Jens Gerlach Privatisierungs- und Vergaberecht Licensed under CC-BY-4.0

Privatisierungsrecht 2: Privatisierungsentscheidung und Privatisierungsvollzug

Dieser Abschnitt bespricht den rechtlichen und politischen Rahmen von Privatisierungen und die rechtlichen Anforderungen an deren Vollzug

Einleitung

Wir haben Privatisierung beschrieben als einen Vorgang, der einen Gegenstand hin zu etwas Privatem verändert, und Aufgaben und Organisationsformen als mögliche Gegenstände dieser Veränderung ausgemacht. Mit Blick auf den Charakter von Privatisierung als Vorgang der Veränderung haben wir festgestellt, dass sich der Blick auf drei Teilbereiche richten kann: Den Zustand vor der Veränderung, den Vorgang der Veränderung selbst und den Zustand nach der Veränderung. In diesem Abschnitt nehmen wir den Zustand vor der Veränderung und den Vorgang der Veränderung selbst in den Blick, indem wir nach dem rechtlichen und politischen Rahmen der Privatisierungsentscheidung fragen – also der Entscheidung, die den Vorgang erst einleitet – und nach den rechtlichen Anforderungen an den Vollzug der Privatisierung. Den Zustand nach erfolgter Privatisierung betrachten wir später. Um die Komplexität zu verringern, beschränken wir uns dabei jeweils auf die Privatisierung von Verwaltungsaufgaben und blenden Aufgaben der Gesetzgebung und der Rechtsprechung aus.

Rechtlicher und politischer Rahmen der Privatisierungsentscheidung

Bei einem Blick auf die Privatisierungsentscheidung ist es sinnvoll, zunächst den rechtlichen Rahmen abzustecken, ehe wir uns mit politischen Motiven für und wider Privatisierung beschäftigen. Denn dort, wo schon das Recht zu einer Privatisierung zwingt oder eine Privatisierung verbietet, kommt es wegen der Gesetzbindung der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) auf politische Präferenzen nicht mehr an. Quellen rechtlicher Pflichten oder Grenzen der Privatisierung können insbesondere das Unionsprimär- und Sekundärrecht – das heißt die Verträge der Europäischen Union (EUV und AEUV) sowie die Rechtsakte nach Art. 288 Abs. 1 AEUV –, und das nationale Recht sein, das heißt das Grundgesetz, das einfache Gesetzesrecht und auch untergesetzliches Recht.

Rechtliche Pflichten zur Privatisierung

Pflichten zur Privatisierung gibt es im Recht kaum. Das Unionsrecht zielt nur auf eine Liberalisierung der Märkte ab, die eine Aufgabenprivatisierung mit sich bringen kann. Im nationalen Verfassungsrecht finden sich immerhin vereinzelte ausdrückliche Privatisierungspflichten, im Übrigen aber ebenfalls nur Liberalisierungspflichten.

Unionsrecht

Dass wir im Unionsrecht keine ausdrücklichen Privatisierungspflichten finden, verwundert insofern nicht, als das Unionsrecht zwischen dem Öffentlichen Recht und dem Privatrecht nicht prinzipiell unterscheidet und sich dafür auch nicht interessiert. Art. 345 AEUV erklärt in diesem Sinne auch ausdrücklich, dass die Verträge die Eigentumsordnung in den verschiedenen Mitgliedstaaten unberührt lassen.

Worauf das Unionsrecht dagegen abzielt, sind wettbewerbliche Strukturen in den Mitgliedstaaten. Die Union errichtet einen Binnenmarkt (Art. 3 Abs. 3 UAbs. 1 S. 1 EUV) und erlässt die erforderlichen Maßnahmen, um den Binnenmarkt zu verwirklichen beziehungsweise sein Funktionieren zu gewährleisten (Art. 26 Abs. 1 AEUV). Grundpfeiler dieses Binnenmarkts sind die Grundfreiheiten, das heißt der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital (Art. 26 Abs. 2 AEUV). Daneben treten unter anderem die Wettbewerbsregeln nach Art. 101 ff. AEUV, die nach Art. 106 Abs. 1 AEUV grundsätzlich auch für öffentliche Unternehmen gelten. Neben diese primärrechtlichen Vorschriften gibt es Sekundärrechtsakte, die vor allem auf Grundlage von Art. 114 f. AEUV erlassen werden und sektorspezifisch zur Liberalisierung zwingen.

Das betrifft zum Beispiel den Schienenverkehr und den Telekommunikationsbereich, was dazu geführt hat, dass Art. 87e und Art. 87f GG in das Grundgesetz eingefügt wurden.

Aus all diesen Vorschriften folgen zwar keine Privatisierungspflichten. Soweit sich der Staat bei diesen Dienstleistungen anstandslos dem Wettbewerb aussetzt, bleibt es ihm aus Sicht des Unionsrecht unbenommen, auf dem Markt zu agieren. Soweit er dabei aber sich selbst oder den von ihm beherrschten Unternehmen Vorrechte einräumt, schränkt er damit die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit ein und verstößt unter Umständen gegen das Verbot des Missbrauchs marktbeherrschender Stellungen aus Art. 102 Abs. 1 AEUV. Diese Vorrechte muss er also aufgrund Primär- und Sekundärrechts abbauen und die Märkte öffnen (Liberalisierung). Damit kann eine Aufgabenprivatisierung einhergehen, wenn auch private Unternehmen aufgrund der Marktöffnung eine vormals allein staatliche Aufgabe wahrnehmen. Häufig geht der Marktöffnung zusätzlich eine Organisationsprivatisierung voraus, bei der ein zunächst öffentliches Unternehmen in eine privatrechtliche Organisationsform überführt wird, um es dann nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen führen und dem Markt aussetzen zu können. Zur Veräußerung von Anteilen an einer im Wettbewerb stehenden staatlichen Eigengesellschaft verpflichtet das Unionsrecht aber nicht.

Bei weitem nicht alle staatlichen Aufgaben werden von den unionsrechtlichen Bestimmungen erfasst. Die Niederlassungs- und die Dienstleistungsfreiheit finden auf solche Tätigkeiten keine Anwendung, die dauernd oder zeitweise mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind (Art. 62, 51 AEUV). Das betrifft jedenfalls diejenigen Bereiche, in denen der Staat Zwangsbefugnisse innehat. Und nach Art. 106 Abs. 2 S. 1 AEUV gelten insbesondere die Wettbewerbsregeln der Verträge für solche Unternehmen nur eingeschränkt, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind. Damit sind solche Dienstleistungen gemeint, bei denen sich der jeweilige Mitgliedstaat genötigt sieht, gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen zu statuieren. Gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen sind bestimmte Anforderungen an die Leistungserbringung, die ein privatwirtschaftliches Unternehmen nicht aus eigenem wirtschaftlichen Interesse erfüllen würde, die der Mitgliedstaat aber für erforderlich hält, um einen bestimmten Standard dieser Dienstleistungen sicherzustellen (zum Beispiel Qualität, Verfügbarkeit, Sicherheit, Bezahlbarkeit). Das betrifft beispielsweise den öffentlichen Schienenpersonenverkehr. Die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse decken sich weitgehend mit dem, was wir im deutschen Kontext unter Daseinsvorsorgeaufgaben verstehen.

Welche der folgenden Aussagen ist nicht richtig?

  • Das Unionsrecht verpflichtet unmittelbar dazu, Aufgaben und Organisationsformen zu privatisieren.
  • Das Unionsrecht zielt auf eine Öffnung der Märkte ab und kann damit mittelbar dazu verpflichten oder Anreize dazu setzen, zu privatisieren.
  • Das Unionsrecht lässt bestimmte Arten von staatlichen Aufgaben unberührt.

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Nationales Recht

Das nationale Verfassungsrecht enthält wenige ausdrückliche Pflichten zur Privatisierung, die sich in den Art. 87 ff. GG finden lassen. So ordnet Art. 87e Abs. 3 S. 1 GG an, dass Eisenbahnen des Bundes als Wirtschaftsunternehmen in privat-rechtlicher Form geführt werden. Die damit angesprochene Organisationsprivatisierung erfolgte im Jahr 1994, als die damalige Deutsche Bundesbahn und die damalige Deutsche Reichbahn zunächst im Bundeseisenbahnvermögen aufgingen und dessen unternehmerischer Teil sodann in die neu gegründete Deutsche Bahn AG ausgegliedert wurde. Eine Vermögens- und Aufgabeprivatisierung durch Veräußerung von Aktien der Deutsche Bahn AG ist nach Art. 87e Abs. 3 S. 2 und S. 3 GG eingeschränkt zulässig, aber nicht zwingend.

Art. 143b Abs. 1 S. 1 GG zwang im Bereich der Post und Telekommunikation zur Organisationsprivatisierung, indem er anordnet, dass die aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangenen Teilsondervermögen in Unternehmen privater Rechtsform umzuwandeln sind. Dieser Verpflichtung entsprechend wurden die Deutsche Post AG, die Deutsche Telekom AG und die Deutsche Postbank AG gegründet. Zudem verpflichtete Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG in diesem Bereich dazu, staatliche Vorrechte abzubauen, damit die Märkte zu öffnen und die Aufgaben insoweit zu privatisieren. Zur erfolgten Veräußerung der Aktien an den Gesellschaften zwang die Vorschrift dagegen nicht.

Im Übrigen kann das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG den Staat dazu anhalten, bisherige staatliche Vorrechte abzubauen und Aufgaben insofern zu privatisieren. Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet Deutschen (und EU-Ausländern; Nicht-EU-Ausländer können sich insofern nur auf die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG berufen) unter anderem das Recht, ihren Beruf frei zu wählen. Davor, dass der Staat sich selbst wirtschaftlich beteiligt und dadurch mit Privaten konkurriert, schützt das Grundrecht zwar nicht, weil Marktteilnehmer jederzeit mit Konkurrenz rechnen müssen. Demgegenüber greift der Staat nach der Rechtsprechung des BundesverfassungsgerichtsBVerfGE 21, 245 (249 ff.). in die Berufsfreiheit ein, wenn er sich Vorrechte einräumt, indem er beispielsweise bestimmte Tätigkeiten bei sich monopolisiert und Private von der Leistungserbringung ausschließt. Lässt sich ein solcher Eingriff nicht (mehr) mit dem Schutz eines überragend wichtigen Gemeinschaftsgutes rechtfertigen, ist er verfassungswidrig und zu unterlassen. Der Staat muss die Vorrechte insoweit abbauen und auf diese Weise Aufgaben privatisieren.

Welche der folgenden Aussagen ist richtig?

  • Dem Grundgesetz lassen sich zahlreiche Pflichten zur Privatisierung entnehmen.
  • Art. 87e und Art. 87f GG haben den Staat dazu gezwungen, sich aus den Bereichen der Eisenbahnen sowie der Post und der Telekommunikation vollständig zurückzuziehen.
  • Das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG kann mittelbar zu einer Aufgabenprivatisierung zwingen, wenn es bestehende staatliche Vorrechte nicht (mehr) erlaubt.

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Rechtliche Grenzen der Privatisierung

Als etwas ergiebiger erweist sich das Recht hinsichtlich der Grenzen der Privatisierung. Das gilt aus den oben genannten Gründen wiederum nicht für das Unionsrecht, wohl aber für das nationale Recht. Bei der Bestimmung der Privatisierungsgrenzen ist es wichtig, nicht voreilig einzelne Bereich pauschal als privatisierungsfeindlich zu kennzeichnen (etwa mit Verweis auf den Charakter einer staatlichen Aufgabe als Daseinsvorsorge). Wie wir sehen werden, lässt sich sowohl innerhalb bestimmter Aufgabenbereiche als auch mit Blick auf den Inhalt bestimmter Pflichten differenzieren.

Verfassungsrecht

Art. 87 ff. GG

Im Verfassungsrecht lassen sich einige Privatisierungsgrenzen aus den Art. 87 ff. GG ableiten. Diese Vorschriften unterscheiden die bundeseigene Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau von der Bundesverwaltung.

  • Bundesverwaltung ist der offenere Begriff: Gemeint ist eine Verwaltung, die der Bund zumindest mittelbar verantwortet, die also grundsätzlich auch vermittelt durch juristische des Privatrechts oder beliehene natürliche Personen und damit nach erfolgter Organisationsprivatisierung möglich ist. Bundesverwaltung sieht beispielsweise Art. 87d Abs. 1 S. 1 GG für die Luftverkehrsverwaltung vor. Mittlerweile nimmt daher die Deutsche Flugsicherung GmbH als Eigengesellschaft des Bundes die Aufgaben der Flugsicherung wahr.

  • Bundeseigene Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau bezeichnet demgegenüber eine Verwaltung unmittelbar durch die Gebietskörperschaft Bund. Jedenfalls eine Organisationsprivatisierung scheidet hier aus. Nach Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG werden der Auswärtige Dienst, die Bundesfinanzverwaltung und die Verwaltung der Bundeswasserstraßen und der Schifffahrt zwingend in bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau geführt, nach Art. 87b Abs. 1 S. 1 GG die Bundeswehrverwaltung.

Wie weit die bundeseigene Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau andere Erscheinungsformen der Privatisierung als eine Organisationsprivatisierung ausschließt, lässt sich dem Grundgesetz nicht ohne weiteres entnehmen. Da der „eigene Verwaltungsunterbau“ beschäftigt werden muss, ist klar, dass jedenfalls keine umfassende Privatisierung möglich ist. Mit anderen Worten: Das „Kerngeschäft“ muss jedenfalls der eigene Verwaltungsunterbau wahrnehmen. Umgekehrt wird man die Grundgesetzbestimmungen aber nicht so verstehen können, dass der Verwaltungsunterbau auch völlig untergeordnete Aufgaben wie das EDV- und Gebäudemanagement eigenhändig erledigen muss. Allgemein ist daher innerhalb des von der jeweiligen Vorschrift genannten Aufgabenfeldes danach zu unterscheiden, ob eine einzelne Aufgabe den Typus des Aufgabenfelds prägt (dann Privatisierungsverbot). Das ist umso weniger der Fall, je weniger diese Aufgabe sich gerade auf das konkrete Aufgabenfeld bezieht, je mehr es ihrer Erledigung also auch in anderen Aufgabenfeldern bedarf.

Welche der folgenden Aussagen ist richtig?

  • Die Art. 87 ff. GG betreffen ausschließlich die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern und enthalten deswegen keine Aussagen zu den rechtlichen Grenzen der Privatisierung.
  • Der Begriff der Bundesverwaltung steht einer Privatisierung von Aufgaben oder Organisationsform grundsätzlich entgegen.
  • Bei der bundeseigenen Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau kann eine Privatisierung von einzelnen, untergeordneten Aufgaben zulässig sein.

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Mit Blick auf den Aufgabeninhalt lässt sich allgemein differenzieren zwischen einer Erfüllungspflicht (Pflicht zur eigenhändigen Erledigung einer Aufgabe) und einer bloßen Gewährleistungspflicht. Verfassungsrechtliche Blaupause dieser Unterscheidung ist Art. 87f GG:

  • Nach Art. 87f Abs. 1 GG gewährleistet der Bund im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen. Die Vorschrift gibt ein Ziel vor und erlegt dem Bund die Verantwortung dafür auf, dass dieses Ziel erreicht wird.

  • Art. 87f Abs. 2 GG bestimmt, dass die Dienstleistungen als privatwirtschaftliche Tätigkeiten durch die aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangenen Unternehmen und durch andere private Anbieter erbracht werden.

Die Vorschrift gibt nicht vor, dass der Bund selbst diese Dienstleistungen durch die genannten Unternehmen erbringen muss. Er war also dazu befugt, die Anteile an der Deutsche Post AG, der Deutsche Telekom AG und der Deutsche Postbank AG veräußern (Vermögens- und Aufgabenprivatisierung). Der Bund muss nur gewährleisten, dass irgendjemand (private Anbieter) die Aufgaben so erledigt, dass das Ziel flächendeckender angemessener und ausreichender Dienstleistungen im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation erreicht wird.

Ähnlich, wenn auch etwas weniger prägnant, werden die Aufgaben in Art. 87e GG differenziert:

  • Nach Art. 87e Abs. 4 S. 1 GG gewährleistet der Bund, dass Schieneninfrastruktur und der Fernverkehr auf den Schienen den Verkehrsbedürfnissen entsprechen. Auch in diesem Bereich trifft den Bund also eine Gewährleistungspflicht.

  • Allerdings tritt hier in gewissem Umfang eine Erfüllungspflicht hinzu, die eine Aufgabenprivatisierung ausschließt. Wie wir oben gesehen haben, werden die Eisenbahnen des Bundes nach Art. 87e Abs. 3 S. 1 GG als Wirtschaftsunternehmen in privat-rechtlicher Form geführt. Art. 87e Abs. 3 S. 2 und S. 3 GG unterscheiden nun hinsichtlich Bau, Unterhaltung und Betreiben der Schienenwege einerseits und den Verkehrsangeboten auf den Schienenwegen andererseits: Anteile an denjenigen Unternehmen, die sich um die Infrastruktur kümmern, „stehen im Eigentum des Bundes“, dürfen also kraft der verfassungsrechtlichen Bestimmung nicht veräußert werden. Eine Vermögens- und Aufgabenprivatisierung ist insoweit nicht zulässig. Der Bund hat sich um diese Aufgabe eigenhändig, wenngleich in privatisierter Organisationsform zu kümmern. Mit Blick auf die Verkehrsangebote auf den Schienenwegen ist Art. 87e Abs. 3 S. 2 GG indessen weniger streng: Hier muss nur die Mehrheit der Anteile beim Bund verbleiben. Im Übrigen ist es zulässig, Anteile zu veräußern und die Aufgaben in diesem Umfang zu privatisieren.

Differenziert ist schließlich auch die Regelung in Art. 90 GG betreffend die Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs. Eine deutliche Sprache spricht zunächst Art. 90 Abs. 1 GG, wonach das Eigentum des Bundes an diesen Straßen unveräußerlich ist. Die Verwaltungsaufgaben im Zusammenhang mit den Straßen regeln demgegenüber Art. 90 Abs. 2–4 GG. Für uns besonders interessant ist die Regelung in Art. 90 Abs. 2 GG: Satz 1 und Satz 2 ermöglichen eine Organisationsprivatisierung, die mit der Gründung der Autobahn GmbH des Bundes im Jahr 2021 erfolgt ist. Diese GmbH kümmert sich um Planung, Bau, Betrieb, Erhaltung, Finanzierung und vermögensmäßige Verwaltung der Autobahnen. Eine Veräußerung der Anteile an dieser Eigengesellschaft und damit einhergehend eine Aufgabenprivatisierung schließt Art. 90 Abs. 2 S. 3 GG kategorisch aus. Allerdings verbietet Art. 90 Abs. 2 S. 5 GG eine „Beteiligung Privater im Rahmen von Öffentlich-Privaten Partnerschaften“ nur insoweit, als sie das gesamte Streckennetz oder wesentliche Teile des Streckennetzes umfasst. Im Umkehrschluss ist eine solche Beteiligung Privater demnach für einzelne Projekte erlaubt. Dass damit keine institutionalisierte Public-Private-Partnership (gemischt-wirtschaftliches Unternehmen) gemeint ist, die wir als dritte Spielart der Organisationsprivatisierung eingeordnet haben, zeigt sich deutlich an Art. 90 Abs. 2 S. 4 GG, wonach selbst eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Dritter an der Gesellschaft und deren Tochtergesellschaften ausgeschlossen ist. Mit der Öffentlich-Privaten Partnerschaft gemeint sind also nur vertragliche, typischerweise längerfristige Partnerschaften als Ergebnis funktionaler Privatisierung.

Inhaltlich sind beispielsweise Konzessions- und Betreibermodelle möglich, in denen ein privater Investor einen bestimmten Streckenabschnitt baut, erhält, betreibt und finanziert und dafür im Gegenzug das Recht erhält, auf diesem Abschnitt Entgelte (Maut) zu erheben.

Welche der folgenden Aussagen ist richtig?

  • Gewährleistungspflicht bedeutet, dass der Staat eine Aufgabe eigenhändig als Staatsaufgabe erledigen muss.
  • Die Erfüllungspflicht ist aufgabenbezogen, die Gewährleistungspflicht ist zielbezogen.
  • Im Bereich der Bundesautobahnen sind Organisations- und Aufgabenprivatisierung zulässig, funktionale Privatisierung ist dagegen ausgeschlossen.

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Staatszielbestimmungen und grundrechtliche Schutzpflichten

Rechtliche Grenzen der Privatisierung können sich auch aus den Staatszielbestimmungen (Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 1 GG und Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen aus Art. 20a GG) und den Grundrechten ergeben. Die Grundrechte fungieren nicht nur als Abwehrrechte gegenüber Eingriffen des Staates, sondern auch als Ansprüche auf Schutz durch den Staat. Für den Staat kann eine solche Schutzpflicht beinhalten, bestimmte Aufgaben wahrzunehmen oder Leistungen zu erbringen, auf welche die Privaten angewiesen sind.

Ein Beispiel ist die Versorgung mit Trinkwasser und Energie. Solche Aufgaben werden typischerweise als Aufgaben der Daseinsvorsorge betitelt.

Allerdings verfügt der Staat in aller Regel über einen weiten Spielraum bei der Entscheidung darüber, wie er die Staatsziele verfolgt und seinen grundrechtlichen Schutzpflichten nachkommt. Die Staatszielbestimmungen und auch die Grundrechte in ihrer Schutzpflichtendimension verlangen, dass ein bestimmter Mindeststandard an Zielerreichung bzw. Schutz nicht unterschritten wird (Untermaßverbot). Weder zwingen sie den Staat dazu, über den Mindeststandard hinaus tätig zu werden, noch lassen sich aus ihnen ganz konkrete staatliche (Pflicht-)Aufgaben ableiten, wenn sich nicht ausnahmsweise der gebotene Mindeststandard nur auf eine ganz bestimmte Weise erreichen lässt. Konkret für das Sozialstaatsprinzip hat das BundesverfassungsgerichtBVerfGE 22, 180 (204). festgestellt: „Keineswegs folgt aus dem Sozialstaatsprinzip, dass der Gesetzgeber für die Verwirklichung dieses Ziels nur behördliche Maßnahmen vorsehen darf. Art. 20 Abs. 1 GG bestimmt nur das „Was“, das Ziel, die gerechte Sozialordnung; er lässt aber für das „Wie“, d. h. für die Erreichung des Ziels, alle Wege offen. Deshalb steht es dem Gesetzgeber frei, zur Erreichung des Ziels auch die Mithilfe privater Wohlfahrtsorganisationen vorzusehen.“

Die Unterscheidung zwischen Gewährleistungs- und Erfüllungspflicht, die wir bei Art. 87f GG kennengelernt haben, lässt sich demnach mit Blick auf die Staatszielbestimmungen und die grundrechtlichen Schutzpflichten folgendermaßen verallgemeinern:

  • Die Staatszielbestimmungen und die grundrechtlichen Schutzpflichten erlegen dem Staat jedenfalls eine Gewährleistungspflicht für den jeweiligen Mindeststandard auf.

  • Ob den Staat im Einzelfall zusätzlich eine Erfüllungspflicht trifft, das heißt die Pflicht, eine Aufgabe eigenhändig als Staatsaufgabe wahrzunehmen und nicht zu privatisieren, ist in jedem Einzelfall gesondert zu bestimmen, ebenso wie die Höhe des jeweils zu erreichenden Mindeststandards.

Beispiel: Dass der Staat auch im ländlichen Raum ein hinreichendes Angebot öffentlichen Personenverkehrs gewährleisten muss, bedeutet nicht, dass er dazu verpflichtet ist, eine Buslinie eigenhändig zu bedienen und damit die Aufgabe der Dienstleistungserbringung als Staatsaufgabe wahrzunehmen. Jegliche Form der Privatisierung ist hier prinzipiell möglich, solange der Staat gewährleisten kann, dass der Private das gebotene Mindestangebot schafft. Welche Instrumente dem Staat dafür zur Verfügung stehen, seiner Gewährleistungspflicht nachzukommen, betrachten wir später.

Welche der folgenden Aussagen ist richtig?

  • Die Staatszielbestimmungen und die Grundrechte verpflichten den Staat dazu, sein Bestmögliches zur Zielerreichung und zum Schutz zu tun.
  • Staatszielbestimmungen und grundrechtliche Schutzpflichten schließen eine Privatisierung grundsätzlich aus.
  • Wie in Art. 87f GG ist bei den Staatszielbestimmungen und den grundrechtlichen Schutzpflichten zwischen Gewährleistungs- und Erfüllungspflichten zu unterscheiden.

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Rechtsstaatsprinzip und staatliches Gewaltmonopol

Das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes monopolisiert die Ausübung physischer Gewalt beim Staat. Das staatliche Gewaltmonopol wirft die Frage auf, ob gewaltgeneigte Aufgaben privatisiert werden können, also solche, die aller Voraussicht nach nur unter Einsatz physischer Gewalt erledigt werden können (vor allem in den Aufgabenfeldern Justiz, Zwangsvollstreckung, Polizei, Militär).

Eine Organisationsprivatisierung in der Spielart der Beleihung hindert das staatliche Gewaltmonopol nicht, da der Staat den Privaten hier mit Hoheitsrechten ausstattet, sodass der Beliehene dem Staat institutionell zuzurechnen ist. Ein Anwendungsfall davon ist privates Sicherheitspersonal, das im Sinne von § 1 Abs. 3 UZwGBw mit militärischen Wachaufgaben der Bundeswehr beauftragt ist.

Differenzierter zu betrachten sind die Aufgaben- und die funktionale Privatisierung, bei der Private tätig werden sollen, ohne beliehen zu sein. Diesen Privaten stehen keine Hoheitsrechte zu, sie profitieren daher nicht vom staatlichen Gewaltmonopol. Allerdings können sie die Notwehr- und Notstandsbefugnisse ausüben, die das bürgerliche Recht, das Strafrecht und das Strafprozessrecht jedermann zur Verfügung stellen (§ 227 und § 228 BGB, § 32 und § 34 StGB, § 127 Abs. 1 StPO). Nach richtiger, wenngleich umstrittener Auffassung gelten diese Befugnisse auch für Angehörige des privaten Sicherheitsgewerbes, die professionell davon Gebrauch machen (etwa den privaten Sicherheitsdienst, der einen U-Bahnhof bestreift und einem überfallenen Fahrgast Nothilfe leistet). Das heißt: Die Privatisierung einer Aufgabe scheidet (nur) insoweit aus, als für die gewaltgeneigte Tätigkeit keine Jedermann-Befugnisse zur Verfügung stehen. Das betrifft insbesondere das Aufgabenfeld Strafverfolgung (mit Ausnahme der Betroffenheit oder Verfolgung auf frischer Tat nach § 127 Abs. 1 StPO).

Funktionsvorbehalt aus Art. 33 Abs. 4 GG

Nach Art. 33 Abs. 4 GG ist die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen – das heißt Beamten. Hinter der Bestimmung steht die Erwägung, dass Art. 33 Abs. 5 GG den Berufsbeamten bestimmte Vorzüge garantiert, die eine qualifizierte, loyale und gesetzestreue Aufgabenerledigung gewährleisten. Grundsätzlich sollen daher gerade und nur Beamte dauerhaft Tätigkeiten ausüben, bei denen grundrechtlich geschützte Freiheiten mit Befehl oder Zwang unmittelbar beschränkt werden.

Mit Blick auf Privatisierung betrifft die Vorschrift ausschließlich die Spielart der Beleihung. Denn nicht beliehene Private können von vornherein keine hoheitsrechtlichen Befugnisse ausüben. Schwierigkeiten in der Anwendung der Vorschrift entstehen dadurch, dass der Normtext nicht deutlich macht, was mit „in der Regel“ gemeint ist und unter welchen Voraussetzungen eben doch Nichtbeamte mit der Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse betraut werden dürfen. Für mehr Klarheit hat die Entscheidung des BundesverfassungsgerichtsBVerfGE 130, 76 ff. zum Maßregelvollzug gebracht. Hiernach hat das statuierte Regel-Ausnahme-Verhältnis sowohl eine quantitative als auch eine qualitative Dimension:

  • Quantitativ darf die Ausnahmemöglichkeit nicht dazu führen, dass der rechtlich vorgesehene Regelfall tatsächlich zum zahlenmäßigen Ausnahmefall wird.

  • Qualitativ muss die Ausnahme durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sein, der an den Besonderheiten des jeweiligen Aufgabengebiets ansetzt und sich nicht beliebig auf andere hoheitliche Tätigkeiten übertragen lässt. Insbesondere die Kostenersparnis beim Einsatz von Nichtbeamten ist damit kein tauglicher Grund für eine Ausnahme. Zusätzlich zur Sachlichkeit des Grunds ist auch die Verhältnismäßigkeit der Ausnahme zu prüfen.

Nach diesen Maßgaben hielt das Bundesverfassungsgericht die Beauftragung einer beliehenen juristischen Person des Privatrechts, die allein vom Staat getragen wurde, mit bestimmten Aufgaben des Maßregelvollzugs für zulässig. Die dort gewählte Privatisierungslösung ermöglichte es, die betroffene Maßregelvollzugseinrichtung mit anderen psychiatrischen Einrichtungen unter einem Dach zu organisieren und die Qualität des Maßregelvollzugs durch Synergieeffekte zu verbessern, die bei der Personalgewinnung sowie den Ausbildungs- und Fortbildungsmöglichkeiten entstehen. Unzulässig wäre demgegenüber wohl die Beleihung Privater mit Befugnissen der unmittelbaren Bewachung in Haftvollzugsanstalten sein.

Welche der folgenden Aussagen ist nicht richtig?

  • Das staatliche Gewaltmonopol verbietet es, gewaltgeneigte Aufgaben zu privatisieren.
  • Art. 33 Abs. 4 GG betrifft nur die Beleihung.
  • Beleihung muss faktisch die Ausnahme bleiben und durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sein.

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Garantie der kommunalen Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 GG

Eine weitere verfassungsrechtliche Privatisierungsgrenze ergibt sich nach Auffassung des BundesverwaltungsgerichtsBVerwG, NVwZ 2009, 1305 ff. schließlich aus der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 GG. Zwar räumt Art. 28 Abs. 2 GG Gemeinden in erster Linie ein Recht ein, nämlich sich grundsätzlich aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft allein- und eigenverantwortlich anzunehmen. Dazu gehören auch Aufgaben besonderer sozialer, kultureller und traditioneller Prägung wie ein Weihnachtsmarkt. Das Bundesverwaltungsgericht hält eine Organisation- oder funktionale Privatisierung der Veranstaltung eines solchen Weihnachtsmarkts für unproblematisch. Eine vollständige Aufgabenprivatisierung, bei der sich die Gemeinde der Aufgabe endgültig entledigt und keine Einwirkungs- und Steuerungsmöglichkeiten vorbehält, soll demgegenüber unzulässig sein, weil sich die Gemeinde damit ihrer gemeinwohlorientierten Handlungsspielräume begebe und auf diese Weise den Inhalt der kommunalen Selbstverwaltung aushöhlen könne. Diese Rechtsprechung kann man mit guten Gründen kritisieren.

Einfaches Recht

Einfachrechtliche Grenzen der Organisationsprivatisierung finden sich unter anderem in § 65 BHO. Die Vorschrift zählt Voraussetzungen dafür auf, dass der Bund ein Unternehmen in einer Organisationsform des Privatrechts gründen oder sich daran beteiligen darf:

  • Es muss ein wichtiges Interesse vorliegen und der angestrebte Zweck darf sich nicht besser und wirtschaftlicher auf andere Weise erreichen lassen.

  • Die Einzahlungsverpflichtung des Bundes muss auf einen bestimmten Betrag begrenzt sein.

  • Der Bund muss einen angemessenen Einfluss auf das Unternehmen erhalten.

  • Es muss grundsätzlich gewährleistet sein, dass der Jahresabschluss und der Lagebericht entsprechend den Vorschriften des Dritten Teils des HGB für große Kapitalgesellschaften aufgestellt und geprüft werden.

Inhaltlich entsprechende und darüberhinausgehende Vorschriften finden sich für die Länder in den Landeshaushaltsordnungen (in Nordrhein-Westfalen § 65 LHO NRW) und für die Gemeinden in den Gemeindeordnungen der Länder (in Nordrhein-Westfalen § 108 GO NRW).

Politische Motive für Privatisierung

Innerhalb des so gesetzten Rahmens können politische Gesichtspunkte den Ausschlag für oder wider eine Privatisierung geben, die sehr vielgestaltig sind und sich nicht abschließend aufzählen lassen. Sachlich sind vor allem solche Motive, die unmittelbar oder zumindest mittelbar die Wirtschaftlichkeit der Aufgabenerledigung betreffen (vgl. Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG). Die Wirtschaftlichkeit lässt sich verstehen als das Verhältnis aus dem Erfolg der Aufgabenerledigung und dem dafür erforderlichen Mitteleinsatz.

Mit Blick auf den Erfolg der Aufgabenerledigung kann Privatisierung bezwecken, die Kräfte des Marktes und damit auch die besondere Handlungsrationalität von Privaten zu nutzen, nämlich Einnahmen- oder Gewinnerzielungsabsicht. Zu den Erwartungen zählt, dass der Markt besser als der Staat in der Lage ist, Ressourcen zu allokieren, des technologischen Wandels und der wachsenden Komplexität Herr zu werden und damit die sich stetig verändernden Aufgaben erfolgreich zu erledigen. Nimmt man die Annahme hinzu, dass die Zahl derjenigen Aufgaben, deren sich der Staat annehmen kann, stetig wächst, setzt die Privatisierung von Aufgaben auch Kapazitäten für die Erledigung anderer Aufgaben frei.

Mit Blick auf den Mitteleinsatz kann das Ziel der Privatisierung sein, Ausgaben zu verringern oder Einnahmen zu erhöhen. Private können Aufgaben aufgrund ihrer besonderen Handlungsrationalität unter Umständen effizienter erledigen, insbesondere auch dann, wenn sie großflächig eingesetzt werden und Verbundvorteile ausnutzen können. Klar ist aber auch, dass Private Aufgaben für den Staat grundsätzlich nur dann erledigen, wenn sie selbst etwas davon haben. Soweit die Erledigung von Aufgaben finanziellen Aufwand verursacht oder der Staat Privaten gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegt, um einen bestimmten Mindeststandard zu gewährleisten, kann der Staat gezwungen sein, für einen finanziellen Ausgleich zu sorgen. Dadurch wird der Haushalt möglicherweise ähnlich belastet wie bei einer eigenhändigen Aufgabenerledigung. Einen immerhin einmaligen finanziellen Effekt hat die Vermögensprivatisierung, die mit einer Aufgabenprivatisierung einhergehen kann: Soweit der Staat Eigentum veräußert (Grundstücke, Arbeitsmittel und so weiter), erzielt er Einnahmen und kann damit punktuell auf Finanznot reagieren. Dass sich die Haushaltslage damit nicht nachhaltig verbessern lässt, liegt auf der Hand.

Bei der bloßen Organisationsprivatisierung stehen diese Erwägungen nicht im Vordergrund, weil gerade nicht ein Privater im inhaltlichen Sinne tätig wird, sondern der Staat nur eine privatrechtliche Organisationsform wählt. Das kann vor allem auf haftungs-, steuer- und arbeitsrechtlichen Motiven gründen. Durch den Einsatz einer juristischen Person des Privatrecht kann der Staat jedenfalls seine Haftung mit Blick auf die von der juristischen Person wahrgenommene Aufgabe beschränken. Außerdem gewinnt er arbeitsrechtliche Flexibilität und kann seinen Mitteleinsatz verringern dadurch, dass die Beschäftigten privatrechtliche Angestellte und keine Beamten sind.

Welche der folgenden Aussagen ist richtig?

  • Die Garantie kommunaler Selbstverwaltung steht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einer Organisationsprivatisierung entgegen.
  • Sachliche Gründe der Privatisierung wurzeln in der Wirtschaftlichkeit der Aufgabenerledigung.
  • Privatisierung macht die Aufgabenerledigung immer wirtschaftlicher, weil sich der Staat nicht mehr um die Finanzierung kümmern muss.

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Rechtliche Anforderungen an den Vollzug der Privatisierung

Entscheidet sich der Staat für eine Privatisierung, hat er auch beim Vollzug dieser Entscheidung einige rechtliche Anforderungen zu erfüllen. Wie auch der rechtliche Rahmen der Privatisierungsentscheidung selbst unterscheiden sich diese Anforderungen hinsichtlich der einzelnen Typen und Spielarten der Privatisierung. Allgemein gilt: Lassen sich diese rechtlichen Anforderungen an den Vollzug der Privatisierung nicht erfüllen, ist der Staat verpflichtet, die Privatisierung zu unterlassen. Mittelbar erweisen sich diese Anforderungen damit auch als potenzielle rechtliche Grenzen der Privatisierung.

Gesetzgeberische Entscheidung

In einigen Fällen bedarf die Privatisierung einer Entscheidung durch den parlamentarischen (Bundes- oder Landes-)Gesetzgeber. Dann darf die Verwaltung die Privatisierungsentscheidung nicht unmittelbar selbst treffen. Das betrifft die Organisationsprivatisierung jedenfalls dann, wenn sie in der Spielart der Beleihung erfolgt. Man spricht vom institutionellen Vorbehalt des GesetzesFootnote not found. Konkrete Gesetzesvorbehalte können sich auch aus speziellen Vorschriften des Grundgesetzes ergeben, wie zum Beispiel Art. 143b Abs. 1 S. 1 GG und Art. 87e Abs. 3 S. 3 GG.

Mit Blick auf die Aufgabenprivatisierung ist jedenfalls dann eine gesetzgeberische Entscheidung erforderlich, wenn die vormalige Festlegung einer Staatsaufgabe durch Gesetz erfolgt und nun rückgängig zu machen ist. Das gilt zum Beispiel in Fällen, in denen sich der Staat mit Blick auf eine Aufgabe Vorrechte oder sogar ein rechtliches Monopol eingeräumt oder Kommunen Pflichtaufgaben auferlegt hat (in Nordrhein-Westfalen nach § 3 Abs. 1 GO NRW).

Im Übrigen gilt der allgemeine Vorbehalt des Gesetzes, der sich vor allem aus dem Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 2 und Abs. 3 GG) und den Grundrechten ableiten lässt und nach der Rechtsprechung des BundesverfassungsgerichtsBVerfGE 49, 89 (126 f.). alle wesentlichen Entscheidungen – insbesondere im Bereich der Grundrechtsausübung – dem Gesetzgeber vorbehält. Die verbleibenden Typen und Spielarten der Privatisierung sind also im Einzelfall daraufhin zu untersuchen, ob die Entscheidung wesentlich ist, das heißt vor allem, wie intensiv sie sich auf Grundrechte derjenigen auswirkt, die von der Aufgabenerledigung unmittelbar betroffen sind. Greift der Vorbehalt des Gesetzes nicht ein, kann die Verwaltung die Privatisierungsentscheidung selbst treffen und vollziehen.

Welche der folgenden Aussagen ist richtig?

  • Organisationsprivatisierung erfordert grundsätzlich keine Entscheidung des Gesetzgebers.
  • Stellt sich die Privatisierung als wesentliche Entscheidung dar, darf die Verwaltung die Entscheidung selbst treffen.
  • Eine gesetzgeberische Entscheidung ist unter anderem dann erforderlich, wenn die Aufgabe bislang durch Gesetz als Staatsaufgabe festgelegt war.

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Rechtfertigung eines Grundrechtseingriffs

Grundrechtliche Anforderungen stellen die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG und die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG, wenn die Privatisierung nicht auf vertraglicher Grundlage auf der Ebene der Gleichordnung, sondern durch Befehl oder Zwang im Über-/Unterordnungsverhältnis erfolgen soll. Die Verpflichtung eines Privaten, eine bestimmte Aufgabe wahrzunehmen (beispielsweise die Verpflichtung des Arbeitgebers, für den Staat Lohnsteuer einzuziehen), greift stets in eines der genannten Grundrechte ein.

Die Rechtfertigung eines solchen Grundrechtseingriffs erfordert eine gesetzgeberische Entscheidung und einen sachlichen Grund. Ein solcher Grund ist in den oben dargestellten politischen Motiven für die Privatisierung zu suchen und kann insbesondere in der besonderen Sachnähe des verpflichteten Privaten zu finden sein. Darüber hinaus muss der Eingriff mit Blick auf den sachlichen Grund verhältnismäßig sein. Dabei ist die Frage zu stellen, ob sich der erstrebte Nutzen der Privatisierung nicht auch auf andere, mildere Weise erzielen lässt (etwa auf vertraglicher Grundlage auf der Ebene der Gleichordnung) und ob die Intensität des Eingriffs und der Nutzen der Privatisierungsmaßnahme in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Je höher der (auch finanzielle) Aufwand des Privaten ist, desto eher kann der Staat gezwungen sein, diesen Aufwand zumindest finanziell auszugleichen.

Durchführung eines Vergabeverfahrens

Wird der Private demgegenüber auf vertraglicher Grundlage auf der Ebene der Gleichordnung dazu verpflichtet, eine Aufgabe gegen Entgelt zu erledigen, kann der Abschluss dieses Vertrags vergaberechtlich bedeutsam sein und eine Ausschreibung erfordern. Insbesondere aus den unionsrechtlichen Grundfreiheiten und dem verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebot in Art. 3 Abs. 1 GG folgt die Pflicht des Staates, Unternehmen im Wettbewerb um den Erhalt eines öffentlichen Auftrags gleiche Chancen einzuräumen. Ausnahmen vom Vergaberecht bestehen in Fällen sogenannter Inhouse-Geschäfte, bei denen der Staat eine Eigengesellschaft mit einer Aufgabe betraut und damit nur die Organisationsform privatisiert, ohne den staatlichen Charakter der Aufgabe preisgeben zu wollen. Jegliche private Kapitalbeteiligung am Auftragnehmer begründet aber eine Ausschreibungspflicht. Insbesondere die funktionale Privatisierung setzt in aller Regel ein Vergabeverfahren voraus. Mit den Einzelheiten beschäftigen wir uns später.

Welche der folgenden Aussagen ist nicht richtig?

  • Die Verpflichtung eines Privaten auf der Ebene der Gleichordnung ist mit Blick auf die Grundrechte des Privaten einer Verpflichtung durch Befehl oder Zwang vorzuziehen.
  • Die Verpflichtung eines Privaten durch Befehl oder Zwang erfordert eine gesetzgeberische Entscheidung, einen sachlichen Grund und die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs.
  • Wen der Staat auf vertraglicher Grundlage mit einer Aufgabe betraut, kann er sich stets selbst aussuchen.

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Sicherung hinreichenden Einflusses auf die Aufgabenerledigung

Bei der Unterscheidung von staatlich und privat haben wir gesehen, dass im demokratischen Verfassungsstaat jede Ausübung von Staatsgewalt demokratisch legitimiert sein, das heißt, sich zumindest mittelbar auf den Willen des Volkes zurückführen lassen muss (Art. 20 Abs. 2 GG). Das geschieht über Wahlen und Abstimmungen und eine in ununterbrochener Kette erfolgende Weitergabe von Entscheidungsbefugnissen. Diese Kette muss auch die Möglichkeit umfassen, auf das jeweils nächste Glied steuernd einzuwirken, beispielsweise durch die Erteilung von Weisungen. Im herkömmlichen hierarchischen Verwaltungsaufbau hält das Gesetz dafür die Instrumente der Dienst-, Rechts- und Fachaufsicht bereit, welcher die jeweils nachgeordneten Behörden unterliegen (in Nordrhein-Westfalen nach §§ 11 f. LOG NRW).

Im Fall der Beleihung ist die beliehene Person in die Verwaltungsorganisation eingebunden. Es ist umstritten, ob mit der Übertragung von Hoheitsrechten automatisch einhergeht, dass die beliehene Person der Rechts- und Fachaufsicht der Aufsichtsbehörde unterworfen ist. Lehnt man dies ab, hat der Staat jedenfalls im Beleihungsakt eine solche Aufsicht anzuordnen. Soweit die beliehene Person Angestellte für sich handeln lässt, muss darüber hinaus sichergestellt sein, dass diese Angestellten nur nach Weisungen der unmittelbar beliehenen Person handeln, damit der staatliche Einfluss auch die Angestellten erreicht.

Größere Probleme kann die Organisationsprivatisierung bereiten, wenn der Einsatz einer juristischen Person des Privatrechts nicht mit einer Beleihung einhergeht. Denn dann gelten die Vorschriften über die Dienst-, Rechts- und Fachaufsicht nicht. Auch hier muss aber der Staat in seiner Rolle als Träger ausreichend Einfluss auf das Handeln der juristischen Person nehmen können. Einfachgesetzlich findet sich diese Anforderung auch in § 65 Abs. 1 Nr. 3 BHO und den entsprechenden Bestimmungen der Landeshaushalts- und Gemeindeordnungen. Welche Einflussmöglichkeiten der Staat hat, bestimmt sich nach dem Gesellschaftsrecht. Der Staat muss dem jeweiligen Weisungs- und Kontrollorgan angehören oder jedenfalls bestimmenden Einfluss auf dieses Organ ausüben können. Der Geschäftsführer einer GmbH ist den Weisungen der Gesellschaftsversammlung vollumfänglich unterworfen (§ 37 Abs. 1 GmbHG). Anders verhält es sich mit dem Vorstand der AG, der die Gesellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten hat (§ 76 Abs. 1 AktG). Gesellschaftsrechtlich kann der demokratische Einfluss in einer GmbH daher am leichtesten gesichert werden.

Einflussmöglichkeiten muss sich der Staat auch bei der funktionalen Privatisierung sichern. Hier übt der Private zwar nicht eigenverantwortlich Staatsgewalt aus, sondern wird nur funktional bezogen auf eine Aufgabe in staatlicher Trägerschaft tätig. Daher stellt das Demokratieprinzip aus Art. 20 Abs. 2 GG hier keine besonderen Anforderungen. Der Erfolg der jeweiligen staatlichen Aufgabenwahrnehmung hängt aber davon ab, dass auch der Private seinen Teilbeitrag ordnungsgemäß leistet. Der Staat muss daher die Art und Weise der Leistung des Teilbeitrags im befehlenden Akt oder im abzuschließenden Vertrag ("Leistungsbeschreibung") festlegen und sich im erforderlichen Umfang Weisungsrechte, Kontrollbefugnisse, Kündigungsmöglichkeiten und Haftungsregelungen einräumen (lassen). Das gilt in besonderem Maße dann, wenn der Private unmittelbar gegenüber anderen Privaten tätig wird oder gar als Konzessionär mit ihnen rechtliche Beziehungen eingeht. In diesem Fall muss der Staat auf diese rechtlichen Beziehungen steuernd einwirken können.

Überleitung von Beamten

Eine letzte rechtliche Anforderung an den Vollzug der Privatisierung betrifft die Organisationsprivatisierung, wenn Aufgaben auf eine juristische Person des Privatrechts übergehen. Soweit diese Aufgaben bislang unmittelbar von einer Gebietskörperschaft und dort durch Beamte wahrgenommen worden sind, stellt sich die Frage, ob und wie diese Beamten auf den privaten Aufgabenträger übergeleitet werden können. Beamte sind nämlich nach den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG nicht kündbar, müssen also weiterbeschäftigt werden. Und juristische Personen des Privatrechts sind auf der Grundlage von Art. 33 Abs. 5 GG grundsätzlich nicht dienstherrnfähig, können also keine Beamten (öffentlich-rechtliches Personal!) beschäftigen, selbst wenn sie Eigengesellschaften des Staates sind.

Die Beschäftigten können zwar auf ihren Beamtenstatus verzichten und als privatrechtliche Angestellte weiterbeschäftigt werden. Die Einwilligung der Beamten ist aber nur zu erwarten, wenn die Beschäftigten für den damit verbundenen Verlust an beamtenrechtlichen Vorzügen durch entsprechend höhere Gehälter oder auf andere Weise entschädigt werden. Auf diese Weise wurden 1993 die Fluglotsen von Beamten der Bundesanstalt für Flugsicherung zu privatrechtlichen Angestellten der Deutsche Flugsicherung GmbH. Im Übrigen kann nur der Verfassungsgeber tätig werden und besondere Regelungen schaffen, die von den Grundsätzen nach Art. 33 Abs. 5 GG abweichen. Beispiele sind Art. 143a Abs. 1 S. 3 GG und Art. 143b Abs. 3 GG, wonach die vormals bei der Bundeseisenbahn beziehungsweise bei der Deutschen Bundespost tätigen Bundesbeamten unter Wahrung ihrer Rechtsstellung und der Verantwortung des Bundes als Dienstherrn bei den privaten Unternehmen beschäftigt werden (können). Soweit dabei nach Art. 143b Abs. 3 S. 2 GG die juristischen Personen des Privatrechts im Bereich der ehemaligen Deutschen Bundespost (also Deutsche Telekom AG, Deutsche Post AG und Deutsche Postbank AG) selbst Dienstherrenbefugnisse ausüben sollen, ist eine Beleihung auf Grund Gesetzes (Art. 143b Abs. 3 S. 3 GG) erforderlich.

Welche der folgenden Aussagen ist richtig?

  • Die GmbH eignet sich mit Blick auf die Sicherung demokratischen Einflusses eher als Organisationsform für staatliche Aufgabenerledigung als die AG.
  • Auch juristische Personen des Privatrechts können grundsätzlich Beamte beschäftigen, wenn sie Eigengesellschaften des Staates sind.
  • Wenn Beamte nicht von sich aus auf ihren Beamtenstatus verzichten, kann der Gesetzgeber eine Regelung schaffen, um eine Weiterbeschäftigung durch die juristische Person des Privatrechts zu ermöglichen.

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Literatur

  • Burgi, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band 4, 3. Auflage 2006, § 75 Privatisierung, Rn. 16–32

  • Burgi, in: Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Auflage 2016, § 10 Entwicklungslinien, Rn. 7 ff.

  • Isensee, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band 4, 3. Auflage 2006, § 73 Staatsaufgaben, Rn. 27–31

  • Kämmerer, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht, Band 1, 4. Auflage 2019, § 13 Privatisierung, Rn. 35–76