Kilian Wegner Strafrecht AT 2: Übungsfälle Licensed under CC-BY-4.0

Einheit 11: Mittäterschaft I – Tatherrschaft des Mittäters

Fall 1

(leicht abgewandelter Sachverhalt nach BGH NStZ-RR 2004, 40)

Die verheiratete A hatte mit dem späteren Tatopfer O ein intimes Verhältnis, das sie im Hinblick auf eine Beziehung zum B beendete. Da O dies nicht hinnehmen wollte, kamen A und B – auf Vorschlag und Drängen von A – überein, dass B den O erschießen solle, wenn dieser die A nicht freigebe. Eines Abends trafen sich O, A und B zu einer Aussprache, bei der A – was B wusste – einen Revolver versteckt mit sich führte. Je nach Ausgang des Gesprächs sollte A dem B die Waffe überreichen und ihm auf diese Weise ermöglichen, den O zu erschießen. Die drei hatten - im Auto des O sitzend - ein längeres Streitgespräch. Als O den B aufforderte, das Fahrzeug zu verlassen, überreichte A dem B den Revolver. B schoss dem O in den Hinterkopf. O starb – wie beabsichtigt – an den Folgen des Kopfschusses.

Hat sich A wegen Totschlags in Mittäterschaft gem. §§ 212 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB strafbar gemacht?

Fall 2

A wollte seine Freundin F zu ihrem Geburtstag überraschen und nahm sie zum Einkaufscenter ,,Oderturm“ in Frankfurt (Oder) mit. Dort teilte er ihr mit, sie dürfe sich alles aussuchen, was sie möchte. Da A gerade knapp bei Kasse war, war sein Budget auf 20 Euro begrenzt. F, die vor der Corona-Pandemie ein Luxusleben geführt hatte, war von der ,,Großzügigkeit“ des A sehr enttäuscht. Sie konnte sich nur für eine Foundation in der R-Drogerie entscheiden. A war traurig, dass er seiner Freundin nichts Teureres schenken konnte. Als beide nach dem Kauf des Geburtstagsgeschenks das Auto des A aus der Tiefgarage holen wollten, entdeckten sie einen Porsche, an dem die Seitenscheibe der Beifahrertür eingeschlagen und zum größten Teil herausgefallen war. A bemerkte, dass auf dem Beifahrersitz eine wertvolle goldene Kette lag. Da er seine Freundin zum Geburtstag glücklich machen wollte, überlegte er spontan, die Kette für F zu entwenden. F, die eine Schwäche für Schmuck hatte, war von dieser Idee begeistert. Sie fassten schnell gemeinsam den Plan, dass F für ,,Schmiere stehen“ zuständig sei, während A die Kette aus dem Porsche entwenden solle. Nachdem sich F absprachegemäß zum Ausgang begeben hatte, um dort ,,Schmiere zu stehen“, entwendete A reibungslos die Kette aus dem Porsche und überreichte sie danach der F. F hat sich über ihr ,,zusätzliches“ Geburtstagsgeschenk riesig gefreut.

Hat sich F wegen mittäterschaftlich begangenen Diebstahls gem. §§ 242 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB strafbar gemacht?

Fall 3

(nach BGH NJW 2000, 3364)

Seit der Grundschule sind A, B, C und D beste Freunde, die fast alles gemeinsam machen. ,,Beruflich“ möchten sie auch auf Dauer zusammen arbeiten. Sie kamen überein, den Kraftfahrzeugmarkt in Polen mit Ersatzteilen zu beliefern, die sie sich dadurch beschafften, dass sie in nächtlichen Diebstahlsserien Fahrzeuge bestimmter Marken entwendeten und diese in einem Waldversteck ausschlachteten. Der ,,Chef“ A lebte als einziges Mitglied der im Übrigen aus Polen stammenden Bande in der Bundesrepublik Deutschland. Ihm fiel nach dem gemeinsamen Tatplan zunächst die Aufgabe zu, Örtlichkeiten auszukundschaften, die sich zur Durchführung der Demontage der gestohlenen Fahrzeuge eigneten. Im Rahmen der Tatausführung hat A sodann seine Komplizen instruiert und sie zu der von ihm ausgesuchten Stelle gelotst, indem er mit einem seiner Pkw vorausfuhr, während ein zweites Fahrzeug mit den übrigen Bandenmitgliedern ihm folgte. Während A auf einem in der Nähe gelegenen Parkplatz wartete, entwendeten die anderen Mitglieder Personenkraftwagen und verbrachten sie in das Waldstück, wo sie ausgeschlachtet wurden.

Hat sich A wegen mittäterschaftlich begangenen Diebstahls gem. §§ 242 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB strafbar gemacht?