Rechtsgut und Deliktsstruktur
Die einfache Brandstiftung schützt vorrangig das Eigentum, berücksichtigt allerdings auch – dies zeigt die hohe Mindeststrafe – die mit dem Brand einhergehenden Gemeingefahren.
Klausurhinweis: In der Klausur muss der Streit rund um die deliktstypische Einordnung (qualifizierte Sachbeschädigung oder eigenständiges Delikt) nicht gesondert dargestellt werden. Es genügt, wenn man auf das Tatbestandsmerkmal „fremd“ verweist und die Möglichkeit einer Einwilligung in die Brandstiftung durch den Verfügungsbefugten bejaht.
Objektiver Tatbestand
Der objektive Tatbestand des § 306 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter ein in § 306 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 StGB bezeichnetes Objekt in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört.
Klausurhinweis: Die Tathandlungen sind bei allen drei Grundtatbeständen dieselben, sodass diese auch einheitlich auszulegen sind.
Tathandlungen
Inbrandsetzen
Ein Inbrandsetzen ist anzunehmen, wenn das Tatobjekt so vom Feuer erfasst wird, dass es aus eigener Kraft weiter zu brennen vermag.
Diese Auslegung des Inbrandsetzens hat eine relativ frühe Tatbestandsvollendung zur Folge, da es nicht auf eine irgendwie geartete Zerstörung des Brandstiftungsobjekts insgesamt ankommt. Bei einem Gebäude genügt es, wenn wesentliche Teile des Gebäudes in Brand gesetzt werden. Der Begriff des „wesentlichen (Bestand-)Teils“ entspricht weitestgehend demjenigen des Sachenrechts (§§ 93 ff. BGB). Maßgeblich hierfür ist allerdings nicht § 94 Abs. 2 BGB, sondern die Verkehrsanschauung: Sie hängt damit vom jeweiligen Zweck des Objekts im Einzelfall ab.
Beispiel: Bei Gebäuden sind wesentliche Bestandteile Zimmerwände oder -decken, Treppen, Fensterrahmen und Türen, nicht hingegen lose Teppiche, Schränke und Theken.
Bereits brennende Objekte können nicht nochmals in Brand gesetzt werden (auch die Intensivierung des Brands durch einen Brandbeschleuniger genügt nicht, allenfalls kommt diesbezüglich Beihilfe in Betracht).
Vertiefungswissen: Vereinzelt hat es der BGH für eine Vollendung ausreichen lassen, dass das Feuer sich auch „auf [wesentliche] Gebäudeteile ausbreiten kann“
Klausurhinweis: Gerade diese Konstellation ist ein beliebtes Klausurproblem. Bezüglich des objektiven Tatbestands kann überprüft werden, ob Prüfungskandidat:innen präzise zwischen den in Brand gesetzten Objekten unterscheiden und die Auswirkungen divergierender Tatobjekte richtig einordnen können (nicht nur im Hinblick auf § 306 Abs. 1 StGB, sondern auch bzgl. § 306a StGB); auf subjektiver Ebene kann sich die Frage stellen, ob der Täter ein „Übergreifen“ überhaupt billigend in Kauf genommen hat, was nicht nur für einen dolus eventualis, sondern (bei einem Nicht-Übergreifen) für eine potenzielle Versuchsstrafbarkeit von Relevanz ist.
Vertiefungswissen: Fehlt es am Vorsatz bezüglich des Übergreifens, kommt infolge des Untätigbleibens nach einem Übergreifen ggf. immer noch eine Strafbarkeit wegen Brandstiftung durch Unterlassen in Betracht (die Garantenstellung könnte sich hierbei aus pflichtwidrigem Vorverhalten, sog. Ingerenz, ergeben).
(Teilweises) Zerstören durch Brandlegung
Brandlegung lässt sich als ggf. missglücktes Inbrandsetzen definieren, bei dem das fragliche Verhalten zur vollständigen Vernichtung des Tatobjekts („ganz […] zerstört“) oder zu einer erheblichen Substanzverletzung führt („teilweise zerstört“).
Beispiel: Der Täter entzündet ein Warenlager, welches wegen der feuerbeständigen Bausubstanz nicht „mit heller Flamme brennt“. Allerdings kommt es zu einer starken Hitzeentwicklung, die zum Wegschmoren einiger Wände und Leitungen führt.
Ein Gebäude ist teilweise zerstört, wenn Teile des Tatobjekts, die für dessen bestimmungsgemäßen Gebrauch wesentlich sind, unbrauchbar geworden sind.
Beispiel: Eine kurze Unterbrechung der Stromversorgung reicht nicht aus,
Da der Wortlaut an den Zerstörungserfolg anknüpft, tritt die formelle Tatbestandsvollendung trotz der „Versuchsähnlichkeit“ der Brandlegung später ein als beim Inbrandsetzen. Ratio legis ist, dass moderne Baustoffe nicht so leicht in Brand geraten, aber die Gefährlichkeit und Beeinträchtigung der Rechtsgüter dennoch nicht von der Hand zu weisen ist; man denke an Rußbildung, Hitze und Rauchgase sowie Explosionsgefahr.
Klausurhinweis: Für die Klausurbearbeitung sollte man jedenfalls die Definitionen zu den Tathandlungen parat haben, da die „Umschreibung“ des Inbrandsetzens bereits bestimmte Klausurprobleme (wesentlicher Teil des Gebäudes) impliziert.
Tatobjekte
§ 306 Abs. 1 StGB zählt die potenziellen Brandstiftungsobjekte enumerativ (und abschließend) auf.
Klausurhinweis: Die zum Teil missglückten Wendungen in der Norm – die Pluralformulierung (Gebäude, Hütten, Wälder…)
Der Gesetzeswortlaut ist mit Blick auf die meisten Tatobjekte selbsterklärend. Hinsichtlich etwaiger Detailfragen wird keine exakte Definition erwartet, sondern eine dem Strafmaß angemessene Interpretation.
In neuerer Zeit haben Gerichte vor allem die Auslegung des Begriffs „Warenlager“
Fremd ist das jeweilige Tatobjekt, wenn es nicht im Alleineigentum des Täters steht oder nicht herrenlos ist.
Hinsichtlich der Details kann auf die wesentlich ausdifferenziertere Kasuistik zum Diebstahl verwiesen werden (→ BT II § 1 Rn. 21 ff.), da bezüglich § 306 Abs. 1 StGB keine Besonderheiten gelten.
Definitionen für die Tatobjekte in Nr. 1-6:
Gebäude (Nr. 1) sind umschlossene Räume, die auch dem Aufenthalt von Menschen dienen können.
Eine Hütte (Nr. 1) ist ein Gebäude in kleinerem Ausmaß.
Betriebsstätten (Nr. 2) sind ortsfeste, auf längere Zeit angelegte Einrichtungen, die in ihrer räumlichen Zusammenfassung der Ausübung eines bestehenden Unternehmens dienen.
Technische Einrichtungen (Nr. 2) sind ortsveränderliche Gegenstände, welche im Betrieb Verwendung finden. Eine Geschwindigkeitsmessanlage dürfte daher nicht unter den Tatbestand fallen, weil die Bußgeldbehörde diese nicht als „Betrieb“ verwendet, sondern mit ihrer Hilfe „eine öffentliche Aufgabe“ (Verkehrsüberwachung) verfolgt.
Vgl. OLG Braunschweig, Urt. v. 18. Oktober 2013 – 1 Ss 6/13; von Heintschel-Heinegg/Kudlich, in: BeckOK-StGB, 62. Ed. (Stand: 01.08.2024), § 306 Rn. 8 f.; Heine/Bosch, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. (2019), § 306 Rn. 5. Warenlager (Nr. 3) ist jede mobile oder stationäre Lagerstätte, die zur Lagerung nicht ganz unerheblicher Warenmengen geeignet und bestimmt ist, wobei es nicht darauf ankommt, dass zum Tatzeitpunkt auch tatsächlich Waren vorhanden sind. Warenvorrat (Nr. 3) ist eine größere Menge an Sachen von einigem Wert, die nicht zum Eigenverbrauch, aber auch nicht zwingend zum gewerblichen Umsatz – wie etwa humanitäre Hilfsgüter – dient.
Der Begriff „Kfz“ (Nr. 4) ist in § 248b Abs. 4 StGB legaldefiniert (wobei systematisch eine Anknüpfung an § 1 Abs. 2 StVG als näherliegend betrachtet wird).
Schienenfahrzeuge (Nr. 4) sind alle Fortbewegungsmittel, die sich an – nicht notwendig auf – einem Schienensystem mechanisch oder durch Motorenkraft bewegen.
Luft- bzw. Wasserfahrzeuge (Nr. 4) sind alle zum Personentransport im Luftraum bestimmte/sich auf dem Wasser bewegende Verkehrsmittel und Gerätschaften.
Der Begriff „Wälder“ (Nr. 5) umfasst das auf einer zusammenhängenden Bodenfläche wachsende Holz und den Waldboden.
Heiden (Nr. 5) sind sandige, unbebaute Grundflächen mit überwiegend niedriger Vegetation, die eine großflächig verfilzte, trockene und entsprechend brandgefährdete Bodendeckung aufweisen.
Moore (Nr. 5) sind Torfmoore und Riede.
Landwirtschaftliche Anlagen (Nr. 6) sind Funktionseinheiten, die der Erzeugung und Verarbeitung von Produkten der genannten Wirtschaftszweige dienen.
Landwirtschaftliche Erzeugnisse (Nr. 6) sind Gegenstände, deren unmittelbarer Produktionsprozess abgeschlossen ist, die aber noch weiter zu verarbeiten sind.
Subjektiver Tatbestand
Der Täter muss gem. § 15 StGB vorsätzlich handeln, wobei sich im Hinblick auf die Bezugspunkte des subjektiven Tatbestands keine Besonderheiten ergeben (der Vorsatz muss also die Fremdheit des Tatobjekts sowie das Inbrandsetzen des Gegenstands umfassen). In der Klausurbearbeitung werden sich diesbezüglich keine Probleme ergeben, wenn dem Sachverhalt zu entnehmen ist, dass der Täter den Verlauf des Brands (auch ein Übergreifen des Feuers) auf eine bestimmte Weise billigend in Kauf genommen hat.
Rechtswidrigkeit
Im Rahmen der Rechtswidrigkeit kann ggf. eine rechtfertigende Einwilligung des Eigentümers zu prüfen sein.
Vertiefungswissen: Dabei wird man – soweit man § 306 Abs. 1 StGB als qualifizierte Sachbeschädigung einordnet – auch unter Verweis auf die Allgemeingefahr kaum annehmen können, dass die Einwilligung aufgrund eines Verstoßes gegen die guten Sitten unwirksam ist.
Klausurhinweis: Hier lassen sich wiederum interessante Klausurprobleme aus dem Allgemeinen Teil in einem ungewohnten Gewand abfragen: Bspw. könnte man einen Fall so gestalten, dass der Einwilligende lediglich Miteigentümer einer Immobilie ist und es an der Einwilligung des anderen Miteigentümers fehlt. Soweit dies jedoch dem Täter nicht bekannt ist, geht er unter Umständen vom Vorliegen einer wirksamen Einwilligung aus, handelt also in einem Erlaubnistatbestandsirrtum, der unter Zugrundelegung der rechtsfolgenverweisenden Schuldtheorie im Ergebnis zu einer Verneinung vorsätzlichen Handelns führt.
Besondere Erscheinungsformen: Versuch, Fahrlässigkeit, Unterlassen
Der Versuch ist gem. § 12 Abs. 1 StGB iVm § 23 Abs. 1 Alt. 1 StGB strafbar. Die Schwelle zum „Jetzt-geht‘s-los“ überschreitet der Täter, der den anzuzündenden Raum bereits betreten und den Zündstoff bereits ausgebreitet hat.
Die fahrlässige Begehung ist gem. § 306d Abs. 1 Alt. 1 StGB strafbar. Die Brandstiftung kann auch durch (unechtes) Unterlassen gem. § 13 StGB verwirklicht werden, bspw. wenn man als Aufsichtspflichtiger bzw. Inhaber einer Garantenstellung die Entstehung eines Brands nicht verhindert. Hinsichtlich der Beteiligung als Mittäter, Anstifter oder Gehilfe gelten keine Besonderheiten.
Strafzumessung
Die in § 306 Abs. 2 StGB enthaltene Strafzumessungsregelung wäre – wie Regelbeispiele auch – nach der Schuld zu prüfen. Als Vorschrift zum „minder schweren Fall“ dürfte sie allerdings in der Ersten Juristischen Prüfung kaum eine Rolle spielen.
Vertiefungswissen: Anderes dürfte wohl für § 306a Abs. 2 StGB gelten, bei dem die Möglichkeit der Annahme eines minder schweren Falles als Argument gegen die Annahme einer teleologischen Reduktion beim Inbrandsetzen eines leerstehenden Wohnhauses fungieren kann.
Konkurrenzen
Bei einem Inbrandsetzen verschiedener Tatobjekte des § 306 StGB, die unterschiedlichen Rechtsgutsträgern gehören, ist – den allgemeinen Regeln entsprechend – Tateinheit gem. § 52 Abs. 1 StGB anzunehmen.
Zum gemeinsam mit der Brandstiftungshandlung begangenen Versicherungsmissbrauch (§ 265 StGB) besteht Tateinheit. Mit § 263 StGB ist dagegen Tatmehrheit (§ 53 StGB) anzunehmen, da eine Versicherungsbetrugs-Handlung erst im Anschluss an eine (meist beendete) Brandstiftung folgt.
Aufbauschema (Verletzungsdelikt § 306 StGB)
Tatbestandsmäßigkeit
Objektiver Tatbestand
Tatobjekt nach Nr. 1 bis 6
Fremdheit des Tatobjekts
Inbrandsetzen / durch Brandlegung (teilweise) Zerstören
Kausalität und objektive Zurechnung (je nach Handlung differenzieren)
Subjektiver Tatbestand
Rechtswidrigkeit
Schuld