Kilian Wegner Strafrecht AT 2: Übungsfälle Licensed under CC-BY-4.0

Einheit 15 – Lösungshinweise

Fall 1

Vorbemerkung: Das Aufbauschema zur Beihilfe unterscheidet sich kaum von dem Aufbauschema zur Anstiftung. Der Hauptunterschied liegt in der Teilnahmehandlung, die bei der Beihilfe in der Förderung der Haupttat durch Hilfeleisten besteht. Daraus ergibt sich folgendes Aufbauschema:

A. Strafbarkeit des Tatnächsten

B. Strafbarkeit des Gehilfen

I. Tatbestandsmäßigkeit

1. Objektiver Tatbestand

a) Vorliegen einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat

eines anderen

b) Hilfeleisten

2. Subjektiver Tatbestand

a) Vorsatz in Bezug auf die Vollendung der vorsätzlichen

rechtswidrigen Haupttat

b) Vorsatz in Bezug auf das Hilfeleisten

II. Rechtswidrigkeit

III. Schuld

Strafbarkeit des A gem. §§ 212 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB wegen Beihilfe zum Totschlag an den 246 Passagieren/Besatzungsmitgliedern der entführten Flugzeuge

A könnte sich einer Beihilfe zum Totschlag an den 246 Passagieren/Besatzungsmitgliedern der entführten Flugzeuge gem. §§ 212 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB schuldig gemacht haben, indem er bei der Vorbereitung der Anschläge mitwirkte.

Tatbestandsmäßigkeit

Hierzu müsste A zunächst tatbestandsmäßig gehandelt haben.

Objektiver Tatbestand

Zu prüfen ist zunächst, ob A den objektiven Tatbestand der Beihilfe verwirklichte. Dies wäre dann der Fall, wenn er einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat (§ 27 Abs. 1 StGB).

Vorsätzliche rechtswidrige Haupttat

Die erforderliche vorsätzliche rechtswidrige Haupttat ist in dem von den Attentätern begangenen 246-fachen Totschlag an den Passagieren/Besatzungsmitgliedern der entführten Flugzeuge zu erblicken.

Hinweis: Vorliegend kommt auch Mord gem. § 211 StGB in Betracht. Dies gehört aber zum Lernstoff eines höheren Semesters.

Hilfeleisten

Ferner müsste A zu dieser Haupttat i.S.d. § 27 Abs. 1 StGB Hilfe geleistet haben. Unter Hilfeleisten ist jeder Tatbeitrag zu verstehen, der die Haupttat entweder ermöglicht oder erleichtert oder aber die vom Täter begangene Rechtsgutsverletzung verstärkt. Mit der Verschleierung des Aufenthalts der Attentäter und der Bereitstellung von Geldmitteln könnte A in physischer Form Hilfe geleistet haben. Allerdings wären die Anschläge auch ohne Mitwirkung des A durchgeführt worden. Die hier als Hilfeleisten i.S.d. § 27 Abs. 1 StGB in Frage kommenden Handlungen waren also nicht kausal für die Haupttat. Ob der Gehilfenbeitrag für den Erfolg der Haupttat im Sinne der conditio-sine-qua-non-Formel ursächlich geworden sein muss, ist umstritten. Zur Frage der Kausalität der Beihilfe werden folgende Ansätze vertreten.

Eine Ansicht lässt eine sog. Förderungskausalität genügen. Ausreichend sei demnach, wenn lediglich die Handlung des Haupttäters auf irgendeine Weise gefördert wurde. Der Tatbeitrag des Gehilfen müsse demnach für den Erfolg nicht ursächlich sein. Nach dieser Sichtweise liegt ein taugliches Hilfeleisten des A vor.

Hinweis: Diese Sichtweise wird in der Rechtsprechung und von einem Teil der Literatur vertreten. Der BGH hat im vorliegenden Fall zur Teilnahmehandlung des A Folgendes ausgeführt: ,,Die Verschleierung der Tatvorbereitungen und das Mitwirken am Bereitstellen von finanziellen Mitteln für die Durchführung dieser Vorbereitungen haben den zur Tatvollendung führenden konkreten Geschehensablauf bis in die Ausführungsphase mitgeprägt. Dass die Anschläge möglicherweise ohne die Mitwirkung des Angeklagten ebenfalls durchgeführt worden wären, weil die Tatvorbereitungen eventuell auch ohne dessen Verdeckungsbemühungen nicht aufgefallen wären, ändert hieran nichts.“

Eine andere Ansicht fordert weitergehend, dass die Hilfeleistung für den Erfolgseintritt der Haupttat kausal geworden ist. Der Tatbeitrag des Gehilfen müsse sich auf die Tatbestandsverwirklichung auswirken. Eine Kausalität im Sinne der conditio-sine-qua-non-Formel wird allerdings überwiegend nicht gefordert. Der Gehilfenbeitrag müsse demnach die in der Haupttat liegende Rechtsgutverletzung ermöglichen oder verstärken oder jedenfalls die Verwirklichung der Tat erleichtern oder absichern. Vorliegend hat A den Aufenthalt der Attentäter verschleiert und an der Bereitstellung von Geldmitteln mitgewirkt. Er hat also jedenfalls wenigstens die Erfüllung der Haupttat erleichtert. Nach dieser Ansicht läge ein Hilfeleisten i.S.d. § 27 Abs. 1 StGB vor.

Nach der dritten Ansicht müsse der Tatbeitrag des Gehilfen das Risiko für den Erfolg erhöht haben. Derjenige, der das auf die Tatbestandsverwirklichung gerichtete Tun des Haupttäters objektiv fördert oder erleichtert, erhöht grundsätzlich das Risiko der Tatvollendung. A hat, wie bereits festgestellt, die Erfüllung der Haupttat erleichtert. Durch die Verschleierung des Aufenthalts des Attentäters und die Mitwirkung an der Bereitstellung von Geldmitteln hat A jedenfalls die Erfolgschancen für den 246-fachen Totschlag erhöht. Nach dieser Auffassung wäre also das Hilfeleisten des A zu bejahen.

Alle Ansichten kommen zum gleichen Ergebnis. Der Streitentscheid kann damit unterbleiben.

A hat demnach zu der o.g. Haupttat Hilfe geleistet und damit den objektiven Tatbestand der Beihilfe verwirklicht.

Subjektiver Tatbestand

Des Weiteren müsste A vorsätzlich gehandelt haben. Der Vorsatz muss sich zum einen auf die vorsätzliche und rechtswidrige Haupttat der anderen Täter und zum anderen auf die eigene Hilfeleistung beziehen (sog. „doppelter Gehilfenvorsatz“).

Problematisch erscheint hier der Vorsatz des A bezüglich des Totschlags an den 246 Passagieren/Besatzungsmitgliedern der entführten Flugzeuge. Insbesondere ist insofern zu klären, inwieweit der Vorsatz des Gehilfen konkretisiert sein muss. Vorliegend hat A das bis dahin unvorstellbare Ausmaß der Anschläge und der Vernichtung von Menschenleben nicht erkannt. Er wusste jedoch, dass die Flugzeuge zum Absturz gebracht werden sollten.

Die Anforderungen an die Bestimmtheit des Gehilfenvorsatzes sind jedenfalls geringer als die an den Konkretisierungsgrad eines Anstiftervorsatzes. Der Gehilfenvorsatz muss sich nicht auf ein ,,konkret-individualisiertes Geschehen“ beziehen. Der Gehilfe muss keine Vorstellung haben von ,,Einzelheiten der Tat, wann, wo, wem gegenüber und unter welchen besonderen Umständen die Tat ausgeführt werden wird.“BayObLG NJW 1991, 2582.

Der BGH hat im vorliegenden Fall diesen Vorsatz bejaht und führte dazu folgendes aus:

,,(…) der Angeklagte [wusste], dass die vier zu Piloten ausgebildeten Mitglieder der Vereinigung aus - von ihm geteilten - Hass gegen ‚die Amerikaner und Juden‘ in den USA Flugzeuge unbekannter Art und Größe in ihre Gewalt und zum Absturz bringen würden. Ihm war auch bekannt, dass gegebenenfalls ein Ersatzmann für ein Gruppenmitglied einspringen sollte. Sein Gehilfenvorsatz richtete sich damit direkt auf die Tötung von Menschen, wobei er die Anzahl von Opfern zumindest billigend in Kauf nahm, die nach den ihm bekannten Umständen der geplanten Anschläge in Betracht kam; im Hinblick auf die vier zu Piloten ausgebildeten Attentäter waren dies die möglichen Insassen von vier Verkehrsflugzeugen jeder denkbaren Größe. Damit ist der erforderliche Vorsatz des Angeklagten gegeben, zu der Tötung der später den Abstürzen tatsächlich zum Opfer gefallenen Passagiere und Besatzungsmitglieder Hilfe zu leisten. (…) Wer weiß oder zumindest für möglich hält und billigt, durch sein Tun ein Verhalten des Haupttäters zu fördern, das den Tatbestand einer Strafnorm erfüllt, ist somit auch dann der Beihilfe zu dieser Straftat schuldig, wenn der Haupttäter - durch den Gehilfenbeitrag gefördert - eine größere Zahl von rechtswidrigen Taten begeht oder den tatbestandsmäßigen Erfolg in schuldspruchrelevanter Weise in zahlreicheren Fällen verwirklicht, als es sich der Gehilfe vorgestellt hatte. Eine solche Divergenz führt lediglich dazu, dass der Schuldspruch auf die vom Vorsatz des Gehilfen erfassten Taten oder schuldspruchrelevanten Tatfolgen zu beschränken ist.“

Damit war der Vorsatz des A auf die Verwirklichung des Totschlags an den 246 Passagieren/Besatzungsmitgliedern gerichtet. Der Vorsatz des A bezüglich der Hilfeleistung liegt unproblematisch vor.

Der subjektive Tatbestand ist damit gegeben.

Rechtswidrigkeit

A handelte rechtswidrig.

Schuld

A handelte auch schuldhaft.

Ergebnis

A hat sich der Beihilfe zum Totschlag an den 246 Passagieren/Besatzungsmitgliedern der entführten Flugzeuge gem. §§ 212 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB schuldig gemacht.

Strafbarkeit des A gem. §§ 212 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB wegen Beihilfe zum Totschlag an den weiteren 3066 Personen

A könnte sich wegen Beihilfe zum Totschlag an den 3066 Personen, die sich im World Trade Center und im Pentagon aufhielten, gem. §§ 212 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben, indem er bei der Vorbereitung der Anschläge mitwirkte.

Tatbestandsmäßigkeit

Der objektive Tatbestand der Beihilfe zum Totschlag gem. §§ 212 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB wurde – wie bereits oben festgestellt – verwirklicht.

Fraglich ist jedoch, ob A mit dem doppelten Gehilfenvorsatz gehandelt hat. Dies erscheint hier fraglich. Dem A war nur bekannt, dass Flugzeuge zum Absturz gebracht werden sollten. Von der Lenkung der Flugzeuge in das Pentagon und World Trade Center, wo sich 3066 Menschen aufhielten, wusste A jedoch nicht. Er hatte demnach keinen Vorsatz bezüglich der vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat.

Der subjektive Tatbestand ist damit zu verneinen. A hat nicht tatbestandsmäßig gehandelt.

Ergebnis

A hat sich nicht gem. §§ 212 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB wegen Totschlags an 3066 Personen, die sich in Gebäuden aufhielten, strafbar gemacht.

Fall 2

Strafbarkeit des A gem. § 223 Abs. 1 StGB

A könnte sich gem. § 223 Abs. 1 StGB wegen Körperverletzung strafbar gemacht haben, indem er dem O während der Schlägerei Verletzungen zufügte.

Tatbestandsmäßigkeit

Diese Verletzungen stellen jedenfalls eine üble, unangemessene Behandlung dar, die das körperliche Wohlbefinden nicht nur unerheblich beeinträchtigt. Eine körperliche Misshandlung liegt vor. Die wurde durch den A kausal und in objektiv zurechenbare Weise herbeigeführt. A wollte ferner den O misshandeln, er handelte damit mit dolus directus 1. Grades.

Rechtswidrigkeit

Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich.

Schuld

A handelte auch schuldhaft.

Ergebnis

A hat sich einer Körperverletzung gem. § 223 Abs. 1 StGB schuldig gemacht.

Strafbarkeit des B gem. §§ 223 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB wegen Beihilfe zur Körperverletzung

B könnte sich wegen Beihilfe zur Körperverletzung gem. §§ 223 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben, indem er A zum Brunnenplatz fuhr.

Tatbestandsmäßigkeit

Eine vorsätzliche rechtswidrige Haupttat liegt in Gestalt der von A begangenen Körperverletzung gem. § 223 Abs. 1 StGB vor (s.o.).

Fraglich ist aber jedoch, ob B zu dieser Haupttat i.S.d. § 27 Abs. 1 StGB Hilfe geleistet hat. Unter Hilfeleisten versteht man jeden Tatbeitrag, der die Haupttat entweder ermöglicht oder erleichtert oder aber die vom Täter begangene Rechtsgutsverletzung verstärkt. Das Befördern zum Tatort stellt grundsätzlich ein Hilfeleisten i.S.d. § 27 Abs. 1 StGB dar. Allerdings hielt sich die Handlung des B als Personentransport primär im Rahmen dessen, was seiner Aufgabe als Busfahrer entsprach. Insofern stellte sie eine ,,neutrale“ bzw. „berufstypische Handlung“ dar. Es stellt sich also die Frage, ob berufstypische alltägliche Verhaltensweisen, welche die Begehung einer Straftat ermöglichen, als Beihilfe zu bestrafen. Dies ist umstritten.

Nach der engsten dazu vertretenen Ansicht unterliegen Berufsträger schon immer dann der Beihilfestrafbarkeit, wenn sie i.S.d. dolus eventualis für möglich halten, dass ihre Handlung zur Begehung der Haupttat beiträgt. Es gebe keinen Anlass, die berufliche Tätigkeit mit Blick auf strafrechtlich relevante Unterstützungshandlungen zu begünstigen, die beim Normalbürger eine Beihilfestrafbarkeit auslösen. Vorliegend nahm B die körperliche Misshandlung des O billigend in Kauf und hielt dies auch für möglich. Nach dieser Ansicht wäre ein Hilfeleisten des B zu bejahen.

Eine andere Ansicht hält Handlungen, die als solche sozialadäquat sind, generell für straflos. Nach dieser Auffassung wäre ein Hilfeleisten des B zu verneinen.

Demgegenüber werden differenzierte Ansätze vertreten, die eine nach der ersten Ansicht geforderte Strafbarkeit von berufstypischen Handlungen einschränken wollen. Wie eine solche Einschränkung erfolgen soll, wird unterschiedlich beurteilt.

Im Rahmen den objektiven einschränkenden Ansätzen werden Kriterien wie das erlaubte Risiko, Sozialadäquanz, die Abgrenzung nach Verantwortungsbereichen und die Wesentlichkeit des Gehilfenbeitrags herangezogen. Eine Busfahrt stellt jedenfalls ein erlaubtes Risiko dar und ist sozialadäquat. Ein solcher Tatbeitrag kann ferner nicht als wesentlich eingestuft werden. Auch wenn man das Kriterium der Abgrenzung der Verantwortungsbereiche heranzieht, muss man die Beihilfe des B zur Körperverletzung verneinen. Nach diesem Ansatz wäre B nicht nach §§ 223 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB strafbar.

Ein anderer Ansatz stellt einerseits auf die (subjektive) innere Willensrichtung der Beteiligten ab und knüpft andererseits an das (objektive) Kriterium des ,,deliktischen Sinnbezuges“ an. Von einem deliktischen Sinnbezug ist auszugehen, wenn der mögliche Gehilfenbeitrag für den Haupttäter ausschließlich zur Begehung der Straftat nützlich ist. Liegt ein solcher deliktische Sinnbezug vor, soll ein Hilfeleisten zu bejahen sein, wenn der Gehilfe von der Haupttat positive Kenntnis hat. In solchen Fallkonstellationen könne nicht mehr von einem ,,Alltagscharakter“ des Tuns des Gehilfen gesprochen werden. Dies führe zu einer ,,Solidarisierung“ mit dem Täter. Weise der Gehilfe dagegen lediglich dolus eventualis hinsichtlich der Haupttat auf, soll die Beihilfenstrafbarkeit nur dann zu bejahen sein, wenn der Gehilfe mit Blick auf das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens einen objektiv erkennbar tatgeigten Täter unterstützt. Dafür ist maßgeblich, ob der Gehilfe konkrete Anhaltspunkte hatte, die das strafbare Verhalten des Haupttäters (hoch) wahrscheinlich erscheinen ließen.

Insofern ist zunächst festzustellen, dass A nur deshalb mit dem Bus fuhr, um am Zielort den O körperlich anzugreifen. Ein deliktischer Sinnbezug ist damit gegeben. Allerdings nahm B die körperliche Misshandlung des O zwar billigend in Kauf, war sich aber nicht sicher, dass es dazu kommen wird. Er handelte also lediglich mit Eventualvorsatz. Anhaltspunkte dafür, dass B die Tat eines erkennbar Tatgeneigten förderte, enthält der Sachverhalt nicht. Nach diesem Ansatz wäre also die Strafbarkeit des B wegen Beihilfe zur Körperverletzung ebenso zu verneinen.

Hinweis: Der zuletzt genannte Ansatz wird auch von BGH vertreten. Dabei ist zu beachten, dass eine Strafbarkeit bei fehlendem deliktischem Sinnbezug, wenn also der Gehilfenbeitrag für den Haupttäter auch einen nicht-deliktischen Nutzen hat, selbst dann entfällt, wenn der mögliche Gehilfe sicheres Wissen bzgl. der Haupttat hat. Am deliktischen Sinnbezug hätte es z. B. gefehlt, wenn A noch aus anderen Gründen (z. B. zum Einkaufen) mit dem Bus in die Stadt gefahren wäre.

Die Ansichten kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Eine Stellungnahme ist mithin erforderlich. Lediglich nach der erstgenannten Ansicht wäre die Strafbarkeit des B gem. §§ 223 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB zu bejahen. Dagegen ist jedoch Folgendes anzuwenden. Die Pönalisierung jedes berufstypischen Verhaltens würde vor allem zu einer unannehmbareren Überdehnung der Strafvorschriften führen. Handlungen, die sich im Rahmen der sozialen Ordnung halten und sozialadäquat sind, bedürfen keine Bestrafung. Die erste Ansicht ist damit abzulehnen.

B hat demnach nicht tatbestandsmäßig gehandelt.

Ergebnis

B hat sich nicht wegen Beihilfe zur Körperverletzung gem. §§ 223 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.

Fall 3

Strafbarkeit der G gem. §§ 212 Abs. 1, 26 StGB wegen Anstiftung zum Totschlag

G könnte sich wegen Anstiftung zum Totschlag gem. §§ 212 Abs. 1, 26 StGB strafbar gemacht haben, indem sie E versprochen hat, ihn nach dem Tod der F zu heiraten.

Tatbestandsmäßigkeit

Eine vorsätzliche rechtswidrige Haupttat liegt in Gestalt des von E begangen Totschlags gem. § 212 Abs. 1 StGB vor.

Weiterhin müsste G den E zur Tat bestimmt haben. Bestimmen i.S.d. § 26 StGB bedeutet das zumindest mitursächliche Hervorrufen des Tatentschlusses beim Haupttäter. Dies erscheint hier jedoch fraglich. Laut Sachverhalt war E bereits entschlossen, die F zu töten. Er ist demnach als sog. omnimodo facturus anzusehen, der nicht angestiftet werden kann. Ein Bestimmen i.S.d. § 26 StGB liegt damit nicht vor.

G hat nicht tatbestandsmäßig gehandelt.

Ergebnis

G hat sich nicht wegen Anstiftung zum Totschlag gem. §§ 212 Abs. 1, 26 StGB strafbar gemacht.

Strafbarkeit der G gem. §§ 212 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB wegen Beihilfe zum Totschlag

G könnte sich jedoch der Beihilfe zum Totschlag gem. §§ 212 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB schuldig gemacht haben, indem sie E versprochen hat, ihn nach dem Tod der F zu heiraten.

Tatbestandsmäßigkeit

Hierzu müsste G tatbestandsmäßig gehandelt haben.

Objektiver Tatbestand

Der objektive Tatbestand der Beihilfe setzt ein Hilfeleiten zu einer vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Haupttat eines anderen voraus (§ 27 Abs. 1 StGB).

Vorsätzliche rechtswidrige Haupttat

Eine vorsätzliche rechtswidrige Haupttat ist vorliegend gegeben (s.o.).

Hilfeleisten

Fraglich ist, ob G zu dieser Haupttat Hilfe geleistet hat. Unter Hilfeleisten ist jeder Tatbeitrag zu verstehen, der die Haupttat entweder ermöglicht oder erleichtert oder aber die vom Täter begangene Rechtsgutsverletzung verstärkt. Vorliegend hat G den Tatentschluss des E bestärkt. Es kommt also eine psychische Beihilfe in Betracht. Die psychische Beihilfe wird allerdings als problematisch angesehen, wenn sie keine ,,technische Rathilfe“ ist, sondern nur zur Bestärkung des Tatentschlusses führt. In solchen Fallkonstellationen wird der Haupttäter durch den Gehilfen – wie vorliegend – in seinem schon gefassten Tatentschluss oder in seiner Bereitschaft, ihn weiterzuverfolgen, bestärkt. Die Frage, ob eine Bestärkung des Tatentschlusses ein Hilfeleisten i.S.d. § 27 Abs. 1 StGB darstellt, ist umstritten.

Nach einer Ansicht ist die Bestärkung des Tatentschlusses strafrechtlich nicht relevant und führt demnach nicht zur Beihilfestrafbarkeit. Die Kausalität psychischer Vorgänge sei niemals verifizierbar. Nach dieser Auffassung wäre ein Hilfeleisten der G vorliegend zu verneinen.

Nach der Gegenauffassung kann die Bestärkung des Tatentschlusses eine Behilfehandlung darstellen. Vorliegend hat G durch ihr Heiratsversprechen den Tatentschluss des E verstärkt. Danach läge eine Hilfeleistung vor. Nach dieser Auffassung wäre also von einer Strafbarkeit der G wegen Beihilfe zum Totschlag auszugehen.

Die Ansichten kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Eine Stellungnahme ist damit erforderlich. Für die erste Ansicht spricht zwar, dass die Kausalität psychischer Vorgänge sich nur sehr schwer verifizieren lässt. Die Möglichkeit der Kausalität kann man allerdings nicht pauschal verneinen, sondern es handelt sich in erster Linie um ein Beweisproblem. Die psychische Beihilfe wirkt sich ferner über den Täter auch auf die Tat aus (sog. ,,Bestärkerkausalität“). Damit kann das Bestärken des Tatentschlusses eine Beihilfehandlung darstellen. Ein Hilfeleisten i.S.d. § 27 Abs. 1 StG liegt somit vor. (a.A. vertretbar)

Der objektive Tatbestand ist gegeben.

Hinweis: Beachten Sie, dass bloße Anwesenheit bei der Ausführung der Tat für die Annahme der Beihilfe nicht ausreichend ist!

Subjektiver Tatbestand

G handelte ferner vorsätzlich im Hinblick auf die Haupttat und die eigene Hilfeleistung.

Rechtswidrigkeit

G handelte rechtswidrig.

Schuld

G handelte auch schuldhaft.

Ergebnis

G hat sich wegen Beihilfe zum Totschlag gem. §§ 212 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.