Wortlaute § 243 II BGB und § 300 II BGB: warum führen beide Normen zur „Konkretisierung“?
Der Wortlaut des § 300 II BGB (Gefahr geht über) ist aus der Perspektive des Gattungsschuldner formuliert, daher ist die Leistungsgefahr gemeint.
Leistungsgefahr = Risiko für zufälligen Untergang
Sie liegt bei der Gattungsschuld zunächst beim Schuldner. Geht eine Sache der Gattung unter, muss der Schuldner eine andere leisten.
Anders ab "Gefahrübergang". Dann geht die Leistungsgefahr auf den Gläubiger über. Geht die ausgewählte Sache zufällig unter, kann er nicht Lieferung einer anderen Sache fordern.
(Achtung: damit ist noch nichts darüber ausgesagt, ob er trotzdem zahlen muss. Das ist eine Frage der Gegenleistungs- oder Preisgefahr).
Diese Frage ist nun letztlich auch in § 243 II BGB geregelt (Schuldverhältnis „beschränkt“ sich auf die Sache) Hat der Schuldner das seinerseits Erforderliche getan, beschränkt sich seine Schuld auf die Sache. Geht die Sache zufällig unter, muss er keine andere Sache zur Erfüllung einsetzen.
Vertiefung: Warum ist der Weg über § 300 II BGB der einfachere?
§ 300 II ist „einfacher“, weil bei § 243 II BGB und der Bringschuld umstritten ist, ob dort Annahmeverzug vorliegen muss. Zum einen müssen Sie sich dann mit dieser Frage auseinandersetzen und dann ggf. sowieso Annahmeverzug prüfen. Dann können Sie aber auch gleich auf § 300 II BGB abstellen.
Gliederung
I. K gegen V, § 433 I 1 BGB
1. Kaufvertrag: Anspruch (+)
2. Anspruch ausgeschlossen, § 275 I BGB1
a) Bestimmung der Leistungspflicht
- 3 Kästen = Gattungsschuld (§ 243 I BGB)
- Konkretisierung nach § 300 II BGB?
aa) K als Gläubiger einer Gattungsschuld (+)
bb) Annahmeverzug
cc) Aussonderung
dd) Schuld beschränkt sich auf die konkreten Kästen
Vertiefungshinweis zur Teilbarkeit bei quantitativer Unmöglichkeit
Voraussetzung für den Eintritt quantitativer Unmöglichkeit ist zunächst, dass die geschuldete Leistung überhaupt teilbar ist. Teilweise unmöglich ist die Leistung dann, wenn rein objektiv noch ein Teil der Leistung verbleibt, der erbracht werden kann. Auf der Ebene des § 275 I BGB spielt es keine Rolle, ob die verbleibende Teilleistung für den Gläubiger nach dem Vertragszweck noch von Interesse ist oder nicht. Die frühere Kategorie der sog. Rechtlichen Teilbarkeit spielt dabei keine Rolle.
Möglicher Schadensersatzanspruch von K
K gegen V §§ 280 I, III, 283 S. 1 BGB
Schuldverhältnis (+), KV s.o.
Unmöglichkeit der Leistungspflicht (+), s.o.
Pflichtverletzung (+): Nichtleistung
Vertretenmüssen
grds.: Fahrlässigkeit, § 276 II BGB
aber: Modifikation durch § 300 I BGB
K war im Annahmeverzug, s.o., so dass V nur noch grobe Fahrlässigkeit zu vertreten hatte
handelte aber nur leicht fahrlässig.
Vertretenmüssen (-)
Anspruch (-)
§ 326 I, II BGB: Schuldner, Gläubiger und Gegenleistung
Schuldner iSd § 326 BGB ist V
V´s Leistungspflicht aus § 433 I BGB ist nach § 275 I BGB erloschen (= problembehaftete Leistung)
Gegenleistung ist der Anspruch V gegen K auf Kaufpreis, § 433 II (Schicksal des Anspruchs ist in § 326 BGB geregelt)
Gläubiger iSd § 326 II BGB ist K
Weitere mögliche Ansprüche
Grundsätzlich begründet der Annahmeverzug keine Schadensersatzpflicht. War der Gläubiger jedoch zur Abnahme verpflichtet (§ 433 II Alt. 2 BGB), ist er möglicherweise gleichzeitig in Schuldnerverzug geraten, §§ 280 I, II, 286 BGB. Dann kann der Schuldner (V) Schadensersatz verlangen. Zu prüfen wären dann die Voraussetzungen der §§ 280 I, II, 286 BGB.
Aufbauübung § 326 IV BGB
I. Geschuldete Gegenleistung
II. Bewirkt
III. Nach § 326 BGB nicht geschuldet
1. § 326 I: Schuldner braucht gem. § 275 BGB nicht zu leisten
a. Geschuldete Leistung
aa. Stück- vs. Gattungsschuld
bb. Konkretisierung, § 300 II
(1) Gattungsschuld
(2) Annahmeverzug, §§ 293 ff. BGB
(a) Angebot
(b) Nichtannahme, § 293 BGB
(c) Kein § 297 BGB
d) Kein § 299 BGB
(3) Aussonderung
b. Unmöglichkeit
c. Ergebnis zu § 275 BGB
2. Kein Anspruchserhalt gem. § 326 II BGB
a. § 326 II 1 Var. 1 (-)
aa. Unmöglichkeit während Annahmeverzug
bb. Unmöglichkeit vom Schuldner nicht zu vertreten
3. Ergebnis zu § 326 BGB
IV. Ergebnis