Wurzeln eines Baumes breiten sich unterirdisch auf dem Nachbargrundstück aus und heben Gehwegplatten an, ohne sie zu beschädigen. Außerdem zerstören die Wurzeln Zuchtrosen auf dem Nachbargrundstück. Eine Beseitigung der Wurzel hätte die Zerstörung der Gehwegplatten zur Folge. Was ist nach Auffassung des BGH von der Rechtsfolge des § 1004 I BGB erfasst?
- A: Entfernung der Wurzeln
- B: Neue Platten
- C: Neue Rosen
A: Diese Aussage ist richtig. Die Wurzeln sind die primäre Eigentumsbeeinträchtigung. Sie sind zu entfernen. B: - Diese Aussage ist richtig. Die Zerstörung der Platten ist nicht die primäre Eigentumsbeeinträchtigung. Sie ist aber auch kein Folgeschaden der primären Eigentumsbeeinträchtigung, da die Wurzeln die Platten zunächst nicht beschädigt haben. Vielmehr handelt es sich um Folgen, die durch die primäre Störungsbeseitigung eintreten. Diese sind nach BGH zu beseitigen. Arg: Zweck der Beseitigung wäre verfehlt, wenn die Beseitigung nur unter Inkaufnahme ggf. weitergehender Beeinträchtigung erreicht wird. (a.A. gut vertretbar; zu beseitigen ist nur die primäre Beeinträchtigung, sonst verschwimmt die Grenze zum Schadensersatz) C: Diese Aussage ist falsch. Die zerstörten Rosen sind Folgen der primären Beeinträchtigung. Ihr Ersatz käme Schadensersatz gleich, der idR auf Tatbestandsseite Verschulden voraussetzt.
Wer ist nach Auffassung des BGH Störer iSd § 1004 BGB? Wo sehen Sie ggf. ein Problem und wie würden Sie Ihre Meinung begründen.
- A: Störer ist der Eigentümer eines standsicheren Baumes, der aufgrund eines besonders starken Sturmes auf das Nachbargrundstück fällt.
- B: Störer ist der Eigentümer eines Baumes, dessen Wurzeln sich auf das Nachbargrundstück ausbreiten.
- C: Störer ist der ehemalige Eigentümer der ausgebreiteten Wurzeln, auch nachdem er die Wurzeln an der Grundstücksgrenze abgeschnitten und das Eigentum an ihnen aufgegeben hat.
A: Diese Aussage ist falsch. Nach Auffassung des BGH wirken hier einzig und alleine Naturkräfte. (a.A. vertretbar) B: Diese Aussage ist richtig. Zwar wirken hier auch Naturkräfte. Allerdings ist das Wurzelwachstum im Gegensatz zum Umfallen eines Baumes vorhersehbar und kein außergewöhnliches Ereignis ist und damit vom Willen des Eigentümers getragen. C: - Diese Aussage ist richtig. Die Eigentumsaufgabe befreit nicht vom Anspruch nach § 1004 BGB. (Vertiefung: Anders entscheiden Vertreter der Ursupationstheorie, die eine tatsächliche Beeinträchtigung nicht ausreichen lassen, sondern drauf abstellen ob das Eigentum als Recht betroffen ist. Mit Eigentumsaufgabe ist das Recht Eigentum des Nachbarn nicht mehr beeinträchtigt, weil sich die Rechtskreise nicht mehr überschneiden und dem Nachteil des Beeinträchtigenden kein Vorteil des Störers gegenübersteht.)
Was trifft auf den Störer iSd § 1004 BGB nach Auffassung des BGH zu?
- A: Jedenfalls der Eigentümer ist Zustandsstörer
- B: Der Störerbegriff entspricht dem des öffentlichen Rechts.
- C: Es wird typischerweise nach Handlungs- und Zustandsstörer unterschieden.
A: Diese Aussage ist falsch. Allein Sachherrschaft und Eigentum begründen nach Auffassung des BGH die Zustandsstörereigenschaft noch nicht. Zustandsstörer ist nach der Rechtsprechung derjenige, „durch dessen maßgebenden Willen der beeinträchtigende Zustand aber aufrechterhalten wird“. Die Beeinträchtigung muss zumindest mittelbar auf dem Willen des Eigentümers beruhen. B: Diese Aussage ist falsch. V.a. der Zustandsstörer wird anders bestimmt. C: Diese Aussage ist richtig, auch wenn die Grenzen durch die besondere Bestimmung der Zustandsstörereigenschaft durch den BGH verschwimmen.
Welche Rechtsgüter sind nach hM vom Tatbestand des § 1004 BGB (analog) umfasst?
- A: Eigentum
- B: APR
- C: Besitz
- D: Pfandrecht
- E: Auch Fall von § 824 I BGB kann nach § 1004 I 2 BGB abgewehrt werden.
A: Diese Aussage ist richtig. Das folgt schon aus dem Wortlaut. B: Diese Aussage ist richtig. Auf alle absoluten Rechte des § 823 BGB ist § 1004 BGB analog anzuwenden. Gedanke: Warum soll man erst abwarten bis ein Schaden entsteht, wenn vorher die Störung beseitigt werden kann. C: Diese Aussage ist richtig. A.A.: Analogie nicht nötig, wegen § 862 BGB. D: Diese Aussage ist richtig. Verweis in § 1227 BGB. Ähnlich bei Grunddienstbarkeiten (§ 1027 BGB), Nießbrauch (§ 1065 BGB), beschränkt persönlichen Dienstbarkeiten (§ 1090 II BGB) E: Diese Aussage ist richtig. Analoge Anwendung auf andere nach §§ 823 ff. BGB deliktisch geschützte Güter („quasinegatorischer Rechtsschutz“). Gedanke: Es ist nicht einzusehen, warum eine unerlaubte Handlung erst abgewartet und dann mit Schadensersatz geahndet werden soll, wenn sie schon im Vorfeld mit einem Unterlassungsanspruch abgewendet werden könnte.
In welchen Fällen werden Sie bei der Frage, ob eine Eigentumsbeeinträchtigung vorliegt in der Klausur wahrscheinlich erhöhten Begründungsaufwand leisten müssen? Überlegen Sie was problematisch ist und ob sie im Ergebnis den Tatbestand bejahen würden?
- A: Fotografieren einer fremden Sache und Verwerten
- B: Entzug von Licht und Luft, etwa durch die Anpflanzung von Bäumen neben dem Grundstück
- C: Betreiben eines Bordells auf dem Nachbargrundstück
- D: Unbefugtes Betreten eines fremden Grundstücks
A: - Hier ist typischerweise höherer Begründungsaufwand zu leisten. - Problem: Es wird weder die Substanz beeinträchtigt, noch wird der Eigentümer daran gehindert mit der Sache zu verfahren wie er möchte. - Der BGH bejaht § 1004 BGB dann, wenn Gebäude unbefugt zu gewerblichem Zweck und nicht vom öffentlichen Raum aus fotografiert werden. Zum Zuweisungsgehalt des Eigentums gehöre, dass der Eigentümer entscheiden darf, ob ein Dritter das Grundstück betreten und benutzen darf. Damit soll es auch zum Zuweisungsgehalt gehören, dass der Eigentümer entscheiden darf, wer die wirtschaftlichen Vorteile des Betretens und der Benutzung zieht. Eine Verwertungsbefugnis folge damit aus dem Eigentum selbst (Fruchtziehungsrecht, § 99 III BGB). B: - Sog. negative Einwirkungen - Hier ist typischerweise höherer Begründungsaufwand zu leisten. - Problem: Potentieller Störer, der sein Eigentum in den Grenzen seiner Eigentümerbefugnisse nutzt, aber dennoch dem „beeinträchtigten“ Grundstück Vorteile entzieht. § 1004 BGB enthält keine Lösung für typische Nachbarschaftskonflikte. - Grds.: Eigentümer kann innerhalb seiner Grundstücksgrenzen machen, was er will, sofern nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen (Einschränkungen enthalten v.a. die Landesnachbargesetze), § 903, § 1004 BGB (-). Anderes Ergebnis v.a. in Extremfällen vertretbar. C: - Sog. ideelle Immissionen - Hier ist typischerweise höherer Begründungsaufwand zu leisten. - Vgl. Arg. zu negativen Immissionen; Betroffenheit des ästhetischen Empfindens oder Schamgefühls reicht für § 1004 BGB nicht. - Anderes Ergebnis v.a. in Extremfällen vertretbar. D: Hier liegt eher kein Problem.