Kilian Wegner Strafrecht Besonderer Teil I: Delikte gegen die Person und die Allgemeinheit Licensed under CC-BY-4.0

§ 41: Nichtanzeige geplanter Straftaten (§ 138 StGB)

Autor: Fynn Wenglarczyk

Allgemeines

Grundsätzlich sind Privatpersonen rechtlich nicht verpflichtet, an der Aufklärung oder Verhinderung von Straftaten mitzuwirken. § 138 StGB macht davon eine Ausnahme für besonders schwerwiegende Straftaten, die noch verhindert werden könnten, wenn man sie bei den Behörden rechtzeitig anzeigt und bestraft mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe, wer dies unterlässt.

Der Tatbestand erfasst nach hM nur die Nichtanzeige fremder Straftaten.BGH NStZ 1982, 244; BGH StV 2017, 441, 443; Krauß, in: LK-StGB, Bd. 5, 13. Aufl. (2020), § 138 Rn. 44 ff. Wer an einer in § 138 Abs. 1 oder Abs. 2 StGB genannten Straftat als Täter oder Beteiligter (Anstifter, Gehilfe) beteiligt ist, kommt als Täter des § 138 StGB daher nicht in Betracht.

Bei der Nichtanzeige geplanter Straftaten (§ 138 StGB) handelt es sich um ein echtes Unterlassungsdelikt (ein weiteres Beispiel für ein echtes Unterlassungsdelikt ist § 323c StGB → § 40). Die aus der Strafandrohung der Nichtanzeige bestimmter fremder Straftaten resultierende Anzeigepflicht begründet keine Garantenstellung iSv § 13 Abs. 1 StGB.

Tatbestand

Der objektive Tatbestand des § 138 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass jemand von dem Vorhaben oder der Ausführung einer Katalogtat glaubhaft erfährt und es unterlässt, der Behörde oder dem Bedrohten rechtzeitig Anzeige zu machen. „Glaubhaft erfahren“ setzt nicht nur voraus, dass jemand glaubt, ein Dritter würde ernstlich eine Katalogtat planen oder ausführen. Die Katalogtat muss auch tatsächlich geplant worden sein oder sich in Ausführung befinden.Hohmann, in: MüKo-StGB, Bd. 3, 4. Aufl. (2021), § 138 Rn. 12. Unter Vorhaben ist jede ernsthafte Planung der Tat, mit Ausführung der Eintritt in das Versuchsstadium bis zur Beendigung gemeint.Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. (2019), § 138 Rn. 6. Rechtzeitig ist die Anzeige, wenn die Ausführung oder der Erfolg noch abgewendet werden kann.Heger, in: Lackner/Kühl/Heger, 30. Aufl. (2023), § 138 Rn. 5. Bei § 138 Abs. 2 StGB muss – da es keinen Bedrohten gibt – der Behörde hingegen unverzüglich Anzeige erstattet werden. Unverzüglich bedeutet, dass der Anzeigepflichtige so schnell wie möglich Anzeige erstatten muss, sobald er von dem Vorhaben oder der Ausführung einer Katalogtag erfährt.

Der subjektive Tatbestand setzt Vorsatz (§ 15 StGB) voraus, wobei dolus eventualis genügt. Wer über die Rechtzeitigkeit (§ 138 Abs. 1 StGB) oder die Unverzüglichkeit (§ 138 Abs. 2 StGB) im Irrtum ist, handelt ohne Vorsatz (Tatbestandsirrtum, § 16 Abs. 1 S. 1 StGB). Wer hingegen darüber im Irrtum ist, zur Anzeige verpflichtet zu sein, handelt ggf. im Verbotsirrtum gem. § 17 Abs. 1 StGB, wenn sich der Irrtum nicht vermeiden ließ (vgl. § 17 Abs. 2 StGB).