondere der Zuchtziele und der Voraussetzungen der Eintragung in das Zuchtbuch hielt der BGH für Grundentscheidungen des Vereins, die zur Vereinsverfassung gehörten und deshalb in der Satzung geregelt werden müssten.BGH, v. 04.10.1983 - KVR 2/82, MDR 1984, 119, juris Rn. 28. Es handele sich um keine bloße Formalität, da zur Änderung verschiedene Quoren erforderlich seien (vgl. § 33 Abs. 1 S. 1 BGB). Zu ergänzen ist, dass im Einzelfall zudem unterschiedliche Vereinsorgane für die Änderung der Satzung und den Erlass oder die Änderung einer Vereinsordnung zuständig sein können und das Eintragungserfordernis gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 BGB nur bei Satzungsänderungen besteht.

Die Entscheidung ist wohl auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Entscheidung der Aufnahme in das Zuchtbuch maßgeblich den Einsatz des Tieres als Zuchttier beeinflusst und dies zudem durch die gesetzliche Ausgestaltung des Tierschutzrechts bedingt ist.BGH, v. 20.02.1984 – II ZR 228/83, WM 1984, 552, juris Rn. 8.

Entsprechend werden in Sachbereichen, die nicht vergleichbar regulatorisch durchdrungen sind, geringere Anforderungen aus dem Satzungsvorbehalt hergeleitet. So sind etwa die Einzelheiten der Durchführung und ihrer Voraussetzungen der Fußballbundesligen nicht in der Satzung des DFB e.V. geregelt, des Dachverbands des deutschen Fußballs. Die Ausrichtung der Bundesliga und der zweiten Liga ist gänzlich, wenn auch unter Regelung bestimmter Anforderungen, dem DFL e.V. übertragen, vgl. §§ 16 - 16d Satzung DFB, während die Einzelheiten der durch den DFB e.V. selbst ausgerichteten dritten Bundesliga auch nicht in der Satzung des DFB e.V. geregelt sind, sondern in dem Statut 3. Liga geregelt sind, vgl. § 6 Abs. 1 lit. g Satzung DFB.

Damit war die Regelung der Eintragungsvoraussetzungen in der Ordnung rechtswidrig und folglich unwirksam. Da der Hengst gekört und folglich grundsätzlich zur Zucht geeignet ist, hat M grundsätzlich einen Anspruch auf Eintragung seines Hengstes in das Zuchtbuch des Vereins.

Entsprechend ist die Klage begründet. Das Gericht wird den Verein zur Eintragung des Hengstes des M in das Zuchtbuch verurteilen.

(Fortsetzung der Falllösung unten).

Vereinsorgane

Die das Vereinsleben prägenden Grundbestimmungen umfassen insbesondere auch die Regelungen hinsichtlich der Vereinsorgane, durch die der Verein im Rechtsverkehr überhaupt erst handlungsfähig ist. Im Folgenden werden zunächst die Mitgliederversammlung, sodann der Vorstand und knapp weitere - fakultative - Organe vorgestellt.

Der Verein hat zwei notwendige Organe, die Mitgliederversammlung und den Vorstand, §§ 32 Abs. 1 S. 1, 26 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Notwendigkeit des Organs der Mitgliederversammlung ergibt sich daraus, dass die zwingenden (§ 40 S. 1 BGB) §§ 36, 37 BGB die Mitgliederversammlung vorsehen.Leuschner, MüKo-BGB, 9. Aufl. 2021, § 32 Rn. 1. Unter bestimmten Voraussetzungen kann sie durch eine sog. Delegiertenversammlung ersetzt werden und wird in diesem Falle mit Repräsentanten der Mitglieder besetzt. Dies ist bei Großvereinen wie dem ADAC notwendig und üblich, führt aber zu einer Abschwächung der Vereinsdemokratie.Eingehend Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, 2002.

Mitgliederversammlung

Die Mitgliederversammlung stellt das zentrale Willensbildungsorgan des Vereins dar. Im Verein, der der gemeinsamen Zweckverfolgung seiner Mitglieder dient, ist grundsätzlich der Wille (einer Mehrheit) der Vereinsmitglieder entscheidend.

Die Mitgliederversammlung ist zu berufen, wenn es die Satzung vorsieht (beispielsweise jährliche “ordentliche” Mitgliederversammlung) sowie, wenn das Vereinsinteresse es erfordert (“außerordentliche” Mitgliederversammlung), § 36 BGB. Letzteres ist dann anzunehmen, wenn eine in die Zuständigkeit der Mitgliederversammlung fallende Entscheidung zu treffen ist, etwa wenn eine Satzungsänderung erforderlich ist oder eine sofortige Abberufung eines Organmitglieds aus wichtigem Grund angezeigt ist (Bsp.: Parteiausschluss).

Dem Minderheitenschutz dient § 37 BGB, wonach der in der Satzung bestimmte Teil der Mitglieder oder 10 Prozent der Mitglieder die Abhaltung einer Mitgliederversammlung erzwingen können (Abs. 1).

Außerhalb einer Mitgliederversammlung können Beschlüsse nur getroffen werden, wenn sämtliche Mitglieder dem Beschluss schriftlich zustimmen (schriftliches Umlaufverfahren), § 32 Abs. 3 BGB.

Zuständigkeit

Nach dem gesetzlichen Normalstatut (also wenn die Satzung nicht von den §§ 26 - 53 BGB abweicht oder keine diesbezüglichen Bestimmungen enthält) ist die Mitgliederversammlung zuständig für Grundlagengeschäfte. Das Gesetz nennt die Satzungsänderung (§ 33 Abs. 1 BGB), die Auflösung (§ 41 BGB), die Bestimmung des Anfallberechtigten (§ 45 Abs. 2 S. 2 BGB) und die Bestellung der Vorstandsmitglieder (§ 27 Abs. 1 BGB). Ferner existieren solche Zuständigkeiten aufgrund des Umwandlungsgesetzes bei Umwandung des Vereins in eine andere Rechtsform (UmwG).

Daneben tritt die in § 32 Abs. 1 BGB vorgesehene Auffangzuständigkeit der Mitgliederversammlung. Diese ist vor dem Hintergrund der Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands gemäß § 27 Abs. 3 BGB zu sehen. Der Verweisung auf den auftragsrechtlichen § 665 BGB wird entnommen, dass der Mitgliederversammlung gegenüber dem Vorstand ein Weisungsrecht zusteht (gemäß § 27 Abs. 3 S. 1 BGB i.V.m. § 665 BGB). Die Zuständigkeit der Mitgliederversammlung erstreckt sich daher auch auf Geschäftsführungsangelegenheiten. Dies begründet die sogenannte Allzuständigkeit der Mitgliederversammlung hinsichtlich der internen Willensbildung.Leuschner, MüKo-BGB, 9. Aufl. 2021, § 32 Rn. 4. Allein die Vertretung des Vereins bleibt zwingend dem Vorstand (oder dem besonderen Vertreter, § 30 BGB) vorbehalten, § 26 Abs. 1 S. 2 BGB.

Aus § 32 BGB i.V.m. § 40 S. 1 BGB folgt, dass die Zuständigkeiten und Kompetenzen der Mitgliederversammlung auf andere Organe übertragen werden können. Gesetzlich zwingend ist lediglich die Kompetenz für die Auflösung (§ 41 BGB i.V.m. § 40 BGB). Grenzen hinsichtlich der Auslagerung von Kompetenzen, insbesondere an dominierende einzelne Mitglieder oder gar an vereinsfremde Dritte, folgen aus dem Grundsatz der Vereinsautonomie (sog. negative Seite der Vereinsautonomie), der nach herrschender Auffassung ein Verbot der Selbstentmündigung impliziert.Notz, BeckOGK-BGB, 15.09.2018, § 32 Rn. 25 f.; Segna, BeckOGK-BGB, 01.12.2022, § 25 Rn. 47 ff.

Fall: X ist eine Leichtathletiktrainerin, die nichts von Demokratie im Leistungssport hält. Sie gründet zusammen mit 6 Sportlerinnen und Sportlern einen Verein für Spitzenathleten mit einer Satzung, die u. a. folgendermaßen lautet: “§ 3 Oberstes Organ des Vereins ist der Vorstand. Vorstand ist der jeweilige Cheftrainer. § 4 Sämtliche Ent-scheidungen im Verein einschließlich etwaiger Änderungen dieser Satzung trifft das Vereinsmitglied, das Vorstand ist. § 5 Das zum Vorstand berufene Vereinsmitglied entscheidet auch über die Auflösung des Vereins. Ein Auflösungsbeschluss der Mitgliederversammlung bedarf seiner Zustimmung.” X beantragt die Eintragung des Vereins in das Vereinsregister. Muss der Registerrichter eintragen?
  • Die Mitgliederversammlung ist nach dem gesetzlichen Normalstatut (§§ 32, 33 BGB) Grundlagenorgan (vor allem Inhaberin der Satzungshoheit)

  • Aus § 40 S. 1 BGB folgt die grundsätzliche Abdingbarkeit des Normalstatuts.

  • Aber: Grenzen der grundsätzlichen Dispositivität?

    • h.M.: Die Übertragung der Satzungshoheit auf andere Organe (Vorstand) ist möglich, auch auf eine Minderheit oder einzelne Mitglieder.

      • Erst das Verbot der Selbstentmündigung zieht dem eine Grenze: “Die Grenzen der Gestaltungsfreiheit sind aber überschritten, wenn die Geschicke des Vereins in jeder Hinsicht praktisch ausschließlich von bestimmten Mitgliedern gestaltet werden, auf deren Bestellung und Kontrolle die übrigen Mitglieder keinen Einfluß haben und wenn auch sonst irgendeine nennenswerte Mitwirkung bei der Willensbildung des Vereins über die Mitgliederversammlung (ggf. bei Großvereinen auch eine Delegiertenversammlung) von vornherein ausgeschlossen ist.”OLG Celle, v. 18.10.1994 - 20 W 20/94, NJW-RR 1995, 1273, juris Rn. 6.

      • Da die Bestimmung des Cheftrainers und damit des Vorstands in die Kompetenz der Mitgliederversammlung fällt (§ 27 Abs. 1 BGB), sind die Grenzen des Verbots der Selbstentmündigung nach der hM nicht überschritten.

    • a.A.: Die Satzungshoheit der Mitgliederversammlung ist zwingend; nur das Quorum des § 33 BGB ist dispositiv (möglich also eine einfache statt der gesetzlichen Dreiviertelmehrheit).K. Schmidt, GesR, 4. Aufl. 2002, § 5 I b) (S. 84 ff.).

    • auch das Einstimmigkeitserfordernis zur Zweckänderung gemäß § 33 Abs. 1 S. 2 BGB kann statutarisch abbedungen und durch ein Mehrheitsquorum ersetzt werden. Dies muss allerdings ausdrücklich und eindeutig in der Satzung bestimmt sein. Selbiges muss dann auch für eine Übertragung der Kompetenz zur Zweckänderung auf ein anderes Organ gelten.

      • an einer ausdrücklichen und eindeutigen Übertragung fehlt es hier. Insoweit bleibt es folglich beim gesetzlichen Normalstatut, § 33 Abs. 1 BGB.

    • eine absolute Grenze ergibt sich jedenfalls aus §§ 41 S. 1, 40 S. 1 BGB: Der Beschluss über die Vereinsauflösung ist unentziehbare Kompetenz der Mitgliederversammlung. Gleichwohl sind Zustimmungsvorbehalte zugunsten eines anderen Vereinsorgans oder eines einzelnen Vereinsmitglieds, wie in der Satzung für den Cheftrainer vorgesehen, jedoch nach hM zulässig, da sie die grundsätzliche Kompetenz der Mitgliederversammlung unberührt lassen.Segna, BeckOGK-BGB, 01.08.2023, § 41 Rn. 8. Anders die hM bei Zustimmungsvorbehalten zugunsten vereinsfremder Dritter, siehe ebendort.

  • Nach hM sind die Satzungsregelungen folglich zulässig, der Verein ist einzutragen.

Ablauf einer Mitgliederversammlung

Die Mitgliederversammlung äußert ihren Willen und trifft ihre Regelungen durch Beschluss, § 32 Abs. 1 S. 1 BGB. Damit ein Beschluss in formeller Hinsicht rechtmäßig ist, bedarf es der Einhaltung der verfahrensmäßigen Vorgaben aus der Satzung und ergänzend des Gesetzes.

Einberufung

Die Mitgliederversammlung muss vom zuständigen Organ einberufen werden. Die Einberufung ist die Bekanntmachung von Zeit und Ort der Versammlung und des Versammlungszwecks und sichert die Möglichkeit der Vereinsmitglieder, an der Versammlung teilzunehmen und sich auf sie vorzubereiten.Stöber/Otto, Handbuch zum Vereinsrecht, 12. Aufl. 2021, Rz. 793. Dies hebt auch das Gesetz hervor, indem es die Gültigkeit eines Beschlusses unmittelbar daran knüpft, dass sein Gegenstand bei der (Ein-)Berufung bezeichnet wird, § 32 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Einberufung hat in der durch die Satzung bestimmten Form zu erfolgen (Brief, E-Mail) innerhalb der in der Satzung bestimmten, ausreichenden Frist und durch das in der Satzung bestimmte Organ (typischerweise den Vereinsvorstand) zu erfolgen. Die Einberufung muss die Tagesordnung enthal­ten, und zwar mit so genauen Angaben, dass die Mitglieder über ihre Teilnahme entscheiden und sich sachgemäß vorbereiten können.

Ein Muster für eine Einberufung befindet sich im Anhang dieses Skripts.

Zunehmende Bedeutung erlangen auch die neuartigen Versammlungsformen der hybriden oder vollständig virtuellen Versammlung. Nicht zuletzt die Corona-Pandemie beförderte diese Entwicklung noch zusätzlich: um das Vereinsleben aufrechtzuerhalten und (notwendige) Mitgliederversammlungen abhalten zu können, wurde mit § 5 Abs. 2 COVMG die zeitlich befristete Möglichkeit geschaffen, Mitgliederversammlungen auch ohne satzungsmäßige Ermächtigung in hybrider oder auch vollständig virtueller Form abzuhalten (via Bild- und Tonübertragung/Videokonferenztechnik, Telefonkonferenz, Internetchat etc.). Der Gesetzgeber griff nach Auslaufen dieser Regelung das Anliegen einer Verstetigung dieser Rechtslage zumindest teilweise auf, indem er mit § 32 Abs. 2 S. 1 BGB die Möglichkeit schuf, die Mitgliederversammlung auch ohne Ermächtigung in der Satzung als hybride Versammlung abzuhalten.Zur Frage der Wahrung der Mitgliederrechte bei den neuen Versammlungsformen siehe Weitemeyer/Hepperle, npoR 2022, 290. § 32 Abs. 2 S. 2 BGB sieht darüber hinaus vor, dass die Mitglieder beschließen können, dass künftige Versammlungen auch als virtuelle Versammlung stattfinden können. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist angezeigt, die Einzelheiten der Einberufung und Durchführung in der Satzung zu regeln.Grundlegend OLG Hamm NJW 2012, 940; zur erforderlichen Bestimmtheit einer solchen Ermächtigung auch OLG Hamm, NZG 2023, 424. Sichergestellt werden muss bei den digitalen Versammlungsformen, dass die Mitglieder die über die Art und Weise der individuellen Teilnahme und ihre individuellen Zugangsdaten rechtzeitig erhalten, vgl. § 32 Abs. 2 S. 3 BGB.

Durchführung der Mitgliederversammlung

Die Versammlung wird geleitet vom in der Satzung bestimmten oder vom Vorstand festgelegten Versammlungsleiter. Diesem obliegen insbesondere die Feststellung der Vereinsmitgliedschaft der Teilnehmer (häufig durch Führung einer Teilnahmeliste), die Eröffnung der Versammlung, die Aufrufung der Tagesordnungspunkte (TOPs), die Moderation der Diskussionen (Führung und Schließung der Rednerliste, Beschränkung der Redezeit), die Feststellung der Annahme oder Ablehnung eines Antrags und der Wahlergebnisse, die Verkündung der Beschlüsse, ggf. auch die Protokollierung der Versammlung und Beurkundung der Beschlüsse - dies ist häufig auch Aufgabe des Schriftführers).

Zu Beginn der Versammlung eröffnet der Versammlungsleiter die Versammlung und stellt die ordnungsgemäße Einberufung und die Beschlussfähigkeit der Versammlung (nach der Satzung) fest.

Sodann stellt die Versammlung üblicherweise die vom Einberufungsorgan vorgeschlagene Tagesordnung fest. Sodann kann, wenn die Satzung dies abweichend von § 32 Abs. 1 S. 2 BGB zulässt, über die Zulassung von Dringlichkeits- und Initiativanträgen (bei diesen wird auf die Darlegung einer Dringlichkeit verzichtet) abgestimmt werden. Der Zulässigkeit von solchen Anträgen sind jedoch Schranken gesetzt, insbesondere wenn diese Grundlagengeschäfte (wie Satzungsänderungen) betreffen.Vgl. BGHZ 99, 119. Über diese müssen die Mitglieder schon durch die Tagesordnung vorab informiert werden.

Der Versammlungsleiter ruft anschließend die Tagesordnungspunkte in der durch die Tagesordnung festgelegten Reihenfolge auf und stellt diese zur Aussprache. Der Versammlungsleiter ist an die Vorgaben der Satzung zur Durchführung der Versammlung und an die Entscheidungen der Versammlung gebunden. In Streitfällen hat er die Entscheidung der Versammlung herbeizuführen (bspw. über die Zulassung eines Redners oder über die Behandlung eines neuen Antrags).Stöber/Otto, Handbuch zum Vereinsrecht, 12. Aufl. 2021, Rz. 919. Gebunden ist er dabei insbesondere an den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Vereinsmitglieder, die alle ein Rede- und Stimmrecht in der Versammlung haben.Zu den Rechten aus der Mitgliedschaft, auch in der Mitgliederversammlung hier.

Nach der Aussprache stellt der Versammlungsleiter den Antrag zur Abstimmung (oder ruft zur Wahl auf), stellt das Ergebnis der Abstimmung (oder Wahl) fest und verkündet den getroffenen Beschluss (oder das Wahlergebnis). Grundsätzlich zählen nur die abgegebenen Stimmen. Regelmäßig genügt eine einfache Mehrheit (Mehrheit der Ja- über die Nein-Stimmen ohne Enthaltungen), es sei denn, Gesetz oder Satzung sehen besondere Quoren vor.

Die Versammlung endet mit der Schließung durch den Versammlungsleiter.

Insbesondere: Satzungsänderungen

Die Möglichkeit der Satzungsänderung ist Ausfluss der Vereinsautonomie und fällt regelmäßig in die Zuständigkeit der Mitgliederversammlung. Das Gesetz sieht in § 33 Abs. 1 BGB besondere Quoren vor, die dem Minderheitenschutz dienen und die Mitglieder vor einer Änderung der wesentlichen “Geschäftsgrundlagen” ihres Vereins schützen.Leuschner, MüKo-BGB, 9. Aufl. 2021, § 33 Rn. 1. Für eine einfache Änderung der Satzung sieht das Gesetz ein Quorum von 75 Prozent vor, für eine Änderung des Vereinszwecks ist die Zustimmung aller Vereinsmitglieder, sogar der nicht anwesenden, erforderlich, § 33 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB.

Wann bereits der Zweck des Vereins geändert wird, ist oftmals schwierig festzustellen. Eine Änderung des Zwecks des Vereins im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB erfordert eine Änderung des den Charakter des Vereins festlegenden obersten Leitsatzes für die Vereinstätigkeit, der für das Wesen des Vereins maßgebend ist und der das "Lebensgesetz" des Vereins - seine große Linie - bildet, um derentwillen sich die Mitglieder zusammengeschlossen haben und mit dessen Abänderung schlechterdings kein Mitglied bei seinem Beitritt zum Verein rechnen kann. BGH, Beschluss vom 11. November 1985, II ZB 5/85, BGHZ 96, 245; BayObLG München, 25. Januar 2001, 3Z BR 319/00, NJW-RR 2001, 1260. Die Änderung der Satzung eines Schützenvereins von der Ausübung des Schieß- und Bogensports hin zur Ausübung nur noch des Bogensports sah die Rechtsprechung nicht als Zweckänderung an, da es immer noch um Schießsport gehe.OLG Nürnberg Rpfl. 2016, 159.

Die Satzungsänderung bedarf zu ihrer Wirksamkeit zwingend der Eintragung in das Vereinsregister, § 71 Abs. 1 S. 1 BGB. Der Anmeldung zur Eintragung sind eine Abschrift des die Änderung enthaltenden Beschluss und der Wortlaut der (geänderten) Satzung beizufügen, § 71 Abs. 1 S. 3, 4 BGB.

Beschlussmängel

Wird bei der Fassung eines Beschlusses gegen satzungsmäßige oder gesetzliche Bestimmungen verstoßen (Beschlussmangel), stellt sich die Frage nach den Rechtsfolgen des Beschlussmangels, sog. Beschlussmängelrecht. Grundsätzlich denkbar sind:

  • die Nichtigkeit des Beschlusses

  • die bloße Anfechtbarkeit des Beschlusses

  • die Aufrechterhaltung des Beschlusses (also die Außerachtlassung des Beschlussmangels).

Das Vereinsrecht kennt, anders als das Aktienrecht (§§ 241 ff. AktG) und das Genossenschaftsrecht (§ 51 GenG) keine Normierung des Beschlussmängelrechts. Dies führt zu erheblichem StreitVgl. etwa Fluck npoR 2019, 146. über die richtige Ausgestaltung des Beschlussmängelrechts, dessen Zielkonflikt darin besteht, einerseits trotz möglicher Beschlussmängel Rechtssicherheit für den Verein herzustellen (dies streitet für die Aufrechterhaltung bzw. bloße Anfechtbarkeit der fehlerhaften Beschlüsse), andererseits die Mitglieder vor fehlerhaften Beschlüssen angemessen zu schützen (dies streitet für die Nichtigkeit der fehlerhaften Beschlüsse).Notz, BeckOGK-BGB, 15.09.2018, § 32 Rn. 205.

Die RechtsprechungBGH, v. 18.12.1967 - II ZR 211/65, NJW 1968, 543; BGH, 02.07.2007 - II ZR 111/05BGH NJW 2008, 69. und die noch herrschende MeinungSchöpflin, BeckOK-BGB, 01.08.2023, § 32 Rn. 30. halten rechtsfehlerhafte Beschlüsse entweder für gültig oder ungültig (nichtig). Die gerichtliche Geltendmachung des Beschlussmangels erfolgt im Wege der (negativen) Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO. Während materielle Beschlussmängel, also inhaltliche Verstöße gegen zwingende gesetzliche oder satzungsmäßige Vorgaben (z.B. Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz oder §§ 134, 138 BGB) stets zur Nichtigkeit führen, gilt dies bei formellen Beschlussmängel, also Verstößen gegen satzungsmäßige oder gesetzliche Verfahrens- und Formvorschriften, nur bei Relevanz des Mangels für die Ausübung der Mitwirkungsrechte durch ein objektiv urteilendes Verbandsmitglied.BGH, v. 02.07.2007 - II ZR 111/05, NJW 2008, 69, 73. Die frühere Rechtsprechung stellte noch Kausalitätserwägungen im Sinne eines Beruhens des Beschlusses auf dem Mangel an, vgl. BGH, v. 09.11.1972 - II ZR 63/71, NJW 1973, 235, 236. Die Praxis differenziert weiter zwischen Verfahrensregeln im Gesamtinteresse, die regelmäßig zur Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse führen, und lediglich mitgliederschützenden Verfahrensregeln, bei denen die Nichtigkeitsfolge eingeschränkt wird, indem bei diesen zusätzlich eine alsbaldige Rüge des Mangels gefordert wird.Schöpflin, BeckOK-BGB, 01.08.2023, § 32 Rn. 37 ff; BGH, v. 09.11.1972 - II ZR 63/71, NJW 1973, 235, 236. Zu ersteren zählen etwa die Einberufung durch eine unzuständige Person, die Nichteinladung von Mitgliedern, gesetzes- oder satzungswidrige Form der Einladung, Versammlungsleitung durch eine unzuständige Person,Leuschner, MüKo-BGB, 9. Aufl. 2021, § 32 Rn. 57 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. zu letzteren beispielsweise Bestimmungen über Ort und Zeit der Mitgliederversammlung und einzuhaltende Fristen.Schöpflin, BeckOK-BGB, 01.08.2023, § 32 Rn. 39.

Demgegenüber wendet eine im Vordringen befindliche Literaturansicht die §§ 241 ff. AktG analog an.Etwa Leuschner, MüKo-BGB, 9. Aufl. 2021, § 32 Rn. 65. Nach dieser Auffassung sind - außer im Falle des § 241 AktG analog - fehlerhafte Beschlüsse lediglich anfechtbar und nicht nichtig. Mitglieder müssen die Rechtswidrigkeit eines Beschlusses demnach innerhalb einer angemessen Frist gegen den Verein gerichtlich im Wege der Anfechtungsklage geltend machen.

Die Rechtsprechung begründet ihre Auffassung damit, dass die Anwendung der §§ 241 ff. AktG wegen der Vielgestaltigkeit der Vereine und ihrer rechtstatsächlichen Verhältnisse ausscheiden müsse.BGH, v. 09.11.1972 - II ZR 63/71, NJW 1973, 235, 235; BGH, v. 02.07.2007 - II ZR 111/05, NJW 2008, 69, 72. Dem hält die Literaturansicht entgegen, dass dies konsequenterweise auch bei der ebenfalls sehr heterogen ausgestaltbaren GmbH die gelten müsse, wo diese in gefestigter Rechtsprechung und nach einhelliger Auffassung in der Literatur analog herangezogen werden.Etwa Notz, BeckOGK-BGB, 15.09.2018, § 32 Rn. 205. Ferner wird darauf hingewiesen, dass die Rechtsprechung sich der Sache nach durch die Einführung des Relevanz-Kriteriums immer weiter an das aktienrechtliche Beschlussmängelrecht annähere.Leuschner, MüKo-BGB, 9. Aufl. 2021, § 32 Rn. 62; Notz, BeckOGK-BGB, 15.09.2018, § 32 Rn. 205. Zudem sei die für die Notwendigkeit einer alsbaldigen Rüge maßgebliche Unterscheidung von Verfahrensvorschriften im Interesse einer ordnungsgemäßen Gesamtwillensbildung und solchen im Interesse der Mitwirkung lediglich einzelner Mitglieder unmöglich zu treffen und erfolge entsprechend unter den Vertretern der herrschenden Meinung auch höchst unterschiedlich.Leuschner, MüKo-BGB, 9. Aufl. 2021, § 32 Rn. 57.

Auch wenn die Diskussion weiter intensiv geführt werden wird, ist nicht zu erwarten, dass die Rechtsprechung ohne gesetzgeberisches Handeln von ihrer Position abrücken wird. Insofern könnte, auch im Sinne einer Komplexitätsreduktion, sich der Gesetzgeber den schweizerischen, österreichischen und italienischen Rechtsstand zum Vorbild nehmen, deren vereinsrechtliche Beschlussmängelrechte auch die Kategorie der Anfechtbarkeit kennen.Notz, BeckOGK-BGB, 15.09.2018, § 32 Rn. 205.

Fall: Zur Mitgliederversammlung des X-Vereins werden 10 Mitglieder versehentlich nicht eingeladen. Als Tagesordnungspunkt war unter anderem angegeben: „Beitragserhöhung“. Von den 45 erschienenen Mitgliedern beschließen 40 eine Beitragserhöhung. M, der nicht eingeladen worden ist, will den höheren Betrag nicht zahlen. Was kann M tun?

M kann sich zur Geltendmachung des behaupteten Beschlussmangels an die Gerichte wenden. Seine Klage hat Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist.

Sie ist zulässig, wenn die Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen.

Statthafte Klageart ist nach hM die negative Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO. M ist als Vereinsmitglied auch klagebefugt.Vgl. BGH, v. 26.05.1975 - II ZR 34/74, MDR 1976, 28, juris Rn. 15. Sein Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass der Verein den Beschluss für wirksam hält und umsetzen möchte, seiner Rechtsposition folglich gegenwärtige Gefahr droht. Klagegegner ist der Verein. Eine Frist zur Erhebung der Feststellungsklage existiert nicht.

Folglich ist die Klage zulässig.

Sie ist begründet, wenn der Beschluss nichtig ist.

Die Nichtigkeit des Beschlusses könnte sich hier einzig aus der versehentlich unterbliebenen Einladung von 10 Vereinsmitgliedern.

Da es sich um den Verstoß gegen eine Verfahrensbestimmung handelt, ist zunächst die Relevanz der fehlenden Einladung zu untersuchen. Zwar hätten sich arithmetisch bei Erscheinen der nicht eingeladenen Mitglieder nicht ohne Weiteres andere Mehrheitsverhältnisse ergeben (im äußersten Fall 40 von 55 statt 40 von 45 Ja-Stimmen). Allerdings ist für die Relevanz lediglich erforderlich, dass der Verfahrensfehler das Teilnahme- und Mitwirkungsrecht eines Vereinsmitglieds bzw. mehrerer Vereinsmitglieder in einer Weise verletzt, die bei wertender Betrachtung dazu führt, dass dem Beschluss ein Legitimationsmangel anhaftet.OLG Brandenburg, v. 3. Juli 2012 – 11 U 174/07 –, juris Rn. 70 f. Es muss ausgeschlossen sein, dass sich der Verfahrensfehler auf das Beschlussergebnis ausgewirkt hat.OLG Brandenburg, v. 3. Juli 2012 – 11 U 174/07 –, juris Rn. 71. Durch die Nichteinladung war den 10 nicht eingeladenen Mitgliedern die Teilnahme an der Mitgliederversammlung nicht möglich. Folglich konnten sie nicht nur an der Abstimmung selbst nicht teilnehmen, sondern auch in einer vorherigen Aussprache oder anderweitig keinen Einfluss auf das Abstimmungsverhalten der übrigen Vereinsmitglieder nehmen. Es ist keinesfalls ausgeschlossen, dass sich dadurch das Beschlussergebnis geändert hätte. Mithin ist der Mangel relevant. Dies gilt grundsätzlich für den Fall der Nichteinladung von Mitgliedern, inbesondere mehrerer Mitglieder. Lediglich bei der Nichteinladung einzelner Mitglieder kommt eine fehlende Relevanz in Betracht, insbesondere, wenn der der Grund für die Nichteinladung in der Sphäre des Mitglieds lag. Siehe Schwennicke, Staudinger (2019), § 32 Rn. 138, 143 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung.

Für die Frage der Erforderlichkeit einer alsbaldigen Rüge kommt es darauf an, ob das Einladungserfordernis im Interesse der Gesamtwillensbildung oder lediglich der Mitwirkung einzelner Vereinsmitglieder besteht. Zwar lässt sich dieses auch als einzelmitgliederschützend einordnen.So Flume, BGB AT Band I, Teil 2, § 7 VII 4, S. 255. Die herrschende Meinung erkennt darin aber eine Vorschrift im Gesamtinteresse,Schöpflin, BeckOK-BGB, 01.08.2023, § 32 Rn. 37. sodass es keiner alsbaldigen Rüge bedarf (bzw. bedurfte).

Der Beschluss ist folglich nichtig.

Die Klage ist demnach auch begründet. Sie hat Erfolg.

Fallabwandlung 1: Wie wäre es, wenn der Tagesordnungspunkt nicht mit „Beitragserhöhung“, sondern mit „Satzungsänderung“ angekündigt worden wäre? Spielt es eine Rolle, ob außer den 10 nicht geladenen Mitgliedern alle Mitglieder erschienen sind oder ob 40 sich die Teilnahme „geschenkt“ haben?

Gemäß § 32 Abs. 1 S. 2 BGB müssen die Beschlussgegenstände bei der Einladung bezeichnet werden. Dafür reicht es nicht aus, wenn die Einladung lediglich einen Tagesordnungspunkt “Satzungsänderung” enthält.Staudinger, Schwennicke (2019), § 32 Rn. 55 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. Erforderlich ist zumindest die Angabe der zu ändernden Satzungsbestimmung und des Inhalts der Satzungsänderung, besser noch der Wortlaut der neuen Satzungsregelung.

Der Beschluss wäre folglich auch aus diesem Grund nichtig.

Keine Rolle spielt, wie groß die Mitgliederzahl des Vereins insgesamt ist, da dies an der Relevanz der Nichteinladung nichts ändert.

Ebenfalls keine Rolle spielt dies bei einem Verstoß gegen § 32 Abs. 1 S. 2 BGB. Hier kommt es auf die Relevanz des Mangels schon gar nicht an, da die Nichtigkeitsfolge gesetzlich angeordnet ist. Da die Norm auch vor Überraschungen der Versammlungsteilnehmer schützen soll,Leuschner, MüKo-BGB, 9. Aufl. 2021, § 32 Rn. 17. ist selbst bei Teilnahme (und ggf. auch Zustimmung?) aller Vereinsmitglieder Nichtigkeit des Beschlusses anzunehmen.

Fallabwandlung 2: M beanstandet, der Beschluss über die Beitragserhöhung sei ein Coup wohlhabender Mitglieder gewesen mit dem Ziel, die weniger begüterten Mitglieder aus dem Verein zu drängen und so dessen Exklusivität zu erhöhen. Trägt dieser Einwand?

Bei Vereinen mit AufnahmefreiheitDiese stellt die absolute Regel dar, zu Ausnahmen noch unten hier. erfolgt grundsätzlich keine allgemeine Inhaltskontrolle von Satzungsbestimmungen gemäß § 242 BGB.Das Meinungsbild in Rechtsprechung und Schrifttum ist uneinheitlich. Zumindest höchstrichterlich gibt es keine entsprechende Rechtsprechung, wohl aber instanzgerichtliche. Im Schrifttum werden die Fragen nach Existenz und Reichweite einer allgemeinen Inhaltskontrolle ebenfalls unterschiedlich beantwortet. Vgl. Segna, BeckOGK-BGB, 01.12.2022, § 25 Rn. 53 ff. Der Beschluss über die Erhöhung des Beitrags begegnet daher keinen Bedenken.

Gemeinnützigkeitsrechtlich könnte jedoch die Förderung der Allgemeinheit infrage gestellt sein, § 52 Abs. 1 S. 2 AO.

Delegiertenversammlung

Insbesondere für Großvereine stellt sich das praktische Problem, dass eine Mitgliederversammlung unter Teilnahme alle Mitglieder schon praktische unmöglich ist. Auch mittelgroße und kleine Vereine kämpfen teilweise mit geringen Teilnahmequoten auf ihren Mitgliederversammlungen, welche die Legitimation gefasster Beschlüsse zweifelhaft erscheinen lassen. Um diesen Umständen zu begegnen, bedient sich die Vereinsrechtspraxis der in Rechtsprechung und Literatur anerkannten Möglichkeit der Delegiertenversammlung. Sie ist in der Vereinsatzung anzuordnen (mit insbesondere Festlegung des Delegiertenschlüssels und der Art und Weise der Bestimmung der Delegierten) und tritt in diesem Falle an die Stelle der Mitgliederversammlung. Für Delegiertenversammlungen gelten grundsätzlich die für Mitgliederversammlung geltenden Vorschriften und Rechtsgrundsätze.

Vorstand

Der Vorstand ist Vertretungsorgan des Vereins, § 26 Abs. 1 S. 2 BGB, und regelmäßig auch Geschäftsführungsorgan, § 27 Abs. 3 S. 1 BGB. Er vertritt die Gesellschaft im Rechtsverkehr nach außen und leitet den Verein nach innen. Die Vorstandsmitglieder sind unentgeltlich tätig, sofern die Satzung nichts anderes vorsieht, § 27 Abs. 3 S. 2 BGB.

Der Vorstand wird in der Regel und nach dem gesetzlichen Normalstatut von der Mitgliederversammlung bestellt und abberufen, § 27 Abs. 1 BGB. Die Vorstandsmitglieder können, müssen aber nicht Mitglieder des Vereins sein (Fremdorganschaft).

Das gesetzliche Normalstatut sieht für die Vertretung des Vereins durch einen regelmäßig und sinnvollerweise mehrköpfigen Vorstand in § 26 Abs. 2 BGB die gemeinschaftliche Vertretung durch eine Mehrheit der Vorstandsmitglieder vor. Die Satzung kann freilich abweichendes regeln, insbesondere Einzel- oder Gesamtvertretungsmacht der Vorstandsmitglieder anordnen. Für die passive Vertretung genügt zwingend (§ 40 S. 1 BGB) gemäß § 26 Abs. 2 S. 2 BGB die Abgabe gegenüber einem Vorstandsmitglied.

Das Gesetz ermöglicht in § 26 Abs. 1 S. 2 BGB die satzungsmäßige Beschränkung mit Wirkung gegen Dritte, also abweichend vom Recht anderer Körperschaften (bspw. § 37 Abs. 2 S. 1 GmbHG für die GmbH, § 82 Abs. 1 AktG für die AG) auch im Außenverhältnis. Die Satzungsbestimmung, welche die Vertretungsmacht des Vorstands beschränkt, muss inhaltlich eindeutig und hinreichend bestimmt sein.BGH, v. 15.04.2021 - III ZR 139/20, NJW 2021, 2036; BGH, v. 28.04.1980 - II ZR 193/79, NJW 1980, 2799.

Fall: Ein gemeinnütziger Verein (im Originalfall eine Stiftung, zur identischen Rechtslage dort unten im Hinweis) entwickelt Versorgungskonzepte für das Krankheitsbild “Schlaganfall”. Die Satzung enthält unter anderem genauere Bestimmungen über die Vereinszwecke (Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens, der Wissenschaft, etc.) und der Art der Zweckverwirklichung (Aufklärung der Bevölkerung, Förderung der Akutversorgung, etc.). Die Satzung regelt auch Folgendes: “Der Vorstand ist in seiner Vertretungsmacht durch den Zweck des Vereins beschränkt. Die Vertretungsmacht kann darüber hinaus im Innenverhältnis durch die Geschäftsordnung beschränkt werden.”. Der Vereinsvorstand beschließt, von dem Verein entwickelte Produkte von einem externen Unternehmen vermarkten zu lassen. Dazu schließt er mit mit der ABC-GmbH einen Vermarktungsvertrag, in dem unter anderem die Übertragung von Nutzungsrechten an den Produkten des Vereins an die GmbH geregelt ist. Vor der Vertragsabwicklung kommen (im Ergebnis begründete) Zweifel über die gemeinnützigkeitsrechtliche Vereinbarkeit des Vertrags auf. Der Verein möchte von dem Vertrag Abstand nehmen und führt an, er sei bei dessen Abschluss nicht wirksam vertreten worden. Die ABC-GmbH beharrt auf der Durchführung des Vertrags. Wie ist die Rechtslage?

Die ABC-GmbH könnte gegen den Verein einen Anspruch auf Durchführung des Vertrags, insbesondere Übertragung der Nutzungsrechte aus dem Vermarktungsvertrag haben.

Fraglich ist jedoch, ob der Vereinsvorstand den Verein bei Abschluss wirksam vertreten hat, § 164 Abs. 1, 3 BGB. Zweifel bestehen hier nur an der Vertretungsmacht des Vereinsvorstands. Der Vereinsvorstand verfügt grundsätzlich über unbeschränkte Vertretungsmacht, § 26 Abs. 1 S. 2 BGB. Gemäß § 26 Abs. 1 S. 3 BGB kann die Satzung die Vertretungsmacht jedoch beschränken.

Für eine solche Beschränkung bestehen hier zweierlei Anhaltspunkte: zum einen könnte die Vertretungsmacht schon allgemein auf den gemeinnützigen Zweck des Vereins beschränkt sein. Zum anderen könnte sich diese Beschränkung aus der ausdrücklichen Satzungsklausel (“Der Vorstand ist in seiner Vertretungsmacht durch den Zweck des Vereins beschränkt.”) ergeben.

Insbesondere auch die ältere BGH-Rechtsprechung vertrat, dass sich die Vertretungsmacht eines Vereinsvorstands generell auf zweckgemäße Rechtsgeschäfte beschränke.BGH, v. 30.03.1953 - IV ZR 176/52, GRUR 1953, 446. Dem trat der BGH jedoch in einer jüngeren Entscheidung ausdrücklich entgegen: die Vertretungsmacht werde durch den Vereinszweck nicht allgemein beschränkt.BGH, v. 15.04.2021 - III ZR 139/20, BGHZ 229, 299, juris Rn. 32, mit Auseinandersetzung und Begründung in den Rn. 33 ff. Dafür spricht nicht nur der Wortlaut von § 26 Abs. 1 S. 3 BGB, sondern auch der systematische Vergleich mit den Handelsgesellschaften (etwa § 37 Abs. 2 S. 1 GmbHG). Die Norm bezweckt ferner, entsprechend der unbeschränkten Rechtsfähigkeit des Vereins, die unbeschränkte Handlungsfähigkeit des Vereins zur Teilnahme im Rechtsverkehr sicherzustellen. Folglich ist auch für diese Teilnahme notwendige organschaftliche Vertretungsmacht durch den Vorstand im Allgemeinen unbeschränkt (d.h. nicht generell durch den jedem Verein eigenen Vereinszweck).

Eine Beschränkung könnte sich jedoch aus der Satzungsklausel ergeben (“Der Vorstand ist in seiner Vertretungsmacht durch den Zweck des Vereins beschränkt.”). Dafür muss die Satzungsbestimmung die Beschränkung der Vertretungsmacht im Außenverhältnis klar und eindeutig anordnen. Im Interesse des Rechtsverkehrs muss auch der genaue Umfang der Vertretungsmacht bzw. deren Beschränkung klar und eindeutig zu erkennen sein.BGH, v. 15.04.2021 - III ZR 139/20, BGHZ 229, 299, juris Rn. 38.

Während an ersterem keine Zweifel bestehen, ist dies bei dem Umfang der Beschränkung weniger eindeutig. Während der Zweck als solcher noch verhältnismäßig einfach der Satzung entnommen werden kann, ist die Frage der Zweckkonformität eines Rechtsgeschäfts unter Umständen schwierig zu beantworten. Erst recht bereitet dies Probleme, wenn bei einem gemeinnützigen Verein wegen dessen gemeinnützigen Zwecks zusätzlich zu beurteilen ist, ob das Rechtsgeschäft den Anforderungen des Gemeinnützigkeitsrechts genügt.

Dies räumt auch der BGH ein.BGH, v. 15.04.2021 - III ZR 139/20, BGHZ 229, 299, juris Rn. 38. Veranschaulicht wird dies dadurch, dass zur Beurteilung der Gemeinnützigkeitsrechtskonformität des Vertrages das erstinstanzlich mit der Sache befasste Gericht veranlasst sah, ein externes Rechtsgutachten einzuholen, siehe OLG München, v. 22.05.2020 – 15 U 3037/19, juris Rn. 42. Gleichwohl hält er eine solche Beschränkung auf den gemeinnützigen Zweck für hinreichend klar und eindeutig.BGH, v. 15.04.2021 - III ZR 139/20, BGHZ 229, 299, juris Rn. 39, 41. Dies diene dem Schutz des Vereins, dem bei vertraglicher Bindung und Durchführung eines nicht mit dem Gemeinnützigkeitsrecht vereinbaren Vertrags der Verlust der Gemeinnützigkeit drohe.BGH, v. 15.04.2021 - III ZR 139/20, BGHZ 229, 299, juris Rn. 42. Der Rechtsverkehr müsse allgemein damit rechnen, dass die Vertretungsmacht des Vorstands eines gemeinnützigen Vereins gemeinnützigkeitsschädliche Rechtsgeschäfte nicht umfasse.BGH, v. 15.04.2021 - III ZR 139/20, BGHZ 229, 299, juris Rn. 43. Eine genauere Regelung der Beschränkung mit vergleichbarem Schutz sei dem Verein zudem aufgrund der Vielfalt der denkbaren Rechtsgeschäfte nicht möglich.BGH, v. 15.04.2021 - III ZR 139/20, BGHZ 229, 299, juris Rn. 43. Die Einordnung als hinreichend klar und eindeutig wurde unter Hinweis auf die bewirkte Unsicherheit über die Bindungswirkung von Rechtsgeschäften teils heftig kritisiert.Burgard, NZG 2022, 18, 20 ff.; Uffmann, NJW 2001, 3085, 3088; Wachter, GmbHR 2021, 819, 822.

Die Vertretungsmacht des Vereinsvorstand ist mithin auf zweck- und damit auch gemeinnützigkeitsrechtskonforme Rechtsgeschäfte beschränkt.

Da sich die Zweifel an der Gemeinnützigkeitsrechtskonformität hier als begründet erwiesen, konnte der Vorstand den Verein folglich nicht wirksam vertreten. (Exkurs: Mit dem Vertrag bzw. dessen Durchführung hätte der Verein sowohl gegen das Ausschließlichkeitsgebot (§ 56 AO), als auch gegen das Unmittelbarkeitsgebot (§ 57 AO) verstoßen.Siehe die Ausführungen der Vorinstanz OLG München, v. 22.05.2020 – 15 U 3037/19 –, juris Rn. 74 f. Mit dem Vertrag förderte der Verein die auf Gewinn gerichtete Tätigkeit der ABC-GmbH und gebe ihre hauptsächlichen Mittel zur Zweckverwirklichung (die entwickelten Produkte) faktisch aus der Hand.)

Die ABC-GmbH hat folglich keinen Anspruch gegen den Verein.

Es könnte sich aber gegebenenfalls gemäß § 179 Abs. 2 BGB an den Vereinsvorstand halten. Ein Anspruch gegen den Vertreter ohne Vertretungsmacht scheidet gemäß § 179 Abs. 3 S. 1 BGB jedoch aus, wenn die ABC-GmbH den Mangel der Vertretungsmacht kannte oder kennen musste (vgl. § 122 Abs. 2 BGB). Teilweise wird ein Kennenmüssen unter Hinweis auf die Obliegenheit zur Einsichtnahme in das Register generell angenommen (§§ 68 S. 2, 70 BGB),Scholz, npoR 2021, 289, 291. teilweise ohne nähere Begründung abgelehnt.Uffmann, NJW 2021, 3085, 3090. Ein anderer Teil der Literatur fordert zur Annahme eines Kennenmüssens konkrete Anhaltspunkte für die Gemeinnützigkeitsschädlichkeit des Rechtsgeschäfts, lässt also die generelle Kenntnis der Satzungsbestimmung nicht genügen.Segna, ZIP 2022, 824, 829.

Die differenzierende Ansicht erscheint vorzugswürdig. Ob solche Anhaltspunkte bestehen ist eine Frage der Umstände des Einzelfalls und der Risikoverteilung, wer insbesondere bei schwierigen gemeinnützigkeitsrechtlichen Prüfungen das Risiko der fehlenden Vertretungsmacht tragen soll. Grundsätzlich erscheint es jedoch nicht angebracht, dem Vertragspartner ohne Weiteres besseres Wissen als dem Vertreter als Vereinsvorstand zu unterstellen, in dessen Aufgabenkreis die Wahrung der Vereinsbelange fällt. Demgemäß wird hier von einer Haftung des Vereinsvorstands gemäß § 179 Abs. 2 BGB ausgegangen.

Die ABC-GmbH kann sich daher gemäß § 179 Abs. 2 BGB an den Vereinsvorstand halten und sein negatives Interesse ersetzt verlangen.

Hinweis: Der Fall ist dem Fall der Stiftung Deutsche Schlaganfall-HilfeBGH, v. 15.04.2021 - III ZR 139/20, BGHZ 229, 299. nachgebildet. Bei der Stiftung stellt sich dasselbe, analog zu behandelnde Problem gemäß § 84 Abs. 3 BGB.

Das Gesetz ordnet im Interesse der Handlungsfähigkeit des Vereins im Rechtsverkehr in § 64 BGB an, dass die Mitglieder des Vorstands und ihre Vertretungsmacht im Vereinsregister einzutragen sind. Diesen Eintragungen kommt gemäß §§ 68 S. 1, 70 BGB negative Publizitätswirkung zu: Dritte brauchen Änderungen des Vorstands und Abweichungen von den gesetzlichen Vertretungsregelungen (Einzel- oder Gesamtvertretung, sachliche Beschränkungen der Vertretungsmacht) nur gegen sich gelten zu lassen, wenn sie zur Zeit der Vornahme des Rechtsgeschäfts im Vereinsregister eingetragen oder ihm bekannt sind. Den Vorstand trifft gemäß § 67 Abs. 1 S. 1 BGB die Pflicht, jede Änderung des Vorstands zur Eintragung anzumelden. Eine Änderung der Vertretungsmacht des Vorstands wird ohnehin erst mit Eintragung der Satzungsänderung wirksam, § 71 Abs. 1 S. 1 BGB.

Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, so erfolgt die Beschlussfassung gemäß § 28 BGB nach den für die Beschlüsse der Mitglieder des Vereins geltenden Vorschriften der §§ 32 und 34 BGB. Die interne Willensbildung eines mehrköpfigen Vorstands findet demnach regelmäßig auf sogenannten Vorstandssitzungen statt. Besonders für den Vorstand empfiehlt es sich zur zügigen Beschlussfassung über dringende Angelegenheiten, in der Satzung die Möglichkeit virtueller Sitzungen vorzusehen.

Der Vorstand hat bei der Führung der Vereinsgeschäfte die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Vorstandsmitglieds der jeweiligen Art zu beachten.Schöpflin, BeckOK-BGB, 01.08.2023, § 27 Rn. 21. Handelt er pflichtwidrig, so macht er sich dem Verein gegenüber schadensersatzpflichtig (aus § 280 Abs. 1 BGB, in Verbindung mit dem organschaftlichen Rechtsverhältnis und ggf. dem Anstellungsverhältnis, zur Haftungsbegrenzung für den ehrenamtlichen Vorstand gemäß § 31a BGB unten hier). Den Vorstand trifft vor allem, aber nicht nur, die Pflicht zur Einhaltung der gesetzlichen und satzungsmäßigen Pflichten (Compliance).Schöpflin, BeckOK-BGB, 01.08.2023, § 27 Rn. 22. Darüber hinaus hat der Vorstand auch bei Geschäften ohne unmittelbare Pflichtenbindung die Interessen des Vereins zu wahren. Er haftet dabei bereits bei leichter Fahrlässigkeit, § 276 Abs. 1 BGB. Bei unternehmerischen Entscheidungen (etwa im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs) wird in Anlehnung an die aktienrechtliche Business Judgment Rule aus § 93 Abs. 1 S. 2 AktGDie nach dem neuen Stiftungsrecht auch auf die Geschäftsführung der Stiftungsorgane, insbesondere des Stiftungsvorstands Anwendung findet, § 84a Abs. 2 S. 2 BGB. verbreitet gefordert, die Haftung auszuschließen, wenn der Vorstand vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.Etwa Segna, BeckOGK-BGB, 01.12.2022, § 27 Rn. 113.

Fall: Die ehrenamtliche Vereinsvorsitzende V gewährt ihrem Freund F, der in finanziellen Nöten ist, aus dem Vereinsvermögen ein Darlehen über 10.000 €. Mitglied M fragt nach der Rechtslage.

Wirksamkeit des Darlehensvertrags gemäß § 488 BGB?

Hat V den Verein bei Abschluss des Darlehensvertrags wirksam gemäß § 164 Abs. 1, 3 BGB vertreten?

  • Die Vertretungsmacht des Vereinsvorstands ist grundsätzlich unbeschränkt. Anhaltspunkte für statutarische Beschränkungen sind nicht ersichtlich.

  • V verstößt mit dem Vertragsabschluss jedoch gegen ihre Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung. Die Vertretungsmacht lässt dies jedoch grundsätzlich unberührt (Unterschied zwischen Vertretungsmacht - rechtliches Können gegenüber dem Rechtsverkehr - und Geschäftsführungspflichten - rechtlichen Dürfen gegenüber dem Verein)

  • Ausnahmsweise könnte die Vertretungsmacht jedoch aufgrund eines Missbrauchs der Vertretungsmacht beschränkt sein.Dazu Leuschner, MüKo-BGB, 9. Aufl. 2021, § 26 Rn. 28. Diese greift einerseits bei einem einverständlichen Zusammenwirken zum Schaden des Vereins (Kollusion), andererseits, wenn der Dritte den Verstoß gegen die internen Befugnisse kannte oder kennen musste (grob fahrlässig nicht kannte, § 122 Abs. 2 BGB).

  • Naheliegend ist sogar kollusives Handeln von V und F. Jedenfalls hätte F den evidenten Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht der V erkennen müssen.

  • Daher besteht kein wirksamer Vertrag zwischen dem Verein und M. Die etwaig bereits ausgezahlte Darlehensvaluta kann der Verein von M gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB herausverlangen.

  • Ein Schadensersatzanspruch des Vereins gegen die ehrenamtlich tätige V aus § 280 Abs. 1 BGB scheitert nicht an § 31a Abs. 1 S. 1 BGB, da V womöglich bereits vorsätzlich, jedenfalls grob fahrlässig handelte.

Neben dem Vorstand können sogenannte besondere Vertreter den Verein in ihrem Geschäftskreis vertreten, § 30 BGB. Auch diese sind gemäß § 64 BGB analog mit der Reichweite ihrer Vertretungsmacht in das Vereinsregister einzutragen.Schöpflin, BeckOK-BGB, 01.08.2023, § 30 Rn. 11.

Fall: V, der erst seit kurzem Vorstand des Vereins ist, verkauft einen vereinseigenen PKW an K mit Gewährleistungsausschluss. K erklärt den Rücktritt, weil der PKW ein Unfallwagen ist. Sie gibt zu, dass V von dem Unfall nichts gewusst hat, meint aber, der Verein müsse sich die Kenntnis des inzwischen verstorbenen früheren Vorstands X zurechnen lassen, der den Unfall seinerzeit verursacht hatte. Besteht ein Anspruch auf Rückgewähr des Kaufpreises? Spielt es eine Rolle, dass auch einige einfache Mitglieder von dem Unfall wissen?

Ein Anspruch von K auf Rückgewähr des Kaufpreises gegen den Verein könnte sich aus §§ 346 Abs. 1, 326 Abs. 5, 323, 437 Nr. 2 BGB ergeben.

  1. Bestehen eines Kaufvertrags, § 433 BGB (+)

  2. Mangel der Kaufsache bei Gefahrübergang, § 434 BGB (+)

  3. Unwirksamkeit des Gewährleistungsausschlusses, wenn der Verein den Mangel arglistig verschwiegen hat, § 444 S. 1 BGB.

  4. Grundsätzlich kommt es für die Kenntnis bestimmter Umstände auf den Vertreter, also Vereinsvorstand V, an, § 166 Abs. 1 BGB. Dieser hatte keine Kenntnis von dem Unfall und konnte dementsprechend den Mangel auch nicht arglistig verschweigen.

  5. Gegebenenfalls ist aber auf den Verein abzustellen, und diesem aber das Wissen des früheren Vorstands X oder der Mitglieder zuzurechnen?

    1. Eine allgemeine Zurechnung jeglichen Wissens auch früherer (ggf. verstobener) Vorstandsmitglieder lehnt die herrschende Meinung inzwischen ab. Vielmehr stellt diese unter Berücksichtigung des Gleichstellungsarguments (Geschäftspartner juristischer Personen sollen nicht allgemein besser, aber auch nicht schlechter stehen als bei Kontrahierung mit einer natürlichen Person) auf ein für normativ erforderlich gehaltenes Wissen ab (“Wissensmanagment”).Leuschner, MüKo-BGB, 9. Aufl. 2021, § 31 Rn. 26. Eine Wissenszurechnung findet statt, wenn das Wissen angesichts seiner potenziellen späteren rechtlichen Relevanz im Zeitpunkt seiner Entstehung speicherungsbedürftig war und im Zeitpunkt des Rechtshandelns Anlass bestand, das Wissen abzurufen bzw. nach dem entsprechenden Wissen zu suchen

    2. Beides ist hier zu bejahen. X war nach Verursachung des Unfalls aufgrund dessen Auswirkungen auf die rechtlichen Folgen für späteren Weiterverkäufe des Fahrzeugs (und auch die Versicherung, Ansprüche gegen andere Beteiligte, etc.) veranlasst, die Unterlagen über den Unfall und den Schaden aufzubewahren. V hatte im Zeitpunkt des Weiterverkaufs Anlass, sich über den Zustand des Fahrzeugs und dessen Unfallhistorie zu informieren, schon um den Wert zutreffend einschätzen zu können und weil dem Umstand der Unfallfreiheit oder der Eigenschaft als Unfallwagen erhebliche Bedeutung im Rechtsverkehr zukommt.

    3. Das Wissen der Mitglieder ist hingegen unerheblich.

  6. Der Gewährleistungsausschluss ist folglich wegen § 444 S. 1 BGB insoweit nicht wirksam.

  7. Die weiteren Voraussetzungen des Rücktritts liegen ebenfalls vor, §§ 326 Abs. 5, 323 BGB. K kann folglich von dem Vertrag zurücktreten.

Sie hat folglich einen Anspruch gegen den Verein auf Rückgewähr des Kaufpreises.

Weitere Organe und Hilfspersonen

In der Vereinspraxis, insbesondere derjenigen größerer Vereine, sind regelmäßig weitere fakultative Organe und die Einbindung von Hilfspersonen anzutreffen, deren Einrichtung und Beseitigung dem Verein kraft seiner Autonomie im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen (§ 40 S. 1 BGB) möglich ist. Die Errichtung und Regelung der Organstellungen dieser Organe erfolgt durch die Satzung.

Dies sind insbesondere:

  1. Ein Gesamtvorstand (auch Vorstandschaft, geschäftsführender Vorstand, Vereinsleitung, Präsidium, Hauptausschuss)

    • Dies ist nicht der Vorstand im Sinne des § 26 Abs. 1 S. 1 BGB, der den Verein nach außen vertritt. Häufig sind den Mitgliedern dieses erweiterten Vorstands aber Angelegenheiten der Geschäftsführung, also interne Aufgaben, zugewiesen.

    • Denkbar ist insoweit auch das Amt eines Geschäftsführers, der Vorstandsmitglied sein kann, aber nicht muss.

  2. Ein Kuratorium, Ausschuss, Aufsichtsrat

    • So bezeichneten Organen obliegt regelmäßig eine Kontroll- und Überwachungsfunktion hinsichtlich des (erweiterten) Vorstands, ggf. auch Repräsentationsfunktion (beispielsweise Preisverleihungen, Ehrungen etc.).

  3. Rechnungsprüfer, Kassenprüfer und Revisoren

    • Diese kontrollieren und prüfen die Geldbewegungen, Aufzeichnungen und Rechnungslegung des Vorstands.

  4. Datenschutzbeauftragte

    • In vielen Fällen besteht eine gesetzliche Pflicht zur Ernennung eines Datenschutzbeauftragten, siehe Art. 37 DSGVO und § 38 BDSG.

  5. Straf- und Schiedsorgane

    • Diese sind regelmäßig zuständig für in der Satzung angeordnete Vereinsstrafen und Vereinsschiedsgerichte.

  6. Besondere Vertreter gemäß § 30 BGB

    • Diese sind ermächtigt, den Verein in ihrem Geschäftskreis zu vertreten, vgl. bereits oben. Sie verfügen über originär organschaftliche Vertretungsmacht.

    • Denkbar ist auch die Vergabe von (beschränkten) Vertretungsvollmachten durch Vorstände und besondere Vertreter nach den §§ 164 ff. BGB.

Haftungsverfassung des Vereins

Für die Schulden des Vereins als juristische Person haftet grundsätzlich das Vereinsvermögen (Trennungsprinzip). Lediglich in speziell gelagerten Fällen kommt eine Durchgriffshaftung der Vereinsmitglieder in Betracht, namentlich wenn die Ausnutzung der Personenverschiedenheit von Verein und Mitgliedern rechtsmissbräuchlich ist (teilweise gestützt auf § 826 BGB).BGH, v. 10.12.2007 - II ZR 239/05, BGHZ 175, 12.

Fall Kolpingwerk eV:BGH, v. 10.12.2007 - II ZR 239/05, BGHZ 175, 12. M ist Mitglied eines eingetragenen Vereins (V), der verschiedene Maßnahmen zur beruflichen und berufsbezogenen Bildung unterstützt. Der Verein hat eine Holdingfunktion für mehrere „Tochter-GmbHs“, die er aktiv managt. Eine dieser Tochter-GmbHs hat für einen Immobilien-Fonds (F) Umbauleistungen für ein Weiterbildungszentrum erbracht. Der Verein hat sodann das umgebaute Weiterbildungszentrum geleast, sich in ähnlicher Weise in mehreren Großprojekten engagiert und dabei wirtschaftlich übernommen. Als der Verein die vereinbarten Leasingraten nicht mehr bezahlen kann und über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird, wendet sich der Immobilien-Fonds an M. Kann F von M Zahlung der offenen Leasingraten verlangen?

Der Anspruch von F gegen M setzt voraus, dass der Fonds sich wegen seines Anspruchs gegen den Verein an das einzelne Vereinsmitglied halten kann.

  • Eine Haftung der Mitglieder für Schulden ihres Vereins besteht nach dem Trennungsprinzip aber grundsätzlich nicht.

  • Hier könnte der Verein jedoch schon gar nicht als Verein mit Rechtspersönlichkeit existieren, weil sein Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist. Im Falle eines wirtschaftlichen Vereins ohne Rechtspersönlichkeit greift die Verweisung in das Recht der Gesellschaft gemäß § 54 S. 1 BGB, sodass die Mitglieder gemäß § 128 HGB analog für die Vereinsverbindlichkeiten haften.

  • Der Verein ist jedoch eingetragen und existiert - trotz Rechtsformverfehlung - bis zu seiner Löschung gemäß § 395 Abs. 1 FamFG fort. Die Löschung wirkt ex nunc. Eine Löschung ist hier jedoch nicht erfolgt, sodass der Verein fortbesteht.

  • Eine Ausnahme vom Trennungsprinzip mit einer sogenannten Durchgriffshaftung kann jedoch ausnahmsweise von Anfang an (ex tunc) bestehen, wenn

    • die Mitglieder die rechtliche Verschiedenheit zwischen der juristischen Person und den hinter ihr stehenden natürlichen Personen gezielt ausnutzen.BGH, v. 08.07.1970 - VIII ZR 28/69, NJW 1970, 2015.

    • in der Kolpingwerk-Entscheidung präzisierte der BGH dies, indem er für die Annahme eines Rechtsformenmissbrauchs hinzutretende bestimmte belastende Umstände für erforderlich hielt, z.B. die gewollte Vermögenslosigkeit des eV oder eine Vermögensverschiebung zugunsten von Vereinsmitgliedern.

    • Ist ein ausreichender belastender Umstand, dass die Vereinsmitglieder offensichtlichen wirtschaftlichen Betätigungen des Vereins und damit dem eklatanten Satzungsverstoß keinen Einhalt gebieten, obwohl sie nach der spezifischen Mitgliederstruktur Mitverantwortung für die Vereinsgeschäftsführung tragen?So das OLG Dresden in der Voristanz, v. 09.08.2005 - 2 U 897/04, ZIP 2005, 1680.

    • Der BGH verneinte dies in der Kolpingwerk-Entscheidung. Das Gesetz sehe für den Fall der Rechtsformverfehlung einzig das Verfahren der Amtslöschung gemäß § 395 Abs. 1 FamFG als Sanktion vor. Eine andere, weitergehende Sanktion enthalte das Gesetz nicht.BGH, v. 10.12.2007 - II ZR 239/05, BGHZ 175, 12.

    • Das Urteil verdient Zustimmung. Die Vereinsmitglieder müssen sich schon angesichts der schwierigen Beurteilung, wann das Nebenzweckprivileg überschritten ist, darauf verlassen können, dass sie nicht haften, solange der Verein im Register eingetragen ist.BeckOGK-BGB, 01.12.2022, § 21 Rn. 289.

  • Demgemäß ist für eine Durchgriffshaftung hier kein Raum.

Ein Anspruch von F gegen M besteht nicht.

Entsprechend der Entscheidung zum Kolpingwerk sind als Fälle der Durchgriffshaftung (die Rechtsprechung knüpft begrifflich stets an einen Rechtsformmissbrauch an) lediglich anerkannt:Vgl. Segna, BeckOGK-BGB, 01.12.2022, § 21 Rn. 277 ff.; Schwennicke, Staudinger (2019), Einl. zu §§ 21 ff. Rn. 75 ff.

  • Die Haftung bei Vermögensvermischung, wenn eine Abgrenzung von Privat- und Vereinsvermögen aus praktischen Gründen nicht möglich ist, und

  • die Existenzvernichtungshaftung, wenn das Vereinsmitglied in das zur vorrangigen Befriedigung der Gläubiger dienende Vereinsvermögen kompensationslos eingreift und dadurch die Insolvenz des Vereins des Vereins herbeiführt oder vertieft. Sie wird als Fall des § 826 BGB behandelt.

Zentrale Vorschrift der Haftungsverfassung des Vereins und sämtlicher Gesellschaftsformen ist § 31 BGB.Zum Anwendungsbereich von § 31 BGB siehe unten. Diesem zufolge ist der Verein für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtenden Handlung einem Dritten zufügt. Die Norm ist keine Anspruchsgrundlage, sondern führt lediglich zur Haftungszuweisung (Organhaftung des Vereins).Schöpflin, BeckOK-BGB, 01.08.2023, § 31 Rn. 1. Der Verein haftet gedanklich für eigenes Handeln (nämlich das Organhandeln), nicht wie bei § 278 S. 1 BGB für fremdes Handeln.Offenloch, BeckOGK-BGB, 01.02.2023, § 31 Rn. 4; dem zugrunde liegt die Unterscheidung von Organtheorie (heute herrschend) und Vertretertheorie, siehe dazu eingehend Schwennicke, Staudinger (2019), § 31 Rn. 2 ff., der jedoch die Minderansicht vertritt (Rn. 7).

§ 31 BGB liegt der Gedanke zugrunde, dass das Vermögen des Vereins, der den Nutzen aus der Tätigkeit seiner Organe zieht, als Haftungsmasse für Schäden dienen soll, die die Organe und Vertreter in Ausführung ihrer Tätigkeit für den Verein verursachen (Vor- und Nachteile der Handlungsfähigkeit der juristischen Person).Leuschner, MüKo-BGB, 9. Aufl. 2021, § 31 Rn. 1; Offenloch, BeckOGK-BGB, 01.02.2023, § 31 Rn. 4. Die Vorschrift ist zwingend und kann in der Satzung nicht abbedungen werden, § 40 S. 1 BGB.

Die Voraussetzungen der Haftungszurechnung sind im Einzelnen:

  • AnwendungsbereichSiehe Schöpflin, BeckOK-BGB, 01.08.2023, § 31 Rn. 2 f.

    • § 31 BGB findet nicht nur auf den eingetragenen Idealverein und konzessionierten wirtschaftlichen Verein, sondern kraft gesetzlicher Anordnung auch auf den Fiskus und die Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts (§ 89 Abs. 1 BGB) und auf Stiftungen (§ 84 Abs. 5 BGB).

    • Außerdem wird die Vorschrift analog angewandt auf sämtliche weiteren juristischen Personen des Privatrechts (GmbH, AG, Genossenschaft, KGaA), den nichtrechtsfähigen Verein und die Personengesellschaften (OHG, KG, GbR).

  • Verfassungsmäßig berufener Vertreter

    • Die Person muss Vorstand, Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter des Vereins sein.

    • Die verfassungsmäßig berufenen Vertreter sind zunächst die in besonderen Vertreter nach § 30 BGB.

    • Darüber hinaus hat die Rechtsprechung aber in extensiver Begriffsauslegung aus § 31 BGB eine umfassende Repräsentantenhaftung gemacht. Die Person muss weder Vertretungsmacht haben noch muss ihre Tätigkeit in der Satzung vorgesehen sein oder innerhalb der geschäftsführenden Verwaltungstätigkeit des Vereins liegen.BGH, v. 30.10.1967 - VII ZR 82/65, NJW 1968, 391, 391 f. Es genügt, wenn die Person durch die allgemeine Regelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind und sie die juristischen Person (den Verein) repräsentiert.BGH, v. 30.10.1967 - VII ZR 82/65, NJW 1968, 391, 392; BGH, v. 05.03.1998 - III ZR 183/96, NJW 1998, 1854, 1856.

    • Als Repräsentanten hat die Rechtsprechung beispielsweise angesehen Filialleiter, Chefärzte und Abteilungsleiter weitgehender selbständiger Funktionen.Leuschner, MüKo-BGB, 9. Aufl. 2021, § 31 Rn. 16 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. Insbesondere bei Großvereinen, aber auch Vereinen mittlerer Größe wird bei Personen, die einen Teilbereich des Vereins inhaltlich alleine verantworten, ohne zugleich Vorstandsmitglied zu sein, ist die Eigenschaft als Repräsentant zu prüfen und regelmäßig zu bejahen (beispielsweise: Leiter von Sportabteilungen / Disziplinen eines umfassenderen Sportvereins, Leiter einer Abteilung für Kommunikation und Presse, etc.).

  • Zum Schadensersatz verpflichtende Handlung

    • Die Person muss eine zum Schadensersatz verpflichtende Handlung begangen haben. Die Haftungsgrundlage ist gleichgültig, es kommen sowohl (vor-)vertragliche Haftungstatbestände als auch deliktische Tatbestände in Betracht.Schöpflin, BeckOK-BGB, 01.08.2023, § 31 Rn. 10 ff. Ein Unterlassen steht einem Handeln gleich, wenn eine Pflicht zum Handeln bestand.

    • Verkehrssicherungspflichten, die den Verein treffen (etwa kraft Beherrschung einer Gefahrenquelle), sind hierbei auch maßstäblich für die Beurteilung der Handlung des Vereinsvorstands (Verletzungshandlung, Rechtswidrigkeit und Verschulden).BGH, 05.12.1989 - VI ZR 335/88, NJW 1990, 976; vgl. Leuschner, MüKo-BGB, 9. Aufl. 2021, § 31 Rn. 21 und den Fall unten.

  • Die Person muss die Handlung in Ausführung der ihr zustehenden Verrichtungen begangen haben.

    • Die Voraussetzung zielt auf einen Zusammenhang zwischen der schädigenden Verhalten und dem Aufgabenkreis der Person und soll die Haftung für rein privates Verhalten ausschließen.

    • Die Person muss aus Sicht eines Dritten in dem ihr zugeordneten Wirkungskreis aufgetreten sein (Gegenbegriff zu in Ausführung: bei Gelegenheit). Auch bei vorsätzlichen Handlungen, etwa betrügerischen Handlungen, kann dies der Fall sein.BGH, v. 08.07.1986 - VI ZR 47/85, NJW 1986, 2941, 2942.

  • Schließlich muss ein Dritter dadurch geschädigt worden sein.

    • Dies kann jeder außerhalb des Vereins stehende natürliche oder juristische Person sein, aber auch ein Vereins- oder anderes Organmitglied sein.Schöpflin, BeckOK-BGB, 01.08.2023, § 31 Rn. 23 f.

Die Haftung des Vereins tritt gegebenenfalls, insbesondere bei deliktischer Haftung für positives Tun, gesamtschuldnerisch (§ 840 Abs. 1 BGB) neben die des Repräsentanten.Schöpflin, BeckOK-BGB, 01.08.2023, § 31 Rn. 27. Der Gesamtschuldnerausgleich vollzieht sich nach den allgemeinen Grundsätzen: der handelnde Repräsentant hat als Schädiger gemäß § 840 Abs. 2 BGB analog regelmäßig den Schaden im Innenverhältnis zunächst allein zu tragen.Leuschner, MüKo-BGB, 9. Aufl. 2021, § 31 Rn. 35; Sikora, Baumann/Sikora, Hand- und Formularbuch des Vereinsrechts, 3. Aufl. 2022, § 12 Rn. 44. Die Haftungsverteilung kann jedoch abweichend geregelt sein: zum einen in der Satzung, zum anderen aber auch im jeweiligen Anstellungsvertrag des Organmitglieds (oder sonstigen Repräsentanten, bei diesen wohl eher unüblich). Denkbar ist insbesondere die Binnenhaftung des Vorstandsmitglieds nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Eine Haftungsfreistellung im Innenverhältnis kann sich auch konkludent aus dem Abschluss einer Haftpflicht- bzw. D&O-Versicherung (directors and officers) für das Vorstandsmitglied ergeben. Zudem kann aus dem (vor Einführung des § 31a BGB, dazu sogleich, entwickelten) Gedanken der Risikozurechnung aus der Übernahme einer gefahrgeneigten Tätigkeit bzw. schadensträchtigen Aufgabe auf Veranlassung des Vereins und für diesen eine Haftungserleichterung bzw. -freistellung resultieren.BGH, v. 13.12.2004 - II ZR 17/03, NJW 2005, 981; dazu auch Pusch npoR 2019, 199, 200. Auf klassische Vorstandsaufgaben (Betreuung des Vereinsvermögens, Sicherstellung der zweckentsprechenden Verwendung der Finanzmittel) ist eine Übertragung dieser Rechtsprechung aber abgelehnt worden.OLG Düsseldorf, v. 26.03.2010 – I-22 U 173/09, juris.

Eine Förderung des Ehrenamts durch die Verringerung persönlicher Haftungsrisiken bezweckte der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 31a BGB im Jahr 2009 und des § 31b BGB im Jahr 2013.Zur gesetzgeberischen Absicht und deren teils kritischer Bewertung siehe Offenloch, BeckOGK-BGB, 01.02.2023, § 31a Rn. 7 f. Während § 31a BGB auf Organmitglieder (insb. Vorstandsmitglieder) und besondere Vertreter im Sinne des § 30 BGB, nicht jedoch sonstige Repräsentanten im Sinne des § 31 BGB Anwendung findet,Leuschner, MüKo-BGB, 9. Aufl. 2021, § 31a Rn. 3 ff. gilt § 31b BGB für Vereinsmitglieder.

Gemeinsam ist den Vorschriften, dass der Handelnde (der Schädiger) unentgeltlich tätig sein muss oder eine Vergütung von höchstens 840 Euro jährlich (Betrag der einkommensteuerfreien Ehrenamtspauschale aus § 3 Nr. 26a EStG) beziehen darf. Die Freistellung greift nur, wenn der Schaden bei der Wahrnehmung ihrer Pflichten gegenüber dem Verein (§ 31a Abs. 1 S. 1 BGB) bzw. der ihnen übertragenen satzungsmäßigen Aufgaben verursacht (§ 31b Abs. 1 S. 1 BGB) wurde.

Die Haftungserleichterungen greifen sowohl bei bloßer Haftung gegenüber dem Verein (insbesondere auch aus § 280 Abs. 1 BGB) nach Abs. 1 S. 1 der Vorschriften als auch gegenüber Dritten, Abs. 2 S. 1 BGB der Vorschriften. In letzterem Falle haben die Personen einen Freistellungsanspruch gegen den Verein, der sich bei Zahlung in einen Erstattungsanspruch umwandelt.

Neben der zivilrechtlichen Haftung sind Vorstandsmitglieder insbesondere auch potentielle persönliche Haftungsschuldner für die vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung steuerlicher Pflichten gegenüber dem Finanzamt, §§ 34, 69 AO. Die Verletzung steuerlicher Pflichten (etwa der Aufzeichnungs- und Buchführungspflichten, der Auskunfts- und Vorlagepflichten, insbesondere der Steuererklärungspflichten und Zahlungspflichten, der Berichtigungspflicht) indiziert regelmäßig grobe Fahrlässigkeit,BFH, v. 13.03.2003 – VII R 46/02 –, BFHE 202, 22, BStBl. II 2003, 556. sodass erstens die Haftung des § 69 AO regelmäßig eingreift und zweitens eine Haftungserleichterung gegenüber dem Verein nach § 31a Abs. 1 S. 1 BGB regelmäßig ausscheidet.

Die Haftungserleichterungen der §§ 31a, 31b BGB sind in der Satzung nicht abdingbar (§ 40 S. 1 BGB) bzw. nur zugunsten der Personen modifizierbar, können im individuellen Anstellungsvertrag jedoch abbedungen werden.Leuschner, MüKo-BGB, 9. Aufl. 2021, § 31a Rn. 20 ff., § 31b Rn. 13 f.

Fall: Der Verein V, ein Autosportverein, ist Eigentümer eines uneingezäunten Platzes, auf dem er Autowracks lagert. Der Platz ist ein Anziehungspunkt für die Kinder der Nachbarschaft. Das siebenjährige Kind K verletzt sich schwer. Haftet V? Haftet die ehrenamtliche Vorständin X?

Anspruch von K gegen den Verein V auf Schadensersatz aus §§ 823 Abs. 1, 31 BGB.

  1. K ist an Körper und Gesundheit verletzt.

  2. X als Vorständin müsste eine Verletzungshandlung begangen haben. Die Erfüllung der einen Verein treffenden Verkehrssicherungspflichten ist als Maßnahme der Vereinsgeschäftsführung Sache des Vorstands.BGH, v. 6. Februar 1991 – IV ZR 49/90, NJW-RR 1991, 668, juris Rn. 19. Den Verein V als Eigentümer des Platzes traf die Verkehrssicherungspflicht, diesen ausreichend zu sichern. Dies hat die Vorständin X unterlassen. Die Pflicht traf sie gerade in ihrer Eigenschaft als Vereinsvorständin, weshalb das Unterlassen auch in Ausführung einer ihr zustehenden Verrichtung im Sinne des § 31 BGB erfolgte.

    • Hinweis: Überträgt der Verein die Pflicht zur Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht in zentralen Bereichen auf eine dritte Person, die nicht Repräsentantin im Sinne des § 31 BGB ist, so haftet der Verein gleichwohl nach der von der Rechtsprechung entwickelten Lehre vom Organisationsmangel.BGH, Urteil vom 8. Juli 1980 – VI ZR 158/78, NJW 1980, 2810. Diese besagt, dass der Verein in allen zentralen Bereichen entweder selbst handeln oder einen besonderen Verteter im Sinne des § 30 BGB (für den der Verein wiederum gemäß § 31 BGB einzustehen hat) bestellen muss. Die Literatur löst diese Fälle über eine analoge Anwendung des § 31 BGB.Vgl. Leuschner, MüKo-BGB, 9. Aufl. 2021, § 31 Rn. 34. Hintergrund ist, dass dem Verein in diesen Fällen die Exkulpationsmöglichkeit gemäß § 831 Abs. 1 S. 2 BGB abgeschnitten werden soll.

  3. Die Verletzung dieser Pflicht war auch kausal für die Verletzung des K, rechtswidrig und angesichts des offenbaren Gefahrenpotenzials zumindest fahrlässig.

  4. Folglich besteht der Anspruch auf Schadensersatz gegen V gemäß §§ 823 Abs. 1, 31 BGB.

Anspruch von K gegen die Vorständin X auf Schadensersatz aus § 823 Abs. 1 BGB

  1. Dazu müsste die Verkehrssicherungspflicht X auch persönlich nach außen treffen. Eine solche Eigenhaftung des Vorstands aus der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten wird verbreitet angenommen, da der Vorstand (bzw. das nach der Ressortverteilung zuständige Mitglied)Neudert/Waldner, Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, 21. Aufl. 2021, Rn. 277a. auch im allgemeinen Rechtsverkehr als für die von den Vereinsanlagen ausgehenden Gefahren verantwortlich angesehen wird und somit eine entsprechende Garantenstellung einnimmt.BGH, v. 05.12.1989 - VI ZR 335/88, NJW 1990, 976; vgl. Leuschner, MüKo-BGB, 9. Aufl. 2021, § 31 Rn. 21; Sikora, Baumann/Sikora, Hand- und Formularbuch des Vereinsrechts, 3. Aufl. 2022, § 12 Rn. 30, 33.

  2. Auf die Haftungserleichterung gemäß § 31a Abs. 1 S. 1 BGB kann sich die ehrenamtlich tätige X gegenüber K nicht berufen, da diese nur das Innenverhältnis zwischen Vorstand und Verein betrifft, nicht aber das Außenverhältnis zwischen Vorstand und Geschädigtem.

Demgemäß haften V und X gemäß § 840 Abs. 1 BGB als Gesamtschuldner. Im Innenverhältnis haftet X grundsätzlich gemäß § 840 Abs. 2 BGB analog allein.

Sie kann von dem Verein V im Innenverhältnis auch nicht Befreiung von der Verbindlichkeit gegenüber K gemäß § 31a Abs. 2 S. 1 BGB verlangen, da ihr grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist (§ 31a Abs. 2 S. 2 BGB).

Anhang

Muster Einberufung Mitgliederversammlungbereitgestellt vom BMJ hier.

Muster für eine Einladung zur Mitgliederversammlung

… (Name des Vereins mit Kontaktdaten)

Einladung zur Mitgliederversammlung

Sehr geehrtes Mitglied,

unsere diesjährige ordentliche Mitgliederversammlung findet statt am

… (Datum), … Uhr im … (genauer Ort der Versammlung)

Auf der Tagesordnung stehen folgende Themen:

1. Begrüßung durch die Vorsitzende des Vorstands

2. Feststellung der ordnungsgemäßen Einberufung und der Beschlussfähigkeit der Mitgliederversammlung

3. Entgegennahme des Jahresberichts für das abgelaufene Geschäftsjahr und Entlastung des Vorstands

4. Änderung des Vorstands: Wahl eines Nachfolgers für den ausscheidenden Schatzmeister

5. Änderung der Satzung: Änderung des § … Absatz … der Satzung mit folgendem neuen Wortlaut: …

6. Verschiedenes

Zu TOP 5 (Ergänzung der Satzung) ist noch Folgendes hinzuzufügen:

… (Erläuterungen zu den Gründen der Satzungsänderung)

Anträge auf Ergänzungen der Tagesordnung müssen bis eine Woche vor der Versammlung schriftlich beim Vorstand eingereicht werden, damit der Vorstand sie noch auf die Tagesordnung setzen kann (§ 13 Abs. 2 der Satzung).

Um zahlreiches und pünktliches Erscheinen wird gebeten.

Mit freundlichen Grüßen

… (Unterschrift)

Vorstandsvorsitzende