Der Tatbestand des Versicherungsbetrugs aus § 265 StGB aF ist mit dem 6. Strafrechtsreformgesetz aus dem Jahr 1998 durch den heute in § 265 StGB geregelten Versicherungsmissbrauch ersetzt bzw. teilweise in § 263 Abs. 3 Nr. 5 StGB überführt worden. Dies geschah, um erkannten Unzulänglichkeiten des Tatbestands zu begegnen, „Strafbarkeitslücken“ zu schließen und gewisse Spannungen zwischen dem Vorfelddelikt § 265 StGB aF und dem Betrugstatbestand aufzulösen.
Der Tatbestand erfasst Fälle, in denen der Täter eine gegen Untergang, Beschädigung etc versicherte Sachen absichtlich beeinträchtigt, um dann Ansprüche gegen die Versicherung geltend zu machen.
Rechtsgut und Deliktsstruktur
Es ist umstritten, welches Rechtsgut § 265 StGB schützt. Weit verbreitet ist die Sichtweise, dass allein das individuelle Vermögen der einzelnen Sachversicherer geschützt wird. Es wird jedoch auch vertreten, es trete neben (kumulativ) oder an die Stelle (alternativ) des Vermögensschutzes das kollektive Rechtsgut der sozialen Leistungsfähigkeit der Sachversicherungswirtschaft. Für die juristische Ausbildung dürfte diesem Streit wohl keine Bedeutung zukommen. In jedem Fall ist jedoch zu konstatieren, dass die Vorschrift den strafrechtlichen (Vermögens-)Schutz weit ins Vorfeld des Betrugs, namentlich in das Vorbereitungsstadium, verlegt und damit verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit ausgesetzt ist. Nicht selten wird daher gefordert, die Vorschrift ersatzlos zu streichen.
Objektiver Tatbestand
Der objektive Tatbestand setzt voraus, dass eine (sach-)versicherte Sache beschädigt, zerstört, in ihrer Brauchbarkeit beeinträchtigt, beiseite geschafft oder einem anderen überlassen wird.
Tatobjekte: Versicherte Sache
Als Tatobjekt kommt nur eine Sache in Betracht, die gegen die im Tatbestand genannten Risiken (Untergang, Beschädigung etc.) versichert ist. Dabei genügt es, wenn ein entsprechender Versicherungsvertrag abgeschlossen, d. h. förmlich zustande gekommen ist. Die Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit des Vertrags schadet nicht.
Tathandlung: Beschädigen, Zerstören, die Sache in ihrer Brauchbarkeit Beeinträchtigen, Beiseiteschaffen oder einem anderen Überlassen
Zur Erfüllung des Tatbestands ist erforderlich, dass die jeweilige Tathandlung das versicherte Risiko betrifft, d. h. dass gerade eine gegen Beschädigung versicherte Sache beschädigt, zerstört etc. wird. Nicht von § 265 StGB erfasst ist daher die Konstellation, in der der Eigentümer einer Sache mit einem Dritten kollusiv die Vereinbarung trifft, dass der Dritte die Sache zerstört, um Geld von der Haftpflichtversicherung des Dritten zu erlangen.
Im Übrigen ergeben sich hinsichtlich der Handlungsvarianten „Beschädigen“ und „Zerstören“ keine Unterschiede zu § 303 Abs. 1 StGB (→ § 18 Rn. 20 ff.). Einen weiteren Anwendungsbereich als § 303 StGB hat § 265 StGB aber, weil er in Var. 3 neben dem Zerstören und Beschädigen auch Beeinträchtigungen der Brauchbarkeit der Sache erfasst.
Unter Beiseiteschaffen versteht man das räumliche Verschieben oder Verbringen einer Sache.
Ein Überlassen liegt in der Verschaffung des Besitzes zu eigener Verfügung oder zu eigenem, auch nur vorübergehenden Gebrauch (vgl. § 184 StGB), etwa beim Verleihen.
Subjektiver Tatbestand
Der subjektive Tatbestand von § 265 StGB setzt zunächst Vorsatz voraus, wozu dolus eventualis genügt.
Zusätzlich muss der Täter handeln, „um sich oder einem Dritten Leistungen aus der Versicherung zu verschaffen“. Hinter dieser Formulierung verbirgt sich ein Absichtserfordernis, d. h. der Täter muss mit dolus directus 1. Grades handeln. Sein Ziel muss es sein, einen (vermeintlichen, s. § 81 VVG) Versicherungsfall herbeizuführen und damit die Regulierung des Sachschadens durch die Versicherung vorzubereiten.
Rechtswidrigkeit und Schuld
Es gelten die allgemeinen Regeln.
Täterschaft und Teilnahme
Auch hier gibt es keine Besonderheiten.
Versuch und tätige Reue
Der Versuch des Vergehens (§ 12 Abs. 2 StGB) ist gem. § 23 Abs. 1 Var. 2 i. V. m § 265 Abs. 2 StGB strafbar. Ein Rücktritt nach § 24 StGB ist möglich, eine Vorschrift zur tätigen Reue fehlt indes. Diesem Umstand, der gerade im Hinblick auf die Vorverlagerung der Strafbarkeit durch § 265 StGB problematisch ist, wird in Teilen der Literatur durch eine analoge Anwendung der §§ 264 Abs. 5, 264a Abs. 3 und § 265b Abs. 2 StGB zu begegnen versucht.
Konkurrenzen
In Abs. 1 wird formelle Subsidiarität gegenüber § 263 StGB angeordnet („wenn die Tat nicht in § 263 mit Strafe bedroht ist.“). Die Vorschrift verwendet an dieser Stelle den prozessualen Tatbegriff des § 264 Abs. 1 StPO, d. h. die Subsidiaritätsklausel greift, wenn Betrug und Versicherungsmissbrauch zwar durch zwei Handlungen im materiell-rechtlichen Sinne begangen werden, aber dieselbe prozessuale Tat bilden. Betrachtet man die Typizität des von § 265 StGB inkriminierten Gesamtgeschehens, ist das schlüssig: Der vorbereitende Versicherungsmissbrauch geschieht wegen der räumlichen und zeitlichen Zäsur in aller Regel nicht in Handlungseinheit mit dem sich anschließenden Versicherungsbetrug (§ 263 Abs. 1, ggfs. Abs. 3 Nr. 6 StGB), sodass die Subsidiaritätsklausel bei Zugrundelegung des materiell-rechtlichen Tatbegriffs leer liefe.
Aufbauschema
Tatbestand
Objektiver Tatbestand
Tatobjekt: Versicherte Sache
Tathandlung: Beschädigen, Zerstören, die Sache in ihrer Brauchbarkeit Beeinträchtigen, Beiseiteschaffen oder einem anderen Überlassen
Subjektiver Tatbestand: Vorsatz und Absicht, sich oder einem Dritten Leistungen aus der Versicherung zu verschaffen
Rechtswidrigkeit
Schuld
Prozessuales / Wissen für die Zweite Juristische Prüfung
In den Klausuren der Zweiten Juristischen Prüfung spielen die Brandstiftungsdelikte der §§ 306 ff. StGB eine nicht zu unterschätzende Rolle. In Fällen, in den der Täter absichtlich Feuer legt, um die Versicherungssumme zu erlangen, ist dabei stets an den tateinheitlich zu den §§ 306 ff. StGB mitverwirklichten § 265 StGB zu denken. Zusätzlich kann § 263 StGB gegenüber und zu Lasten der Versicherung (oder der Versuch einer solchen Tat) vorliegen.
Studienliteratur
Geppert, Versicherungsmissbrauch (§ 265 StGB neue Fassung), Jura 1998, 382