Rechtsgut und Deliktsstruktur
Der § 278 StGB dient wie § 277 StGB dem Wahrheitsschutz (→ § 23 Rn. 3). Dabei wird aber nicht die Wahrheit in Bezug auf den Status als Medizinalperson, sondern die inhaltliche Richtigkeit des Gesundheitszeugnisses geschützt. Es handelt sich um ein Sonderdelikt, das nur von Ärzten oder anderen approbierten Medizinalpersonen begangen werden kann (→ Rn. 3).
Objektiver Tatbestand
Der objektive Tatbestand setzt voraus, dass ein Arzt oder eine andere approbierte Medizinalperson ein unrichtiges Zeugnis über den Gesundheitszustand eines Menschen ausstellt.
Täterkreis
Taugliche Täter des Sonderdelikts sind nur approbierte Medizinalpersonen, da ihnen und ihren Einschätzungen besonderes Vertrauen entgegengebracht wird und deshalb die Dispositionsfreiheit der Täuschungsadressaten schutzwürdig ist.
Tatobjekt: Gesundheitszeugnis
Tathandlung: Ausstellen eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses über den Gesundheitszustand eines Menschen
Unter Ausstellen versteht man nicht allein das Herstellen im Sinne des körperlichen Hervorbringens, sondern zusätzlich die Begebung des Gesundheitszeugnisses in den Rechtsverkehr.
Subjektiver Tatbestand
Der Täter muss vorsätzlich handeln; dolus eventualis genügt. Zusätzlich muss er „zur Täuschung im Rechtsverkehr“ handeln (→ § 18 Rn. 72 f.).
Rechtswidrigkeit und Schuld
Es gelten die allgemeinen Regeln.
Täterschaft und Teilnahme
Bei § 278 StGB handelt es sich um ein Sonderdelikt, weshalb bei der Täterschaft und Teilnahme die geltenden Besonderheiten zu berücksichtigen sind. Die Tätereigenschaft ist ein strafbegründendes besonderes persönliches Merkmal iSd § 28 Abs. 1 StGB. Daher ist die Strafe von Teilnehmern der Tat (Anstifter oder Gehilfe) nach § 49 Abs. 1 StGB obligatorisch zu mildern.
Versuch und Vollendung
Der Versuch des Vergehens (§ 12 Abs. 2 StGB) ist mangels ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung (§ 23 Abs. 1 StGB) nicht strafbar. Die Tat ist mit Fertigstellung des Zeugnisses vollendet.
Rechtsfolgen
In Abs. 2 S. 1 ist eine Strafdrohung für besonders schwere Fälle mit erhöhter Mindeststrafe von drei Monaten vorgesehen. In Abs. 2 S. 2 ist ein Regelbeispiel normiert, das in Reaktion auf kriminelle Umtriebe während der Corona-Pandemie geschaffen worden ist.
Konkurrenzen
Der § 278 StGB kann in Tateinheit mit § 75a Abs. 2 IfSG stehen.
Aufbauschema
Tatbestand
Objektiver Tatbestand
Täterkreis
Approbierte Medizinalpersonen
Tatobjekt
Gesundheitszeugnis
Tathandlung
Ausstellen eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses über den Gesundheitszustand eines Menschen
Subjektiver Tatbestand
Vorsatz und zur Täuschung im Rechtsverkehr
Rechtswidrigkeit und Schuld
Strafzumessung
Ggf. besonders schwerer Fall gem. § 277 Abs. 2 StGB
Aufbauschema: Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse