Notwendiges Vorwissen: Da § 303 StGB das fremde Eigentum schützt (hierzu sogleich unter → Rn. 4), gibt es vor allem in Examenssachverhalten häufig Verbindungen zum Zivilrecht. So müssen etwa die Eigentumsverhältnisse innerhalb der Strafrechtsklausur ausführlich geprüft werden. Für Studierende höherer Semester ist es daher ratsam, sich mit dem Allgemeinen Teil des Schuldrechts und dem Sachenrecht vertraut zu machen. Da Studierenden der ersten Semester die entsprechenden Vorschriften des Zivilrechts häufig noch unbekannt sind, ist in Grundkurs-Klausursachverhalten meist angegeben, wer Eigentümer:in des Tatobjekts ist.
Nach den Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik ist etwa jede zehnte in Deutschland begangene Straftat eine Sachbeschädigung, wobei etwa ein Drittel der Taten an Fahrzeugen begangen wird.
Neben § 303 StGB finden sich im 27. Abschnitt des StGB, der mit „Sachbeschädigung“ überschrieben ist, weitere eng verwandte Delikte, die in der juristischen Ausbildung jedoch nur eine untergeordnete Rolle spielen. So erfassen etwa die § 303a und § 303b StGB schädigende Einwirkungen auf Daten. Sie werden daher auch als „virtuelle Sachbeschädigung“ bezeichnet. Die §§ 304, 305 und 305a StGB stellen die Schädigung besonderer Tatobjekte wie etwa religiöser Gebäude und Denkmäler (§ 304 StGB), Brücken und Bahngleise (§ 305 StGB) oder Fahrzeuge von Einsatzkräften (§ 305a StGB) unter Strafe.
Außerhalb des 27. Abschnitts sind weitere speziellere Formen der Sachbeschädigung geregelt. Darunter fallen einerseits Delikte, die die Beschädigung bestimmter Sachen kriminalisieren, etwa fremde Urkunden, beweiserhebliche Daten und Grenzbezeichnungen (§ 274 StGB) oder Sachen, die sich in besonderer Verwahrung befinden (§ 133 StGB). Andererseits gibt es Delikte, die die Beschädigung oder Zerstörung einer (nicht notwendigerweise fremden) Sache auf eine bestimmte Weise erfassen, bspw. die Brandstiftungsdelikte in den §§ 306 ff. StGB (→ BT I §§ 32 ff.).
Rechtsgut und Deliktsstruktur
§ 303 Abs. 1 StGB erfasst die Zerstörung oder Beschädigung fremden Eigentums, § 303 Abs. 2 StGB die nicht nur vorübergehende Veränderung des Erscheinungsbildes einer fremden Sache. § 303 StGB beschreibt in seinen beiden Tatbeständen somit unterschiedlich starke Einwirkungen auf ein Tatobjekt. Der Strafrahmen ist allerdings für alle drei Handlungen gleich: Die Strafe kann eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren sein. Wie sich aus § 303 Abs. 3 StGB ergibt, ist auch der Versuch iSd § 23 Abs. 1 StGB strafbar.
Die Sachbeschädigung ist ein Erfolgsdelikt. Taterfolge stellen bei § 303 StGB die Beschädigung, die Zerstörung sowie die Veränderung des Erscheinungsbildes einer fremden Sache dar. Sie müssen kausal und – jedenfalls nach hL – objektiv zurechenbar durch die Tathandlung herbeigeführt worden sein.
Objektiver Tatbestand
Tatobjekt: Fremde Sache
Tatobjekt der Sachbeschädigung ist eine fremde Sache.
Sache
Eine Sache ist ein körperlicher Gegenstand.
Häufig wird im Zusammenhang mit der Definition einer Sache auf § 90 BGB verwiesen. Das ist nicht notwendig und genau genommen sogar falsch. Grund dafür ist, dass das Zivilrecht und das Strafrecht unterschiedliche Sachbegriffe haben, die auch unabhängig voneinander auszulegen sind (auch wenn das Ergebnis häufig gleich sein wird).
Weiterführendes Wissen: Anders ist es mit Blick auf das Merkmal „fremd“ (s. dazu sogleich). Dabei handelt es sich um ein sog. normatives Tatbestandsmerkmal, das rein zivilrechtlich zu verstehen ist. Bei schwierigeren Klausuren, insb. in der Ersten Juristischen Prüfung, kann es daher auch vorkommen, dass ausführlich die Eigentumsverhältnisse an der Sache zu prüfen sind.
Für das Zivilrecht stellt § 90a S. 1 BGB fest, dass Tiere keine Sachen sind, aber als solche behandelt werden. Im Strafrecht sind Tiere aber nicht nur als Sachen zu behandeln, sie sind tatsächlich Sachen – was für die Fallbearbeitung im Ergebnis keinen Unterschied macht.
Klausurhinweis: Man sollte deshalb in der Klausur nicht davon sprechen, Sachen seien „gemäß § 90 BGB“ körperliche Gegenstände. Das impliziert fälschlicherweise, dass sich die Definition aus dem Zivilrecht ergibt und dass der ergänzende § 90a BGB auch für das Strafrecht gilt.
Ein Gegenstand ist körperlich, wenn er begrenzbar ist und wenn die Sache als selbstständiges Objekt sinnlich wahrnehmbar ist.
Schwierigkeiten bei der rechtlichen Bewertung bereiten häufig auch Zusammensetzungen einzelner Sachen.
Genauigkeit ist auch gefragt, wenn es um Gegenstände geht, die über ihre bloße Existenz hinaus etwas anderes „verkörpern“, bspw. Urkunden oder Datenträger. Tatobjekt einer Sachbeschädigung kann etwa das Papier eines Vertragsdokuments oder ein USB-Stick sein, nicht aber das auf einer Urkunde festgeschriebene Recht oder die Daten, die auf einem USB-Stick gespeichert sind. Hier kommen andere Delikte in Betracht, bei Urkunden etwa die §§ 267 ff. StGB (→ BT I §§ 18 ff.) StGB und bei Daten die §§ 303a, 303b StGB (zum Konkurrenzverhältnis mit diesen Delikten s. → Rn. 56).
Eine Sache muss keinen Vermögenswert haben. Das ergibt sich schon daraus, dass § 303 StGB das Eigentum und nicht das Vermögen schützt (→ Rn. 4) Die Sache kann auch wirtschaftlich wertlos sein, solange sie für die Eigentümer:in eine Funktion oder Bedeutung hat und davon auszugehen ist, dass sie ein Interesse an der Erhaltung der Sache hat. In solchen Fällen ist aber besonders darauf zu achten, ob auch ein entsprechender Vorsatz (näher dazu → Rn. 39 ff.) vorliegt und ob möglicherweise in die Einwirkung auf die Sache eingewilligt wurde, was die Rechtswidrigkeit entfallen lassen würde (siehe unter → Rn. 44).
Fremdheit der Sache
Die Sache ist nach ganz hM fremd, wenn sie zumindest auch im (Mit-)Eigentum einer anderen Person als des Täters steht. Umgekehrt formuliert: Die Sache ist fremd, wenn sie nicht im alleinigen Eigentum des Täters steht.
Weiterführendes Wissen: Das ergibt sich aus dem aus Art. 103 Abs. 2 GG resultierenden Gesetzlichkeitsprinzip, konkret dem sog. Analogieverbot.
Erforderlich ist aber, dass die Sache überhaupt im Eigentum einer Person steht. Herrenlose Sachen können also nicht Gegenstand einer Sachbeschädigung sein. Herrenlos sind Sachen, die derelinquiert wurden (vgl. § 959 BGB), an denen das Eigentum also gewollt aufgegeben wurde, und etwa wilde Tiere (vgl. §§ 960 Abs. 2 und Abs. 3, 961 BGB).
Klausurhinweis: In Klausuren wird häufig der Umgang mit „Sperrmüll“ thematisiert, also bspw. die Zerstörung alter Möbel, die am Straßenrand abgestellt und von Entsorgungsunternehmen abgeholt werden. Zur Bestimmung der Eigentumsverhältnisse kommt es hier auf den Willen der Berechtigten an. Ist es ihnen egal, was mit den Sachen passiert, kommt eine Dereliktion gem. § 959 BGB in Betracht und die Sachen werden ggf. herrenlos, so dass sie § 303 StGB nicht unterfallen. Sollen die Sachen aber gerade als „Sperrmüll“ abgeholt und vernichtet werden, liegt eine Übereignung an den Müllentsorgungsbetrieb vor. Für den Täter der Sachbeschädigung bleibt der „Müll“ dabei eine fremde Sache.
Irrt ein Täter über die Fremdheit einer Sache und verkennt, dass das Tatobjekt in seinem Eigentum steht, kann es sich dabei um einen untauglichen Versuch handeln, der, wie sich einem Umkehrschluss zu § 23 Abs. 2 StGB entnehmen lässt, ebenfalls strafbar ist.
Tathandlungen
Die drei unterschiedlichen Arten der Einwirkung auf die Sache iSv § 303 StGB – Beschädigen, Zerstören oder Verändern des Erscheinungsbildes – haben gemeinsam, dass jeweils auf die physische Beschaffenheit der Sache eingewirkt wird. Das ist bspw. nicht der Fall, wenn eine Hauswand mit einem Beamer angeleuchtet oder am Balkon eines Wohnhauses ein Spruchband angebracht wird.
Beschädigen, Abs. 1 Var. 1
Die Bedeutung des Merkmals „beschädigen“ ist stark umstritten und deshalb (nicht nur) in Prüfungsarbeiten schwierig zu bestimmen.
Weiterführendes Wissen: Ursprünglich war das Reichsgericht der Auffassung, eine Beschädigung erfordere immer eine Substanzverletzung. Die zweite Variante der heutigen Definition von „beschädigen“ – die Brauchbarkeitseinschränkung – war noch nicht anerkannt. Sie wurde erst später zunächst für zusammengesetzte Sachen entwickelt und schließlich immer stärker auch für andere Sachen anerkannt. Heute ist allgemein akzeptiert, dass eine Beschädigung sowohl durch Substanzverletzung als auch durch Brauchbarkeitsbeeinträchtigung erfolgen kann. Diese Erweiterung der Definition wird mittels der Formulierung „nicht ganz unerheblich“ beschränkt.
Die erste Fallgruppe der Beschädigung – die Veränderung der stofflichen Zusammensetzung – wird auch als Substanzverletzung bezeichnet. Für die Sachsubstanz kommt es auf die „äußere Einheit der Sache als Gegenstand des Eigentumsrechts“ und die „in der Sache verobjektivierte Zwecksetzung des Eigentümers“ an.
Beispiel: T streicht das Fahrrad von O mit roter Farbe an. Die Farbe selbst verändert die Substanz des Fahrrads noch nicht, weil sie sich nicht mit dem bisherigen Lack verbindet. Um die Farbe abzulösen, muss O allerdings ein aggressives Reinigungsmittel verwenden, das zwangsläufig nicht nur die rote Farbe, sondern auch die darunter liegende Lackschicht ablöst.
In der Klausurbearbeitung müsste man in einem solchen Fall diskutieren, ob die durch O bewirkte Substanzverletzung dem T zuzurechnen ist oder ob es sich um eine eigenverantwortliche Selbstschädigung des O handelt. Wenn man § 303 Abs. 1 StGB verneint, muss eine Veränderung des Erscheinungsbildes gem. § 303 Abs. 2 StGB geprüft werden.
Die zweite Fallgruppe – die Brauchbarkeitsminderung – wird auch als Funktionseinbuße bezeichnet. Diese liegt vor, wenn die Einwirkung auf die Sache dazu führt, dass sie nicht mehr so gebraucht werden kann, wie vorgesehen. Das ist bspw. der Fall, wenn man die Luft aus dem Reifen eines Fahrrads herauslässt oder eine Uhr in ihre Einzelteile zerlegt. Für die Brauchbarkeit kommt es auf die Widmung der Sache durch die berechtigte Person an.
Beispiel: T betäubt den Hund von O. Die Betäubung selbst hinterlässt keine Schäden und der Hund wacht nach einigen Stunden wieder auf. Allerdings hält O den Hund gerade als Wachhund. Aufgrund der Betäubung konnte der Hund dieser Aufgabe nicht nachkommen, sodass die Sache aufgrund der Widmung des Hundes als Wachhund durch O als beschädigt anzusehen ist.
Da auf die Sache körperlich eingewirkt werden muss, reicht es nicht aus, wenn die Sache lediglich dem Zugriff der berechtigten Person zB durch Verstecken entzogen wird.
Die Einwirkung auf die Sache muss außerdem nicht ganz unerheblich sein. Hierbei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der in den Grenzen des Wortlauts der Auslegung zugänglich ist. An dieser Voraussetzung entscheiden sich deshalb häufig die uneindeutigen Fälle in Klausursachverhalten. Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass die Beeinträchtigung unerheblich ist, wenn sie ohne großen Aufwand an Mühe, Zeit und Kosten beseitigt werden kann oder gemessen am Normalzustand der Sache unwesentlich ist.
In der Klausur kommt es bei diesem Merkmal vor allem auf eine ausführliche Auseinandersetzung mit den Indizien des Sachverhaltes an. Gegen die Erheblichkeit spricht u. a., wenn die Einwirkung gar nicht beseitigt werden muss, um die Sache weiterzuverwenden, oder wenn die Beseitigung nur mit wenig Aufwand und geringen Kosten verbunden ist. Das kann bspw. der Fall sein, wenn ein Fahrradreifen, dessen Luft herausgelassen wurde, mit der am Fahrrad befestigten Luftpumpe schnell und ohne weitere Kosten wieder aufgepumpt werden kann.
Zerstören, Abs. 1 Var. 2
Zerstören ist ein stärkerer Grad des Beschädigens, d. h. eine Einwirkung auf die Sache, die dazu führt, dass die Sacheinheit aufgelöst oder ihre bestimmungsmäßige Brauchbarkeit aufgehoben wird. Die Beschädigung ist also das Durchgangsstadium zur Zerstörung. Ein Beispiel ist das Zerbrechen einer Vase in viele Einzelteile oder das Vergiften eines Haustieres.
Klausurhinweis: Ist eine Zerstörung der Sache nicht offensichtlich ausgeschlossen, sollte man deshalb in Klausuren zuerst die Zerstörung und ggf. anschließend die Beschädigung prüfen. So kann man Kenntnis des Verhältnisses beider Tathandlungen beweisen und sich möglicherweise unnötige Schreibarbeit ersparen.
Verändern des Erscheinungsbildes, Abs. 2
§ 303 Abs. 2 StGB erfordert, dass jemand unbefugt das Erscheinungsbild einer Sache nicht nur unerheblich und nicht nur vorübergehend verändert. Das ist der Fall, wenn die optisch wahrnehmbare Oberfläche der Sache durch körperliche Einwirkung verändert wird. Beispiele sind das Bemalen, Beschriften, Beschmutzen oder Bekleben einer Sache. Der Begriff der Veränderung ist neutral zu verstehen. Ob die Sache nach der Einwirkung besser oder schlechter aussieht als zuvor, ist unerheblich. Auch eine „Verschönerung“ ist demnach tatbestandlich, wenn sie gegen den Willen der berechtigten Person geschieht.
Zweck von § 303 Abs. 2 StGB ist es, Einwirkungen auf die Sache zu erfassen, die nicht unter die Tathandlungen aus § 303 Abs. 1 StGB fallen – meist, weil sie ohne Substanzverletzung entfernt werden können. Es handelt sich somit um einen Auffangtatbestand, der erst zu prüfen ist, wenn Abs. 1 Var. 1 und 2 abgelehnt wurden.
Weiterführendes Wissen: Während § 303 Abs. 1 StGB sich mit den gleichen Tatbestandsmerkmalen bereits im Reichsstrafgesetzbuch von 1871 fand, wurde § 303 Abs. 2 StGB erst im Jahr 2005 hinzugefügt.
Anders als die Formulierung „rechtswidrig“ in § 303 Abs. 1 StGB ist das Merkmal „unbefugt“ in § 303 Abs. 2 StGB nicht lediglich ein Verweis auf allgemeine Rechtfertigungsgründe (→ Rn. 43 ff.). Stattdessen handelt es sich um ein Tatbestandsmerkmal. Unbefugt handelt, wer ohne oder gegen den Willen der berechtigten Person handelt. Besteht eine „Befugnis“ zum Verändern des Erscheinungsbildes einer Sache, handelt es sich dabei um ein tatbestandsausschließendes Einverständnis.
Weiterführendes Wissen: Wenn Tatopfer auf rechtlich geschützte Interessen verzichten, kann dies entweder in Form eines tatbestandsausschließendes Einverständnisses oder als rechtfertigende Einwilligung erfolgen. Wie der Name es vermuten lässt, entfällt bei Ersterem die Tatbestandsmäßigkeit und bei Zweiterem die Rechtswidrigkeit der Tat. Ob im konkreten Fall ein Einverständnis oder eine Einwilligung in Betracht kommt, hängt von der Deliktsstruktur ab. Ein Einverständnis kommt in Betracht, wenn das Delikt gerade gegen den Willen oder ohne die Zustimmung des Opfers begangen werden muss (zB § 242 StGB oder § 240 StGB). Deshalb sind auch die konkreten Anforderungen an das Einverständnis vom konkreten Delikt abhängig. Bei anderen Delikten kann der Wille des Opfers nur zu einer rechtfertigenden Einwilligung führen. Sie ist gesetzlich nicht geregelt, ergibt sich aber aus Art. 2 Abs. 1 GG und wird auch von § 228 StGB vorausgesetzt. Die Einwilligung kann sowohl tatsächlich als auch mutmaßlich erfolgen.
Eine solche „Befugnis“ können die Berechtigten – regelmäßig die Eigentümer:innen – erteilen, etwa wenn eine Stadt eine Graffiti-Künstlerin beauftragt, die Fassade eines städtischen Gebäudes zu bemalen. „Unbefugt“ handelt allerdings auch, wer sich nicht an die Bedingungen einer Einverständniserklärung hält, bspw. wenn eine Malerin ein Haus in einer anderen als der besprochenen Farbe anstreicht.
Außerdem muss die Veränderung nicht nur vorübergehend sein. Das Merkmal ist in zeitlicher Hinsicht zu verstehen. Es soll Einwirkungen ausschließen, die – aus ex ante-Sicht – in kurzer Zeit von selbst wieder verschwinden werden.
Beispiel: Bei der Bemalung einer Hauswand mit Kreide geht T davon aus, dass das Gemälde innerhalb der nächsten Tage bei Regen wieder abgewaschen wird. Tatsächlich regnet es in den folgenden Wochen jedoch nicht und die Bemalung bleibt für einen langen Zeitraum sichtbar. Im Zeitpunkt der Tathandlung war davon jedoch nicht auszugehen, sodass die Bemalung mit Kreide als nur vorübergehend und daher nicht tatbestandlich anzusehen ist.
Zudem enthält auch § 303 Abs. 2 StGB eine Erheblichkeitsschwelle. Die Veränderung des Erscheinungsbildes muss erheblich sein. Das ergibt sich aus dem Verhältnis der visuellen Veränderung zur Gesamtsache und dem Beseitigungsaufwand. Auf die fehlende Substanzverletzung oder Funktionseinbuße kommt es in diesem Fall nicht an, da § 303 Abs. 2 StGB gerade Sachverhalte erfassen soll, in denen es an einer Substanzverletzung oder Funktionseinschränkung iSd § 303 Abs. 1 StGB fehlt. Stattdessen ist darauf abzustellen, wie aufwändig die Beseitigung ist. Hier können u. a. die notwendige Zeit, das erforderliche Material, die nötigen Kenntnisse oder die mit der Beseitigung zusammenhängenden Kosten als Indizien herangezogen werden. Wird bspw. eine bereits mit vielen Graffiti bemalte Wand an einer kleinen Stelle bekritzelt, ist wohl davon auszugehen, dass die Veränderung des Erscheinungsbildes der Wand nicht erheblich ist.
Subjektiver Tatbestand
§ 303 StGB beinhaltet keine speziellen subjektiven Voraussetzungen. Ausreichend ist daher bedingter Vorsatz hinsichtlich aller zum objektiven Tatbestand gehörenden Tatumstände.
Weiterführendes Wissen: Eine fahrlässige Sachbeschädigung ist nur bei einigen Sondertatbeständen strafbar, insbesondere im Rahmen der Brandstiftungsdelikte (§§ 306d Abs. 2, 308 Abs. 6, 317 Abs. 3, 318 Abs. 6, 319 Abs. 4 StGB).
Irrtümer sind grundsätzlich hinsichtlich aller objektiven Merkmale denkbar. Diese lassen sich nach bekannten Irrtumsregeln des Allgemeinen Teils lösen: Einerseits kommen Tatumstandsirrtümer nach § 16 StGB in Betracht, etwa wenn ein Täter nicht davon ausgeht, eine Sache durch den Umgang mit ihr tatsächlich zu beschädigen oder zu zerstören. Gem. § 16 StGB fehlt es dann am Vorsatz. Denkbar ist ein Tatumstandsirrtum auch, wenn der Täter irrig davon ausgeht, die beschädigte Sache gehöre ihm selbst. Im umgekehrten Fall, dass die Sache im Eigentum des Täters steht, er sie aber im Eigentum eines anderen wähnt, kommt ein untauglicher Versuch in Betracht.
Eine weitere Konstellation betrifft den Irrtum über die konkreten Folgen seiner Tathandlung: Denkt ein Täter, er würde eine Sache nur beschädigen, während er sie tatsächlich zerstört, so liegt nach der Rechtsprechung kein Tatumstandsirrtum über den Kausalverlauf vor, da der vorgestellte Kausalverlauf sich vom tatsächlichen Kausalverlauf nicht wesentlich unterscheidet. Denn auch der Vorsatz, die Sache zu beschädigen, ist denklogisch im Zerstörungsvorsatz enthalten. Die Literatur würde über die Fallgruppe des atypischen Kausalverlaufes im Rahmen der objektiven Zurechnung zum selben Ergebnis kommen.
Rechtswidrigkeit und Schuld
Das Merkmal „rechtswidrig“ in Abs. 1 ist kein Tatbestandsmerkmal, sondern verweist lediglich deklaratorisch auf die allgemeinen Rechtfertigungsgründe und kann daher im Normtext einfach überlesen werden. Anderes gilt für das Merkmal „unbefugt“ in § 303 Abs. 2 StGB, dazu → Rn. 34.
Besonders häufig sind Konstellationen der Einwilligung und des Notstands nach § 34 StGB, § 228 BGB und § 904 BGB. Denkbar sind auch Sachverhalte, in denen spezielle öffentlich-rechtliche Rechtfertigungsgründe greifen, bspw. nach Polizei- oder Strafprozessrecht (zB wenn gem. § 105 StPO eine fremde Wohnung unter Beschädigung des Türschlosses betreten wird) oder nach Jagdrecht (insbesondere § 23 BJagdG iVm dem Jagdgesetz des jeweiligen Bundeslandes). Aus der Wahrnehmung berechtigter Interessen nach § 193 StGB oder der Meinungs- und Kunstfreiheit iSv Art. 5 GG kann sich nach ganz hM keine Rechtfertigung ergeben.
Hinsichtlich der Schuld ergeben sich bei § 303 StGB keine Besonderheiten.
Weiterführendes Wissen: Wenn ein Täter über das Vorliegen eines Einverständnisses der berechtigten Person irrt, kommt ein Verbotsirrtum gem. § 17 StGB in Betracht. (Irrt er hingegen über das Vorliegen der Voraussetzungen eines Einverständnisses, ist an einen Erlaubnistatumstandsirrtum zu denken.) Denkbar sind auch Subsumtionsirrtümer, die ggf. Verbotsirrtümer nach § 17 StGB darstellen können. Ein solcher Irrtum liegt zB vor, wenn ein Täter nicht davon ausgeht, dass er eine zusammengesetzte Sache durch Zerlegen in ihre Einzelteile im rechtlichen Sinn beschädigt (→ Rn. 21 ff.).
Täterschaft und Teilnahme
Für die Frage nach der Tatbeteiligung, also ob Täterschaft oder Teilnahme vorliegt, gelten die allgemeinen Vorschriften der §§ 25 ff. StGB. Da das Tatobjekt eine fremde Sache sein muss, können Eigentümer:innen die Tat an ihren eigenen Sachen grundsätzlich nicht begehen und sich auch nicht an einer solchen Tat beteiligen.
Versuch
Die Strafbarkeit des Versuchs iSd § 23 Abs. 1 StGB ergibt sich aus § 303 Abs. 3 StGB. Für die Versuchsprüfung gelten die allgemeinen Regeln (§§ 22, 23 StGB).
Steht das Tatobjekt im Eigentum der handelnden Person oder ist es eine herrenlose Sache (oben unter → Rn. 16 ff.), liegt ein untauglicher Versuch vor.
Ein Versuch liegt auch vor, wenn ein Täter die Tathandlung in Unkenntnis eines Einverständnisses durch die berechtigte Person vornimmt.
Ob die Tat nur versucht wurde oder bereits vollendet ist, kann teilweise schwierig zu unterscheiden sein. Ein Versuch liegt bspw. vor, wenn Täter, die gerade ein Graffiti sprühen, während ihrer Tätigkeit gestört werden. Für die Abgrenzung von Versuch und Vollendung kommt es dann darauf an, ob die Veränderung bereits erheblich und nicht nur vorübergehend ist, d. h. ob die Sache bereits „mangelhaft“ geworden ist. Auf die eigenen Vorstellungen der Täter, ob deren Werk bereits vollendet ist, kommt es hingegen nicht an. Wichtiger als die „richtige“ Entscheidung zugunsten von Vollendung oder Versuch ist aber, das Problem zu erkennen und überzeugende Aspekte zur Abgrenzung heranzuziehen.
Konkurrenzen
Die Frage nach den Konkurrenzen lässt sich bei § 303 StGB in der Regel gut anhand der allgemeinen Grundsätze beantworten. Die unten beispielhaft beschriebenen Konstellationen sollten deshalb auf keinen Fall auswendig gelernt werden. Wichtiger ist es, die Struktur des § 303 StGB und die Grundregeln der Konkurrenzlehre zu verstehen.
Verhältnis der Tathandlungen von § 303 StGB untereinander
Eine einheitliche Tat bzw. Handlungseinheit liegt vor, wenn an demselben Tatobjekt verschiedene Tathandlungen nach § 303 Abs. 1 und Abs. 2 StGB verwirklicht werden. Wird eine Sache nach einer Beschädigung auch zerstört, verdrängt die Zerstörung die vorherige Beschädigung. Tritt durch dieselbe Tathandlung eine Veränderung des Erscheinungsbildes und eine Beschädigung ein, geht die Beschädigung vor. Wird ein Teil einer Sacheinheit zerstört, ist diese Handlung subsidiär zu der dadurch erfolgten Beschädigung der gesamten Sacheinheit.
Tateinheit mit anderen Delikten
Eine besonders wichtige Konstellation, in der häufig eine Tateinheit gem. § 52 StGB vorliegt, ist die Kombination von § 303 StGB und den Diebstahlsdelikten gem. §§ 242 ff. StGB. Ist die Sachbeschädigung keine typische Begleittat, sondern hat sie eigenständige Bedeutung, stehen die Diebstahlsdelikte zur Sachbeschädigung in Tateinheit.
Beispiel: Das ist zB der Fall, wenn eine Diebin, die in eine Wohnung eingebrochen ist, dort nur wenig Beute vorfindet und aus Ärger hierüber das Mobiliar der Wohnung zerstört. Anders ist es bspw. zu beurteilen, wenn eine Diebin ihre Beute später zerstört. In diesem Fall handelt es sich in der Regel um eine mitbestrafte Nachtat.
Auch zahlreiche andere Delikte können zu § 303 StGB in Tateinheit stehen, darunter zB die §§ 113, 123, 185, 223 ff., 265, 306, 315 und 315b StGB.
Speziellere Delikte
Eine Vielzahl von Delikten sind bei Handlungseinheit vorrangig zu § 303 StGB, insbesondere die §§ 303b Abs. 1 Nr. 2, 303a, 303b Abs. 1 Nr. 1, 305 StGB. Ein typischer Fall, in dem ausnahmsweise etwas anderes gilt, ist die Unbrauchbarmachung eines Datenträgers bei § 303a Abs. 1 StGB: Hier stehen beide Delikte in Tateinheit. Weitere ggü. § 303 StGB speziellere Delikte sind die §§ 90a Abs. 2, 104, 109e, 121, 125, 125a Nr. 4, 134, 202, 274 Abs. 1 Nr. 1, 3, 305, 305a, 321 StGB, wobei diese Tatbestände in der Regel nicht zum Prüfungsstoff zählen.
Subsidiäre Delikte
Subsidiär zu § 303 StGB sind § 145 Abs. 2 StGB und § 21 OWiG, die beide kaum prüfungsrelevant sind.
Aufbauschema
Prüfung von § 303 Abs. 1 StGB
Ist eine Zerstörung offensichtlich nicht gegeben, kann direkt die Tathandlung der Beschädigung geprüft werden. Ansonsten sollte zuerst die Zerstörung und ggf. anschließend die Beschädigung geprüft werden.
Tatbestand
Objektiver Tatbestand
Sache
Fremdheit der Sache
Zerstören und/oder Beschädigen
Subjektiver Tatbestand
Rechtswidrigkeit
Schuld
Prüfung von § 303 Abs. 2 StGB
Wenn § 303 Abs. 1 StGB nicht völlig offensichtlich ausscheidet, ist das Delikt vor § 303 Abs. 2 StGB zu prüfen. Denn § 303 Abs. 2 erfasst subsidiär solche Einwirkungen auf die Sache, die nicht unter die Tathandlungen aus § 303 Abs. 1 StGB fallen.
Tatbestand
Objektiver Tatbestand
Sache
Fremdheit der Sache
Veränderung des Erscheinungsbildes
Erheblich bzw. nicht nur vorübergehend
Unbefugtheit
Subjektiver Tatbestand
Rechtswidrigkeit
Schuld
Prozessuales / Wissen für das Zweite Staatsexamen
§ 303c StGB regelt das Erfordernis eines Strafantrags für § 303 StGB. Es handelt sich um ein relatives Antragsdelikt, d. h. die Tat kann verfolgt werden, wenn die berechtigte Person die Verfolgung beantragt hat (§§ 77 ff. StGB) oder wenn die zuständige Behörde ein öffentliches Interesse an der Verfolgung bejaht. Außerdem kann die Tat im Wege der Privatklage verfolgt werden (§ 374 Abs. 1 Nr. 6 StPO), jedoch erst nach einem erfolglosen Sühneversuch (§ 380 Abs. 1 S. 1 StPO). Da die Sachbeschädigung eine Strafe zwischen einer Geldstrafe und bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe vorsieht, beträgt die Verjährungsfrist nach § 78 Abs. 3 StGB drei Jahre.
Studienliteratur und Übungsfälle
Kretschmer, Das Tatbestandsmerkmal „Sache“ im Strafrecht, JA 2015, 105
Kudlich/Noltensmeier, Die Fremdheit der Sache in strafrechtlichen Klausuren, JA 2007, 863
Ladiges, Grundfälle zu den Sachbeschädigungsdelikten, §§ 303–305a StGB, Teil 1, JuS 2018, 657
Ladiges, Grundfälle zu den Sachbeschädigungsdelikten, §§ 303–305a StGB, Teil 2, JuS 2018, 754
Waszczynski, Prüfungsrelevante Problemkreise der Sachbeschädigungsdogmatik, JA 2015, 259