Kilian Wegner Strafrecht Besonderer Teil I: Delikte gegen die Person und die Allgemeinheit Licensed under CC-BY-4.0

§ 44: Verleumdung (§ 187 StGB)

Autor: Mani Jaleesi

Rechtsgut und Deliktsstruktur

§ 187 StGB erfasst wie § 186 StGB Tatsachenbehauptungen gegenüber Dritten. § 187 Alt. 1 StGB (Ehrenrührigkeit) ist eine – ebenfalls die Ehre schützende – Qualifikation zu § 186 StGB.Kargl, in: NK-StGB, 6. Aufl. (2023), § 187 Rn. 1. Der wesentliche Unterschied zum Grundtatbestand liegt darin, dass die Unwahrheit der Tatsache objektives Tatbestandsmerkmal ist und der Täter diesbezüglich sicheres Wissen haben muss. Bei § 187 Alt. 2 StGB (Kreditgefährdung) handelt es sich nach hM um ein Vermögensgefährdungsdelikt.Fischer, StGB, 71. Aufl. (2024), § 187 Rn. 1 mwN; aA Otto, Grundkurs StrafR, 7. Aufl. (2005), § 32 Rn. 26. In beiden Alternativen ist § 187 StGB Erfolgsdelikt sowie abstraktes Gefährdungsdelikt.Dies beruht auf (im Wesentlichen) den gleichen Gründen wie bei §§ 185, 186 StGB, vgl. → § 43 Rn. 6.

Objektiver Tatbestand

Tathandlungen des § 187 StGB sind, mit § 186 StGB übereinstimmend, das Behaupten oder Verbreiten von Tatsachen (→ § 43 Rn. 6 ff.).

Im Rahmen des § 187 Alt. 1 StGB müssen diese – ebenfalls entsprechend § 186 StGB – geeignet sein, einen Menschen verächtlich zu machen oder öffentlich herabzuwürdigen, kurz: ehrenrührig sein (→ Rn. 7 ff.). § 187 Alt. 2 StGB erfasst alternativ die Eignung, den Kredit einer Person, d. h. das Vertrauen in die Erfüllung seiner vermögensrechtlichen Verbindlichkeiten, zu gefährden.Heger, in: Lackner/Kühl/Heger, 30. Aufl. (2023), § 187 Rn. 1.

Der zentrale Unterschied zu § 186 StGB liegt darin, dass die Unwahrheit der Tatsache objektives Tatbestandsmerkmal ist.

Ob die Grundsätze der beleidigungsfreien Sphäre auf § 187 StGB anwendbar sind, ist umstritten (→ § 42 Rn. 79 ff.).

Subjektiver Tatbestand

In subjektiver Hinsicht gilt es zu beachten, dass der Gesetzeswortlaut verlangt, dass der Täter wider besseres Wissen handelt, d. h. sicheres Wissen (dolus directus 2. Grades) hat. Sicheres Wissen muss jedoch nur in Bezug auf die Unwahrheit der Tatsache vorliegen. Bezüglich der übrigen Tatbestandsmerkmale genügt bedingter Vorsatz.

Rechtswidrigkeit und Schuld

Zwar kommt grds. auch bei der Verleumdung eine Rechtfertigung in Betracht (→ § 42 Rn. 99 ff.). Nach hM kann eine – von § 187 StGB bei der Tathandlung des BehauptensBeim Verbreiten ist ein großzügigerer Maßstab anzulegen und gleichwohl eine Abwägung geboten, da etwa auch bei einem Bericht über eine unzweifelhaft rechtswidrige Äußerung eines Dritten ein überwiegendes Informationsinteresse bestehen kann, sofern sich der Verbreiter die berichtete Äußerung nicht zu eigen gemacht hat (BVerfG NJW-RR 2007, 1684; NJW 2019, 35 [67 Rn. 17]; BVerfG NJW 2023, 510 [513]). der Sache nach vorausgesetzte – bewusste Lüge im Regelfall jedoch kein berechtigtes Interesse iSd § 193 StGB darstellen.BGHSt 14, 51; BGH NJW 1964, 1149; OLG Hamm NJW 1971, 853; Gaede, in: Matt-Renzikowski-StGB, 2. Aufl. (2020), § 193 Rn. 3; Fischer, StGB, 71. Aufl. (2024), § 193 Rn. 3; zT wird jedoch eine Rechtfertigung nach § 34 StGB angenommen, vgl. Regge/Pegel, in: MüKo-StGB, Bd. 4, 4. Aufl. (2021), § 187 Rn. 20. Daher kommt eine Rechtfertigung durch § 193 StGB nach Rspr. und hM lediglich ausnahmsweise zum Zwecke der Verteidigung in Betracht,BGH NJW 1952, 194; BGH NJW 1960, 779; BGH NJW 1964, 1148 (1149); BGH NStZ 1995, 78 mAnm Jahn, StV 1996, 259 (261); Gaede, in: Matt-Renzikowski-StGB, 2. Aufl. (2020), § 193 Rn. 3; Fischer, StGB, 71. Aufl. (2024), § 193 Rn. 3; Hilgendorf, in: LK-StGB, Bd. 10, 13. Aufl. (2023), § 186 Rn. Rn. 5. insbesondere dem Leugnen selbstbelastender Tatsachen durch Angeklagte, durch die zwangsläufig Dritte verleumdet werden.Nach aA kommt lediglich eine Rechtfertigung nach § 34 StGB in Betracht: Eisele/Schittenhelm in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. (2019), § 193 Rn. 2; Rogall, in: SK-StGB, Bd. 4, 9. Aufl. (2017), § 186 Rn. 6.

Im Hinblick auf die Schuld gelten keine Besonderheiten.

Qualifikation

Die Qualifikationen in §§ 187 Hs. 2, 188 Abs. 2 StGB entsprechen denen zu §§ 185, 186 StGB (→ § 42 Rn. 134 ff.; → § 43 Rn. 27).

Konkurrenzen

§ 186 StGB tritt im Wege der Spezialität hinter § 187 StGB zurück.Regge/Pegel, in: MüKo-StGB, Bd. 4, 4. Aufl. (2021), § 187 Rn. 29. Behauptet der Täter gegenüber Ehrträger und Dritten eine Tatsache, dann stehen § 185 StGB und § 186 StGB nach überzeugender Ansicht aus Klarstellungsgründen in Tateinheit (→ § 42 Rn. 153 ff.).

Bei der Prüfung des § 187 StGB ist zudem an die Aussagedelikte (§§ 153 ff. StGB), die falsche Verdächtigung (§ 164 StGB) und das Vortäuschen einer Straftat (§ 145d StGB) zu denken, die in der Regel in Tateinheit stehenRegge/Pegel, in: MüKo-StGB, Bd. 4, 4. Aufl. (2021), § 187 Rn. 30. und oftmals zugleich vorliegen.

Aufbauschema

  1. Tatbestand

    1. Objektiver Tatbestand

      1. Tatsache

        1. ehrenrührig oder kreditgefährdend

        2. unwahr

      2. Behaupten oder Verbreiten in Beziehung auf einen anderen

      3. ggf. keine beleidigungsfreie Sphäre (strittig)

    2. Subjektiver Tatbestand

      1. (bedingter) Vorsatz

      2. wider besseres Wissen bzgl. Unwahrheit der Tatsache (dolus directus 2. Grades)

  2. Rechtswidrigkeit

  3. Schuld

  4. ggf. Qualifikationen, §§ 187 Hs. 2, 188 Abs. 2 StGB

  5. Strafantrag (§ 194 StGB)

Prozessuales / Wissen für die Zweite Juristische Prüfung

S. → § 42 Rn. 141 ff. und → § 43 Rn. 29.

Studienliteratur und Übungsfälle

Es sei auf die Literaturangaben in → § 43 verwiesen.