Olivia Czerny Zivilrecht: Wissen und Methoden für die Falllösung Licensed under CC-BY-4.0

Pflichtverletzung und Vertretenmüssen bei § 283 BGB

Eigentlich ist es widersprüchlich, bei § 283 BGB die Pflichtverletzung in der Nichtleistung zu sehen. Denn der Schuldner muss nach § 275 BGB ja gerade nicht leisten. Dann verletzt er mit einer Nichtleistung aber eigentlich auch keine Pflicht.

Statt der Nichtleistung könnte man auch in der Herbeiführung der Unmöglichkeit die Pflichtverletzung sehen.

Dagegen sprechen Beweislastlasterwägungen. Der Anspruchssteller muss alle positiven Anspruchsvoraussetzungen beweisen. Im Rahmen des § 280 I BGB muss der Schadensersatzgläubiger also das Schuldverhältnis und die Pflichtverletzung beweisen; aufgrund der negativen Formulierung in § 280 I 2 BGB aber nicht das Vertretenmüssen. Dieses wird vermutet und der Anspruchsgegner/Schadensersatzschuldner muss sich entlasten.

Dem Schadensersatzgläubiger wird es in der Regel recht leichtfallen zu beweisen, dass nicht geleistet wurde. Dass nicht geleistet wurde, weil der Schuldner selbst die Unmöglichkeit der Leistung herbeigeführt hat, dürfte der Gläubiger dagegen kaum nachvollziehen können.

Beispielsweise kann man leicht nachweisen, dass ein Verkäufer einen seltenen Sneaker, den man bestellt hat, nicht liefert. Dass der Verkäufer selbst dafür verantwortlich ist, dass er den Sneaker nicht liefern kann (beispielsweise, weil er selbst ihn nicht bestellt hat) und nicht jemand anderes dafür verantwortlich ist (beispielsweise ein Dieb), wird man dagegen in der Regel nicht wissen und deshalb auch nicht beweisen können.

Aus diesem Grund wird für die Pflichtverletzung, die der Gläubiger beweisen muss, auf die Nichtleistung abgestellt.

Hat der Schuldner die Unmöglichkeit nicht herbeigeführt, kann er sich im Rahmen des Vertretenmüssens (welches zunächst vermutet wird) entlasten. Ihm liegen die Informationen über die Gründe der Unmöglichkeit (beispielsweise, dass ein Dieb die Sneakers geklaut hat) auch vor. Deshalb bezieht sich das Vertretenmüssen, obwohl es sich eigentlich auf die Pflichtverletzung beziehen müsste, bei § 283 BGB auf die Herbeiführung der Unmöglichkeit.

Wenn diese Begründung Sie verwirrt, sollten Sie sich nicht zu lange den Kopf darüber zerbrechen.

Es reicht völlig, wenn Sie sich merken, dass bei § 283 BGB gilt:

Pflichtverletzung = Nichtleistung

Vertretenmüssen = Herbeiführung der Unmöglichkeit

Die Begründung soll Ihnen das Verständnis erleichtern.