Dimitrios Linardatos Grundzüge des Kapitalgesellschaftsrecht Licensed under CC-BY-4.0

§ 3 - Die Aktiengesellschaft (AG)

Am 29. November 1843 erschien im preußischen Gesetzblatt das „Gesetz über Aktiengesellschaften“ – die Geburtsstunde des deutschen Aktienrechts.Für historische Hintergründe s. Fleckner, Antike Kapitalvereinigungen, 2010; P. Martin, Die Entstehung des preußischen Aktiengesetzes von 1843, Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte (1969), S. 499 ff.; C. Schäfer, § 38 Rn. 1. Es vereinheitlichte eine Rechtspraxis, die sich bereits unter dem „Code de Commerce“ von 1807 und dem „Allgemeinen Landrecht“ von 1794 gebildet hatte; das Aktienrecht ist also der Entstehung von Aktiengesellschaften nachgefolgt.Karsten Schmidt, § 26 II 1 a. Die Entwicklung der Aktiengesellschaften hängt nicht nur eng mit dem Überseehandel zusammen, sondern auch mit der Entstehung von , Bergwerken, Eisenbahngesellschaften und der Industrialisierung, weil in der Folge kapitalhungrige Großprojekte zur Regel wurden und die Aktiengesellschaft nicht nur durch ihre Haftungsbeschränkung den Geist des Unternehmertums förderte, sondern auch „Kapitalsammelbecken“ fungierte. Darüber hinaus war sie für langfristig angelegte Unternehmensaktivitäten geeignet, indem sie eine Verselbständigung der Rechtsperson von den Anteilseignern ermöglichte. Karsten Schmidt sprach – wie immer bildlich treffend – im Zusammenhang mit der AG von einem Kind der Neuzeit, des Kolonialismus und der industriellen Revolution.Karsten Schmidt aaO.

Heutzutage ist die Bedeutung der AG rein zahlenmäßig im Vergleich zur GmbH geringer, was u.a. mit dem höheren Mindestkapital (50.000 EUR statt 25.000 EUR), dem Grundsatz der Satzungsstrenge (§ 23 Abs. 5 AktG) und gemäß §§ 57, 62 AktG dem Grundsatz der strengen Kapitalbindung zu tun hat. Letzterer dient bei der ein breiteres Publikum ansprechenden AG sowohl den Gläubigerinteressen als auch dem Schutz der (Minderheits-)Aktionäre und somit der Mitgesellschafter.Bitter ZHR 168 (2004), 302, 308 ff.; Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung bei Personengesellschaften, S. 395 ff. Die Kapitalbindung bei der GmbH ist hingegen monofunktional und dient dem Gläubigerschutz; vgl. Bitter ZHR 168 (2004), 302, 344, 351. Insbesondere Großunternehmen sind oft als AG organisiert, denen an der Börsenfähigkeit (und somit Verkehrsfähigkeit) der Anteile (Aktien) gelegen ist. Bei kleinen und mittleren Unternehmen ist hingegen die GmbH die beherrschende Kapitalgesellschaftsform.

Gleichwohl ist aus didaktischen Gründen mit der deutlich stärker regulierten Aktiengesellschaft zu beginnen; treffender als in den Worten von Koch lässt sich dies nicht begründen:

„Wer die Strukturelemente der ‚großen Schwester‘ Aktiengesellschaft verinnerlicht hat, dem wird es keine Schwierigkeiten mehr bereiten, auch die GmbH als ihr verschlanktes Gegenüber zu erfassen.“Koch, GesR, Vor § 26.

Überblick über die Charakteristika der AG

Die AG ist eine Körperschaft und juristische Person; sie wird mithin unmittelbar selbst Trägerin von Rechten und Pflichten. Eine Haftung der Anteilseigner (Aktionäre) besteht nicht. Die AG ist eine Kapitalgesellschaft, weil sie ein Garantiekapital aufweist, auf das die Mitgliedschaftsrechte bezogen sind. Gemäß § 3 Abs. 1 AktG iVm § 6 Abs. 2 HGB ist die AG zudem eine Handelsgesellschaft, selbst wenn sie kein Handelsgewerbe betreibt, und damit Formkaufmann. Sie kann grundsätzlich zu jedem Zweck gegründet werden.C. Schäfer, § 38 Rn. 2. Wesensmäßig ermöglicht sie Publikumsgesellschaften, weil sie die Organisation eines großen und wechselnden Personenkreises von Gesellschaftern erlaubt – u.a. durch formalisierte Willensbildungsprozesse, den Grundsatz der Fremdorganschaft, die Börsenfähigkeit der Gesellschaftsanteile sowie durch die Haftungsbeschränkung.C. Schäfer, § 38 Rn. 2.

Die AG kennt drei zentrale Organe: Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung.

Geleitet wird die Gesellschaft vom Vorstand gemäß § 76 AktG „unter eigener Verantwortung“; ihm obliegt nach § 77 AktG auch die Geschäftsführung (Innenverhältnis) und die Vertretung der AG im Rechtsverkehr gemäß § 78 AktG (Außenverhältnis). In die Zuständigkeit des Aufsichtsrats fällt u.a. die Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder (§ 84 AktG) und die Überwachung der Geschäftsführung des Vorstandes (§ 111 Abs. 1 AktG); darüber hinaus vertritt der Aufsichtsrat gemäß § 112 AktG die Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern gerichtlich und außergerichtlich. Die Hauptversammlung hat grundsätzlich nur für jene Angelegenheiten die Zuständigkeit, die in Gesetz und Satzung bestimmt sind (vgl. § 119 Abs. 1 AktG); ist steht also keine Allkompetenz zu. Daneben hat die Rechtsprechung wenige ungeschriebene Kompetenzen anerkannt (dazu später). Die gesetzlich vorgesehenen Kompetenzen betreffen idR sog. Grundlagengeschäfte.

Etwaiges Organverschulden wird analog § 31 BGB nach den Grundsätzen zugerechnet, die aus dem Vereinsrecht bekannt sind; hier spielt – stärker als im Vereinsrecht – auch die Repräsentantenzurechnung eine wichtige Rolle (s. Beispiele oben).

Das Grundkapital der AG muss sich gemäß §§ 6, 7 AktG auf mindestens 50.000 EUR belaufen und ist in Aktien zerlegt (§ 1 Abs. 2 AktG). Das Grundkapital dient prinzipiell dem Gläubigerschutz und fungiert ein „Seriositätsschwelle“. Neben den Kapitalaufbringungsregeln kennt das Aktienrecht zudem Kapitalerhaltungsnormen, die neben dem Gläubigerschutz – wie schon oben erwähnt – den Schutz der (Minderheits-)Aktionäre bezwecken.

Der Satzungssitz der AG wird durch die Satzung bestimmt und muss gemäß § 5 AktG im Inland liegen. Hieran knüpft die Zuständigkeit des Registergerichts iSd § 14 AktG an. Vom Satzungssitz zu trennen ist der Verwaltungssitz, also der Ort, an dem die wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen getroffen werden. Dieser kann auch im Ausland liegen.

Die Firma der AG muss die Bezeichnung „Aktiengesellschaft“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung (AG) enthalten, § 4 AktG.

Gründung der AG

Die AG wird in einem streng geregelten Verfahren gegründet, das aufwendiger ist als bei der GmbH, weshalb die Neugründung einer AG in der Praxis eher selten ist. Stattdessen wird häufiger der Formwechsel von einer GmbH in eine AG gemäß §§ 190 ff. UmwG – dies insbesondere, wenn eine Börsennotierung angestrebt wird. Gründer kann jede natürliche oder juristische Person sein. Chronologisch kann die Gründung einer AG in drei Phasen eingeteilt werden:Vgl. C. Schäfer, § 39 Rn. 2 ff.; näher auch Bitter/Heim, § 3 Rn. 13. Vorgründungsstadium, Gründungsphase, Eintragungsverfahren.

Vorgründungsstadium

Die Gründer kommen überein, dass sie eine AG gründen wollen. In der Regel wird dabei ein schriftlicher Vorvertrag abgeschlossen, der inhaltlich auf die Verpflichtung der Beteiligten gerichtet ist, unter bestimmten Voraussetzungen gemäß § 23 AktG eine Satzung festzustellen.MüKoAktG/Pentz, 5. Aufl. 2019, § 41 Rn. 13. In der Regel wird sich auch zu diesem Zeitpunkt auf einen Satzungsentwurf geeinigt. In der Folge entsteht eine sog. Vorgründungsgesellschaft. Sie ist in der Regel als GbR iSd §§ 705 ff. BGB zu qualifizieren.MüKoAktG/Pentz, 5. Aufl. 2019, § 41 Rn. 18.

Gründungsphase

Die folgende Gründungsphase beginnt mit der Feststellung der Satzung (= Gesellschaftsvertrag) durch notarielle Beurkundung (§§ 2, 23 Abs. 1 AktG). Die Anforderungen an die notarielle Urkunde sind in § 23 Abs. 2 AktG geregelt. Diejenigen Aktionäre, die die Satzung festgestellt haben, sind gemäß § 28 AktG die Gründer der Gesellschaft. Sie müssen gleichzeitig mit Feststellung der Satzung (uno actu) sämtliche Aktien gegen Einlagen übernehmen (Zeichnung).Bitter/Heim, § 3 Rn. 13. Dies zeigt sich in §§ 2, 23 Abs. 2 Nr. 2 AktG. Da Feststellung der Satzung und Übernahme der Aktien zwingend zusammenfallen, spricht man von einer Einheitsgründung. Mit der Übernahme der Aktien ist die Verpflichtung der Gründer zur Leistung der Einlagen verbunden. Durch Feststellung und Übernahme aller Aktien ist die AG gemäß § 29 AktG errichtet. Ausweislich des § 41 Abs. 1 S. 1 AktG existiert die AG ohne die Eintragung in das Handelsregister „als solche“ nicht; sie ist also noch nicht „fertig“. Vielmehr führt die Einheitsgründung zunächst zu einer Vorgesellschaft oder Vor-AG, die eine rechtsfähige Gesellschaft eigener Art ist.MüKoAktG/Pentz, 5. Aufl. 2019, § 41 Rn. 24. Diejenigen Personen, die vor Eintragung der AG im Namen der GesellschaftHandeln im Namen der Vor-AG reicht nach zutreffender Ansicht aus; vgl. Grigoleit/Vedder, 2. Aufl. 2020, § 41 Rn. 38. handeln, haften gemäß § 41 Abs. 1 S. 2 AktG persönlich (Handelndenhaftung). Zu dem heute umstrittenen Regelungszweck dieser Handelndenhaftung zählt es, ein Handeln vor der Eintragung der AG zu sanktionierenRGZ 55, 302, 304. und den Geschäftsgegner vor dem Risiko zu bewahren, ohne einen Schuldner dazustehen.RGZ 159, 33, 44. Da ein Bedarf für eine Sicherungsfunktion seit Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Vor-AG nicht besteht, kann man § 41 Abs. 1 S. 2 AktG am ehesten noch eine Druckfunktion in dem Sinne zuerkennen, dass die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister möglichst bald bewirkt werden soll.Skeptisch Koch, § 41 Rn. 19.

Die Haftung des Handelnden erlischt mit Eintragung der AG, da ab diesem Zeitpunkt die Gesellschaft mit einem registerrechtlich geprüften Grundkapital zur Verfügung steht, mithin eine persönliche Organhaftung nicht mehr erforderlich ist.BGHZ 69, 95 = NJW 1977, 1683 (zur Vor-GmbH & Co. KG).

Die Gründer bestellen – notariell beurkundet – gemäß § 30 Abs. 1 AktG den ersten Aufsichtsrat der Gesellschaft und den Abschlussprüfer für das erste Voll- oder Rumpfgeschäftsjahr. Der Aufsichtsrat bestellt anschließend den ersten Vorstand (§ 30 Abs. 4 AktG). Sodann leisten die Aktionäre die Mindesteinlagen gemäß §§ 36 Abs. 2, 36a AktG, da andernfalls eine Eintragung in das Handelsregister nicht möglich ist. Die (Bar-)Einlagen sind zwingend auf ein Konto der Gesellschaft einzuzahlen (§§ 36 Abs. 2, 54 Abs. 3 AktG).Zu den Sacheinlagen näher unten. Weiterhin ist von den Gründern ein schriftlicher Bericht über den Hergang der Gründung zu erstellen (Gründungsbericht, § 32 Abs. 1 AktG). Dieser ist Teil der von den Mitgliedern des Vorstands und des Aufsichtsrats gemäß § 33 Abs. 1 AktG durchzuführenden Gründungsprüfung.

Gemäß § 36 Abs. 1 AktG ist die Gesellschaft bei dem Gericht von allen Gründern und Mitgliedern des Vorstands und des Aufsichtsrats zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden.

Eintragungsphase

Der Inhalt der Anmeldung ergibt sich aus § 37 AktG. Die Erklärungen der beteiligten Personen sind gemäß § 399 Abs. 1 Nr. 1 AktG strafbewehrt. Das Gericht prüft gemäß § 38 AktG die ordnungsgemäße Errichtung und Anmeldung der Gesellschaft. Ist die Prüfung positiv, trägt das Gericht die AG mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Inhalt in das Handelsregister ein und macht die Eintragung bekannt (§ 39 AktG). Die AG ist durch diese konstitutive Eintragung „fertig“. Es findet ein identitätswahrender Wechsel von der Vor-AG zu der AG statt.

Die Satzung der AG

Die Satzung der AG wird in § 2 AktG als Gesellschaftsvertrag bezeichnet.Bei der Einmann-AG ist sie ein einseitiges Rechtsgeschäft. Die Begriffe „Satzung“ und „Gesellschaftsvertrag“ sind weitgehend austauschbar gemeint; näher Karsten Schmidt, § 5 I 2. Sie legt in den gesetzlich vorgegebenen Grenzen die innere Verfassung der AG fest. Der Mindestinhalt der Satzung ergibt sich aus § 23 Abs. 3, 4 AktG.

Ein prägendes Element im Aktienrecht ist der Grundsatz der Satzungsstrenge. Dieser ist in § 23 Abs. 5 AktG niedergelegt und besagt, dass in der Satzung von den Vorschriften des AktG nur abgewichen werden darf, wenn dies im Gesetz ausdrücklich zugelassen ist (S. 1); ergänzende Satzungsbestimmungen sind zudem nur zulässig, wenn das Gesetz keine abschließende Regelung enthält (S. 2). Ratio dieser strengen Regelung ist es, die Verkehrsfähigkeit der Aktie zu sichern und die Such- und Informationskosten der Investoren zu begrenzen.Grigoleit/Vedder, 2. Aufl. 2020, § 23 Rn. 36. Jeder (zukünftige) Aktionär kann sich aufgrund der Satzungsstrenge darauf verlassen, dass alle AG weitgehend gleich organisiert sind und dass die Satzung keine ungewöhnlichen Bestimmungen enthält; dies verwirklicht die Kapitalsammelfunktion der AG.Bitter/Heim, § 3 Rn. 16.

Hinsichtlich der Art der Satzungsbestimmungen zu unterscheiden sind materielle Satzungsbestimmungen, formelle Satzungsbestimmungen und sonstige schuldrechtliche Nebenabreden. Rechtlich besteht ein entscheidender Unterschied darin, dass materielle Satzungsbestimmungen für jeden Rechtsnachfolger in der Gesellschafterstellung gelten, während die formellen Satzungsbestimmungen und die sonstigen schuldrechtlichen Nebenabreden nur bei einer VereinbarungSelbiges gilt bei einer Gesamtrechtsnachfolge gemäß §§ 1922 ff. BGB. zwischen Rechtsvorgänger und Rechtsnachfolger für letzteren beachtlich sind.Grigoleit/Vedder, 2. Aufl. 2020, § 23 Rn. 4.

Zu den materielle Satzungsbestimmungen zählen nach der o.g. Einordnung diejenigen Regelungen, welche die Gesellschaft und ihre Beziehung zu den Gründern oder den Aktionären betreffen, mithin die Organisation der Gesellschaft und daher mitgliedschaftlicher Natur sind.Bitter/Heim, § 3 Rn. 17. Hierunter fallen insbesondere die Satzungsbestimmungen, die zum Mindestinhalt gemäß § 23 Abs. 3, 4 AktG zählen. Auch gemäß § 23 Abs. 5 S. 1 AktG wirksame Abweichungen werden hierunter gefasst.Grigoleit/Vedder, 2. Aufl. 2020, § 23 Rn. 5. Der Inhalt einer materiellen Satzungsbestimmung ist nach ihrem objektiven Erklärungswert zu bestimmen.BGHZ 123, 347 = NJW 1994, 51 (2. Leitsatz). Demnach geht die Auslegung ähnlich wie bei der Gesetzesauslegung vonstatten. Änderungen dieser Satzungsbestimmungen richten sich nach den §§ 179 ff. AktG.

Beispiel 1: Bei der Gründung einer AG wird vereinbart, dass einer der Gründer, der Kaufmann ist, sein Unternehmen als Sacheinlage einbringen soll. Die Sacheinlagenvereinbarung ist Gegenstand der Anmeldung und registerrechtlichen Prüfung (§§ 27, 36a, 37a, 38 Abs. 3 AktG). Demnach ist die Vereinbarung objektiv auszulegen.

Beispiel 2: „§ 4. Durch Zeichnung oder Erwerb von Aktien oder Zwischenscheinen unterwirft sich der Aktionär für alle Streitigkeiten mit der Gesellschaft oder deren Organen dem ordentlichen Gerichtsstand der Gesellschaft.“Vgl. dazu BGHZ 123, 347 = NJW 1994, 51.

Formelle Satzungsbestimmungen sind alle Regelungen in der Satzung, die gerade nicht als materielle Satzungsbestimmungen qualifiziert oder getroffen werden können. Sie sind bloß schuldrechtliche Abreden, die nur äußerlich mit den materiellen Satzungsbestimmungen zusammenhängen. Formelle Satzungsbestandteile sind daher vor allem Vereinbarungen mit Dritten, die nicht Aktionäre oder Organe sind.Karsten Schmidt, § 5 I 1 d bb. Ihr Inhalt ist durch einfache Auslegung iSd §§ 133, 157 BGB zu bestimmen. Etwaige Änderungen können nach Maßgabe der allgemeinen schuldrechtlichen Regeln allein zwischen allen Beteiligten vereinbart werden.

Beispiel: Vereinbarung über den Gründungsaufwand gemäß § 26 Abs. 2 AktG.

Schuldrechtliche Nebenabreden (oder auch satzungsergänzende Abreden) treffen die Aktionäre untereinander außerhalb der Satzung. Es handelt sich auch hierbei um einfache schuldrechtliche Abreden, die gemäß §§ 133, 157 BGB ausgelegt und die nach allgemeinen Regeln geändert werden können.

Beispiel: Abrede der Altgesellschafter, ihre Rechte und Pflichten in Form einer Konsortialvereinbarung zu koordinieren, wobei sie regelmäßig im Interesse eines gemeinsamen Auftretens einem einzigen Gründer die Stimmrechtsvollmacht erteilen.BeckOGK/Limmer, 1.7.2023, AktG 23 Rn. 64.

Bedeutung der Aktie und Rechtsstellung der Aktionäre

Die Aktie

Das Grundkapital der AG ist gemäß § 1 Abs. 2 AktG in Aktien zerlegt. Demnach verkörpert die Aktie einen Bruchteil des Grundkapitals. Wie § 8 Abs. 1 AktG deutlich macht, können die Aktien als Nennbetrags- oder als Stückaktien begründet werden.

Nennbetragsaktien lauten gemäß § 8 Abs. 2 AktG auf einen bestimmten vollen Betrag, der ein Euro nicht unterschreiten darf. Welchen prozentualen Anteil am Grundkapital die Nennbetragsaktie verkörpert, bestimmt sich nach dem Verhältnis des Nennbetrags zum Grundkapital (§ 8 Abs. 4 AktG).

Beispiel: Nennbetragsaktie = 1 EUR, Grundkapital = 50.000 EUR: 0,002 %.

Stückaktien lauten auf keinen Nennbetrag (§ 8 Abs. 3 S. 1 AktG). Das prozentuale Verhältnis zum Grundkapital, das jede Stückaktie verkörpert, hängt von der Zahl der Aktien ab (§ 8 Abs. 4 AktG). Die Anzahl der ausgegebenen Aktien muss so gewählt sein, dass der auf eine einzelne Aktie entfallende anteilige Betrag des Grundkapitals einen Euro nicht unterschreitet, § 8 Abs. 3 S. 3 AktG. Bei 50.000 EUR Grundkapital und beispielsweise 10.000 Aktien beträgt der prozentuale Anteil jeder Aktie am Grundkapital 0,01 %; ein solches Grundkapital könnte max. auf 50.000 Aktien aufgeteilt werden.

Die Mitgliedschaft an einer AG entsteht auf verschiedenen Wegen:Koch, GesR, § 31 Rn. 2. Originär durch Übernahme von Aktien bei der Gründung, durch Zeichnung von sog. jungen Aktien bei einer Kapitalerhöhung oder durch Einzelrechtsnachfolge. Damit diese Einzelrechtsnachfolge einfach gestaltet und die Umlauffähigkeit der Aktien hoch ist,Die Entstehung der aktienrechtlichen Mitgliedschaft hängt hingegen nicht von der wertpapierrechtlichen Verbriefung ab, wie schon § 10 Abs. 5 AktG zeigt. sind Aktien verbrieft (= Aktienurkunde); dies führt zu einem Wertpapier im sachenrechtlichen Sinne. Auf diese Weise können Aktien nach sachenrechtlichen Grundsätzen gemäß §§ 929 ff. BGB übertragen werdenNäher Drygala/Staake/Szalai, § 18 Rn. 17 ff. – mit der für den Rechtsverkehr und für die Rechtssicherheit enorm wichtige Konsequenz, dass ein gutgläubiger Erwerb gemäß § 932 BGB möglich ist.Von diesem Grundmodell ist man im Zuge der Technisierung von Börsen und des Effektenverkehrs vermehrt abgerückt. Da der Anspruch des Aktionärs auf Einzelverbriefung gemäß § 10 Abs. 5 AktG abdingbar ist und heutzutage Global- und Sammelurkunden dominieren, sind heutige Aktien „entmaterialisiert“ und die Übertragung geht nach depotrechtlichen Regeln vonstatten (§§ 6, 9a DepotG); diese Regeln knüpfen allerdings weiterhin an das sachenrechtliche Grundmodell der §§ 929 ff. BGB an. Bei Namensaktien kommt zusätzlich das Indossament als Übertragungsvoraussetzung hinzu (§ 68 Abs. 1 AktG).

Weiterhin zu differenzieren ist zwischen Inhaber- und Namensaktien (vgl. § 10 Abs. 1 AktG). Die beiden Formen wirken sich auf den Berechtigungsnachweis aus. Auf die Inhaberaktie finden die §§ 793 ff. BGB entsprechende Anwendung. Jeder Inhaber (Besitzer) der Urkunde ist als Aktionär der AG gegenüber legitimiert (zB zur Wahrnehmung der Aktionärsrechte in der Hauptversammlung) und die AG hat sich dementsprechend der Inhaberschaft zu vergewissern (zB durch Bankbestätigung). Gemäß § 793 Abs. 1 S. 2 BGB wird die AG (auch) gegenüber dem materiellen Inhaber der Mitgliedschaft frei, wenn sie an den Inhaber der Aktie leistet – zB hinsichtlich des Dividendenanspruchs –, womit aus Sicht der Gesellschaft eine Vereinfachung einhergeht, da die Mitgliedschaft des herantretenden Inhabers nicht tatsächlich materiellrechtlich festgestellt werden muss. Bei der Namensaktie ist die Ausübung der Aktionärsrechte zusätzlich davon abhängig, dass eine Eintragung in das von der Gesellschaft geführte Aktienregister besteht (§ 67 Abs. 2 S. 1 AktG). Die Namensaktie hat unterschiedliche Vorteile:Vgl. Grigoleit/Vedder, 2. Aufl. 2020, § 10 Rn. 7. Sie vereinfacht die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung; sie schafft die Möglichkeit der Vinkulierung gemäß § 68 Abs. 2 AktG (relevant insbes. für Familienunternehmen, aber auch für Start-ups); sie hat internationale Börsentauglichkeit und sie erlaubt eine vereinfachte Kommunikation mit Aktionären außerhalb der Hauptversammlung, weil diese mit Namen und Adresse etc. bekannt sind (siehe § 67 Abs. 1 AktG).

Hinsichtlich der Gattung von Aktien sind Stamm- und Vorzugsaktien zu unterscheiden. Stammaktien sind solche Aktien, die keine Vorrechte gewähren, dem Aktionär also die gewöhnlichen Stimm- und Dividendenrechte einräumen (dazu sogleich). Vorzugsaktien verleihen hingegen ein Vorrecht in Form einer Vorzugs- oder Mehrdividende (s. § 139 Abs. 1 AktG); im Gegenzug kann das Stimmrecht gemäß §§ 139 Abs. 1 S. 1, 12 Abs. 1 S. 2 AktG ausgeschlossen sein.

Rechte der Aktionäre

Aus der Mitgliedschaft folgen verschiedene Rechte der Aktionäre:

Verwaltungsrechte oder Mitwirkungsrechte

Das zentrale Verwaltungsrecht des Aktionärs ist das Stimmrecht, also das Recht, in der Hauptversammlung eine Stimme abzugeben und dadurch im Umfang der Kompetenzen der Hauptversammlung einen Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen (§ 12 AktG). Das Stimmrecht wird nach Aktiennennbeträgen, bei Stückaktien nach deren Zahl ausgeübt (§ 134 Abs. 1 S. 1 AktG). Das Stimmrecht muss der Aktionär nicht zwingend selbst ausüben. Möglich ist auch die Ausübung durch einen Bevollmächtigten (§§ 134 Abs. 3, 135 AktG, zB Aktionärsvereinigung) oder die Ermächtigung zur Ausübung des Stimmrechts für fremde Aktien im eigenen Namen (§ 129 Abs. 3 AktG).Näher dazu noch einmal unten.

Eng mit dem Stimmrecht hängt das Recht auf Teilnahme zusammen, das die Aktionäre in der Hauptversammlung ausüben (vgl. § 118 Abs. 1 S. 1 AktG); ein Stimmrecht ohne die Teilnahmemöglichkeit wäre also „wertlos“. Teil des Teilnahmerechts ist zudem das Rederecht.Vgl. Koch, GesR, § 31 Rn. 7.

Weiterhin steht dem Aktionär in der Hauptversammlung gegenüber dem Vorstand ein Auskunftsrecht zu (§§ 131, 132 AktG). Das Auskunftsrecht soll sicherstellen, dass sich der Aktionär diejenigen Informationen verschaffen kann, die er für eine sachgerechte Ausübung seines Stimmrechts benötigt. Angesichts der oftmals großen Anzahl der Aktionäre ist das Auskunftsrecht nicht beliebig ausübbar. So muss die Auskunft zur „sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich“ sein (§ 131 Abs. 1 S. 1 AktG). Zudem kann der Vorstand die Auskunft gemäß § 131 Abs. 3 AktG verweigern, wenn die Interessen der AG jenen des Aktionärs überwiegen.

Beispiel: Die Hauptversammlung der Pfui-Reisen AG steht unmittelbar bevor. In der den Aktionären übersandten Tagesordnung finden sich unter anderem folgende Punkte: a) Herabsetzung der Dividende; b) Neues Angebot: „Ökologisch um die Welt in 80 Tagen“. A verlangt Auskunft vom Vorstand (Variante 1) vor der Hauptversammlung, (Variante 2) vor einer virtuellen Hauptversammlung, (Variante 3) während der Hauptversammlung über folgende Punkte: (1) Wie sollen ökologische Weltreisen mit wirtschaftlichen Erfolgsaussichten realisiert werden? (2) Weshalb soll die Dividende herabgesetzt werden?

Lösungshinweise: Gemäß § 131 Abs. 1 S. 1 AktG besteht der Auskunftsanspruch des Aktionärs nur in der Hauptversammlung; der Vorstand kann also das Verlangen des A in der Variante 1 zurückweisen.

In der Variante 2 sind die Besonderheiten der Absätze 1a–1c des § 131 AktG zu berücksichtigen. Danach können in einem bestimmten Umfang bis spätestens drei Tage vor der virtuellen Versammlung Fragen der Aktionäre, einzureichen im Wege der elektronischen Kommunikation, zugelassen werden. Ziel ist es, die Hauptversammlung zu entlasten, damit diese in einem angemessenen Zeitrahmen bleiben kann.BT-Drs. 20/1738, S. 34. Die ordnungsgemäß eingereichten und im Übrigen zulässigen Fragen sind gemäß § 131 Abs. 1c S. 1 AktG bis spätestens einen Tag vor der Versammlung zu beantworten. Diese beantworteten Fragen müssen in der Hauptversammlung nicht (nochmals) beantwortet werden (§ 131 Abs. 1c S. 4 AktG). Fragen und Antworten sind den Aktionären zugänglich zu machen.

Variante 3 betrifft schließlich den Regelfall; eine Auskunftspflicht besteht hier prinzipiell. Sowohl in der virtuellen als auch in der „regulären“ Hauptversammlung kann die Auskunft ausschließlich unter den Voraussetzungen des § 131 Abs. 2 S. 1 AktG verweigert werden (vgl. S. 2). Fragen zur Geschäftspolitik und zum Dividendenanspruch stehen den Aktionären stets zu und die entsprechenden Auskünfte des Vorstands sind auch für die sachgemäße Beurteilung der eingebrachten Tagesordnungspunkte erforderlich.

Vermögensrechte

Das zentrale Vermögensrecht des Aktionärs ist das Dividendenrecht, das eine Teilhabe an dem von der AG erwirtschafteten Bilanzgewinn bedeutet (§§ 58 Abs. 4, 60 AktG).Näher zu dem Verfahren, das eingehalten werden muss, damit der Dividendenauszahlungsanspruch besteht s. Bitter/Heim, § 3 Rn. 38. Darüber hinaus besteht das Recht auf Teilnahme am Liquidationserlös (§ 271 AktG). Im Zusammenhang mit Kapitalerhöhungen ist das Recht auf Bezug neuer Aktien gemäß § 187 AktG wichtig. Es soll einen „Verwässerungseffekt“ verhindern, stellt also sicher, dass das Stimmgewicht des Aktionärs und sein Anteil an der Vermögenssubstanz der AG gewahrt bleiben.Näher zur Ratio Grigoleit/Rieder/Holzmann, § 186 Rn. 1.

Beschlussmängelrechte

Das Beschlussmängelrecht des Aktionärs bedeutet, dass er befugt ist, rechtswidrige Hauptversammlungsbeschlüsse durch eine Klage anzufechten. Jeder Aktionär hat ungeachtet der Höhe seiner Beteiligung das Recht, gegen Hauptversammlungsbeschlüsse wegen eines Gültigkeitsmangels vorzugehen. Dabei ist vor allem zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit des Beschlusses zu unterscheiden (vgl. §§ 241, 243 AktG). Darüber hinaus existieren Unwirksamkeitsgründe, etwa in dem Fall, in dem in Sonderrechte eingegriffen wird und die Zustimmung des Anteilseigners erforderlich ist (vgl. § 141 Abs. 1 AktG).Näher dazu noch einmal unten.

Die Nichtigkeitsgründe sind in § 241 AktG sowie in §§ 250, 253 AktG aufgeführt. Bei allen anderen Mängeln ist die Anfechtung nach § 243 AktG einschlägig, die zum Gegenstand nicht die eigene Stimmabgabe des Aktionärs hat, sondern den Beschluss der Hauptversammlung.Insoweit ist die hiesige Anfechtung nicht mit der bürgerlich-rechtlichen der §§ 119 ff. BGB zu verwechseln. Die Anfechtungsbefugnis folgt aus § 245 AktG. Die Anfechtungsfrist ist gemäß § 246 Abs. 1 AktG kurz gefasst (innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung). Die Heilungsmöglichkeiten sind hier gemäß § 244 AktG weitreichender als bei den Nichtigkeitsgründen.

Die Beschlussmängelrechte des Aktienrechts haben (frühzeitig)Vgl. Hachenburg JW 1918, 16, 17; Pinner Leipziger Zeitschrift (LZ) 1914, 226, 229. zweifelhaften Ruhm durch sog. „räuberischeAktionäre erfahren: Da durch eine Anfechtungsklage die Gefahr besteht, dass unternehmerisch sinnvolle oder notwendige Maßnahmen über einen längeren Zeitraum hinweg blockiert werden, mithin Sachverhalte von erheblicher finanzieller Bedeutung für die Gesellschaft durch die Anfechtung betroffen sein können, hat die Anfechtungsklage einen „Lästigkeitswert“, den manche Aktionäre nutzten, um sich finanzielle Vorteile zu verschaffen. Solche missbräuchlichen Vorgehensweisen hat der Gesetzgeber im Jahr 2009 durch das Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) eingedämmt.Näher Florstedt AG 2009, 465 ff.

Beispiel: Gemäß § 241 Nr. 2 AktG führt ein Beschluss, der nicht nach Maßgabe des § 130 Abs. 2 S. 1 AktG beurkundet wurde (Niederschrift muss den Ort und der Tag der Verhandlung, der Name des Notars sowie die Art und das Ergebnis der Abstimmung und die Feststellung des Vorsitzenden über die Beschlussfassung enthalten), zur Nichtigkeit. Verstöße gegen den durch das ARUG eingefügten und nur für börsennotierte Gesellschaften geltenden § 130 Abs. 2 S. 2 AktG (u.a. Zahl der Aktien, für die gültige Stimmen abgegeben wurden) begründen hingegen nach dem klaren Wortlaut § 241 Nr. 2 AktG nicht (mehr) die Nichtigkeit.

Pflichten der Aktionäre

Aktionäre haben nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Zu der offensichtlichsten Pflicht zählt es, die versprochenen Sach- oder Bareinlagen zu leisten (§ 54 AktG). Bei der Gründung entsteht diese Pflicht durch die Übernahme der Aktien gemäß § 29 AktG, bei einer Kapitalerhöhung durch die Zeichnung der neuen Aktien (§ 185 AktG).

Aus dem Personengesellschaftsrecht sind Treuepflichten zwischen Gesellschaftern bekannt, die im Aktienrecht nur eine begrenzte Rolle spielen. Die AG hat nämlich einen eher anonymen Zuschnitt, so dass sich eine Rücksichtnahme auf Mitgesellschafter schwerer begründen lässt. Der BGH erkannte aber, dass konkrete Einwirkungsmöglichkeiten des einzelnen Gesellschafters auf die Rechtsposition der anderen an der AG beteiligten Aktionäre geben kann. So führte der II. Zivilsenat aus, bei der AG habe ein Mehrheitsgesellschafter die Möglichkeit, durch Einflussnahme auf die Geschäftsführung die gesellschaftsbezogenen Interessen der Mitgesellschafter zu beeinträchtigen, so dass als Gegengewicht die gesellschaftsrechtliche Pflicht zu fordern sei, auf diese Interessen Rücksicht zu nehmen.BGHZ 103, 184, 194 f. = NJW 1988, 1579, 1581 f. – Linotype. Mit der Möglichkeit zur Einwirkung korrespondiert also eine entsprechende Treupflicht, nur mit Rücksicht auf die Mitaktionäre von dieser Möglichkeit einen Gebrauch zu machen. Ein Verstoß gegen die Treuepflichten kann u.U. zu Schadens- oder Unterlassungsansprüchen führen.

Auch im Verhältnis zur AG kann es Treuepflichten geben, obgleich diese hier wiederum schwieriger zu begründen sind als bei Personengesellschaften, wo an den Gesellschaftsvertrag angeknüpft werden kann. Denn die Aktionäre erwerben bei börsennotierten AG die Anteile an der Börse, ohne von der Satzung näher Notiz zu nehmen.Grunewald/Müller, § 9 Rn. 41. Gleichwohl kann ausnahmsweise über § 242 BGB ein Gebot zur Treue bestehen, das etwa dann virulent wird, wenn der Aktionäre eine Anfechtungsklage mit reiner „Bereicherungsabsicht“ erhebt.Vgl. Bayer NJW 2000, 2609, 2613: „Rechtsmissbrauch“.

Organisation der AG

Wie dies bei Gesellschaften allgemein der Fall ist, kann eine AG ohne Organe keinen Willen bilden und nicht handeln. Prägend bei der AG ist die dreigliedrige Organisationsverfassung bestehend aus Vorstand (§§ 76 ff. AktG), Aufsichtsrat (§§ 95 ff. AktG) und Hauptversammlung (§§ 118 ff. AktG). Das Aktienrecht kennt hierbei keine Hierarchie zwischen den Organen; es gilt vielmehr eine Machtbalance.C. Schäfer, § 41 Rn. 1.

Die Zuständigkeiten der Organe folgen aus dem Gesetz (zur Erinnerung: § 23 Abs. 5 AktG). In Deutschland gilt dabei die Besonderheit des dualistischen Leitungssystems: Die Verwaltung der Gesellschaft ist getrennt, indem der Vorstand als Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan die unternehmerische Leitung der Gesellschaft übernimmt, während der Aufsichtsrat als Überwachungs-, Kontroll- und Beratungsorgan fungiert.Anders organisiert ist die Verwaltung im Board-System des US-amerikani­schen Aktienrechts. Dort existiert nur ein Leitungsorgan, das Board of Directors (= Verwaltungsrat); die Rede ist dann von dem monistischen Leitungssystem.

Der Vorstand

Als Vorstandsmitglieder kommen nur natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Personen in Betracht; dies stellt § 76 Abs. 3 S. 1 AktG ausdrücklich klar. Die Mitgliederzahl des Vorstandes wird nach Maßgabe des § 76 Abs. 2 AktG bestimmt; nähere Vorgaben zur Besetzung enthalten die Absätze 3a, 4 des § 76 AktG. Bestellungshindernisse sind in § 76 Abs. 3 S. 2 AktG niedergelegt. Vorstandsmitglieder müssen keine Anteilseigner sein; das folgt aus dem Grundsatz der Fremdorganschaft.C. Schäfer, § 41 Rn. 3.

Der Vorstand leitet die Gesellschaft gemäß § 76 AktGunter eigener Verantwortung“; er untersteht demnach keinem Weisungsrecht der Aktionäre. Auch die Geschäftsführung (Innenverhältnis) obliegt ihm gemäß § 77 AktG selbständig und unabhängig. Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, dann sind gemäß § 77 Abs. 1 AktG grundsätzlich sämtliche Vorstandsmitglieder gemeinschaftlich zur Geschäftsführung befugt (Kollegialprinzip); abweichende Satzungsbestimmungen sind möglich. Im Außenverhältnis vertritt der Vorstand die AG gerichtlich und außergerichtlich (§ 78 AktG). Es gilt hier der Grundsatz der Gesamtvertretung (§ 78 Abs. 2 S. 1 AktG), sofern die Satzung nicht etwas anderes bestimmt. Die Vertretungsbefugnis des Vorstands ist prinzipiell inhaltlich unbeschränkt und unbeschränkbar, § 82 Abs. 1 AktG. Dies hat zur Folge, dass ein Überschreiten der Geschäftsführungsbefugnisse – von wenigen Ausnahmefällen abgesehenSiehe dazu Bitter/Heim, § 3 Rn. 52. – zu einer wirksamen Verpflichtung der AG im Außenverhältnis führt, und die AG ist im Innenverhältnis auf Schadensersatzansprüche gegen den Vorstand wegen Sorgfaltspflichtverletzung verwiesen.

Organstellung und Anstellungsvertrag

Durch Bestellung wird die Organstellung des Vorstandsmitglieds begründet. Es handelt sich dabei um einen Akt der körperschaftlichen Selbstverwaltung.MüKoAktG/Spindler, 6. Aufl. 2023, § 84 Rn. 9. Zuständig ist gemäß § 84 AktG der Aufsichtsrat. Eine Bestellung erfolgt nach § 84 Abs. 1 S. 1 AktG auf max. fünf Jahre und die Amtszeit kann durch einen erneuten Aufsichtsratsbeschluss um bis zu fünf Jahre verlängert werden (S. 2).

Die Bestellung in das Amt kann von dem Aufsichtsrat vor Ablauf der Amtszeit nur aus wichtigem Grund widerrufen werden (§ 84 Abs. 4 AktG). Ratio hinter dieser Beschränkung ist es, die Unabhängigkeit des Vorstands nach § 76 AktG während der Dauer seines Amtes zu sichern.BeckOGK/Fleischer, 1.7.2023, AktG § 84 Rn. 131; MüKoAktG/Spindler, 6. Aufl. 2023, § 84 Rn. 166. Die Abberufungskompetenz des Aufsichtsrates darf auch nicht ausgeweitet werden, weil diese nicht der Kontrolltätigkeit dieses Organs entsprechen würde.Karsten Schmidt, § 28 II 2 c.

Die Handlungen und Entscheidungen fehlerhaft bestellter Organe sind wirksam und werden der Gesellschaft zugerechnet. Das jeweilige Mitglied ist nur mit ex nunc-Wirkung von seinem Amt zu entfernen (Lehre vom fehlerhaft bestellten Organ).Vgl. BGHZ 196, 195 = NJW 2013, 1535 Rn. 24.

Streng vom Organverhältnis zu unterscheiden ist der Anstellungsvertrag, durch den das Vorstandsmitglied schuldrechtlich verpflichtet wird, die Organstellung gegen Vergütung wahrzunehmen. Es handelt sich dabei um einen Dienstvertrag mit geschäftsbesorgungsrechtlichem Charakter iSd §§ 611, 675 BGB. Ein Arbeitsvertrag ist es nicht, denn es ist ja letztlich der Vorstand, der die Arbeitgeberfunktion in seiner Rolle als Organ wahrnimmt.C. Schäfer, § 41 Rn. 4. Zuständig für Abschluss und Kündigung des Anstellungsvertrages ist der Aufsichtsrat, §§ 84 Abs. 1 S. 5, 112 AktG. Rechtstechnisch wichtig zu sehen ist, dass das rechtliche Schicksal des Vertrages unabhängig ist von der Organstellung (sog. Trennungsprinzip); dies kann man u.a. an § 84 Abs. 4 S. 5 AktG festmachen. In der Regel wird aber der Widerruf der Bestellung zugleich als konkludente Kündigungserklärung hinsichtlich des Anstellungsvertrages auszulegen sein (§§ 133, 157 BGB analog).

Haftung

Hinsichtlich der Haftung des VorstandsmitgliedsAusführlich Nazari-Khanachayi, Die Haftung im Kapitalgesellschafts- und Konzernrecht, § 4 Rn. 156 ff. ist zwischen der Innenhaftung (Haftung gegenüber der AG) und der Außenhaftung (Haftung gegenüber Dritten) zu differenzieren.Eine Haftung gegenüber den Aktionären kommt, in Parallele zum Vereinsrecht, nicht in Betracht.

Innenhaftung

Durch die Bestellung zum Vorstandsmitglied entsteht die Pflicht zu einem ordnungsgemäßen Handeln für die AG. Der objektive Standard, der vom Vorstandsmitglied einzuhalten ist, entspricht dem Verhalten eines ordentlichen und gewissenhaften (§ 93 Abs. 1 S. 1 AktG) sowie sorgfältigen (§ 76 Abs. 1 AktG) Geschäftsleiters. Insbesondere hat er seine Entscheidungen an den Interessen des Unternehmens, der Aktionäre, der Arbeitnehmer und am Gemeinwohl auszurichten. Der für Geschäftsleiter erhöhte Maßstab ist insbesondere danach bestimmt, wie sich ein pflichtbewusster selbständig tätiger Leiter eines Unternehmens der konkreten Art, der nicht mit eigenen Mitteln wirtschaftet, sondern wie ein Treuhänder fremden Vermögensinteressen verpflichtet ist, zu verhalten hat.OLG Düsseldorf BeckRS 1997, 514 Rn. 92; OLG Köln BeckRS 2019, 21607 Rn. 11; MüKoAktG/Spindler, 6. Aufl. 2023, § 93 Rn. 25.

(1) Legalitätspflicht und Legalitätskontrollpflicht

Da diese Anforderungen letztlich vage bleiben, ist in § 93 Abs. 3 AktG eine nicht abschließende Aufzählung („namentlich“) von Pflichtverletzungen niedergelegt, bei denen eine Schädigung der AG vermutet wird (Katalogpflichtverletzungen). Im Übrigen ist fallabhängig zu entscheiden. Eine wichtige Rolle hierbei spielen zwei Pflichtenkreise der sog. Legalitätspflicht:Näher BeckOGK/Fleischer, 1.10.2023, AktG § 93 Rn. 19 ff.

  • Erstens besteht eine innere Pflichtenbindung: Die Vorstandsmitglieder sind zur Einhaltung aller gesellschaftsrechtlicher Verhaltensgebote verpflichtet. Hierunter fallen nicht nur diejenigen des niedergeschriebenen Aktienrechts, sondern auch die Satzungsbestimmungen und etwaige Geschäftsordnungen des Organs. Besonders wichtig ist, dass der satzungsgemäße Unternehmensgegenstand weder über- noch unterschritten werden darf.BGH NJW 2013, 1958 Rn. 16.

Beispiel:Nach BGH NJW 2013, 1958. Gegenstand des Unternehmens ist nach der Satzung der Betrieb einer Hypothekenbank im Sinne des Hypothekenbankgesetzes. 2001–2002 werden Zinsderivategeschäfte geschlossen, u.a. Zinsswap-Geschäfte und Forward-Rate-Agreements, deren Volumen das Volumen der originären Hypothekenbankgeschäfte (Bilanzgeschäfte) weit übersteigen. Diese Derivatgeschäfte dienten nicht der Absicherung von Zinsrisiken aus dem Hauptgeschäft, sondern waren Spekulationsgeschäfte.

  • Zweitens existiert eine externe Pflichtenbindung: Im Außenverhältnis müssen die Vorstandsmitglieder sämtliche Rechtsvorschriften einhalten, die das Unternehmen als Rechtssubjekt treffen.BGHZ 194, 26 Rn. 22 = NJW 2012, 3439. Ein rechtswidriges Verhalten im Außenverhältnis ist nach hM zugleich eine Pflichtverletzung im Innenverhältnis.BGH NJW 2011, 88, Rn. 37. Dieser Pflichtenkreis soll nach teilweise vertretener Ansicht dermaßen weit abgesteckt sein, dass anerkannte Grundsätze der Geschäftsmoral beachtlich sein sollen (u.a. aus Gründen des Reputationsmanagements).Näher BeckOGK/Fleischer, 1.10.2023, AktG § 93 Rn. 30 iVm 31. Das Verletzungsverhalten muss allerdings einen Bezug zu den Organaufgaben aufweisen. Eine Obhutspflichtverletzung, die kein Gegenstand einer Organaufgabe ist, ist nicht haftungsrelevant.U. H. Schneider, FS Werner, 1984, S. 795, 813.

Die Legalitätspflicht wird flankiert von der Verantwortung des Vorstandes, mittels geeigneter Maßnahmen für regeltreues Verhalten auf den nachgeordneten Unternehmensebenen zu sorgen (Legalitätskontrollpflicht).Arnold ZGR 2014, 76, 79; Fleischer NZG 2014, 321, 322. Der Vorstand hat mithin Risikovorsorge- und Überwachungspflichten umzusetzen, insbesondere muss er durch eine geeignete Compliance-Organisation sicherstellen, dass etwaige Rechtsübertretungen bestenfalls verhindert werden; liegt ein Rechtsverstoß vor, dann muss durch eine geeignete Aufbau- und Ablauforganisation sichergestellt sein, dass der Verstoß effektiv abgestellt wird und etwaige Erkenntnisse aus der Übertretung in die Verbesserung der Compliance-Organisation einfließen.

Die Vorstandsmitglieder sind darüber hinaus organschaftlichen Treue- und Loyalitätspflichten unterworfen.Im Abriss Nazari-Khanachayi, Die Haftung im Kapitalgesellschafts- und Konzernrecht, § 4 Rn. 167 f. Hierzu zählt es, dass sie gemäß § 88 AktG einem Wettbewerbsverbot unterliegen und nach der sog. Geschäftschancenlehre dürfen sie etwaige Geschäftschancen der Kapitalgesellschaft nicht vereiteln und nicht an sich ziehen.Siehe u.a. Fleischer AG 2000, 309, 315; die Geschäftschancenlehre hat die Rspr. auch für die GbR anerkannt, vgl. BGH NZG 2013, 216. Auch die Verschwiegenheitspflicht des § 93 Abs. 1 S. 3 AktG ist eine Ausprägung der Treue- und Loyalitätspflichten.

(2) Fehlerhaftigkeit der Geschäftsführung

Vorstandsmitglieder, die ihre Pflichten durch fehlerhafte Geschäftsführung verletzen, sind gemäß § 93 Abs. 2 AktG der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet. Der Vorwurf einer Pflichtverletzung erscheint jedoch im Zusammenhang mit unternehmerischen Entscheidungen oftmals fragwürdig. Solche Entscheidungen sind aufgrund ihrer Zukunftsbezogenheit typischerweise mit hoher Unsicherheit belastet (Prognoserisiken). Dem Vorstand darf nicht zu vorschnell ein schuldhaftes Verhalten vorgeworfen werden, wenn sich ein solches Prognoserisiko verwirklicht. Ihm muss in der Konsequenz ein großer Handlungsspielraum (also Ermessen) eingeräumt werden, denn andernfalls wäre unternehmerisches Handeln schlichtweg undenkbar. Deshalb ist nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG eine Pflichtverletzung ausgeschlossen, wenn das Vorstandsmitglied vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln (sog. Business Judgement Rule). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung ist der Augenblick der unternehmerischen Entscheidung.

Beispiel:Vgl. Bitter/Heim, § 3 Rn. 63. Die Vorstandsmitglieder des Mobilfunkunternehmens M sind entschlossen, sich um den Erwerb von Mobilfunklizenzen (UMTS) zu bemühen und bieten in einer Versteigerung erfolgreich mehrere Milliarden Euro. Sofern diese Investitionsentscheidung ex ante erfolgversprechend war, kann der Vorstand nicht auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden, wenn sich – etwa aufgrund eines unerwartet veränderten Marktumfelds – mit den Lizenzen weniger Geld verdient werden kann als ursprünglich erwartet.

Der Vorrang der organschaftlichen Legalitätspflicht gilt uneingeschränkt. Es existieren insoweit keine „nützlichen“ Pflichtverletzungen. Eine Theorie des effizienten Gesetzesbruchs wird nach allgemeiner Meinung nicht anerkannt.Fleischer ZIP 2005, 141, 146.

Eine Haftung nach § 93 AktG scheidet aus, wenn das Vorstandsmitglied keine spezifische Pflicht als Organwalter der Gesellschaft verletzt hat.Vgl. OLG Zweibrücken NJW 2023, 1589 Rn. 19 (zur GmbH, für die AG entsprechend relevant); BeckOGK/Fleischer, 1.10.2023, AktG § 93 Rn. 244. Besteht bei der Pflichtverletzung kein Sachzusammenhang mit den dienstlichen Pflichten, sondern ist diese „bei Gelegenheit“ der Geschäftsführung begangen worden, die ebenso gut ein Dritter hätte begehen können, dann ist es nicht gerechtfertigt, den strengeren Haftungsmaßstab des § 93 Abs. 2 AktG anzuwenden. Vielmehr ist dann der allgemeine Sorgfaltsmaßstab des § 276 BGB einschlägig, der für etwaige Verletzungen der aus dem Anstellungsvertrag folgenden Pflichten wie auch für § 823 BGB relevant ist.OLG Zweibrücken NJW 2023, 1589 Rn. 37.

Beispiel 1: Die Fahrt mit dem Dienstwagen, die in einem Unfall endet.

Beispiel 2:Nach OLG Zweibrücken NJW 2023, 1589 (zur GmbH, für die AG entsprechend relevant). Vorstandsmitglied V der V-AG fällt auf Phishing-Mails herein und überweist knapp 250.000 EUR an einen vermeintlichen Geschäftspartner in Südkorea. Die Phishing-E-Mails nahmen in schlüssiger Weise auf die bisherige Kommunikation mit der V-AG Bezug. Die verwendete E-Mail-Adresse des Betrügers hatte eine minimal veränderte Absenderadresse („@w…flim.com“ statt „@w…film.com“).

Lösungshinweise: Hier kommt eine Pflichtverletzung aus dem Anstellungsverhältnis und eine Innenhaftung aus § 280 Abs. 1 BGB mit dem Sorgfaltsmaßstab des § 276 BGB in Betracht, während § 93 Abs. 2 AktG nicht einschlägig ist: Solche Zahlungen löst üblicherweise die Buchhaltung einer Gesellschaft aus und die Pflichtverletzung hat somit keinen spezifischen Bezug zur Organstellung des V, sondern sie hätte gleicherweise von einem Dritten begangen werden können. Da die Haftung des V aus dem Anstellungsverhältnis folgt, ist eine Haftungsmilderung in analoger Anwendung der arbeitsrechtlichen Grundsätze zur Haftung von Arbeitnehmern im Rahmen eines innerbetrieblichen Schadensausgleichs zu erwägen.Dafür OLG Zweibrücken NJW 2023, 1589 Rn. 42 (zur GmbH, für die AG entsprechend relevant).

Jedes Vorstandsmitglied muss mit Mindestkenntnissen und -fähigkeiten für sein Amt ausgestattet sein und es kann seine Kompetenzverantwortung nicht laufend auf einen Außenstehenden zur selbständigen Erledigung auslagern oder bei der eigenen Aufgabenwahrnehmung einen „ständigen Berater“ einschalten.BGHZ 85, 293, 295 ff. = NJW 1983, 991 f. – Hertie (zur Sachverständigenhinzuziehung durch ein Aufsichtsratsmitglied). Fehlt dem Organmitglied allerdings die gesetzlich vorausgesetzte Sachkompetenz im Einzelfall, entsteht die Pflicht, externen Rat einzuholen.BGHZ 85, 293, 295 ff. = NJW 1983, 991 f. – Hertie; OLG Stuttgart NZG 2010, 141, 143. Insbesondere im Zusammenhang mit rechtlichen Zweifelsfragen ist es üblich, Rechtsrat einzuholen (zum Beispiel sind komplizierte Strukturmaßnahmen in einer börsennotierten AG ohne qualifizierten Rat undenkbar). Wählt der Vorstand eine geeignete Auskunftsperson und legt es seiner Entscheidung den erteilten Rat vertretbar zugrunde, scheidet eine Haftung wegen eines unvermeidbaren Rechtsirrtums aus: Nach h.M. fehlt es am Verschulden,BGH NZG 2012, 672, Rn. 16; OLG Stuttgart NZG 2010, 141, 143 f.; Florstedt NZG 2017, 601, 605; Krieger ZGR 2012, 496, 497. nach anderer Auffassung ist auf der Pflichtenebene anzusetzen und eine Sorgfaltspflichtverletzung zu verneinen.Fleischer ZIP 2009, 1397, 1405; Sander/Schneider ZGR 2013, 725, 730 ff. Nach den sog. ISION-Kriterien ist eine Haftungsverantwortung des Organs unter folgenden Voraussetzungen ausgeschlossen: (i) umfassende Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen; Einbeziehung eines (ii) unabhängigen, für die zu klärende Frage (iii) fachlich qualifizierten Berufsträger; die erteilte Rechtsauskunft muss (iv) einer sorgfältigen Plausibilitätskontrolle unterzogen worden sein.

Abgesehen von diesen in der Rspr. anerkannten Grundsätzen können keine Haftungsmilderungen anerkannt, insbesondere können solche nicht im Anstellungsvertrag vereinbart werden. Hintergrund ist, dass die Aktiengesellschaft als Publikumsgesellschaft angelegt ist mit einem ständigen Wechsel der Gesellschafter; dadurch vermindert sich die Chance einer angemessenen Kontrolle und die treuhänderische Bindung der Vorstandsmitglieder rückt stärker ins Zentrum.U. H. Schneider, FS Werner, 1984, S. 795, 812.

Gemäß § 120 AktG beschließt die Hauptversammlung über die Entlastung des Vorstandes. Durch eine solche Entlastung billigt sie die Verwaltung des Vorstandes als (im Großen und Ganzen) gesetz- und satzungsmäßig. Die Entlastung der Hauptversammlung ist allerdings kein Verzicht auf Schadensersatzansprüche gegen den Vorstand (§ 120 Abs. 2 S. 2 AktG). Gemäß § 93 Abs. 4 S. 1 AktG ist die Haftung nur bei jenen Handlungen ausgeschlossen, die auf einem gesetzmäßigen Hauptversammlungsbeschluss beruhen (§ 93 Abs. 4 S. 1 AktG).

(3) Darlegungs- und Beweislast

Die Gesellschaft ist lediglich Darlegungs- und Beweislast für den Eintritt und die Höhe eines Schadens sowie eines Vorstandsverhaltens (Tun oder Unterlassen), das für den Schaden adäquat-ursächlich war. Beweisbelastet hinsichtlich der Einhaltung des Verantwortungsmaßstabs oder eines fehlenden Verschuldens ist der Geschäftsleiter (§ 93 Abs. 2 S. 2 AktG). Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich der Anforderungen der Business Judgement Rule.BGH AG 2011, 378 Rn. 19 ff.

(4) Rechtsfolge und Durchsetzung

Die Haftung nach § 93 AktG begründet einen Schadensersatzanspruch. Die Ersatzfähigkeit des Schadens bestimmt sich nach den §§ 249 ff. BGB. Die Berufung auf ein Mitverschulden anderer Organmitglieder ist nicht möglich. In der Regel ist der Anspruch auf eine Geldzahlung gerichtet.

Grundsätzlich ist der Aufsichtsrat für die Durchsetzung solcher Schadensersatzansprüche der Gesellschaft zuständig (§ 112 AktG). Darüber hinaus kann die Hauptversammlung gemäß § 147 AktG die Durchsetzung der Ersatzansprüche erzwingen. Weiterhin besteht gemäß § 148 AktG ein Verfolgungsrecht für eine Minderheit von Aktionären, sofern diese Minderheit mindestens entweder zu 1 % des Grundkapitals oder mit einem anteiligen Nennbetrag von 100.000 EUR beteiligt ist.

Außenhaftung

§ 93 AktG begründet weder unmittelbar selbst eine Haftung gegenüber Dritten noch über § 823 Abs. 2 BGB, da es sich dabei nicht um ein Schutzgesetz handelt.BGHZ 194, 26 = NJW 2012, 3439 Rn. 22 ff. Insbesondere ergibt sich nicht allein aus der Stellung als Mitglied des Vorstands einer AG eine Garantenpflicht gegenüber außenstehenden Dritten, eine Schädigung ihres Vermögens zu verhindern.BGHZ 194, 26 = NJW 2012, 3439 (Leitsatz). Die Verpflichtung der Vorstandsmitglieder, dafür zu sorgen, dass sich die Gesellschaft rechtmäßig verhält und ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachkommt (Legalitätspflicht, s.o.), betrifft allein das Innenverhältnis. Eine Außenhaftung des Mitglieds des Vorstands einer AG kommt deshalb nur in begrenztem Umfang auf Grund besonderer Anspruchsgrundlagen in Betracht, etwa gemäß § 823 BGB oder § 826 BGB dann, wenn das Organmitglied den Schaden durch eine unerlaubte Handlung unmittelbar selbst herbeigeführt hat.BGHZ 194, 26 = NJW 2012, 3439 Rn. 24 mwN. Wegen der Relativität der Schuldverhältnisse ist zu beachten, dass ein Vertrag zwischen dem Gläubiger und der AG grundsätzlich nicht Anknüpfungspunkt für etwaige deliktsrechtlich relevante Treuepflichten des Vorstandsmitglieds gegenüber dem Gläubiger sein kann.BGH NJW 2019, 2164 Rn. 11 ff. (dort zur GmbH, aber übertragbar).

Beispiel:Nach BGHZ 166, 84 = NJW 2006, 830 (vereinfacht). K ist Gründer und Namensgeber der seinerzeit im nationalen und internationalen Mediengeschäft tätigen Medienunternehmens K-Gr. K ist für den Betrieb von K-Gr. seit geraumer Zeit auf Kredite in dreistelliger Millionenhöhe von der D-Bank-AG angewiesen. Als das Unternehmen in finanzielle Nöte gerät und dies durch verschiedene Zeitungsberichte öffentlich wird, äußert der Vorstandssprecher (B) der D in einem Fernsehinterview, es sei angesichts der Medienberichte fraglich, ob die D durch neue Kredite weiterhelfen werde.

„Fragen wir mal anders: K. hat sehr, sehr viele Schulden, sehr hohe Schulden. Wie exponiert ist die D-Bank-AG?”

„Relativ komfortabel, würde ich mal sagen, denn – das ist bekannt und da begehe ich keine Indiskretion, wenn ich das erzähle – der Kredit, den wir haben, ist 1. zahlenmäßig nicht einer der größten, sondern relativ im mittleren Bereich und 2. voll gesichert durch ein Pfandrecht auf Ks Aktien am Springer-Verlag. Uns kann also eigentlich nichts passieren, wir fühlen uns gut abgesichert…“

„Die Frage ist ja, ob man mehr ihm hilft, weiter zu machen.“

„Das halte ich für relativ fraglich. Was alles man darüber lesen und hören kann ist ja, dass der Finanzsektor nicht bereit ist, auf unveränderter Basis noch weitere Fremd- oder gar Eigenmittel zur Verfügung zu stellen…“

Diese Bemerkungen haben zur Folge, dass auch andere Banken dem K die dringend benötigten Darlehen verweigern. Das Medienunternehmen bricht zusammen. K möchte nun wissen, ob er den B persönlich auf Schadensersatz in Anspruch nehmen kann.

Lösungshinweise: Vertragliche oder quasi-vertragliche Ansprüche sind nicht ersichtlich, so dass nur deliktische Tatbestände in Betracht kommen. § 824 Abs. 1 BGB muss ausscheiden, da B keine unzutreffenden Tatsachen behauptet oder verbreitet hat. § 823 Abs. 2 BGB führt mangels einschlägigen Schutzgesetzes ebenfalls nicht zu einem Anspruch. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB ist nur unter dem (umstrittenen) Institut des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als geschütztes Rechtsgut denkbar. Da die Äußerungen des B die Kreditwürdigkeit des K unmittelbar beeinträchtigten, weil sie Geschäftsbeziehungen des Unternehmens zu anderen Banken und Kreditgebern belasteten, können sie als unmittelbarer betriebsbezogener Eingriff in den Gewerbebetrieb subsumiert werden. Ob dieser Eingriff allerdings auch rechtswidrig erfolgte, ist fragwürdig. Denn die Äußerungen des B sind von der Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) gedeckt; zudem enthalten sie, soweit sie sich auf die Medienberichte beziehen, wahre Tatsachenbehauptungen. Das Recht der freien Meinungsäußerung findet nach Art. 5 Abs. 2 GG zwar seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, zu denen auch § 823 BGB gehört. Dieser muss aber im Lichte der Bedeutung der Meinungsfreiheit gesehen und so interpretiert werden, dass der besondere Wertgehalt des Rechts der freien Meinungsäußerung auf jeden Fall gewahrt bleibt.BGHZ 166, 84 = NJW 2006, 830 Rn. 99. Vor diesem Hintergrund ist die Rechtsverletzung – trotz der exponierten Stellung des B und seines Ansehens in der Branche – nicht rechtswidrig. Wollte man dies anders sehen, würden D wegen ihrer Bedeutung in der deutschen Kreditwirtschaft und B wegen seiner Stellung als Vorstandssprecher und seines Ansehens in Bank- und Wirtschaftskreisen das Recht abgesprochen bekommen, eine „Meinung zu einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage öffentlich zu äußern, ohne durch vertragliche Loyalitätspflichten gebunden zu sein, und […] damit von der Teilnahme an der laufenden öffentlichen Diskussion [ausgeschlossen werden], obwohl […] in einer Demokratie gerade Äußerungen sachkompetenter und im Licht der Öffentlichkeit stehender Persönlichkeiten und Entscheidungsträger wichtig sind.“BGHZ 166, 84 = NJW 2006, 830 Rn. 105.

Der praktisch wichtigste Fall einer deliktischen Haftung eines Vorstandsmitglieds ist akut, wenn der Vorstand trotz Insolvenzreife der AG einen entsprechenden Antrag nach § 15a Abs. 1 S. 1 InsO nicht stellt; denn § 15a Abs. 1 S. 1 InsO ist ein Schutzgesetz.Bitter/Heim, § 3 Rn. 70.

Der Aufsichtsrat

Als Mitglied des Aufsichtsrats gewählt werden können gemäß § 100 Abs. 1 S. 1 AktG nur natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Personen; besondere Ausschlusstatbestände normiert § 100 Abs. 2 AktG. Damit eine Kontrolle des Vorstandes tatsächlich stattfinden kann, ist die Zugehörigkeit eines Aufsichtsrechtsmitglieds zum Vorstand gemäß § 105 Abs. 1 AktG rechtlich unvereinbar. Die Aufsichtsratsmitglieder werden gemäß § 102 Abs. 1 S. 1 AktG auf bis zu vier Jahre gewählt. Weil aber gemäß § 102 Abs. 1 S. 2 AktG das Geschäftsjahr, in dem die Amtszeit beginnt, nicht mitgerechnet wird (§ 102 Abs. 1 S. 2 AktG), kann die Amtszeit faktisch fünf Jahre betragen. Die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder und die Zusammensetzung bestimmen sich nach den §§ 95 f. AktG. Zu der inneren Ordnung des Aufsichtsrats halten die §§ 107 ff. AktG Regelungen vor. Nach näherer Bestimmung durch die Satzung hat der Aufsichtsrat aus seiner Mitte einen Vorsitzenden und mindestens einen Stellvertreter zu wählen (§ 107 Abs. 1 S. 1 AktG).

Die Aufsichtsratsmitglieder können für ihre Tätigkeit eine Vergütung erhalten; diese ist entweder in der Satzung festgesetzt oder von der Hauptversammlung bewilligt (§ 113 AktG).

Aufgaben

Wie bereits skizziert, ist der Aufsichtsrat für die Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder zuständig (§ 84 AktG); zudem schließt er den Anstellungsvertrag mit den Vorstandsmitgliedern ab. Im Rahmen dieser Personalkompetenz entscheidet der Aufsichtsrat weiterhin über die Bezüge der Vorstandsmitglieder nach Maßgabe der §§ 87, 87a AktG.Berücksichtige darüber hinaus das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG), BGBl I 2009, 2509. Er vertritt die Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern gerichtlich und außergerichtlich gemäß § 112 AktG – insbesondere im Zusammenhang mit Schadensersatzansprüchen gemäß § 93 AktG. Nach den im ARAG/Garmenbeck-UrteilBGHZ 135, 244 = NJW 1997, 1926– ARAG/Garmenbeck. ausbuchstabierten Grundsätzen hat der Aufsichtsrat sogar die Pflicht, das Bestehen von Schadensersatzansprüchen der AG gegenüber Vorstandsmitgliedern eigenverantwortlich zu prüfen. Kommt der Aufsichtsrat im Rahmen dieser Prüfung zu dem Ergebnis, dass sich der Vorstand schadensersatzpflichtig gemacht hat, so muss er auf Grundlage einer sorgfältigen und sachgerechten Risikoanalyse abschätzen, ob und in welchem Umfang die gerichtliche Geltendmachung zu einem Ausgleich des entstandenen Schadens führt (Gewissheit über die Erfolgsaussichten der Schadensersatzklage wird nicht verlangt).BGHZ 135, 244 = NJW 1997, 1926 (3. Leitsatz) – ARAG/Garmenbeck Ist die Prognose positiv, so muss er den Schadensersatzanspruch gerichtlich verfolgen.

Wie aus § 111 Abs. 1 AktG folgt, besteht die Hauptaufgabe des Aufsichtsrats darin, die Geschäftsführung des Vorstands zu überwachen; es ist also das Kontrollorgan der Gesellschaft. Die Überwachungsaufgabe ist zudem nicht auf eine Rechtmäßigkeitskontrolle beschränkt; es ist auch die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit des Vorstandshandelns zu überwachen.C. Schäfer, § 41 Rn. 17. Es würde zudem wenig der Realität entsprechen, den Aufsichtsrat auf eine nachträgliche Kontrolle zu beschränken. Zwischen Kontrolle und Beratung besteht eine Wechselbeziehung, insbesondere soweit Fragen der zweckmäßigen und wirtschaftlichen Geschäftspolitik betroffen sind. Deswegen obliegt es dem Aufsichtsrat nach allgemeiner Auffassung, dem Vorstand im Hinblick auf künftige geschäftspolitische Entscheidungen beratend zur Seite zu stehen.MHdB GesR, Band IV/Hoffmann-Becking, § 29 Rn. 51. Nicht möglich ist es allerdings, Maßnahmen der Geschäftsführung auf den Aufsichtsrat zu übertragen (§ 111 Abs. 4 S. 1 AktG).

Gemäß § 171 AktG prüft der Aufsichtsrat den Jahresabschluss und stellt diesen gemäß § 172 AktG gemeinsam mit dem Vorstand fest, sofern nicht bestimmt ist, die Feststellung der Hauptversammlung zu überlassen.

Ausschüsse

In praxi von besonderer Bedeutung bei größeren Gesellschaften ist die Möglichkeit, aus der Mitte des Aufsichtsrats einen oder mehrere Ausschüsse zu bestellen, namentlich, um seine Verhandlungen und Beschlüsse vorzubereiten oder die Ausführung seiner Beschlüsse zu überwachen (§ 107 Abs. 3 S. 1 AktG). Gemäß § 107 Abs. 3 S. 2 AktG kann der Aufsichtsrat insbesondere einen Prüfungsausschuss bestellen, der sich mit der Überwachung des Rechnungslegungsprozesses, der Wirksamkeit des internen Kontrollsystems, des Risikomanagementsystems und des internen Revisionssystems sowie der Abschlussprüfung, der Qualität der Abschlussprüfung und der vom Abschlussprüfer zusätzlich erbrachten Leistungen befasst.

Haftung

Bei nicht ordnungsgemäßer Ausführung seiner Aufgaben haftet der Aufsichtsrat im Verhältnis zur Gesellschaft gemäß § 116 AktG iVm § 93 AktG auf Schadensersatz. Wie das Gesetz deutlich macht, gilt § 93 AktG lediglich „sinngemäß“ (§ 116 S. 1 AktG). Hintergrund ist, dass den unterschiedlichen Kompetenzen zwischen Vorstand und Aufsichtsrat im Rahmen der (Sorgfalts-)Anforderungen angemessen Rechnung zu tragen ist: Aufgabe des Aufsichtsrates ist es gerade nicht, die AG zu leiten, sondern die Geschäftsführung zu überwachen und zu beraten.

Gesetzlich normierte Beispiele für Haftungstatbestände im AktG sind § 116 Abs. 1 S. 3 AktG (unangemessene hohe Bezüge zugunsten des Vorstands festgesetzt) oder § 87 Abs. 2 AktG (Nichtherabsetzung der Bezüge trotz schlechterer Lage der Gesellschaft). Weiterhin ist der Aufsichtsrat gemäß § 15a Abs. 3 InsO zur Stellung des Insolvenzantrags bei Führungslosigkeit der Gesellschaft verpflichtet; ein Verstoß hiergegen löst ebenfalls die Innenhaftung aus. Darüber hinaus ist der Aufsichtsrat offensichtlich schadensersatzpflichtig, wenn er bestehende Schadensersatzansprüche gegen ein Vorstandsmitglied nicht verfolgt. Der II. Zivilsenat des BGH hat dabei klargestellt, dass die Verjährung des Schadensersatzanspruchs der AG gegen ein Aufsichtsratsmitglied gemäß §§ 116 S. 1, 93 Abs. 2, 6 AktG wegen Verjährenlassens von Ersatzansprüchen der Gesellschaft gegen ein Vorstandsmitglied gemäß § 200 S. 1 BGB mit dem Zeitpunkt der Verjährung des Ersatzanspruchs der Gesellschaft gegen das Vorstandsmitglied beginnt.BGHZ 219, 356 = NZG 2018, 1301 (1. Leitsatz).

Die Hauptversammlung

In der Hauptversammlung üben die Aktionäre ihre Rechte in Angelegenheiten der Gesellschaft aus (§ 118 AktG); sie ist damit der „Sitz der Aktionärsdemokratie“.

Bei Abstimmungen in der Hauptversammlung gilt im Grundsatz das Prinzip der einfachen Stimmenmehrheit (§ 133 AktG). Abweichendes ist gemäß § 179 Abs. 2 AktG für Satzungsänderungen bestimmt: hier ist eine Mehrheit von drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals erforderlich. In Ausnahmefällen erfordert das Gesetz eine qualifizierte Mehrheit der abgegebenen Stimmen (vgl. etwa §§ 103 Abs. 1 S. 2, 111 Abs. 4 S. 3 AktG). Diese Mehrheit ist nicht nach Köpfen, sondern nach Kapitalbeträgen zu bemessen, denn das Stimmrecht wird nach den Aktiennennbeträgen, bei Stückaktien nach der Zahl ausgeübt (§ 134 Abs. 1 S. 1 AktG).Näher unten.

Kompetenzen

Wie oben bereits ausgeführt, ist das Aktienrecht von der Idee der Machtbalance geprägt. Deshalb besteht keine Allzuständigkeit der Hauptversammlung. Vielmehr ist sie nur in den im Gesetz und in der Satzung ausdrücklich bestimmten Fällen zur Entscheidung berufen. Die Kompetenzen der Hauptversammlung betreffen in der Regel sog. Grundlagengeschäfte und sie folgen grundsätzlich aus dem Katalog des § 119 Abs. 1 AktG, teils aber (in Sondersituationen) auch aus anderen Vorschriften des Aktienrechts (vgl. §§ 182 ff., § 293 Abs. 1 S. 1 AktG oder § 327a AktG) oder aus anderen Gesetzen (s. zB § 193 UmwG).

Der Vorstand führt, wie gesehen, die Geschäfte der Aktiengesellschaft gemäß § 76 AktG eigenverantwortlich. Deshalb steht es der Hauptversammlung grundsätzlich nicht zu, über Geschäftsführungsmaßnahmen zu befinden. Etwas anderes gilt allerdings, wenn der Vorstand eine Maßnahme der Geschäftsführung der Hauptversammlung zur Entscheidung vorgelegt hat (vgl. § 119 Abs. 2 AktG). Hintergrund dieser Vorlageentscheidung wird das Bestreben des Vorstands sein, Haftungsrisiken zu minimieren, indem ihm dann die Möglichkeit offensteht, sich auf den Ausschlusstatbestand des § 93 Abs. 4 S. 1 AktG zu berufen. „Kehrseite“ der Medaille (aus Vorstandssicht) ist freilich, dass die Maßnahme der Hauptversammlung gemäß § 83 Abs. 2 AktG umzusetzen ist.

Ungeschriebene Mitwirkungskompetenzen

Eine praktisch wichtige Fragestellung ist, inwieweit über die im Gesetz ausdrücklich festgeschriebenen Zuständigkeiten hinaus auch ungeschriebene Kompetenzen der Hauptversammlung bestehen. Solche Kompetenzen hat der II. Zivilsenat des BGH im vielbeachteten Holzmüller-Urteil 1982 im Grunde anerkannt.BGHZ 83, 122 = NJW 1982, 1703 – Holzmüller.

Beispiel: Die beklagte AG betrieb neben einem Handel einen Seehafen. Der Seehafen war ein florierender Unternehmensteil, sogar das „Herzstück“ des Unternehmens. Diesen Unternehmensteil gliederte die AG auf eine 100%ige Tochtergesellschaft (KGaA) aus, ohne die Maßnahme vorab der Hauptversammlung zur Entscheidung vorzulegen. Klägerseitig wurde u.a. beantragt: festzustellen, dass die Einbringung des Seehafenbetriebs in das Vermögen der Tochtergesellschaft nichtig sei; hilfsweise, die Bekl. zur Rückübertragung des Seehafenbetriebs zu verurteilen; hilfsweise festzustellen, dass die beklagte AG verpflichtet sei, insbes. bei Kapitalerhöhungsmaßnahmen in der Tochtergesellschaft, die Zustimmung der Hauptversammlung der Bekl. mit der dort nach dem Gesetz erforderlichen Mehrheit einzuholen. Der Kläger hatte dabei zwei Dinge gerügt: Erstens läge eine Vermögensübertragung iSd § 361 AktG a.F. vor, die eine Hauptversammlungsbeteiligung erfordere. Zweitens sei die Ausgliederung eines wesentlichen Unternehmensteils eine strukturändernde Maßnahme.

Lösungshinweise: Eine Beschlusskompetenz der Hauptversammlung folgte nicht aus § 361 AktG a.F. (heute § 179a AktG), weil keine Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens stattfand, insbesondere deswegen nicht, weil das zurückbehaltene Betriebsvermögen ausreichte, um das in der Satzung festgelegte Unternehmensziel weiterhin zu verfolgen. Eine analoge Anwendung des § 179a AktG auf einen wesentlichen Unternehmensteil oder auf den Schwerpunkt sei aus Gründen der Rechtssicherheit nicht angezeigt (jeweils Ziff. I. 2. a) des Urteils). Allerdings bestehe dort, wo die Maßnahme einem im Gesetz geregelten Sachverhalt dermaßen nahekommt, ausnahmsweise die Pflicht des Vorstandes, von der Möglichkeit des § 119 Abs. 2 AktG Gebrauch zu machen (Ziff. I. 2. c).Ablehnend gegenüber dieser Begründung, iÜ das Urteil aber grundsätzlich befürwortend Karsten Schmidt, § 28 V 2 b. Insbesondere in den Fällen, in denen ein Eingriff „tief in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse“ vorliege – hier: Kernbereich der Unternehmenstätigkeit –, handele der Vorstand sorgfaltspflichtwidrig, wenn er die Hauptversammlung nicht beteilige. Im Außenverhältnis bleibe indes die Maßnahme gemäß § 82 Abs. 1 AktG wirksam (Ziff. I. 2. d). Da aber durch die Ausgliederung des substanz- und ertragsmäßig bei weitem wertvolleren Teil des Unternehmens die Aktionärsrechte in der Obergesellschaft erheblich verkürzt werden und die Gefahr bestehe, dass der Vorstand als Alleinaktionär in der Hauptversammlung der Tochtergesellschaft die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre durch eigenmächtiges Handeln vollends aushöhle, müsse bei bedeutsamen Entscheidungen in der Tochtergesellschaft die Zustimmung der Hauptversammlung der Obergesellschaft eingeholt werden (Ziff. III.) – nämlich in der Form, wie sie auch einschlägig wäre, wenn es sich um eine Angelegenheit der Obergesellschaft gehandelt hätte. Insbesondere bei einer Kapitalerhöhungsmaßnahme in der Tochtergesellschaft sei eine solche Beteiligung der Hauptversammlung in der Obergesellschaft erforderlich (Ziff. IV.).

Weitere Konkretisierungen dieser Rechtsprechung zu den strukturändernden Maßnahmen folgten viele Jahre nach Holzmüller in den Urteilen „Gelatine I und II“.BGHZ 159, 30 = NJW 2004, 1860; BGH NZG 2004, 575. Gegenstand dieser Entscheidungen waren Umstrukturierungen im Konzern. Die Mediatisierung (oder Verwässerung) von Aktionärsrechten sei ein ausreichender Grund, eine Kompetenz der Hauptversammlung zu begründen (zB durch Verlagerung von Unternehmensteilen auf eine nachgelagerte Konzernebene). Relevant werden könne dabei auch eine Verlagerung von der Tochterebene auf die Enkelebene, obgleich schon bis dahin der Aktionärseinfluss auf die Tochtergesellschaften bereits stark relativiert war. Einschränkend sei allerdings zu fordern, dass der fragliche Unternehmensteil einen wesentlichen Anteil am Gesamtkonzern ausmacht (ca. 80 %).Siehe C. Schäfer, § 41 Rn. 27. Bemerkenswert ist an Gelatine I und II, dass der II. Zivilsenat sein Ergebnis einer „offenen Rechtsfortbildung“ entnimmt – mithin § 119 Abs. 2 AktG nicht mehr bemühte.

Einberufung und Durchführung

Die Hauptversammlung wird in den durch Gesetz oder Satzung bestimmten Fällen sowie dann, wenn es das Wohl der Gesellschaft verlangt (§ 121 Abs. 1 AktG), durch den Vorstand einberufen (§ 121 Abs. 2 AktG). Die Einberufung hat die Angaben des § 121 Abs. 3 AktG zu enthalten und sie muss die Frist des § 123 Abs. 1 AktG einhalten. Sie ist nach § 120 Abs. 1 AktG mind. einmal jährlich abzuhalten (sog. ordentliche Hauptversammlung). In den anderen Fällen ist von einer außerordentlichen Hauptversammlung die Rede, beispielsweise auch dann, wenn der Aufsichtsrat nach Maßgabe des § 111 Abs. 3 AktG eine Hauptversammlung einberuft. Aus dem Kreis der Aktionäre kann die Hauptversammlung unter den Voraussetzungen des § 122 AktG einberufen werden (Antrag von Aktionären, deren Anteile zusammen den 5 % des Grundkapitals erreicht oder wenn oder sie den anteiligen Betrag von 500.000 EUR erreichen).

Zur Teilnahme an der Hauptversammlung sind grundsätzlich alle Aktionäre berechtigt (§§ 118 Abs. 1, 134 Abs. 2 AktG). Außerdem sind Stimmrechtsbevollmächtigte teilnahmeberechtigt. Die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats sollen an der Hauptversammlung teilnehmen; in der Satzung kann jedoch für bestimmte Fälle vorgesehen sein, dass die Teilnahme von Mitgliedern des Aufsichtsrats im Wege der Bild- und Tonübertragung erfolgen darf (§ 118 Abs. 3 AktG). Hintergrund dieser Flexibilisierung ist, dass die Teilnahme der Aufsichtsratsmitglieder für den Ablauf der Hauptversammlung nicht so wichtig wie die Teilnahme der Vorstandsmitglieder ist, da gegenüber den Aktionären nur der Vorstand auskunftspflichtig ist.MHdB GesR, Band IV/Hoffmann-Becking, § 37 Rn. 2. Zugegen ist auch der Notar, der mit der Protokollierung beauftragt und nimmt somit kraft Amtes an der Hauptversammlung teilnimmt (s. § 130 Abs. 1a AktG). Die Zulassung von Dritten in der Hauptversammlung, etwa von Pressevertretern, ist optional.Saenger, § 15 Rn. 609.

Das Aktienrecht kannte in den §§ 118 ff. AktG lange Zeit ausschließlich den Grundsatz der Präsenzversammlung. Eine Öffnung zugunsten der technologischen Möglichkeiten der „Moderne“ fand nur zurückhaltend statt (s. etwa § 118 Abs. 4 AktG). Erst die COVID-19-Pandemie führte in eine neue Richtung, die nun gemäß § 118a AktG auch die virtuelle HauptversammlungNäher zur virtuellen Hauptversammlung Walch/Häuslmeier DNotZ 2023, 106. vorsieht, sofern die Gesellschaft für die Hauptversammlung ohne die physische Präsenz eine statutarische Grundlage geschaffen hat.Das Gesetz kennt zwei unterschiedliche Arten: Entweder durch eine (starre) Bestimmung in der Satzung oder eine (flexiblere) satzungsmäßige Ermächtigung des Vorstands, die Abhaltung einer virtuellen Hauptversammlung vorzusehen. Zu beachten sind jeweils die Befristungstatbestände (§ 118a Abs. 3, 4 AktG).

Geleitet wird die Hauptversammlung von ihrem Vorsitzenden (vgl. § 130 Abs. 2 S. 1 AktG). Die Person des Vorsitzenden folgt entweder schon aus der Satzung, aus der Geschäftsordnung der Hauptversammlung oder wird in der Hauptversammlung bestimmt. In der Praxis wird die Hauptversammlung häufig vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats geleitet. Regelmäßig ist der Vorsitzende nach § 131 Abs. 2 S. 2 AktG durch die Satzung ermächtigt, das Frage- und Rederecht des Aktionärs zeitlich angemessen zu beschränken. Er bestimmt somit den Ablauf der Hauptversammlung. In praxi wird in aller Regel (u.a. von beratenden Kanzleien) vorab ein Leitfaden für den Versammlungsleiter verfasst, anhand dessen er die Versammlung abwickelt.MHdB GesR, Band IV/Hoffmann-Becking, § 37 Rn. 82.

Beschlussfassung und Ausübung des Stimmrechts

Die Entscheidungen in der Hauptversammlung werden durch Beschluss getroffen. Dieser muss grundsätzlich notariell beurkundet werden (§ 130 Abs. 1 S. 1 AktG). Fehlt die Beurkundung, so hat dies gemäß § 241 Nr. 2 AktG die Nichtigkeit des Beschlusses zur Folge.

Das Stimmrecht des Aktionärs entsteht mit vollständiger Leistung der Einlagen (§ 134 Abs. 2 S. 1 AktG). Es kann verschiedentlich ausgeübt werden: Neben der unmittelbaren Stimmrechtsausübung in der Hauptversammlung ist die elektronische oder schriftliche Stimmabgabe möglich (vgl. § 118 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 S. 1 AktG). Durch Dritte kann das Stimmrecht im Wege der Bevollmächtigung in Textform ausgeübt werden (§ 134 Abs. 3 AktG, §§ 164 ff. BGB), also durch einen Stimmrechtsvertreter. Besondere Regeln gelten gemäß § 135 AktG für das sog. Depotstimmrecht, das durch bevollmächtigte Intermediäre (häufig, aber nicht ausschließlich Depotbanken) ausgeübt wird. Möglich ist es zudem, im Wege der Legitimationsübertragung einen Dritten zur Ausübung im eigenen Namen zu ermächtigen (§ 129 Abs. 3 AktG, § 185 Abs. 1 BGB).

In bestimmten Situationen kann der Aktionär einem Stimmverbot unterliegen. § 136 Abs. 1 AktG regelt einen solchen Ausschluss. Erfasst sind Sachverhalte der Interessenkollision; das Stimmrecht kann dann weder vom Aktionär noch von einem Dritten ausgeübt werden (vgl. Abs. 1 S. 2).

Eine Stimmbindungsvereinbarung des Aktionärs mit Bindung gegenüber der AG, ihrer Verwaltung oder einem abhängigen Unternehmen ist gemäß § 136 Abs. 2 AktG nichtig. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass anderweitige Stimmbindungsverträge möglich sind. Insbesondere ist es möglich, mit anderen Aktionären ein Stimmrechtskonsortium zu bilden; es entsteht auf diese Weise eine GbR zwischen den Aktionären (§§ 705 ff. BGB).Saenger, § 15 Rn. 616.

Mehrheiten

Beschlüsse werden in der Hauptversammlung grundsätzlich mit einfacher Stimmmehrheit gefasst (§ 133 Abs. 1 AktG); abweichende Mehrheitserfordernisse können sich aus dem Gesetz oder aus der Satzung ergeben.

Das Gesetz kann eine qualifizierte Mehrheit vorsehen, wobei zwei unterschiedliche Ausprägungen auseinanderzuhalten sind: (i) Eine qualifizierte Stimmenmehrheit von ¾ der abgegebenen Stimmen fordert zB § 103 Abs. 1 S. 2 AktG (Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds). (ii) Eine qualifizierte Kapitalmehrheit von ¾ des bei der Beschlussfassung in der Hauptversammlung vertretenen Grundkapitals bedarf es hingegen zB gemäß § 179 Abs. 2 S. 1 AktG bei Satzungsänderungen, gemäß §§ 182 Abs. 1, 193 Abs. 1, 202 Abs. 2, 207 Abs. 2 AktG bei Kapitalerhöhungen sowie gemäß §§ 222 Abs. 1, 229 Abs. 3 AktG bei Kapitalherabsetzungen, weiterhin gemäß § 179a Abs. 1 AktG bei Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens oder gemäß §§ 65 Abs. 1, 125, 176 ff. UmwG bei Umwandlungsbeschlüssen. Diese qualifizierte Mehrheit hat in der Praxis die wichtige Konsequenz der Sperrminorität: Wer über 25 % der Kapitalanteile verfügt, kann Grundlagenbeschlüsse durch andere Aktionäre verhindern.

Der Grundsatz der Einstimmigkeit gilt bei Beschlüssen zur Änderung des Gesellschaftszwecks (§ 33 Abs. 1 S. 2 BGB analog).Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 16 Rn. 70.

Bei Beschlüssen über Satzungsänderungen gilt – wie gesehen – im Grundsatz die qualifizierte Mehrheit von ¾ des Grundkapitals (§ 179 Abs. 2 S. 1 AktG), sofern in der Satzung keine abweichende Mehrheit – soweit gesetzlich zulässig – bestimmt ist. Ein satzungsändernder Beschluss ist gegeben, wenn auf den Text der Satzungsurkunde durch Einfügen oder Aufgeben eingewirkt wird oder wenn inhaltliche bzw. formale Veränderungen vorgenommen werden.Saenger, § 15 Rn. 613. Der satzungsändernde Beschluss muss gemäß § 181 AktG zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet werden.

In manchen Fällen ermöglicht das Gesetz eine Maßnahme auf Grundlage einer qualifizierten Minderheit: Gemäß § 147 Abs. 2 AktG ist beispielsweise ein Antrag von 10 % des Grundkapitals oder von Aktionären, deren Aktienbesitz den anteiligen Betrag von 1 Mio. EUR erreicht, ausreichend, damit auf gerichtliche Bestellung durch einen besonderen Vertreter etwaige Gesellschaftsansprüche verfolgt werden; und gemäß § 265 Abs. 3 AktG hat das Gericht bei Vorliegen eines wichtigen Grundes und auf Antrag von 5 % des vertretenen Grundkapitals oder 500.000 EUR einen Abwickler zu bestellen und abzuberufen.

Antrags- und Auskunftsrecht

Aktionäre sind berechtigt, Anträge zu stellen. Eine Rolle spielen insbes. „Gegenanträge“, die im Sinne einer „Opposition“Koch, § 126 Rn. 1. des Aktionärs unter den Voraussetzungen der §§ 126 f. AktG als alternative Vorschläge zu Punkten der Tagesordnung und Wahlvorschlägen. Der angekündigte, aber in der Hauptversammlung nicht nochmals wiederholte Antrag bleibt aktienrechtlich bedeutungslos, während es umgekehrt möglich ist, oppositionelle Beschlussanträge erstmals in der Versammlung zu stellen.Simons/Hauser NZG 2020, 488, 493. Für die virtuelle Hauptversammlung stellt dies § 118a Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AktG explizit klar.

Jedem Aktionär steht in der Hauptversammlung ein Auskunftsrecht über „Angelegenheiten der Gesellschaft“ zu, soweit dies gemäß § 131 Abs. 1 S. 1 AktG „zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich ist“. Ziel des Auskunftsrechts (und Rederechts, § 131 Abs. 2 S. 2 AktG) ist es, dem Aktionär eine verantwortliche und sachgemäße Stimmrechtsausübung zu ermöglichen.Bitter/Heim, § 3 Rn. 112. Die Auskunft kann grundsätzlich nur in der Hauptversammlung verlangt werden und das Verlangen ist formell dahingehend beschränkt, dass es einen Bezug zu einem Gegenstand der Tagesordnung aufweisen muss.Zur verfassungsrechtlichen Legitimität dieser Einschränkungen BVerfG NJW 2000, 349.

Beispiel:Ähnlicher Sachverhalt bei Altenhofen, Übungen im Kapitalgesellschaftsrecht, 3. Aufl. 2022, Fall 9, indes mit abweichendem Ergebnis zu hier. Die Wire.Karten AG mit Sitz Aschheim plant die Veräußerung der Tochtergesellschaft Best.IT AG an die Investpolis GmbH. Auf der ordnungsgemäß einberufenen Hauptversammlung ist dieses geplante Geschäft ein Tagesordnungspunkt. Der Aktionär und Privatier P verlangt diesbzgl. Auskunft darüber, ob es richtig sei, dass der Vorstandsvorsitzende der Wire.Karten AG, Barkus Maun, mit dem Geschäftsführer der Investpolis GmbH verschwägert sei. Der Vorstand weist das Auskunftsbegehren mit dem Hinweis zurück, das sei eine private Frage. Soweit P Bedenken hinsichtlich des Kaufpreises habe, sei man bereit, alle intern und unabhängig erstellten Unterlagen zur Unternehmensbewertung zur Einsicht vorzulegen.

Lösungshinweise: Der Auskunftsanspruch des P folgt aus § 131 Abs. 1 S. 1 AktG. Ein Verweigerungsrecht des Vorstands aus § 131 Abs. 3 AktG besteht nicht. Insoweit könnte die Auskunft nur verweigert werden, wenn die Voraussetzungen des § 131 Abs. 1 S. 1 AktG nicht erfüllt sind – insbesondere, wenn keine „Angelegenheit der Gesellschaft“ betroffen ist oder die Auskunft nicht für eine „sachgemäße Beurteilung“ eines „Tagesordnungspunktes“ als „erforderlich“ erscheint.

Hier ist ein „Tagesordnungspunkt“ betroffen und es ist auch eine „Angelegenheit der Gesellschaft“ einschlägig, da es darum geht, alle Anteile, die von der AG an der Best.IT AG gehalten werden, an einen Dritten zu veräußern. Hinsichtlich der Frage, inwieweit die verlangte Auskunft für eine „sachgemäße Beurteilung…erforderlich“ ist, sind die Regelungsziele des § 131 AktG in den Blick zu nehmen. Einesteils soll sichergestellt sein, dass die Aktionäre informierte Entscheidungen in eigenen Vermögensangelegenheiten treffen und mitgliedschaftliche Positionen wahrnehmen können. Andernteils soll ein zweckmäßiger Ablauf der Hauptversammlung sichergestellt sein. Das Merkmal der Beurteilungserforderlichkeit hat insbesondere zum Ziel, missbräuchliche Begehren zu unterbinden.BGH NJW 2014, 541 Rn. 20 – Adam/Schuhknecht mwN. Es wird aus der Perspektive eines objektiv denkenden Durchschnittsaktionärs beurteilt, der die Gesellschaftsverhältnisse nur aufgrund allgemein bekannter Tatsachen kennt und die Information als wesentliches Element zur Entscheidungsfindung benötigt.BGH NJW 2014, 541 – Adam/Schuhknecht mwN. Dadurch wird das Informationsrecht des § 131 AktG in qualitativer und quantitativer Hinsicht sowie hinsichtlich seines Detaillierungsgrads begrenzt.BGHZ 180, 9 Rn. 39 – Kirch/Deutsche Bank; BGH NJW 2014, 541 Rn. 20 – Adam/Schuhknecht.

Diese Kriterien zugrunde gelegt, ist ein Verweigerungsrecht tendenziell zu verneinen. Eine private Nähebeziehung zwischen dem Vorstandsvorsitzenden der veräußernden AG und dem Geschäftsführer der erwerbenden GmbH kann bedeuten, dass keine marktgerechten Konditionen vereinbart wurden. Zwar kann P auf interne und externe Unterlagen zur Unternehmensbewertung Zugriff nehmen, um den ausgehandelten Preis zu bewerten. Ein objektiv denkender Durchschnittsaktionäre würde allerdings die betreffenden Unterlagen mit einer anderen Aufmerksamkeit lesen, wenn er sachfremde Motive befürchten müsste, als bei einem neutralen Geschäft mit einem fremden Dritten. Der Aktionär wird veranlasst, die Dokumente gleichsam mit der Lupe zu studieren, weil er in Unsicherheit darüber gelassen wird, ob Verdachtsmomente existieren, die auf sachfremde Erwägungen schließen lassen. Das Auskunftsverlangen ist hier auch nicht geeignet, den zweckmäßigen Ablauf der Hauptversammlung zu stören, indem die Information durch eine einfache „Ja“- oder „Nein“-Antwort hätte erteilt werden können. Insoweit überwiegt das Auskunftsinteresse des P (a.A. vertretbar).

Das Auskunftsverlangen kann aus Gründen der Gleichbehandlung dann nicht (mehr) zurückgewiesen werden, wenn einem Aktionär in dieser Eigenschaft eine Auskunft außerhalb der Hauptversammlung bereits erteilt wurde.Näher Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Aktienrecht, Rn. 4.27.

Beispiel: Im obigen Beispiel wäre also eine Auskunft an P über ein etwaiges Verwandtschaftsverhältnis nicht zu versagen, wenn eine entsprechende Auskunft einem anderen Aktionär bereits erteilt worden wäre. Die Auskunft könnte freilich zurückgewiesen werden, wenn es sich um eine allgemein bekannte Tatsache handeln würde, weil ein solches Auskunftsbegehren eines Aktionärs den zweckmäßigen Ablauf einer Hauptversammlung unnötig stört und eine erneute Bestätigung durch das betroffene Vorstandsmitglied nicht „erforderlich“ ist.

Welche Informationen nach Maßgabe des § 131 Abs. 1 S. 1 AktG zu erteilen sind, beurteilt sich aus der Sicht eines objektiv denkenden Aktionärs.Bitter/Heim, § 3 Rn. 113. Die Auskunft muss „den Grundsätzen einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft“ entsprechen (§ 131 Abs. 2 S. 1 AktG). Mittzuteilen sind somit im Sinne einer vollständigen Auskunft alle erheblichen Tatsachen.

Nur unter den Voraussetzungen des § 131 Abs. 3 AktG kann eine Auskunft verweigert werden. In der Praxis eine große Rolle spielt § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG, der eine Auskunftsverweigerung ermöglicht, wenn die Auskunft geeignet ist, der Gesellschaft einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen (insbes.: die Aufdeckung von Geschäftsgeheimnissen steht zu befürchten).

Ist dem Aktionär die Auskunft verweigert worden, so sind auf sein Verlangen hin seine Frage und der Verweigerungsgrund in die Niederschrift über die Hauptversammlung aufzunehmen (§ 131 Abs. 5 AktG). Sodann stehen dem Aktionär zwei Rechtsbehelfe stehen zur Verfügung: Nach Maßgabe des § 132 AktG kann er Auskunftserzwingungsverfahren einleiten oder er kann – auch ohne Erzwingungsverfahren – den Beschluss zu dem betroffenen Tagesordnungspunkt anfechten.

Beschlussmängel

Würde über alle Beschlüsse der Hauptversammlung ein mögliches Nichtigkeitsverdikt schweben, hätte dies erhebliche Rechtsunsicherheit zur Folge. So wäre es nicht im Interesse der Gesellschaft oder der Aktionäre, wenn zB ein Verschmelzungsbeschluss nach Jahre nach Beschlussfassung wegen Nichtigkeit angegriffen und die Rückgängigmachung bewirkt werden könnte. Deshalb regelt das Gesetz in § 241 AktG und zB in §§ 250, 253 AktG in restriktiv anzuwendenden Tatbeständen die Nichtigkeitsgründe. Wie die Nr. 3 („Wesen mit der Aktiengesellschaft nicht zu vereinbaren“) und die Nr. 4 („Inhalt gegen die guten Sitten verstößt“) des § 241 AktG zeigen, geht es ausschließlich um gravierende Mängel. Solche Nichtigkeitsmängel werden idR gemäß § 242 AktG nur ausnahmsweise geheilt durch Eintragung in das Handelsregister (teils nach einer Wartefrist).

Alle übrigen Mängel, die nicht zur Nichtigkeit führen, können lediglich eine Anfechtbarkeit begründen; dies zeigen die §§ 243, 251, 254, 255 AktG. Dabei sind zwei Kategorien zu unterscheiden:

– Verfahrensfehler liegen vor, wenn beim Zustandekommen des Beschlusses das Gesetz oder die Satzung verletzt wurden. Ist bei wertender Betrachtungsweise aus der Sicht eines objektiv urteilenden Aktionärs möglich oder nicht ausgeschlossen, dass sich der Verfahrensfehler auf das Beschlussergebnis,BGHZ 149, 158, 164 f. = NJW 2002, 1128, 1129 – Sachsenmilch. also auf die Mitwirkungsrechte des Aktionärs ausgewirkt hat, so liegt ein zur Anfechtung berechtigender Mangel vor.

Beispiel: Es wird über Gegenstände der Tagesordnung, die nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht sind, entgegen § 124 Abs. 4 S. 1 AktG ein Beschluss gefasst. Dieses Beschlusshindernis begründet eine Anfechtbarkeit gemäß § 243 Abs. 1 AktG.

– Einen Inhaltsfehler besteht bei einem inhaltlichen Verstoß gegen das Gesetz oder gegen die Satzung. Typische sind die Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 53a AktG) oder gegen Treuepflichten.Koch, § 243 Rn. 21.

Beispiel: Kapitalerhöhungsbeschluss mit Bezugsrechtsausschluss für einen Großteil der Aktionäre.BGHZ 71, 40 = NJW 1978, 1316.

Die Klagebefugnis bei der Nichtigkeitsklage folgt aus § 249 Abs. 1 AktG (Aktionär, Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied). Es handelt sich dabei um eine Feststellungsklage iSd § 256 ZPO. Im Übrigen gelten die für die Anfechtungsklage maßgeblichen Vorschriften.

Hinsichtlich der Anfechtungsklage folgt der Kreis der Anfechtungsbefugten aus § 245 AktG. Die Klage muss innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung erhoben werden (§ 246 Abs. 1 AktG). Das Rechtsschutzbedürfnis setzt nicht voraus, dass der Kläger durch den geltend gemachten Gesetzes- oder Satzungsverstoß persönlich betroffen wird.RGZ 166, 175, 188; BGHZ 43, 261, 265 f. = NJW 1965, 1378. Denn ein stattgebendes Urteil wirkt für und gegen alle Aktionäre. Die Anfechtungsklage ist also kein bloßes Individualrecht, sondern eine Maßnahme der objektiven Beschlusskontrolle.Koch, § 246 Rn. 9. Der Hauptversammlung steht eine Bestätigungsmöglichkeit gemäß § 244 AktG zu.

Der Anfechtungsklage kann mit dem Einwand des individuellen Rechtsmissbrauchs begegnet werden, „wenn der Kläger eine Anfechtungsklage mit dem Ziel erhebt, die verklagte Gesellschaft in grob eigennütziger Weise zu einer Leistung zu veranlassen, auf die er keinen Anspruch hat und billigerweise auch nicht erheben kann, wobei er sich im allgemeinen von der Vorstellung leiten lassen will, die verklagte Gesellschaft werde die Leistung erbringen, weil sie hoffe, daß der Eintritt anfechtungsbedingter Nachteile und Schäden dadurch vermieden oder zumindest gering gehalten werden könne“BGHZ 107, 296 = NJW 1989, 2689 (3. Leitsatz) – Kochs Adler.. Die Klage eines „räuberischen Aktionärs“ ist wegen fehlender Klagebefugnis als unbegründet abzuweisen.Saenger, § 15 Rn. 624. Eine aus sachfremden Erwägungen erhobene und somit rechtsmissbräuchliche Nichtigkeitsklage ist hingegen bereits unzulässig.OLG Stuttgart NJW-RR 2001, 970 (4. Leitsatz).

Beispiel: Aktionär A hat sich auf die Hauptversammlung der Legit AG minutiös vorbereitet und einen Fragenkatalog mit 50 Fragen mitgebracht. Im Zusammenhang mit einer geplanten Fusion zwischen der Legit AG und der I.git AG will A u.a. den Gebäudeversicherungswert (Wiederaufbauwert) verschiedener Gebäude der Legit AG wissen. Der Vorstand verweigert die Auskunft mit der Begründung, sie sei für das Fusionsvorhaben irrelevant.

Lösungshinweise: Hier kann angezweifelt werden, ob die begehrte Information wesentlich ist, mithin ob insoweit ein Anfechtungsgrund iSd § 243 Abs. 4 AktG überhaupt besteht. Davon abgesehen könnte die Anfechtungsklage wegen fehlender Klagebefugnis als unbegründet zurückzuweisen sein, wenn es A nachweislich darum ging, sich für den „Lästigkeitswert“ seiner Klage eine Zahlung oder eine sonstige Zuwendung durch die AG versprechen zu lassen.

Finanzverfassung

Einführung

Wie oben schon beschrieben, existiert bei Kapitalgesellschaften als Kompensation für den wesensprägenden Ausschluss der Aktionärshaftung ein ebenso prägendes Garantiekapital, das bei der Aktiengesellschaft als Grundkapital bezeichnet ist. Das Aktienrecht sieht diesbzgl. Regelungen für zwei unterschiedliche Phasen vor: (i) im Zusammenhang mit der Aufbringung bei der Gründung der Gesellschaft und (ii) für die Erhaltung während der laufenden Tätigkeit der Aktiengesellschaft. Für beide Phasen enthält das AktG strenge Regeln, die aus dem Recht der Personengesellschaften gar nicht bekannt und die im Recht der GmbH weniger streng ausgestaltet sind. Die Bestimmungen haben das Ziel, das Grundkapital „zusammenzuhalten“. Andernfalls würde es aus Sicht der Gläubiger an der Haftungsverfassung fehlen, die einen Ausgleich für die fehlende persönliche Einstandspflicht der Gesellschafter gewährt. Und zudem könnte nicht von einer Kapitalsammelfunktion der AG die Rede sein, wenn das Kapital beliebig „verschleudert“ werden könnte.

Das Grundkapital ist ein in der Satzung anzugebender und fester Betrag (§ 23 Abs. 3 Nr. 3 AktG). Er ist gemäß § 266 Abs. 3 A. I. HGB als „gezeichnetes Kapital“ in der Bilanz zu passivieren. Dies hat eine entscheidende Bedeutung für die im Aktienrecht angestrebte Kapitalbindung: Wie aus §§ 57 Abs. 3, 58 Abs. 4 AktG folgt, darf unter die Aktionäre nur der Bilanzgewinn verteilt werden. Ein solcher Bilanzgewinn besteht nur, wenn das Vermögen der AG die Verbindlichkeiten und das satzungsmäßig ausgewiesene Grundkapital deckt. Folglich wird rechtstechnisch durch die Passivierung des Grundkapitals sichergestellt, dass die Einlagen nicht durch eine Ausschüttung an die Aktionäre aufgezehrt werden.Davon zu trennen ist die Verwendung der Einlagen zu unternehmerischen Zwecken; dazu noch unten.

In § 9 Abs. 1 AktG ist angeordnet, dass eine Aktie nicht unter den Betrag ausgegeben werden darf als den Nennbetrag oder den auf eine einzelne Stückaktie entfallenden anteiligen Betrag des Grundkapitals (Verbot einer Unterpari-Emission). Dies ist unter dem Gesichtspunkt der Kapitalaufbringung unmittelbar einleuchtend. Wäre eine Unterpari-Emission möglich, dann würde die Aktiengesellschaft bereits bei ihrer Gründung nicht das festgeschriebene Grundkapital ausweisen. Gemäß § 9 Abs. 2 AktG ist hingegen eine für einen höheren Betrag zulässig: eine Aktie zu einem Nennbetrag von 5 EUR kann gegen Einzahlung von 10 EUR ausgegeben werden (Ausgabebetrag). Dieser Ausgabeaufschlag, der auch als Agio bezeichnet wird, hat keine Bedeutung für die quotale Beteiligung des Aktionärs an dem Grundkapital, sondern für den Wert der Aktie und für die Eigenkapitaldecke der Gesellschaft. Der wirtschaftliche Grund, weshalb man ein solches Agio verlangt, liegt in der Erweiterung der Handlungsspielräume der Gesellschaft:Koch, GesR, § 32 Rn. 1. Während für das Gesellschaftsvermögen in Höhe des Grundkapitals ganz enge Bindungen existieren (dazu sogleich), ist dies hinsichtlich des Agios anders.

Bei der Kapitalerhöhung ist ein höherer Ausgabebetrag als den Nennbetrag (= geringster Ausgabebetrag) üblich, weil eine Ausgabe zum Nennbetrag idR nicht dem Verkehrswert der Aktie entsprechen und zudem neue Aktionäre gegenüber den alten Aktionären unverhältnismäßig bevorzugen würde, weil ihr aufgewandter Betrag für die gleich hohe Beteiligung viel geringer wäre.C. Schäfer, § 42 Rn. 1.

Kapitalaufbringung

Die Kapitalaufbringung ist im Aktienrecht umfassend geregelt. Abhängig davon, ob eine Bar- oder eine Sacheinlage übernommen wurde, gelten unterschiedliche Regeln, die sich im Ausgangspunkt auf einen Gedanken zurückführen lassen:Siehe Karsten Schmidt, § 20 II 3 a. „Einlagen können nur solche Beträge sein, deren Leistung das haftende Vermögen mehrt“.

Bareinlage

Die Aktionäre haben – soweit in der Satzung nichts anderes bestimmt ist – ihre Einlageverpflichtung durch eine „Einzahlung“ zu erfüllen (§ 54 Abs. 2 AktG). Es gilt somit der Grundsatz der Bareinlage (auch: Geldeinlage). Die Sacheinlage (s. unten) ist demgegenüber die Ausnahme.Vgl. Grigoleit/ders./Rachlitz, § 54 Rn. 6: Bareinlage besteht residual fort.

Die Bareinlage kann gemäß § 54 Abs. 3 AktG entweder in Bargeld („gesetzliches Zahlungsmittel“ = § 14 Abs. 1 S. 2 BBankG) oder als Buchgeld aufgebracht werden („durch Gutschrift auf ein Konto“). Gemäß § 54 Abs. 3 AktG muss das Buchgeld zwingend zugunsten eines Girokontos der GesellschaftGrundsätzlich bei einer inländischen Bank. gutgeschrieben werden; eine „Direktzahlung“ an Gesellschaftsgläubiger ist also nicht möglich. Über die Einzahlung stellt die kontoführende Bank für das Eintragungsverfahren (s. oben) einen Nachweis aus (§ 37 Abs. 1 S. 3 AktG); für die Richtigkeit dieses Nachweises hat die Bank gemäß § 37 Abs. 1 S. 4 AktG haftungsbewehrt einzustehen. Ist der eingeforderte Betrag nicht ordnungsgemäß eingezahlt, kann keine Anmeldung der Gesellschaft erfolgen (§ 36 Abs. 2 AktG).

Dieser eingeforderte und eingezahlte Betrag muss gemäß § 36a Abs. 1 AktG bei der Anmeldung mind. ¼ des geringsten Ausgabebetrags (Nennbetrag) oder des Mehrbetrags (Nennbetrag zzgl. Agio) betragen (Mindesteinzahlung). Der Restbetrag ist gemäß § 63 Abs. 1 AktG auf Aufforderung des Vorstandes einzuzahlen (Resteinzahlung). Für gleichwohl nicht eingezahlte Beträge gilt die Verzinsungspflicht gemäß § 63 Abs. 2 AktG und in der Satzung können Vertragsstrafen festgelegt sein (Abs. 3). Auch hinsichtlich der Resteinzahlung folgt aus dem Grundsatz der realen Kapitalaufbringung, dass der geschuldete Betrag ohne Bedingung, Einschränkung oder Verwendungsbindung eingezahlt werden muss.Koch, § 54 Rn. 18.

Die Bareinlagenpflicht seitens des Aktionärs ist nur erfüllt, wenn der Geldbetrag gemäß § 36 Abs. 2 AktG dem Vorstand endgültig zur freien Verfügung steht. Der Vorstand muss also ohne Einschränkung über die Bareinlage disponieren können. Dafür muss der Betrag den Herrschaftsbereich des Einlegers verlassen haben und es dürfen keine Verwendungsbeschränkungen bestehen – insbesondere solche nicht, die einen direkten oder indirekten (Angehörige, beherrschte Gesellschaften) Rückfluss an den Aktionär bedeuten würden.C. Schäfer, § 42 Rn. 5. Der Vorstand muss nach eigenem Ermessen unter Berücksichtigung seiner Verantwortung für die Gesellschaft (§§ 76, 93 Abs. 1 AktG) über die Einlage verfügen können.Bitter/Heim, § 3 Rn. 147.

Von der Einlagepflicht kann der Aktionär nicht befreit werden; eine Aufrechnung gegen eine Forderung der Gesellschaft ist prinzipiell nicht zulässig (§ 66 Abs. 1 AktG). Im Übrigen ist der Begriff der Befreiung im Sinne einer effektiven Kapitalaufbringung weit auszulegen:Bitter/Heim, § 3 Rn. 136. Er erfasst jedes Geschäft, das den Anspruch der AG nach Grund, Höhe, Inhalt oder Leistungszeitpunkt beeinträchtigen würde (zB Erlassvertrag gemäß § 397 Abs. 1 BGB, unentgeltliche Stundung etc.). Ein Vergleich über unter § 66 Abs. 1 AktG fallende Ansprüche ist hingegen trotz des dort enthaltenen Verbots, die Aktionäre von ihren Leistungspflichten zu befreien, dann zulässig, „wenn er wegen tatsächlicher oder rechtlicher Ungewissheit über den Bestand oder Umfang des Anspruchs geschlossen wird und sich dahinter nicht eine Befreiung in der Form eines Vergleichs versteckt“; relevant ist dies insbesondere für den Differenzhaftungsanspruch (dazu sogleich).BGHZ 191, 364 = NZG 2012, 69 Rn. 20 ff. – Babcock.

Sacheinlage und Sachübernahme

Grundsätzlich ist es zulässig, dass Grundkapital durch Sacheinlagen aufzubringen. Dabei ist jede andere Form der Einlage als eine Geldzahlung ist eine Sacheinlage. Indes ist nicht jeder Gegenstand als Sacheinlage einlagefähig.

Von der Sacheinlage zu trennen ist die Sachübernahme: Als solche wird gemäß § 27 Abs. 1 AktG eine Abrede bezeichnet, nach der die Gesellschaft vorhandene oder herzustellende Anlagen oder andere Vermögensgegenstände übernehmen soll. Es geht darum, dass die Gesellschaft von dem Gründer oder einem Dritten Vermögensgegenstände gegen Vergütung und nicht gegen Gewährung von Aktien übernimmt.Wachter/ders., § 27 Rn. 19. Der Unterschied zur Sacheinlage besteht also darin, dass der Vermögensgegenstand bei der Sachübernahme nicht als Einlageleistung auf die Gesellschaft übertragen, sondern aufgrund von schuldrechtlichen Vorabsprachen spätestens zum Zeitpunkt der Satzungsfeststellung von ihr erworben wird; der Leistende erhält somit keine Mitgliedschaftsrechte für die Sachleistung.Heckschen in Bech’sches Notar-HdB, § 23 Rn. 70. Vielmehr besteht für die Mitgliedschaftsrechte eine Bareinlagenpflicht des Aktionärs.Bitter/Heim, § 3 Rn. 135.

In der Satzung müssen festgesetzt werden (§ 27 Abs. 1 S. 1 AktG): der Gegenstand der Sacheinlage oder der Sachübernahme; die Person, von der die Gesellschaft den Gegenstand erwirbt; und der Nennbetrag, bei Stückaktien die Zahl der bei der Sacheinlage zu gewährenden Aktien oder die bei der Sachübernahme zu gewährende Vergütung (Satzungspublizität). Soll die Gesellschaft einen Vermögensgegenstand übernehmen, für den eine Vergütung gewährt wird, die auf die Einlage eines Aktionärs angerechnet werden soll, so gilt dies gemäß § 27 Abs. 1 S. 2 AktG als Sacheinlage.

Nicht jeder Gegenstand taugt als Sacheinlage. Bei Sacheinlagen oder -übernahmen ist die reale Kapitalaufbringung gefährdet, weil die ausreichende Werthaltigkeit des Sachwerts nicht stets sichergestellt werden kann. Dadurch besteht die Gefahr, dass das Grundkapital schon vor der Entstehung der AG ausgehöhlt wird. Ein Schutzbaustein zugunsten späterer Aktionäre und Gläubiger ist die erwähnte Satzungspublizität. Im Übrigen soll durch verschiedene Regeln eine Überbewertung der Sacheinlage verhindert werden.

Zunächst einmal sind einlagen- oder übernahmefähig gemäß § 27 Abs. 2 Hs. 1 AktG nur Vermögensgegenstände, deren wirtschaftlicher Wert feststellbar ist. Gemeint ist letztlich damit, dass eine „funktionale Äquivalenz“ zwischen Sach- und Geldeinlage bestehen muss; dass die Sacheinlage „so gut wie Geld ist“.Karsten Schmidt, § 20 II 3 a. Einlage- oder übernahmefähig sind demnach grundsätzlich: Eigentum an Sachen, Forderungen, Immaterialgüterrechte oder Unternehmen als Sach- und Rechtsgesamtheit. Nicht einlage- bzw. übernahmefähig sind demgegenüber etwa: Dienstleistungen (s. explizit § 27 Abs. 2 Hs. 2 AktG),Dienstleistungen können im Insolvenzfall nicht verwertet werden und sind deshalb einlagefähig. eigene Aktien der GesellschaftBGH ZIP 2011, 2097 (1. Leitsatz); sie führen der Gesellschaft real kein neues Vermögen zu. oder aufschiebend bedingte Forderungen gegen Dritte, solange die Bedingung nicht eingetreten und der Bedingungseintritt auch nicht überwiegend wahrscheinlich ist.BGH ZIP 2011, 1102, Rn. 14.

Von der Feststellbarkeit des Vermögenswertes dieser Gegenstände ist die konkrete Ermittlung des Wertes zu unterscheiden. Um etwaige Missbrauchspotentiale so weit wie möglich auszuschalten, gelten folgende Regeln:

  • Ist die Sachgründung nicht nach § 27 Abs. 1 S. 1 AktG in der Satzung ausgewiesen, ist die Eintragung gemäß § 38 Abs. 1 AktG abzulehnen;

  • Sacheinlagen sind grundsätzlich vollständig und vor Anmeldung zu leisten (§ 36a Abs. 2 S. 1 AktG);Satz 2 der Norm betrifft nur Ansprüche des Aktionärs auf Übertragung einer Sache gegen Dritte; C. Schäfer, § 42 Rn. 7; Karsten Schmidt, § 27 II 2 h (in Fn. 4); aA Koch, § 36a Rn. 4.

  • der Gründungsbericht muss auf Sacheinlagen oder -über­nahmen eingehen und er muss die „wesentlichen Umstände“ darlegen, von denen die Angemessenheit der Leistung für die Sacheinlage oder Sachübernahme abhängt (§ 32 Abs. 2 AktG);

  • ferner besteht die Pflicht, die (Sach-)Gründung durch externe Prüfer untersuchen zu lassen (§ 33 Abs. 2 Nr. 4 AktG);

  • eine im Eintragungsverfahren festgestellte Überbewertung bedingt, dass die Eintragung gemäß § 38 Abs. 2 S. 2 AktG abzulehnen ist.

Hat die Eintragung (ausnahmsweise) trotz Überbewertung stattgefunden, offenbart sich also die Überbewertung erst im Nachhinein, so besteht eine Pflicht des betreffenden Aktionärs zur Deckung der gesamten Wertdifferenz in Geld (Differenzhaftungsanspruch). Im GmbH-Recht ist eine solche gesetzliche Haftung explizit angeordnet (vgl. § 9 GmbHG). Aus dem Grundsatz der effektiven Mittelaufbringung folge das Gebot einer Analogie zu § 9 Abs. 1 GmbHG.BGHZ 191, 364 = NZG 2012, 69 Rn. 16 ff. mwN – Babcock. Ein gesetzlicher Differenzhaftungsanspruch besteht nach gefestigter Ansicht auch, soweit der Wert der Sacheinlage zwar den geringsten Ausgabebetrag (§ 9 Abs. 1 AktG), nicht aber das Aufgeld (Agio) deckt. Denn das Agio ist bei der AG nach § 9 Abs. 2 AktG Teil des Ausgabebetrags und der mitgliedschaftlichen Leistungspflicht der Aktionäre nach § 54 Abs. 1 AktG, von der sie nach § 66 Abs. 1 AktG grundsätzlich nicht befreit werden können.BGHZ 191, 364 = NZG 2012, 69 Rn. 17 – Babcock

Zu welchem Zeitpunkt die Gründer die Sacheinlage spätestens vollständig geleistet haben müssen, ist umstritten und hängt davon ab, wie man § 36a Abs. 2 S. 1 und S. 2 AktG liest:Siehe dazu noch einmal oben Fn. 189. Nimmt man an, dass S. 1 die Regel ist, dann muss bei Sacheinlagen dinglicher Vollzug immer vor Anmeldung bewirkt werden, indem S. 2 – nach hiesigem Verständnis – nur den Fall regelt, dass ein Anspruch des Einlageverpflichteten gegen Dritten eingelegt wurde. Wer hingegen S. 2 dahingehend versteht, er erfasse alle Sacheinlageverpflichtung, die – wie überwiegend – durch dingliches Rechtsgeschäft zu bewirken sind, dann muss die Sacheinlage erst innerhalb von fünf Jahren nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister bewirkt sein.

Verdeckte Sacheinlage

Die offene Sacheinlage ist – wie oben gesehen – aufwändig und der Praxis bisweilen zu teuer. Deshalb bestehen Umgehungsbestrebungen: die Sacheinlage soll „verdeckt“ werden. Gemäß § 27 Abs. 3 S. 1 AktG ist eine verdeckte Sacheinlage eine Geldeinlage eines Aktionärs, die bei wirtschaftlicher Betrachtung (objektiv-wirtschaftliches Element) und auf Grund einer im Zusammenhang mit der Übernahme der Geldeinlage getroffenen Abrede (subjektiv-wirtschaftliches Element) vollständig oder teilweise als Sacheinlage zu bewerten ist. Bei einer verdeckten Sacheinlage sieht also der Gesellschaftsvertrag eine Geldeinlagepflicht des Aktionärs vor, auf die er zunächst einmal auch tatsächlich Geld einzahlt. Allerdings ist verabredet, dass die AG zu einem späteren Zeitpunkt mit dem eingezahlten Geld (einlagefähige) Sachen oder Rechte des Einlegers erwirbt (Koppelung).

Rechtlich problematisch ist dieses Vorgehen, weil eine Sacheinlage erbracht wird, ohne dass die besonderen Vorschriften zur Sacheinlage bzw. -übernahme beachtet wurden, die eine Überbewertung verhindern sollen. Zudem zielt die Konstruktion auf eine Umgehung der Differenzhaftung ab. Weiterhin wird dem Rechtsverkehr ein falscher Eindruck einer Geldeinlage vermittelt.Bitter/Heim, § 3 Rn. 154.

Gemäß § 27 Abs. 3 S. 2 AktG sind die „Verträge über die Sacheinlage und die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung nicht unwirksam“; Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft bleiben also in ihrer Wirksamkeit unberührt. Anders war dies noch analog § 27 Abs. 3 AktG a.F. (vor dem ARUG 2009): Danach waren sowohl das Verpflichtungsgeschäft (Austauschgeschäft) als auch das Erfüllungsgeschäft nichtig.Dazu Bitter/Heim, § 3 Rn. 155. Wurde die AG später insolvent und war bis keine Heilung der verdeckten Sach­einlage erfolgt, konnte der Insolvenzverwalter die Geldeinlage in voller Höhe nachfordern; der Aktionär musste seine Einlage also doppelt leisten.Kritisch dazu Lutter, FS Stiefel, S. 505, 517: „ganz und gar katastrophal“. Der Aktionär war hingegen hinsichtlich seines verdeckt eingelegten Gegenstands auf einen Bereicherungsanspruch verwiesen, auf den er üblicherweise nur eine geringe Insolvenzquote erhielt.

Die nun geltende Fassung des § 27 Abs. 3 AktG bedeutet im Ergebnis eine Entlastung der Aktionäre. Die verdeckte Sacheinlage bleibt zwar weiterhin verboten, die gesetzlichen Folgen sind indes nicht mehr so drakonisch wie vor dem ARUG (s. sogleich).Wachter/ders., § 27 Rn. 38. Die Geldeinlagepflicht des Aktionärs erlischt nicht, sondern besteht fort (S. 1) und die über die Sacheinlage geschlossenen Verträge und Erfüllungsgeschäfte sind wirksam (S. 2); auf die fortbestehende Geldeinlagepflicht des Aktionärs wird sodann der Wert des verdeckt eingelegten Vermögensgegenstandes im Zeitpunkt der Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung in oder im Zeitpunkt seiner Überlassung an die Gesellschaft, falls diese später erfolgt, angerechnet (S. 3). Die Beweislast für die Werthaltigkeit des Vermögensgegenstandes trägt der Aktionär (S. 5). Erreicht der Sachwert den vereinbarten Geldeinlagebetrag, erlischt die (eigentlich fortbestehende) Bareinlagenforderung infolge der Anrechnung gemäß § 27 Abs. 3 S. 3 AktG vollständig.Bitter/Heim, § 3 Rn. 164.

Hinweis: Da die Geldeinlagepflicht des Aktionärs fortbesteht (§ 27 Abs. 3 S. 1, 4 AktG), dürfen die Gründer, der Vorstand und der Aufsichtsrat bei der Anmeldung nicht erklären, der eingeforderte Betrag auf die Geldeinlage sei ordnungsgemäß eingezahlt und stehe deshalb zur freien Verfügung des Vorstands. Durch eine solche Angabe machen sie sich strafbar (§ 399 Abs. 1 Nr. 1 AktG) und haften gemäß §§ 46, 48 AktG auf Schadensersatz.

Offensichtlich ist es in praxi schwierig zu bestimmen, ob das nach § 27 Abs. 3 AktG erforderliche Merkmal der (Vor-)Absprache besteht,Bitte beachten: Es ist keine Absicht der Umgehung der Sacheinlagenvorschriften notwendig; BGHZ 110, 47 = NJW 1990, 982 (1. Leitsatz). damit der Tatbestand der verdeckten Sacheinlage bejaht werden kann. Von der Rechtsprechung wir eine solche Absprache vermutet, wenn zwischen der Gründung und der damit verbundenen Leistung der Geldeinlage und dem Rückfluss der Geldeinlage im Rahmen der Abwicklung des Austauschgeschäfts ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang besteht.BGHZ 166, 8 = NJW 2006, 1736 Rn. 12 f. Dieser Zusammenhang sei zumindest gegeben, wenn – wie im Beispiel oben – nicht mehr als sechs Monate zwischen den Vorgängen liegen.So C. Schäfer, § 35 Rn. 19. 

Beispiel: A hat einen wertvollen Traktor, den er einer neu zu gründenden AG zur Verfügung stellen will. Statt einer Sacheinlage wird verabredet, dass er eine Bareinlagepflicht von 100.000 EUR übernimmt. Zwei Monate nach der Gründung und Einzahlung der 100.000 EUR durch A schließt der Vorstand mit A einen Kaufvertrag über den Traktor zum Preis von 100.000 EUR; dieser ist 95.000 EUR wert. Entsprechend wird der Traktor von A an die AG – Zug um Zug gegen (Rück-)Zahlung der 100.000 EUR – übereignet.

Lösungshinweise: A hat seine Pflicht gemäß § 54 Abs. 2 AktG iVm der Übernahmeerklärung (§ 29 AktG) zur Geldeinlage nicht gemäß § 362 Abs. 1 BGB erfüllt. Zwar hat A Geld eingezahlt; wie indes schon bei Begründung der Geldeinlagepflicht geplant, hat er als Kaufpreis für den Traktor 100.000 EUR zurückerhalten. Gemäß § 27 Abs. 3 S. 1 AktG wird der Aktionär dann nicht von seiner Geldeinlagepflicht frei, wenn seine Geldeinlage bei wirtschaftlicher Betrachtung und aufgrund einer im Zusammenhang mit der Übernahme der Geldeinlage getroffenen Abrede vollständig oder teilweise als Sacheinlage zu bewerten ist (verdeckte Sacheinlage). Wirtschaftlich gesehen hat A eine Sacheinlage erbracht und auch subjektiv war im Ergebnis eine Sacheinlage gewollt, weil das Austauschgeschäft vorab verabredet war.Relevant ist hier auch der enge zeitliche Zusammenhang zwischen den Vorgängen; dazu sogleich unten. Der Tatbestand der verdeckten Sacheinlage besteht und A ist grundsätzlich weiterhin zur Geldeinlage verpflichtet.

Allerdings ist hier § 27 Abs. 3 S. 3 AktG zu beachten, wonach auf die fortbestehende Geldeinlagepflicht des Aktionärs der Wert des verdeckt eingelegten Vermögensgegenstandes anzurechnen ist. Da hier ein Gegenstand zum Wert von 95.000 EUR eingebracht wurde, ist die Geldeinlagenforderung der AG in dieser Höhe erloschen.

Voraussetzung für die Anwendung der Regeln über die verdeckte Sacheinlage ist die Sacheinlagenfähigkeit des Gegenstandes. Da Dienstleistungen nicht im Wege der regulären Sacheinlage eingebracht werden können, gilt für die verdeckte Sacheinlage nichts anderes.Vgl. BGHZ 184, 158 = NJW 2010, 1747 – Eurobike.

Rückzahlung von Einlagen

In § 27 Abs. 4 AktG ist der Fall des Hin- und Herzahlens geregelt: Ist vor der Einlage eine Leistung an den Aktionär vereinbart worden, die wirtschaftlich einer Rückzahlung der Einlage entspricht und die nicht als verdeckte Sacheinlage iSv § 27 Abs. 3 AktG zu beurteilen ist, so befreit dies den Aktionär von seiner Einlageverpflichtung nur dann, wenn die Leistung durch einen vollwertigen und liquiden Rückgewähranspruch gedeckt ist, der jederzeit fällig ist oder durch fristlose Kündigung durch die Gesellschaft fällig werden kann. Ausgangspunkt ist also, dass eine Bareinlage des Inferenten absprachegemäß an den Inferenten oder einen dem Inferenten zuzurechnenden Dritten zurückgezahlt wird, ohne dass der Inferent im Gegenzug einen sacheinlagefähigen Gegenstand leistet.Grigoleit/Vedder, 2. Aufl. 2020, AktG § 27 Rn. 66. Es wird vielmehr die (unverzichtbare) Einlagenforderung gegen eine (schwächere) schuldrechtliche Forderung ersetzt. Ob eine tatbestandsmäßige Rückzahlung erfolgt ist, ist allein durch wirtschaftliche Betrachtung zu bestimmen; es kommt also nicht auf die Identität der hin- und herfließenden Zahlungen oder auf eine betragsmäßige Übereinstimmung an.Grigoleit/Vedder, 2. Aufl. 2020, AktG § 27 Rn. 66. Die Übereinkunft muss notwendig vor der Leistung auf die Bareinlage bestanden haben, denn andernfalls kommt allenfalls ein Verstoß gegen § 57 AktG in Betracht.K. Schmidt/Lutter/Bayer, § 27 Rn. 106. Die Reihenfolge der Leistungen ist hingegen ohne Belang, vgl. BGHZ 184, 158 = NZG 2010, 343 Rn. 24.

Der Vorstand muss die erbrachte Leistung an den Aktionär oder die entsprechende Vereinbarung darüber nach § 27 Abs. 4 S. 2 AktG in der Anmeldung nach § 37 AktG angeben. Diese Verpflichtung ist strafbewehrt und sorgt iRd Publizität des Handelsregisters für Transparenz.K. Schmidt/Lutter/Bayer, § 27 Rn. 107. Anzugeben sind Art und Höhe der Leistung, die an den Aktionär bereits erbracht wurde, respektive der Inhalt einer dahingehenden Vereinbarung. Damit dem Registergericht die Prüfung der Rückgewährforderung möglich ist, muss der Vorstand zur Vollwertigkeit und Fälligkeit des Rückgewähranspruchs ausreichende Angaben machen.K. Schmidt/Lutter/Bayer, § 27 Rn. 107. Das Registergericht kann Nachweise verlangen.OLG München ZIP 2011, 567 = OLG München 31. Zivilsenat 31 Wx 246/10 (1. Leitsatz), dort zur GmbH, für die AG aber entsprechend relevant.

Der Inferent ist nur dann von seiner Einlagenverpflichtung befreit, wenn der Rückzahlungsanspruch der Gesellschaft aus dem Darlehen vollwertig und liquide ist. Die Vollwertigkeit ist zu bejahen, wenn die Forderung bilanziell zu 100 % angesetzt werden darf.Vgl. Schleswig-Holsteinisches OLG GmbHR 2012, 908 Rn. 31. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich (negativ) danach, ob die Forderung mit einem Risiko – insbesondere mit einem Ausfallrisiko – belastet ist; denn dann muss sie auf den niedrigeren beizulegenden Wert abgeschrieben werden.Schleswig-Holsteinisches OLG GmbHR 2012, 908 Rn. 31. Der Rückgewähranspruch ist liquide, wenn er nach Grund und Höhe außer Zweifel steht.K. Schmidt/Lutter/Bayer, § 27 Rn. 110.

Nachgründung

Ein weiteres Schutzinstrument enthält § 52 AktG für die sog. nachgründende Verträge, auch Nachgründung genannt. Die Bezeichnung als Nachgründung ist irreführend, es geht nicht um eine Gründung im eigentlichen Wortsinne, sondern um schuldrechtliche Geschäfte, die nur wegen der mit diesen Verträgen einhergehenden Gefährdungslage ähnlich wie eine Gründung behandelt werden.Koch, § 52 Rn. 2. Nach § 52 AktG bedürfen „Verträge der Gesellschaft mit Gründern oder mit mehr als 10 vom Hundert des Grundkapitals an der Gesellschaft beteiligten Aktionären, nach denen sie vorhandene oder herzustellende Anlagen oder andere Vermögensgegenstände für eine den zehnten Teil des Grundkapitals übersteigende Vergütung“ zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung der Hauptversammlung – die Vertretungsmacht des Vorstandes ist hier also eingeschränkt –, der SchriftformRechtsfolge bei Verstoß: § 125 BGB. und der Eintragung in das Handelsregister.Bis zur Eintragung: betroffener schuldrechtlicher Vertrag ist schwebend unwirksam. Es sind weiterhin gemäß § 52 Abs. 3, 4 AktG ein Nachgründungsbericht und eine externe Gründungsprüfung erforderlich. Diese Anforderungen gelten, wenn ein nachgründender Vertrag in den ersten zwei Jahren seit der Registereintragung geschlossen wird (§ 52 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 AktG). Der Zweck des § 52 AktG besteht darin, die Umgehung der Vorschriften über Sacheinlagen und -übernahmen zu verhindern (Umgehungsschutz).Bitter/Heim, § 3 Rn. 186. Die Gesellschaft soll also nicht im Wege der Bargründung errichtet und im Nachhinein in einem erheblichen Umfang Vermögensgegenstände übernehmen, die womöglich überbewertet sind.Saenger, § 15 Rn. 632. Insbesondere werden Schutzlücken für den Fall verhindert, dass eine Vorabsprache nachweislich fehlt oder jedenfalls nicht zu beweisen ist.Bitter/Heim, § 3 Rn. 186.

Die Vorschriften zur Nachgründung gelten nicht, wenn der Erwerb der Vermögensgegenstände im Rahmen der laufenden Geschäfte der Gesellschaft stattfindet (§ 52 Abs. 9 AktG).

Kapitalerhaltung

Etwaigen Gläubigern der AG nützt es wenig, wenn das Grundkapital der AG zwar aufgebracht ist, aber ein Rückfluss an die Aktionäre nicht verhindert wird. Im Aktienrecht gilt konsequenterweise der Grundsatz der strengen Kapitalbindung (§§ 57, 62 AktG). Dieser besteht nicht nur im Interesse von Gläubigern der Gesellschaft, die zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten ausschließlich auf das Gesellschaftsvermögen zugreifen können. Es werden auch die Interessen der (Minderheits-)Aktionäre gewahrt, die gegen eine Aushöhlung des wirtschaftlich auch ihnen gehörenden Gesellschaftsvermögens durch (Mehrheits-)Aktionäre geschützt sein wollen.

Hinsichtlich der Vermögensbindung des Aktienrechts gilt es zu beachten, dass das Grundkapital der AG zwangsläufig zum Betriebsvermögen zählt. Für betriebliche Zwecke darf das Grundkapital eingesetzt und insoweit aufgebraucht werden.Koch, § 32 Rn. 2. Die AG darf also mit diesem Vermögen ihre unternehmerischen Ziele verfolgen. Untersagt ist es aber, das Kapital an die zurückfließen zu lassen, wie nachfolgend zu zeigen ist.

Verbot der Einlagenrückgewähr

Gemäß § 57 Abs. 1 S. 1 AktG dürfen Einlagen den Aktionären nicht zurückgewährt werden. Dazu gehört es auch, dass Zinsen weder zugesagt noch ausgezahlt werden dürfen (§ 57 Abs. 2 AktG). Dieses Ausschüttungsverbot ist prinzipiell umfassend: Es ist nicht nur das zur Erhaltung des Grundkapitals erforderliche Gesellschaftsvermögen betroffen, sondern das gesamte Vermögen der AG. Es darf ausschließlich der Bilanzgewinn ausgeschüttet werden (§ 57 Abs. 3 AktG); dies gilt auch hinsichtlich des Dividendenrechts des Aktionärs (§ 58 Abs. 4 AktG). Alle anderen Ausschüttungen an den Aktionär sind somit verboten. Der Zweck hinter dieser weitreichenden Kapitalbindung besteht nicht allein darin, das Grundkapital zu schützen, sondern es sollen auch verdeckte Gewinnausschüttungen an einzelne Aktionäre – dies wären idR solche, die zulasten der Minderheitsaktionäre gehen –, verhindert werden.Koch, § 32 Rn. 2; Bitter ZHR 168 (2004), 302, 308.

Das Agio ist nicht Teil des Bilanzgewinns, sondern gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB in die Kapitalrücklage einzustellen; deshalb gilt auch für das Agio die Kapitalbindung.Bitter/Heim, § 3 Rn. 189.

Ausnahmen vom Verbot der Einlagenrückgewähr sind zum einen in § 57 Abs. 1 AktG geregelt: Keine Rückgewähr ist die Zahlung des Erwerbspreises beim zulässigen Erwerb eigener Aktien (§§ 57 Abs. 1 S. 2, 71 ff. AktG). Darüber hinaus ist § 57 Abs. 1 S. 1 AktG nicht anzuwenden auf Leistungen, die durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Aktionär gedeckt sind (§ 57 Abs. 1 S. 3 AktG) sowie bei die Rückgewähr eines Aktionärsdarlehens und Leistungen auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem Aktionärsdarlehen wirtschaftlich entsprechen (§ 57 Abs. 1 S. 4 AktG). Auch Leistungen, die bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags erbracht werden, gelten nicht als Verstoß gegen § 57 AktG (vgl. § 291 Abs. 3 AktG).

Verbot verdeckter Gewinnausschüttungen

Dass offen gegen das Verbot des § 57 AktG verstoßen wird, ist eher die Ausnahme. Praktisch häufiger sind sog. verdeckte Gewinnausschüttungen. Dabei handelt es sich um besonders günstige Konditionen, die einem Aktionär vertraglich um seiner Aktionärseigenschaft willen eingeräumt werden:Siehe Grunewald/Müller, § 9 Rn. 172. überhöhte Gehälter oder Kaufpreiszahlungen, Darlehen oder Lizenzgewährungen mit besonders günstigen Konditionen etc. Es werden also Vermögenswerte zugunsten eines Aktionärs aufgegeben oder sonstige Leistung erbracht, ohne dass der Gesellschaft dafür ein objektiv ausgleichender Gegenwert zufließt.Bitter/Heim, § 3 Rn. 191: teilweise objektive Unentgeltlichkeit.

Zu einer Einlagenrückgewähr führen nach diesen Grundsätzen nicht nur reine Geldflüsse, sondern jede reale Verringerung des Gesellschaftsvermögens reicht aus. So umfasst § 57 Abs. 1 S. 1 AktG ausweislich S. 3 auch Leistungen, denen kein „vollwertiger Gegenleistungsanspruch“ gegen den Aktionär gegenübersteht. Vollwertigkeit ist hierbei nach Bilanzierungsgrundsätzen zu bestimmen.Karsten Schmidt/Lutter/Fleischer, 4./5. Aufl. 2020/2024, § 57 Rn. 42. Darüber hinaus wird dem § 57 Abs. 1 S. 3 AktG ein sog. Deckungsgebot entnommen:Karsten Schmidt/Lutter/Fleischer, 4./5. Aufl. 2020/2024, § 57 Rn. 43. Der geleistete Vermögensgegenstand muss wertmäßig nach Marktwerten und nicht nach Abschreibungswerten „gedeckt“ sein. Verständlicher wird dieses Erfordernis, wenn man (ergänzend) den Grundsatz des Drittvergleichs berücksichtigt. Danach ist zu prüfen, ob bei Austauschverträgen ein gewissenhaft nach kaufmännischen Grundsätzen handelnder Geschäftsleiter den Vertrag unter sonst gleichen Bedingungen mit einem Nichtgesellschafter in gleicher Weise abgeschlossen hätte.Vgl. BGH NJW 1987, 1194 (GmbH); BGH NZG 2012, 1030 Rn. 12 (AG); näher Karsten Schmidt/Lutter/Fleischer, 4./5. Aufl. 2020/2024, § 57 Rn. 44 iVm Rn. 12. Wenn also die Gesellschaft zugunsten eines Aktionärs eine Werks- oder Dienstleistung erbringt, ohne dass dem damit verbundenen Vermögensabfluss eine dem Drittvergleich standhaltende Gegenleistung des Aktionärs gegenübersteht, dann liegt eine verbotene verdeckte Einlagenrückgewähr vor (Beweislast: Aktionär). Das veranschaulicht das folgende

Beispiel:Nach BGH NJW 1987, 1194, wo eine GmbH betroffen war, die Entscheidungsgrundsätze gelten aber auch hier für die AG. Kl. ist ein AG, Bekl. ist eine Aktionärin. Kl. begehrt Werklohn für die Erstellung des Rohbaus eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück der Bekl. Die Bauleistung erfolgte damals abredegemäß zu einem Preis von 125 DM pro cbm. Dabei ging die Kl. davon aus, dass das Entgelt die Selbstkosten des Rohbaus decken würde. Dies ist, wie sich im Nachhinein herausstellt, nicht der Fall. Kl. stellt eine Nachforderung mit dem Ziel, ihre Selbstkosten zu decken.

Lösungshinweise: Eine gegen § 57 AktG verstoßende Rückgewähr von Einlagen kann auch durch die Ausführung eines Vertrages bewirkt werden, die eine Sachleistung zum Gegenstand hat; das Verbot des § 57 AktG betrifft also, wie gesehen, nicht nur Geldleistungen. Hier ist zu hinterfragen, ob ein gewissenhaft nach kaufmännischen Grundsätzen handelnder Geschäftsleiter den Vertrag zu gleichen Bedingungen auch mit einen Nichtaktionär abgeschlossen hätte. Dies ist nur der Fall, wenn die Preisgestaltung durch „betriebliche Gründe gerechtfertigt“ ist.BGH NJW 1987, 1194, 1195. – Werk- oder Dienstleistungen zum Selbstkostenpreis werden mit Dritten in Ausnahmefällen vereinbart.Beispiel für „betriebliche Gründe“: Notwendigkeit einer Lagerräumung (Grunewald/Müller, § 9 Rn. 175). Die (kaufmännisch gebotene) Regel ist eine Preisgestaltung mit Gewinnmarge. Der Bekl. wurde somit hier mit Rücksicht auf die Aktionärsstellung ein Vorteil durch die Preisgestaltung eingeräumt, der Dritten nicht gewährt worden wäre. Wichtig ist hierbei, dass es auf subjektive Erwägungen der Geschäftsleitung nicht ankommt.BGH NJW 1987, 1194, 1195. Eine verdeckte Einlagenrückgewähr kann mithin auch dann vorliegen, wenn der Vorstand bei Vertragsschluss irrtümlich nicht erkannt hat, dass der gewährte Preis unter den eigenen Selbstkosten lag. Entscheidend bleibt nämlich die Tatsache, dass „einem Gesellschafter zu Lasten des Gesellschaftsvermögens ein durch betriebliche Gründe nicht gerechtfertigter Vorteil gewährt worden ist“,Siehe nochmals BGH NJW 1987, 1194, 1195. wodurch Gesellschaftsvermögen an eine Aktionärin ausgekehrt wurde.

Um die Vermögensverlagerung noch besser zu verschleiern, werden in praxi Leistungen auf Veranlassung des Aktionärs an nahestehende Dritte (Kinder, Partner, kontrollierte Unternehmen usw.) erbracht (zB in Form von „Beraterhonoraren“), die diese für Rechnung des Aktionärs empfangen.Differenzierend Grigoleit/ders./Rachlitz, § 57 Rn. 40. Auch solche Umgehungskonstellationen fallen aus offensichtlichen teleologischen Gründen unter § 57 AktG.

Rechtsfolgen verbotener Ausschüttungen

Die verbotswidrige Ausschüttung löst einen verschuldensunabhängigen Rückgewähranspruch der AG gegen den Aktionär aus (§ 62 Abs. 1 S. 1 AktG). Schuldner des Rückgewähranspruchs ist als grundsätzlich der Aktionär, der die Leistung empfangen hat. Im Rahmen dessen ist umstritten, ob der Anspruch aus § 62 Abs. 1 AktG seinem Inhalt nach auf Rückgewähr in Natur oder auf Ersatz des Wertes der verbotenen Leistung gerichtet ist.Zum Meinungsstand Grigoleit/ders./Rachlitz, § 57 Rn. 31 f. mwN. Da in der Praxis die Rückgewähr in Natur oftmals nicht möglich sein wird (s. Beispiel oben), besteht insoweit – nach dem Rechtsgedanken (!) des § 818 Abs. 2 BGB – nur ein Anspruch auf Wertersatz.C. Schäfer, § 42 Rn. 15. Eine Entreicherungseinrede steht dem Aktionär folglich nicht zu, da es sich in der Sache nicht um einen Bereicherungsanspruch handelt. Für unausgeglichene Austauschgeschäfte mit der AG hat der Aktionär in Form des Wertersatzes den Differenzbetrag zu erstatten, also eine Geldzahlung zu leisten,Bitter/Heim, § 3 Rn. 192; Grunewald/Müller, § 9 Rn. 176. während nach anderer Ansicht und wohl herrschender Ansicht § 62 AktG auf die Rückabwicklung des Geschäfts – sofern möglich – gerichtet ist und dem Vorstand die Wahl bleibt, stattdessen eine Differenzzahlung entgegenzunehmen.C. Schäfer, § 42 Rn. 16. Im Übrigen ist weder das Verpflichtungs- noch das Verfügungsgeschäft mit dem Aktionär unwirksam, da § 57 AktG – nach nunmehr geltender Rspr. – kein Verbotsgesetz iSd § 134 BGB ist.BGHZ 196, 312; so auch schon zuvor teilweise das Schrifttum, vgl. die Nachweise bei Bitter ZHR 168 (2004), 302, 308 f.

In den Fällen des zurechenbaren Drittempfangs besteht gegen den Dritten lediglich ein bereicherungsrechtlicher Rückerstattungsanspruch (§ 812 BGB).Grigoleit/ders./Rachlitz, § 57 Rn. 41. Die Nichtanwendung des § 62 AktG sei letztlich den gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen dieser Vorschrift geschuldet, insbesondere der spezifischen Verknüpfung der scharfen Haftungsfolgen mit der Aktionärsstellung.Grigoleit/ders./Rachlitz, § 57 Rn. 41. Für einen gutgläubigen Dritten hat dies den Vorteil, dass der Entreicherungseinwand nach Maßgabe der §§ 818 Abs. 3, 4, 819 BGB eröffnet ist.

Erwerb eigener Aktien

In § 71 AktG ist das grundsätzliche Verbot niedergelegt, eigene Aktien zu erwerben („nur“).Beachte die Erweiterung auf Dritte gemäß § 71d AktG. Die Zahlung des Kaufpreises an den Aktionär bedeutet nämlich zugleich eine Einlagenrückgewähr iSd § 57 Abs. 1 S. 1 AktG, also einen Abfluss von Kapital an die Aktionäre außerhalb der Verteilung des Bilanzgewinns. Demnach besteht der Zweck des § 71 AktG in der im Gläubigerinteresse stehenden Kapitalerhaltung.Daneben wird als Regelungszweck die Verhinderung von Kursmanipulationen genannt (C. Schäfer, § 42 Rn. 18), doch folgt ein solches Verbot konkret aus Art. 15 MAR (ähnlich MüKoAktG/Oechsler, 5. Aufl. 2019, § 71 Rn. 25). Zudem wird die Gefahr eines wirtschaftlichen Doppelschadens gebannt:Drygala/Staake/Szalai, § 20 Rn. 45. Erleidet die Gesellschaft einen geschäftlichen Verlust, der sich auf den Wert der Aktie niederschlägt, dann wirkt sich der Aktienbesitz in doppelter Hinsicht negativ aus: einesteils durch den Geschäftsverlust, andernteils durch die Wertminderung.

In Ausnahmefällen kann der Erwerb eigener Aktien ökonomisch sinnvoll sein. So kann der Gesellschaft daran gelegen sein, Aktien an Mitarbeiter ausgeben zu können (Mitarbeiterbeteiligung), dem Kapitalmarkt zu signalisieren, dass man am geschäftlichen Erfolg der Geschäftspolitik glaubt, oder um sich gegenüber einem Übernahmeangebot zu verteidigen.Vgl. Bitter/Heim, § 3 Rn. 193 mit weiteren Beispielen. Insbesondere im Zusammenhang mit solchen Übernahmen verschaffen die rückerworbenen Aktien die Möglichkeit, die Anteile bei strategischen Partnern der Zielgesellschaft (white knights) zu platzieren, um deren Einfluss gegenüber dem Bieter zu stärken.MüKoAktG/Oechsler, 5. Aufl. 2019, § 71 Rn. 10./Beachte in dem Zusammenhang aber § 33 WpÜG. Da es also legitime Gründe für den Erwerb eigener Aktien geben kann, enthält § 71 Abs. 1 AktG vom grundsätzlichen Verbot verschiedene Ausnahmetatbestände, von denen auf Nr. 8 als praktisch wichtigsten Fall hingewiesen sei, nämlich auf den zeitlich befristeten und inhaltlich beschränkten Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung.

Bei einem Verstoß gegen § 71 AktG ist auf Rechtsfolgenseite zwischen dinglicher und schuldrechtlicher Ebene zu differenzieren: Dinglich ist der Erwerb der eigenen Aktien wirksam, vgl. § 71 Abs. 4 S. 1 AktG. Es wird allerdings die Pflicht des § 71c Abs. 1 AktG ausgelöst, nämlich die fehlerhaft erworbenen Anteile innerhalb eines Jahres nach ihrem Erwerb zu veräußern. Schuldrechtlich ist das Geschäft hingegen gemäß § 71 Abs. 4 S. 2 AktG unwirksam. Demnach steht dem Veräußerer ein bereicherungsrechtlicher Rückgewähranspruch zu, der seinerseits gemäß § 62 AktG den erhaltenen Kaufpreis zurückgewähren muss, weil ein Verstoß gegen § 57 Abs. 1 S. 1 AktG vorliegt.C. Schäfer, § 42 Rn. 19.

Kapitalerhöhung und Kapitalherabsetzung

In einem auf Wachstum ausgelegten Marktumfeld ist es nicht überraschend, dass ein Unternehmen weiteres Kapital benötigt, um notwendige Investitionen zu realisieren. Auch in Sanierungssituationen wird zusätzliches Kapital benötigt. Der AG stehen zwei grundsätzliche Wege offen, ihren Kapitalbedarf zu decken: (i) Aufnahme von Krediten, also von Fremdkapital; (ii) Beschaffung von Eigenmitteln durch Ausgabe von Aktien gegen Einlagen. Interessieren soll hier der zweite Fall. Wie eine AG das Grundkapital erhöhen kann, regeln die Vorschriften zur sog. Kapitalerhöhung.

Seltener erforderlich ist die Verringerung des Grundkapital. Es kann beispielsweise sein, dass eine AG über überschüssiges Kapital verfügt, das aber als Grundkapital gebunden und somit gemäß § 57 AktG nicht ausgeschüttet werden darf. Um das Vermögen an die Aktionäre verteilen zu können, muss Grundkapitalziffer herabgesetzt werden. Wie dies vonstattengeht, richtet sich nach den Regeln der Kapitalherabsetzung.

Oberbegrifflich kann man die Kapitalerhöhungen und -herabsetzungen als Kapitalmaßnahmen bezeichnen, die sich dadurch auszeichnen, dass das Grundkapital der AG verändert wird. Zu unterscheiden sind effektive und nominelle Kapitalmaßnahmen: erstere zeichnen sich dadurch aus, dass ein tatsächlich Mittelzufluss oder Mittelabfluss stattfindet; letztere bedeuten eine Anpassung des Soll-Kapitals an das Ist-Kapital.Bitter/Heim, § 3 Rn. 200.

Kapitalerhöhung

aa) Bei der effektiven Kapitalerhöhung, die besonders praxisrelevant ist, geht es darum, dass das Grundkapital der AG gegen Ausgabe neuer Aktien erhöht wird (§§ 182 ff. AktG). Die Aktionäre müssen also eine Bar- oder Sacheinlage erbringen. Es findet demnach ein tatsächlich Mittelzufluss an die Gesellschaft statt. Eine Kapitalerhöhung kann auf verschiedenen Wegen umgesetzt werden:

(1) Bei der regulären Kapitalerhöhung ist Ausgangspunkt ein Kapitalerhöhungsbeschluss der Hauptversammlung (§§ 182 ff. AktG), der lediglich den Willen der Hauptversammlung zur Kapitalerhöhung bekundet. Zur Durchführung der Kapitalerhöhung (§§ 185 ff. AktG) ist der Vorstand aufgrund dieses Kapitalerhöhungsbeschlusses gemäß § 83 Abs. 2 AktG verpflichtet. Da die Kapitalerhöhung eine Satzungsänderung ist, bedarf der gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 6 AktG notwendige Beschluss mindestens einer Mehrheit von ¾ des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals (§ 182 AktG). Der Erhöhungsbeschluss ist zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden (§ 184 AktG).

Die Durchführung der Kapitalerhöhung geschieht gemäß § 185 Abs. 1 S. 1 AktG durch Zeichnung neuer Aktien, die durch schriftliche Erklärung zu erfolgen hat. Kein Aktionär kann verpflichtet werden, Aktien zu zeichnen. In praxi wird somit zunächst ein Zeichnungsvertrag geschlossen, in dem sich der Aktionär verpflichtet, neue Aktien im angegebenen Umfang zu erwerben. In diesem Vertrag ist auch geregelt, welche Mindesteinlagen gemäß §§ 188 Abs. 2, 36 Abs. 2, 36a AktG an die AG vor der Anmeldung der Durchführung der Kapitalerhöhung zu erbringen sind. Nach der erfolgten Zeichnung fordert der Vorstand die Einlagen ein. Mit der Eintragung der Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals wird die Kapitalerhöhung wirksam und das Grundkapital ist gemäß § 189 AktG erhöht. Sodann dürfen neue Aktien ausgegeben werden (§ 191 AktG).

Nach der gesetzlichen Grundkonzeption haben die Altaktionäre ein Bezugsrecht auf einen ihrer Beteiligung entsprechenden Teil der neuen Aktien gemäß § 186 Abs. 1 AktG. Hintergrund ist, dass jeder Aktionär seinen Stimmrechtsanteil und seine wirtschaftliche Beteiligung an der AG durch Erwerb neuer Aktien auch nach der Kapitalerhöhung behalten können soll. Das Bezugsrecht ist aus Sicht der Gesellschaft eine Erschwernis;Drygala/Staake/Szalai, § 25 Rn. 17. unter den Voraussetzungen von § 186 Abs. 3, 4 AktG kann es deswegen ausgeschlossen werden. Wichtig ist hierbei zu beachten, dass dort nur die formellen Voraussetzungen des Bezugsrechtsausschluss geregelt sind. Darüber hinaus besteht nach hM eine materielle Voraussetzung, nämlich dass der Ausschluss sachlich gerechtfertigt ist.BGHZ 71, 40, 44 ff. – Kali & Salz; BGHZ 83, 319, 325 f. – Holzmann. Hintergrund ist, „daß für einen Aktionär der Entzug des Vorrechts, Kapital in ‚seinem‘ Unternehmen investieren zu können, im allgemeinen einen schweren Eingriff in seine Mitgliedschaft bedeutet“BGHZ 71, 40, 44 – Kali & Salz.. Der Ausschluss des Bezugsrechts führt nämlich stets dazu, dass „der Anteil der betroffenen Aktionäre am Gesellschaftsvermögen mit dem entsprechenden Gewinn- und Liquidationsanteil mindestens relativ absinkt; zugleich verschieben sich die Stimmrechtsquoten, und zwar entweder zu Lasten aller Aktionäre, wenn nur Außenstehende bezugsberechtigt sind, oder bereits im Verhältnis der bisherigen Aktionäre untereinander, wenn sich (…) das Bezugsrecht auf einen oder einen Teil von ihnen beschränkt.“BGHZ 71, 40, 45 – Kali & Salz. Das kann sich unter Umständen als Verlust einer Sperrminorität oder sogar von Minderheitsrechten auswirken.

Ein gesetzlich ausdrücklich geregelter Fall (§ 183 AktG), bei dem ein Bezugsrechtsausschluss auch sachlich gerechtfertigt ist, ist die Kapitalerhöhung durch Sacheinlage.Zu den anspruchsvolleren Voraussetzungen für den Bezugsrechtsausschluss bei der Kapitalerhöhung gegen Bareinlage s. Drygala/Staake/Szalai, § 25 Rn. 22. Diese ist zwangsläufig nur unter Beschränkung auf denjenigen möglich, der die Sacheinlage erbringen kann.

(2) Ein Sonderfall der regulären Kapitalerhöhung gegen Einlagen ist die bedingte Kapitalerhöhung. Sie darf nur zu den in § 192 Abs. 2 AktG genannten Zwecken beschlossen werden; es wird also eine bedarfsabhängige Kapitalbeschaffung ermöglicht. Diese Form der Kapitalerhöhung ist einschlägig, wenn sie iSd § 192 Abs. 1 Nr. 1 AktG nur so weit durchgeführt werden soll, wie von einem Umtausch- oder Bezugsrecht Gebrauch gemacht wird, das die Gesellschaft hat oder auf die neuen Aktien (Bezugsaktien) einräumt. Entsprechende Rechte werden insbesondere Gläubigern von Wandel- oder Optionsanleihen eingeräumt.Grunewald/Müller, § 9 Rn. 183. Darüber hinaus ist die Vorbereitung von Zusammenschlüssen (Nr. 2) und die Bedienung von stock options auf diese Weise möglich (Nr. 3).

(3) Ein weiterer Fall der regulären Kapitalerhöhung ist das sog. genehmigte Kapital, welches sehr praxisrelevant ist. Hierbei wird dem Vorstand ein gewisses Ermessen hinsichtlich der Entscheidung eingeräumt, eine Kapitalerhöhung durchzuführen (Maßnahme der Geschäftsführung). Grundlage dieser punktuellen Machtverlagerung auf den Vorstand ist eine Ermächtigung in der anfänglich festgestellte (Gründungs-) Satzung oder in der nachträglich durch Hauptversammlungsbeschluss geänderten Satzung für höchstens fünf Jahre nach Eintragung der Gesellschaft bzw. der Satzungsänderung (§ 202 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2 AktG). Sinn und Zweck dieser Ermächtigung ist es, dem Vorstand „auf Vorrat“ eine Möglichkeit zu verschaffen, schnell und unkompliziert Eigenkapital beschaffen zu können, wenn dies wirtschaftlich angezeigt ist.Bitter/Heim, § 3 Rn. 215. Denn eine ordentliche Kapitalerhöhung bedarf Vorlaufzeit, allein schon, um die Hauptversammlung einzuberufen. In den §§ 202 ff. AktG wird der punktuellen Machtverlagerung auf den Vorstand verschiedentlich eingegrenzt. So ist neben der erwähnten zeitlichen Beschränkung der Vorstandsermächtigung vorgesehen, dass der Nennbetrag des genehmigten Kapitals die Hälfte des Grundkapitals nicht übersteigen darf (§ 202 Abs. 3 S. 1 AktG) und neue Aktien sollen nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats ausgegeben werden (§ 202 Abs. 3 S. 2 AktG). Im Übrigen folgt die Ausgabe neuer Aktien beim genehmigten Kapital prinzipiell den Regeln über die Kapitalerhöhung gegen Einlagen (vgl. § 203 Abs. 1 S. 1 AktG), allerdings u.a. mit Besonderheiten hinsichtlich des Bezugsrechts.Näher dazu Bitter/Heim, § 3 Rn. 216 f.

bb) Bei einer nominellen Kapitalerhöhung wird der Gesellschaft kein neues Kapital von außen zugeführt, sondern es werden Kapital- oder Gewinnrücklagen in Grundkapital umgewandelt (§§ 207 Abs. 1, 208 AktG). Notwendig ist hierfür gemäß § 207 Abs. 1 AktG ein Beschluss der Hauptversammlung. Wirksam wird die Umwandlung der Rücklagen in Grundkapital durch eine entsprechende Eintragung in das Handelsregister gemäß § 211 Abs. 1 AktG.

Kapitalherabsetzung

aa) Wie schon gesehen, steht nur der Bilanzgewinn zur Verteilung an die Aktionäre zur Verfügung. Es kann allerdings – selten! – vorkommen, dass die Aktiengesellschaft überschüssiges Kapital hat. Auch ist es denkbar, dass die Gesellschaft ihren Aktionären noch offene Einlageverpflichtungen erlassen möchte (vgl. § 225 Abs. 2 S. 2 AktG). Damit sie entsprechende Maßnahmen ergreifen kann, muss die Grundkapitalziffer herabgesetzt werden. Für die solche Kapitalmaßnahme müssen Sicherheitsvorkehrungen zugunsten der Gläubiger greifen, denn in der Konsequenz steht weniger Haftungsvermögen zur Verfügung.Grunewald/Müller, § 9 Rn. 193.

Eine effektive Kapitalherabsetzung erfolgt entweder durch eine ordentliche Kapitalherabsetzung (§§ 222 ff. AktG) oder durch Einziehung von Aktien (§§ 237 ff. AktG). Bei der ordentlichen Kapitalherabsetzung ist gemäß § 222 Abs. 1 AktG ein Beschluss der Hauptversammlung erforderlich; hierfür ist eine Mehrheit von ¾ des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals notwendig. Der Zweck der Herabsetzung muss im Beschluss angegeben werden (§ 222 Abs. 3 AktG).

Bei einer Einziehung von Aktien nach §§ 237 ff. AktG sind zwei Formen zu unterscheiden:

  • Für eine Zwangseinziehung ist kennzeichnend, dass Mitgliedsrechte vernichtet werden (§ 237 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 AktG). Hier bedürfen die Aktionäre eines besonderen Schutzes. Die Zwangseinziehung ist deswegen gemäß § 237 Abs. 1 S. 2 AktG nur zulässig, wenn sie in der ursprünglichen Satzung oder durch eine Satzungsänderung vor Übernahme oder Zeichnung der Aktien angeordnet oder gestattet ist. Grundsätzlich muss die Gesellschaft bei einer solchen Zwangseinziehung ein Einziehungsentgelt zahlen.

  • Bei einer Einziehung der Aktien nach Erwerb durch die Gesellschaft ist es die AG selbst (§ 237 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 AktG), die Inhaberin des einzuziehenden Mitgliedsrechts ist. Deswegen besteht hier nicht in gleicher Weise ein Bedarf nach Schutz der Aktionärsrechte.

Auch durch die Einziehung von Aktien wird das Grundkapital und damit der den Gläubigern zur Verfügung stehende Haftungsfonds verringert. Deshalb verweist § 237 Abs. 2 S. 1 AktG auf die Vorschriften über die ordentliche Kapitalherabsetzung, die zB mit § 225 AktG eine entsprechende Gläubigerschutzvorschrift bereithalten.

bb) Von der ordentlichen Kapitalherabsetzung ist die vereinfachte Kapitalherabsetzung iSd § 229 AktG zu unterscheiden. Hierbei geht es nicht darum, die Verteilung von Vermögen an die Aktionäre zu ermöglichen. Vielmehr besteht der Zweck dieser Kapitalherabsetzung darin, eine eingetretene Unterbilanz (Wertminderungen, sonstige Verluste) zu beseitigen oder Beträge in die Kapitalrücklage einzustellen (vgl. § 229 Abs. 1 AktG). Es geht also darum, dass Kapital bereits verwirtschaftet worden ist und eine Sanierung der Aktiengesellschaft angestrebt wird. Gerade weil bereits Kapital verwirtschaftet worden ist, wogegen etwaige Gläubiger nicht geschützt sind, handelt es sich um eine „vereinfachte“ Maßnahme – indem den Gläubigern kein Anspruch auf Sicherheitsleistung gemäß § 225 AktG zusteht (iÜ gelten die Vorschriften der ordentlichen Kapitalherabsetzung sinngemäß, vgl. § 229 Abs. 3 AktG).

cc) Zuletzt ist ein Kapitalschnitt möglich. Hierbei wird eine nominelle Kapitalherabsetzung mit einer effektiven Kapitalerhöhung kombiniert. Dieses Vorgehen kann sinnvoll sein, wenn die Gesellschaft erhebliche Verluste erlitten hat und nunmehr frisches Kapital benötigt.C. Schäfer, § 42 Rn. 38. Ist durch einen Verlust ein Großteil des Grundkapitals verloren, dann wird iE durch den Kapitalschnitt verhindert, dass die alten Aktien durch das neue Kapital aufgewertet bzw. die Jungaktien entwertet werden.Bitter/Heim, § 3 Rn. 202 mit anschaulichem Rechenbeispiel. Die Altaktionäre tragen den Verlust durch die nominelle Herabsetzung des Grundkapitals auf den Betrag des nach den Verlusten tatsächlich noch vorhandenen Kapitals. Gemäß § 228 Abs. 1 AktG kann das Grundkapital sogar unter den in § 7 AktG bestimmten Mindestnennbetrag herabgesetzt werden, wenn dieser durch eine Kapitalerhöhung wieder erreicht wird, die zugleich mit der Kapitalherabsetzung beschlossen ist und bei der keine Sacheinlagen festgesetzt sind.

Beispiel:Nach Koch, § 32 Rn. 23 f. AG hat ein Grundkapital iHv 10 Mio. EUR und 10 Aktionären, so dass jede Aktie einen Nennbetrag von 1 Mio. EUR hat. Nun erleidet die AG einen Verlust, so dass ihr Restkapital 5 Mio. EUR ist. Der Vorstand geht davon aus, dass 10 Mio. EUR frisches Kapital benötigt werden, damit die Gesellschaft ihre Geschäfte fortsetzen kann. Da das Verbot der Unterpari-Emission gilt, könnte die Gesellschaft 10 neue Aktionäre zu 1 Mio. EUR je Aktie aufnehmen. In der Folge hätte sie 20 Aktionäre und Kapital iHv 15 Mio. EUR (Altvermögen plus aufgenommenes Vermögen). Der tatsächliche Wert jeder Aktie würde sich auf 750.000 EUR belaufen; die Neuaktionäre hätten also bloß durch die Zeichnung der Jungaktien einen Verlust von 250.000 EUR erlitten. Es ist offensichtlich, dass die Gesellschaft auf diese Weise nie neue Investoren gewinnen könnte.

Wird das Grundkapital auf 5 Mio. EUR herabgesetzt, dann könnte die Gesellschaft nun Aktien zum Nennbetrag von jeweils 500.000 EUR ausgeben. Sie könnte also 20 neue Aktionäre aufnehmen. Dann hätte die AG 30 Aktionäre, die Aktien zum Nennbetrag von 500.000 EUR halten würden (= 15 Mio. EUR Grundkapital).

Beendigung

Die Existenz einer Aktiengesellschaft kann nicht von einem Moment auf den anderen beendet werden. Es sind vielmehr zwei Schritte erforderlich: Auflösung gemäß § 262 AktG und anschließende Abwicklung gemäß §§ 264 ff. AktG.

Auflösung

Die Auflösung der Gesellschaft bedeutet eine Zweckänderung: An die Stelle des werbenden Zwecks der Gesellschaft tritt der Abwicklungszweck, damit die Beendigung der Gesellschaft herbeigeführt wird. Die Zweckänderung ist durch (deklaratorische) Eintragung in das Handelsregister publik zu machen (§§ 263, 398 AktG); hinzu kommt der Firmenzusatzi.L.“ (vgl. § 269 Abs. 6 AktG).

Im Vordergrund der Abwicklungsgesellschaft steht die Befriedigung der noch existierenden Gläubiger und die Verteilung des Restvermögens an die Aktionäre.Saenger, § 15 Rn. 690. Der Vorstand ist somit mit seiner Leitungsverantwortung ab diesem Augenblick dieser Zwecksetzung verpflichtet. Er führt die Liquidation als Abwickler durch (vgl. § 265 Abs. 1 AktG).

Die Auflösung der AG richtet sich nach den zwingendenAndere Auflösungsgründe durch die Satzung können also nicht geschaffen werden; C. Schäfer, § 44 Rn. 2. Auflösungsgründen des § 262 Abs. 1 Nr. 1–5 AktG.Die Löschung wegen Vermögenslosigkeit gemäß § 262 Abs. 1 Nr. 6 AktG stellt hingegen keinen Auflösungsgrund da, weil in Ermangelung eines Vermögens keine Abwicklung stattfinden kann; deswegen spricht man hier von einer liquidationslosen Vollbeendigung der AG. Praktisch wichtig ist die Insolvenz der AG. Dabei sind zwei Situationen zu unterscheiden:

  • In § 262 Abs. 1 Nr. 3 AktG ist der Fall geregelt, dass die zahlungsunfähige oder überschuldete Gesellschaft über ausreichend Vermögen verfügt, damit die Kosten des Insolvenzverfahrens bestritten werden können, also das Insolvenzverfahren eröffnet wird.

  • Demgegenüber ist in § 262 Abs. 1 Nr. 4 AktG der Fall geregelt, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch das Insolvenzgericht gemäß § 26 AktG mangels Masse abgewiesen wird.

Liquidation (Abwicklung)

Ist das Insolvenzverfahren eröffnet, dann findet die Abwicklung vorrangig nach den dort geltenden Verfahrensregeln statt (vgl. § 264 Abs. 1 AktG). In den anderen Fällen richtet sich die Liquidation nach den Regeln der §§ 264 ff. AktG, die mit dem Ziel, die Aktionäre und die Gläubiger zu schützen, zwingend ausgestaltet sind.

Im Liquidationsstadium bleibt die AG weiterhin als juristische Person bestehen. Sie bleibt Handelsgesellschaft iSd § 6 Abs. 2 HGB und behält ihre Firma, der ein Hinweis auf die Abwicklung – wie gesehen – anzufügen ist. Die Abwickler vertreten die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich (§ 269 Abs. 1 AktG); sie haben die laufenden Geschäfte zu beenden, sämtliche Forderungen einzuziehen, etwaiges Vermögen in Geld umzuwandeln, die Gläubiger zu befriedigen und schließlich das Restvermögen zu verteilen (§§ 268 Abs. 1, 271 AktG).

Beendigung

Mit Abschluss der Abwicklung ist die AG beendet; der Schluss der Abwicklung wird in das Handelsregister eingetragen und die AG aus dem Register gelöscht (§ 273 Abs. 1 AktG). Die juristische Person ist dann untergegangen.