Ist die Aussage richtig, dass bei jedem Widerrufsrecht nach § 355 I BGB der Anwendungsbereich nach § 312 BGB geprüft werden muss?
- A: Ja. Ein Widerrufsrecht i.S.d. § 355 I BGB kann nur vorliegen, wenn der Anwendungsbereich nach § 312 BGB eröffnet ist.
- B: Nein. Bei § 495 I BGB bspw. muss es nicht geprüft werden.
A: Diese Aussage ist falsch. § 312 I BGB bezieht sich im Wortlaut nur auf die Kapitel 1 und 2 „dieses“ Untertitels („Grundsätze bei Verbraucherverträgen und besondere Vertriebsformen“). Die Kapitel 1 und 2 umfassen die Paragraphen 312 bis 312h BGB. Es gibt aber noch an anderer Stelle Widerrufsrechte, etwa in § 495 I BGB. Dort muss § 312 BGB nicht mitgeprüft werden. B: Diese Aussage ist richtig. Begründung siehe andere Antwortmöglichkeit.
S wird in der U-Bahn von Z angesprochen und schließt mit diesem dort ein Abonnement für die Zeitschrift Women‘s Health ab. Zu Hause angekommen bereut sie den Kauf. Kann sie widerrufen?
- A: Ja, nach §§ 355 I, 312g, 312b BGB.
- B: Ja, nach §§ 355 I 1, 312g I Var. 1, 312b I 1 Nr. 1, S. 2 BGB.
- C: Ja, nach §§ 355 I 1, 312g I Var. 1 BGB.
- D: Nein, wegen § 312g II Nr. 7 BGB.
A: Diese Aussage ist falsch. Die Normen sind ungenau zitiert. B: Diese Aussage ist richtig. Die Normen sind genau zitiert und es liegt kein Ausschluss des Widerrufs nach § 312g II Nr. 7 BGB vor, da Nr. 7 die Rückausnahme für Abonnement-Verträge enthält. C: Diese Aussage ist richtig. Die Normen sind genau zitiert und es ist auch nicht dramatisch, dass § 312b BGB hier fehlt, solange dieser später in der Prüfung auftaucht. D: Diese Aussage ist falsch. Es liegt kein Ausschluss des Widerrufs nach § 312g II Nr. 7 BGB vor, da Nr. 7 die Rückausnahme für Abonnement-Verträge enthält.
E bestellt per Telefon die DVD „Fatburner intensiv“ bei D.D., der zuvor im Teleshopping seine Produkte angepriesen hat. Beide vereinbaren, dass kein Fernabsatzwiderrufsrecht besteht. Als E die DVD eine Woche später erhält, bereut er den Kauf, weil er für Sport zu faul ist. Er widerruft den Vertrag, noch bevor er die DVD ausgepackt hat. D.D. ist der Meinung, es bestehe aufgrund der Vereinbarung kein Widerrufsrecht und für versiegelte DVDs sowieso nicht. Besteht ein Widerrufsrecht?
- A: Ja, nach §§ 355 I 1, 312g I Var. 2, 312c BGB.
- B: Nein, das Widerrufsrecht ist aufgrund vertraglicher Vereinbarung ausgeschlossen.
- C: Nein, das Widerrufsrecht ist nach § 312g II Nr. 6 BGB ausgeschlossen, weil es sich um versiegelte Ware handelt.
A: Diese Aussage ist richtig. Es handelt sich um einen Fernabsatzvertrag. Potentielle Ausschlussgründe greifen nicht. Lesen Sie dazu die Begründungen bei den falschen Antworten. B: Diese Aussage ist falsch. Nach § 312m I 1 BGB darf nicht zum Nachteil des Verbrauchers von den Vorschriften dieses Untertitels, d.h. §§ 312-312k BGB, abgewichen werden. Die Vereinbarung ist daher unwirksam. C: Diese Aussage ist falsch. Nach § 312g II Nr. 6 BGB ist das Widerrufsrecht nur ausgeschlossen, wenn bei versiegelter Ware die Versiegelung nach Lieferung entfernt wurde.
S bestellt für ihr Privatvergnügen am 5.5. bei Amazon ein Microsoft Surface zusammen mit Stift und Tastatur. Alle erforderlichen Belehrungen werden erteilt. Am 5.6 erhält Sie das Surface und den Stift. Am nächsten Tag bekommt Sie zum Geburtstag ein MacBook geschenkt. Sie vergisst das Surface. Als Sie am 5.7. die Tastatur erhält, widerruft sie den Vertrag. Zu spät?
- A: Ja, nach § 355 II 1 BGB beträgt die Frist 14 Tage und beginnt nach S. 2 mit Vertragsschluss.
- B: Ja, nach § 355 II 1 BGB beträgt die Frist 14 Tage und beginnt nach § 356 II Nr. 1a BGB mit Erhalt der Ware am 5.6.
- C: Nein, nach § 355 II 1 BGB beträgt die Frist 14 Tage und beginnt nach § 356 II Nr. 1b BGB mit Erhalt der letzten Ware am 5.7.
A: Diese Aussage ist falsch. § 355 II BGB regelt zwar den Grundfall der Frist, von dem aber in § 356 ff. BGB vielfach abgewichen wird. Einschlägig ist hier § 356 II Nr. 1b BGB. Siehe Begründung der richtigen Antwort. B: Diese Aussage ist falsch. Lesen Sie die Begründungen der anderen Antwortmöglichkeiten. C: Diese Aussage ist richtig. Einschlägig ist hier § 356 II Nr. 1b BGB.
Der Verbraucher wird bei einem Fernabsatzvertrag gar nicht belehrt. Welcher Norm kann entnommen werden, bis wann der Vertrag widerrufen werden kann?
- A: Nach § 355 II 1 BGB beträgt die Frist 14 Tage und beginnt nach S. 2 mit Vertragsschluss.
- B: § 356 III 1 BGB: Solange keine Belehrung erfolgt ist, kein Fristbeginn. Die Frist endet nie.
- C: § 356 III 2 BGB: Das Widerrufsrecht erlischt nach 12 Monate und 14 Tage nach dem Zeitpunkt, in welchem es bei ordnungsgemäßer Belehrung begonnen hätte.
A: Diese Aussage ist falsch. § 355 II BGB regelt zwar den Grundfall der Frist, von dem aber in § 356 ff. BGB vielfach abgewichen wird. Einschlägig ist hier § 356 III BGB. Es liegt ein Fernabsatzvertrag vor. Die Frist beginnt nicht vor der näher beschriebenen Belehrung zu laufen, § 356 III 1 BGB. Das Widerrufsrecht erlischt aber nach § 356 III 2 BGB 12 Monate und 14 Tage nach dem Zeitpunkt, in welchem es bei ordnungsgemäßer Belehrung begonnen hätte (grds. nach § 355 II 2 BGB ab Vertragsschluss; Abweichungen in § 356 II BGB). B: Diese Aussage ist falsch. Siehe Begründung der anderen Antwortmöglichkeit. C: Diese Aussage ist richtig. § 356 III 2 BGB regelt dann aber eine absolute Höchstfrist. Auch ohne Belehrung erlischt das Widerrufsrecht mit Fristablauf. Ausnahme gemäß § 356 III 3 BGB gilt S. 2 nicht bei Verträgen über Finanzdienstleistungen.
Welche Rechtsfolge tritt ein, wenn der Verbraucher bei einem Verbraucherdarlehensvertrag nicht über das Widerrufsrecht belehrt wird?
- A: Der Vertrag ist nichtig, § 494 I BGB, Art. 247 § 6 I 1 Nr. 1, § 3 I Nr. 13, § 6 II EGBGB
- B: Der Vertrag kann nichtig sein, § 494 I BGB, Art. 247 § 6 I 1 Nr. 1, § 3 I Nr. 13, § 6 II EGBGB, wenn er nicht geheilt wird, § 494 II 1 BGB.
- C: Der Vertrag ist nichtig, §§ 494 I, 125 S. 1 BGB, Art. 247 § 6 I 1 Nr. 1, § 3 I Nr. 3 EGBGB
- D: Der Vertrag kann nichtig sein, § 494 I BGB, Art. 247 § 6 I 1 Nr. 1, § 3 I Nr. 3 EGBGB, wenn er nicht geheilt wird, § 494 II 1 BGB.
A: Diese Aussage ist richtig. § 494 I BGB spricht von „sind nichtig“. Aber Achtung: Der Vertrag wird nach § 494 II 1 BGB gültig, wenn der Verbraucher das Darlehen empfängt oder in Anspruch nimmt (Heilung). Art. 247 § 6 I 1 Nr. 1 verweist auf § 3 I Nr. Nr. 1-14 EGBGB. § 3 Nr. 13 enthält die Belehrungspflicht über das Widerrufsrecht. § 6 II enthält die Belehrungspflicht bzgl. der Ausübung des Widerrufsrechts. Beides fehlt. B: Diese Aussage ist unpräzise. § 494 I BGB spricht von „sind nichtig“. Daran ändert die Möglichkeit der Heilung nichts. Zunächst ist der Vertrag nichtig, erst im Fall einer Heilung wird er gültig, § 494 II 1 BGB. Eine Rückwirkung steht nicht im Gesetz. C: Diese Aussage ist falsch. § 125 S. 1 BGB, der grds. die Rechtsfolge von Formmängeln regelt, bedarf es nicht, weil § 494 I BGB eine spezielle Regelung enthält. D: Diese Aussage ist falsch. § 3 I Nr. 3 EGBGB ist die falsche Norm. Dort geht es um den effektiven Jahreszins. Außerdem: ungenau Rechtsfolge.
Verbraucher E hat einen Kaufvertrag geschlossen und gleichzeitig einen verbundenen (§ 358 III 1, 2 BGB) Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag (§ 491 I, II 1 BGB) mit einer Bank. Alle Belehrungen und Formalien wurden bei Vertragsschluss gewahrt. E widerruft wirksam den Verbraucherkreditvertrag. Beide Geschäfte sollen rückabgewickelt werden. Welche Aussage(n) ist (sind) richtig?
- A: Der Verbraucher muss für die Zeit zwischen Auszahlung und Rückzahlung des Darlehens trotzdem den vereinbarten Sollzins zahlen, § 357b III 1 BGB.
- B: Der Verbraucher ist an seine auf Abschluss des Verbraucherkreditvertrags gerichtete Willenserklärung nach § 358 II BGB nicht mehr gebunden.
- C: Der Verbraucher ist an seine auf Abschluss des Kaufvertrags gerichtete Willenserklärung nach § 358 I BGB nicht mehr gebunden.
- D: Der Verkäufer hat gegen den Verbraucher einen Anspruch auf Rückgabe des Autos nach §§ 355 III 1, 357 I, 358 II, IV 1 BGB.
A: Diese Aussage ist richtig. § 357b III 1 BGB ist eine AGL. Grds. besteht die Pflicht zur Zinszahlung. Achtung aber bei fehlender Angabe des Sollzinssatzes im Vertrag: § 494 II 2 BGB ordnet ggf. eine Reduktion auf den gesetzlichen Sollzinssatz an (s. auch § 494 III BGB). B: Diese Aussage ist falsch. Für den widerrufenen Vertrag gilt „ganz normal“ § 355 I 1 BGB. Nach § 358 II BGB ist er auch an den Kaufvertrag nicht mehr gebunden. C: Diese Aussage ist falsch. § 358 I BGB regelt den Fall, dass der Kaufvertrag widerrufen worden ist, und legt als Rechtsfolge fest, dass auch die Bindung an den Darlehensvertrag entfällt. Diese Konstellation liegt hier nicht vor. Die Bindung an den Kaufvertrag entfällt nach § 358 II BGB. D: Diese Aussage ist falsch. Das ist zwar die richtige Anspruchsgrundlage. Nach § 358 IV 5 BGB ist der Verkäufer aber nicht der richtige Anspruchssteller: „Der Darlehensgeber tritt im Verhältnis zum Verbraucher hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs in die Rechte und Pflichten des Unternehmers aus dem verbundenen Vertrag ein, wenn das Darlehen dem Unternehmer bei Wirksamwerden des Widerrufs bereits zugeflossen ist.“ Die Rückabwicklung erfolgt also alleine zwischen Bank und Verbraucher. Der Anspruch auf Rückgabe steht daher der Bank zu.
Bei folgenden Normen handelt es sich um Anspruchsgrundlagen:
- A: § 355 I 1 BGB
- B: § 355 III 1 BGB
- C: § 357 III BGB
- D: § 357 IV 1 BGB
- E: § 357a I BGB
A: AGL (-). Rechtsfolge der Norm ist „an (...) Willenserklärung nicht mehr gebunden“. Dass etwas gefordert werden kann oder zurückgegeben werden muss, steht dort nicht drin. B: AGL (+). Rechtsfolge der Norm ist „sind zurück zu gewähren“. Das ist eine klassische Formulierung für eine Anspruchsgrundlage. C: AGL (-). Rechtsfolge der Norm legt fest, „wie“ der Unternehmer zurückzahlen muss. Dass eine Rückzahlungspflicht besteht, setzt die Norm schon voraus. Die Pflicht zur Rückzahlung folgt aus § 357 II 1 BGB. D: AGL (-). Rechtsfolge der Norm ist „kann verweigern“. Das ist ein Zurückbehaltungsrecht und keine Anspruchsgrundlage. E: AGL (+). Rechtsfolge der Norm ist: „Der Verbraucher hat Wertersatz … zu leisten.“ Das ist eine klassische Formulierung für eine Anspruchsgrundlage.