Grundlagen
§ 306a StGB enthält zwei Tatbestände, die sich – näher → § 32 – voneinander erheblich unterscheiden. Bei § 306a Abs. 1 StGB handelt es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt, das der Gefährdung von Menschen Rechnung trägt, die mit dem Inbrandsetzen des jeweiligen Gebäudetyps typischerweise einhergehen. Hingegen verlangt § 306a Abs. 2 StGB, dass ein anderer Mensch durch das Inbrandsetzen in die (konkrete) Gefahr einer Gesundheitsschädigung gebracht wird (Details weiter unten).
Schwere Brandstiftung gem. § 306a Abs. 1 StGB (Tatbestandsmäßigkeit)
Objektiver Tatbestand
Tathandlungen
Die Tathandlungen des § 306a Abs. 1 StGB entsprechen denjenigen des § 306 StGB (Inbrandsetzen oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise Zerstören), s. → § 33 Rn. 5 ff.
Tatobjekte
Die schwere Brandstiftung nach § 306a Abs. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter eine der in Nr. 1-3 genannten (abschließend aufgezählten) Räumlichkeiten in Brand setzt.
Wohn- und Aufenthaltsräumlichkeiten (Nr. 1) sind Orte, die eine Person zum Mittelpunkt ihres Lebens gemacht hat.
Entscheidend sind nicht die Eigentumsverhältnisse, sondern ausschließlich die (tatsächliche) Widmung zu Wohnzwecken,
Beispiel: Der Eigentümer und Bewohner einer Villa kann durch deren Inbrandsetzen die Wohnwidmung konkludent aufheben. Allerdings genügt dessen Entwidmung nicht, wenn weitere Personen (auch unberechtigte) das Haus bewohnen, welche jene Zweckbestimmung noch nicht aufgegeben haben.
Bei gemischt-genutzten Gebäuden ist zunächst zu überprüfen, ob es sich überhaupt um ein einheitliches Tatobjekt handelt.
Beispiel: Bauliche Schutzvorrichtungen, die eine Ausbreitung des Brandes von einem Gebäudeteil in einen anderen verhindern können, sprechen gegen die Einheitlichkeit; gemeinsam genutzte Bereiche wie Treppenhäuser oder ineinander übergehende Räume können für eine Einheitlichkeit sprechen.
Wenn sich eine Einheitlichkeit bejahen lässt, muss im Anschluss – zumindest nach hA – je nach Tathandlung differenziert werden: Während beim Inbrandsetzen genügen soll, dass das Feuer auf diejenigen Teile der Räumlichkeit mit „tatbestandsrelevanter Zweckwidmung“ übergreift,
Unter den Begriffen der Kirche oder zur Religionsausübung dienende Gebäude (Nr. 2) werden auch Gebäude anderer Glaubensgemeinschaften erfasst. Dabei kommt es – wie ein Vergleich mit § 306a Abs. 1 Nr. 3 StGB zeigt – nicht auf eine konkrete „Zeit“ der Nutzung an.
Bei der Räumlichkeit, die zeitweise dem Aufenthalt von Menschen dient, zu einer Zeit, in der Menschen sich dort aufzuhalten pflegen (Nr. 3) kommt es – Stichwort: abstraktes Gefährdungsdelikt – nicht darauf an, ob sich zum Zeitpunkt des Inbrandsetzens tatsächlich Menschen in der jeweiligen Räumlichkeit befinden.
Beispiel: In einem Supermarkt, der um 20 Uhr schließt, hält sich bis zu einem gewissen Zeitraum regelmäßig weiterhin noch Personal auf, wohl allerdings nicht mehr um Mitternacht.
Teleologische Reduktion bei fehlender Gefährdung von Leib und Leben?
Die Einordnung des § 306a Abs. 1 StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt durch die ganz hM hat zur Folge, dass es nicht darauf ankommt, ob durch das Verhalten eine andere Person gefährdet wird. Mithin wäre es vollkommen unerheblich, ob der Täter überprüft hat, ob sich jemand im jeweils geschützten Gebäude (meist: Wohnräume) befindet oder nicht, bevor er es anzündete. Vielmehr legt der Gesetzgeber eine abstrakt-generelle Gefährlichkeit jenes Verhaltens fest, woraus sich auch ergibt, dass die eigene Gefahrenprognose bzw. Einschätzung des Täters hinsichtlich der Gefährlichkeit der einschlägigen Handlung nicht von Relevanz ist.
Teilweise wird solch eine „eigene“ Prüfung des Brandstifters (entgegen der gesetzgeberisch insofern eindeutigen Konzeption) – vor dem Hintergrund des hohen Strafrahmens des § 306a Abs. 1 StGB – für Ausnahmefälle zugelassen: § 306a Abs. 1 StGB müsse nach seinem Sinn und Zweck eingeschränkt, mithin teleologisch reduziert werden, wenn objektiv keine Gefährdung eingetreten ist und der Täter sich vorher vergewissert hat, dass solch eine auch niemals hätte eintreten können.
Klausurhinweis: Es handelt sich um ein klassisches Klausurproblem, wobei man sich – wie die Ausführungen ergeben haben dürften – nicht sofort auf die „teleologische Reduktion stürzen sollte“, soweit der Täter ein Wohnhaus anzündet und sich vergewissert hat, dass sich niemand in den Räumlichkeiten befindet. Denn einerseits bedarf es keiner teleologischen Reduktion, wenn der Täter das Wohnhaus wirksam entwidmet hat (bzw. subjektiv von einer fehlenden Wohnwidmung ausgeht). Andererseits scheidet eine teleologische Reduktion selbst nach denjenigen Ansichten aus, die diese für Einzelfälle für zulässig erachten, wenn der Täter die Gefahr aufgrund der räumlichen Gegebenheiten gar nicht ausschließen kann.
Vertiefungswissen: Das geringere Tatunrecht in derartigen Konstellationen sollte allerdings durch die Annahme eines minder schweren Falles gem. § 306a Abs. 3 StGB Berücksichtigung finden.
Subjektiver Tatbestand
Hinsichtlich des subjektiven Tatbestands ergeben sich keine Besonderheiten. Es sollte allerdings nicht übersehen werden, dass sich der Vorsatz (§ 15 StGB) nicht nur auf die Tathandlungen, sondern auch auf die tatsächlichen Umstände zu beziehen hat, die den jeweiligen Gebäudetyp ausmachen (insofern auch die Kenntnis um den Wohnwidmungszweck): Damit kann ein fehlendes Wissen um die Wohnwidmung wegen § 16 StGB einer vorsätzlichen Begehung entgegenstehen.
Beispiel: Der Täter wähnt ein „leerstehendes Gebäude“ (Bunker, Ruine), das aber tatsächlich von einem Landstreicher zum Wohnen bestimmt ist.
Andersherum liegt ein (rechtlich) unbeachtlicher Motivirrtum vor, wenn der Täter von einem Wohnhaus ausgeht, es sich aber um ein Gebäude nach § 306a Abs. 1 Nr. 3 StGB handelt.
Schwere Brandstiftung gem. § 306a Abs. 2 StGB (Tatbestandsmäßigkeit)
Die schwere Brandstiftung nach § 306a Abs. 2 StGB stellt im Gegensatz zu § 306a Abs. 1 StGB ein konkretes Gefährdungsdelikt dar. Er setzt sich insoweit aus dem Handlungsteil (Inbrandsetzen oder Zerstörung durch Brandlegung) einer in § 306 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 StGB (!) bezeichneten Sache und dem Erfolgsteil, nämlich der Gefährdung der Gesundheit eines anderen Menschen zusammen.
Objektiver Tatbestand
Tathandlungen
Auch § 306a Abs. 2 StGB knüpft an dieselbe Tathandlung wie § 306 StGB an (Inbrandsetzen oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise Zerstören), s. → § 33 Rn. 5 ff.
Tatobjekte
§ 306a Abs. 2 StGB nimmt als eigenständiges Delikt nur partiell auf die Tatobjekte des § 306 (Abs. 1 Nr. 1 bis 6) StGB Bezug. Der insoweit klare Wortlaut verlangt ausdrücklich nicht, dass es sich um fremde Sachen handelt, was zwar gewisse Friktionen im Kontext der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit nach sich zieht, aber im Hinblick auf die Einordnung als konkretes Gefährdungsdelikt konsequent ist.
Gefährdungserfolg
Das Inbrandsetzen eines tauglichen Objekts muss zu der konkreten Gefahr einer Gesundheitsschädigung für einen anderen Menschen führen. Der Begriff der Gesundheitsschädigung entspricht hierbei demjenigen des § 223 StGB (→ § 7 Rn. 28 ff.), wobei dieser freilich den „Eintritt“ einer Gesundheitsschädigung verlangt. Dabei muss zwischen dem Handlungs- und Erfolgsteil ein Zurechnungszusammenhang bestehen, der bspw. nach den Grundsätzen der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung unterbrochen sein kann (vgl. dazu noch die Ausführungen zu § 306c StGB, → § 36 Rn. 7 ff.).
Die konkrete Gefahr beschreibt hierbei einen Geschehensablauf, bei dem – über die latente Gefährlichkeit der Tathandlung hinaus – die Sicherheit des geschützten Individualrechtsguts (Gesundheit) so beeinträchtigt ist, dass der Eintritt des Verletzungserfolges lediglich vom Zufall abhängt.
Maßgeblich für diese Bewertung soll eine objektiv-nachträgliche Prognose „nach Maßgabe der allgemeinen Lebenserfahrung“ sein.
Beispiel: Die Gefahr durch herabfallende Gebäudeteile oder einen Fenstersprung verletzt zu werden sowie die Gefahr einer Rauchgasvergiftung.
Wie auch bei den Straßenverkehrsdelikten kann sich die Frage stellen, ob etwaige weitere Tatbeteiligte überhaupt als „Dritte“ (und somit Schutzobjekte) des § 306a Abs. 2 StGB in Betracht kommen. Die hA bejaht dies ausgehend vom Wortlaut („anderen“), wobei freilich auch hier die Grundsätze der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung Berücksichtigung finden müssen.
Beispiel: Ein Hauseigentümer will sein Wohnhaus von einem Dritten in Brand setzen lassen, um Geld von der Versicherung zu erhalten. Es wird ein bestimmter Tag angegeben, an dem niemand im Haus sein soll. Wegen eines Missverständnisses entzündet der Beauftragte das Gebäude, während sich der Eigentümer noch darin aufhält. Dieser kann den Flammen entkommen, erleidet aber eine Rauchvergiftung. Ungeachtet der Auswirkungen des Irrtums, ist hier eine konkrete Gesundheitsgefahr eines „anderen Menschen“, hier des Eigentümers, zu bejahen. Dieser Fall macht im Übrigen deutlich, wie es sich auswirkt, dass § 306a Abs. 2 StGB zwar an die Tatobjekte des § 306 Abs. 1 Nr. 1 – 6 StGB anknüpft, nicht aber eine Fremdheit des Tatobjekts verlangt. Anders wäre der Fall zu beurteilen, wenn der Eigentümer sich in Kenntnis des Brandes noch einmal in das Haus begibt, um Gegenstände zu sichern, da insoweit eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung der Zurechnung des Gefährdungserfolgs entgegenstehen könnte.
Subjektiver Tatbestand
Hinsichtlich des subjektiven Tatbestands ergeben sich keine Besonderheiten. Anders als bei den Erfolgsqualifikationen des § 306b Abs. 1 StGB und § 306c StGB muss der Vorsatz des Täters die Gefährdung des Opfers umfassen, sodass eine Verwirklichung des § 306a Abs. 2 StGB ausscheidet, wenn der Täter eine Fremdgefährdung ausschließt.
Rechtswidrigkeit
Anders als bei § 306 Abs. 1 StGB scheidet eine rechtfertigende Einwilligung des Eigentümers des jeweiligen Gebäudes mangels Dispositionsbefugnis aus. § 306a Abs. 1 StGB stellt gerade nicht auf die Eigentumslage ab, sondern verlangt lediglich das Inbrandsetzen eines der in Nr. 1-3 genannten Tatobjekte.
Versuch
Sowohl der Versuch des § 306a Abs. 1 StGB
Konkurrenzen
Die Abs. 1 und 2 des § 306a StGB stehen nach strittiger Ansicht in Tateinheit zueinander.
Beispiel: Der Täter zündet eine Moschee an (Abs. 1 Nr. 2), wodurch die darin befindlichen Gläubigen konkreten Gefahren durch herabstürzende Gebäudeteile und Rauchvergiftungen ausgesetzt werden (Abs. 2).
§ 306a StGB verdrängt im Übrigen § 306 Abs. 1 StGB. Etwas anderes kann nur gelten, wenn § 306a StGB im Versuchsstadium stecken bleibt.
Schemata
§ 306a Abs. 1 StGB (abstraktes Gefährdungsdelikt)
Tatbestandsmäßigkeit
Objektiver Tatbestand
Tatobjekt nach Nr. 1 bis 3
Inbrandsetzen/durch Brandlegung (teilweise) Zerstören
Subjektiver Tatbestand
Rechtswidrigkeit (keine Einwilligung möglich)
Schuld, ggf. minder schwerer Fall, § 306a Abs. 3 StGB
§ 306a Abs. 2 StGB (Konkretes Gefährdungsdelikt)
Tatbestandsmäßigkeit
Objektiver Tatbestand
Tatobjekt nach § 306 Nr. 1 bis 6 StGB (kein Verweis auf Fremdheit)
Inbrandsetzen/durch Brandlegung (teilweise) Zerstören
Gesundheitsgefahr als „Erfolg“
Kausalität und objektive Zurechnung
Subjektiver Tatbestand (muss auch Gefährdungsvorsatz umfassen)
Rechtswidrigkeit
Schuld