Einleitung
In diesem Abschnitt beschäftigen wir uns mit dem Vergabeverfahren im Anwendungsbereich des GWB-Vergaberechts. Vergabeverfahren ist dasjenige Verfahren, in dem der öffentliche Auftraggeber seinen Vertragspartner auswählt und den Vertrag mit ihm abschließt. Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit setzt voraus, dass der Vertragsgegenstand sich so weit wie möglich nach den Bedürfnissen des öffentlichen Auftraggebers richtet. Wegen des Grundsatzes der Chancengleichheit der Unternehmen im Wettbewerb muss der öffentliche Auftraggeber interessierten Unternehmen grundsätzlich die Möglichkeit einräumen, ein Angebot ins Rennen zu schicken, und die Angebote miteinander vergleichen. Das führt zu einer Grundstruktur des Vergabeverfahrens dahingehend, dass der öffentliche Auftraggeber den Gegenstand festlegt und beschreibt und Unternehmen zur Angebotsabgabe auffordert (privatrechtlich: invitatio ad offerendum), die Unternehmen Angebote kalkulieren und abgeben (privatrechtlich: Antrag im Sinne von § 145 BGB) und der öffentliche Auftraggeber schließlich auf eines der Angebote den Zuschlag erteilt (privatrechtlich: Annahme im Sinne der §§ 147 ff. BGB).
Grundnorm des Vergabeverfahrens ist § 119 GWB, der auf die Vergabe öffentlicher Aufträge durch öffentliche Auftraggeber anwendbar ist. § 119 Abs. 1 GWB zählt die fünf zulässigen Verfahrensarten abschließend auf: Dort finden sich das offene Verfahren, das nichtoffene Verfahren, das Verhandlungsverfahren, der wettbewerbliche Dialog und die Innovationspartnerschaft. Definiert werden diese Verfahrensarten in § 119 Abs. 3–7 GWB. Einzelheiten zu den Verfahrensarten und -abläufen finden sich dann im untergesetzlichen Recht. Mit gewissen Modifikationen gilt § 119 GWB über Verweisungsnormen auch für die Vergabe öffentlicher Aufträge durch Sektorenauftraggeber, für die Vergabe von verteidigungs- oder sicherheitsspezifischen öffentlichen Aufträgen und für die Vergabe von Konzessionen. Wir beschränken unsere Betrachtung auf das Verfahren der Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen durch öffentliche Auftraggeber, das sich nach den §§ 14 ff. VgV richtet.
Der Abschnitt zieht grundlegende Überlegungen zum Transparenzgrundsatz (§ 97 Abs. 1 S. 1 GWB) vor die Klammer (B.). Wesentliche Verfahrensschritte lassen sich leichter verstehen, wenn wir uns darauf besinnen, dass die Gestaltung des Verfahrens maßgeblich darauf abzielt, die Vergabeentscheidung des öffentlichen Auftraggebers vorhersehbar und nachvollziehbar zu machen. Die Anforderungen des Transparenzgrundsatzes lassen sich sodann am offenen Verfahren verdeutlichen, das als Grundmodell der Vergabeverfahren angesehen werden kann (C.). Das nichtoffene Verfahren bringt nur wenige Modifikationen des Grundmodells mit sich und steht gleichrangig neben dem offenen Verfahren (D.). Größere Modifikationen liegen den besonderen Verfahrensarten zugrunde, die der öffentliche Auftraggeber daher auch nur unter besonderen Voraussetzungen wählen darf (E.).
Anforderungen des Transparenzgrundsatzes an das Vergabeverfahren
Der Transparenzgrundsatz in § 97 Abs. 1 S. 1 GWB soll das materielle Recht der Unternehmen auf Chancengleichheit im Wettbewerb absichern. Dazu verlangt er erstens, dass die Vergabeentscheidung des öffentlichen Auftraggebers nachvollziehbar ist, das heißt von unterlegenen Unternehmen und Nachprüfungsinstanzen (§§ 155 ff. GWB) auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft werden kann (I.). Zweitens fordert der Transparenzgrundsatz, dass die Entscheidung in dem Sinne vorhersehbar ist, dass Unternehmen absehen können, nach welchen Kriterien der öffentliche Auftraggeber seine Entscheidung treffen wird und wie weitgehend und auf welche Weise Unternehmen den Beschaffungsbedarf des öffentlichen Auftraggebers mit der von ihnen angebotenen Leistung decken können (II.).
Nachvollziehbarkeit (Ex-post-Transparenz)
Formale Sicherungen
Das Vergaberecht sichert die Nachvollziehbarkeit der Entscheidung zunächst auf eine formale Weise. Dazu gehört vor allem, dass der öffentliche Auftraggeber das Vergabeverfahren von Beginn an umfassend in Textform dokumentieren muss, soweit dies für die Begründungen von Entscheidungen erforderlich ist (§ 8 Abs. 1 S. 1 VgV). Gegenstand der Dokumentation müssen nach § 8 Abs. 1 S. 2 VgV beispielsweise die Kommunikation mit Unternehmen und interne Beratungen, die Vorbereitung der Auftragsbekanntmachung und der Vergabeunterlagen, der Öffnung der Angebote, Teilnahmeanträge und Interessensbestätigungen, die Verhandlungen und die Dialoge mit den teilnehmenden Unternehmen sowie die Gründe für Auswahlentscheidungen und den Zuschlag sein. § 8 Abs. 2 VgV zwingt ergänzend dazu, einen umfassenden Vergabevermerk anzufertigen, und zählt den Mindestinhalt auf. Auch die Kommunikation im Vergabeverfahren hat entweder nicht-mündlich zu erfolgen oder ist zu dokumentieren (§ 9 Abs. 2 VgV).
Hinzu tritt die Verpflichtung, unterlegene Unternehmen über den Namen des erfolgreichen Unternehmens, über die Gründe der vorgesehenen Nichtberücksichtigung ihres Angebots und über den frühesten Zeitpunkt des Vertragsschlusses unverzüglich in Textform zu informieren (§ 134 Abs. 1 S. 1 GWB). Da der öffentliche Auftraggeber den Vertrag erst 15 Tage nach Absendung dieser Information schließen darf (§ 134 Abs. 2 S. 1 GWB) und ein Nachprüfungsantrag eine Art aufschiebende Wirkung entfaltet (vgl. § 169 Abs. 1 GWB), versetzt die Information unterlegene Unternehmen in die Lage, darüber zu entscheiden, ob sie zum Schutz ihrer Rechte die Nachprüfungsinstanzen anrufen wollen. Kommt es zu einem Nachprüfungsverfahren, können die Nachprüfungsinstanzen die Rechtmäßigkeit der Entscheidung anhand der Dokumentation des öffentlichen Auftraggebers überprüfen. Unternehmen können über das Akteneinsichtsrecht Kenntnis von den dokumentierten Inhalten nehmen (§ 165 Abs. 1 GWB).
Schließlich muss der öffentliche Auftraggeber die abgeschlossene Vergabe eines öffentlichen Auftrags oder eine Auftragsänderung nach § 39 Abs. 1 beziehungsweise Abs. 5 VgV innerhalb bestimmter Fristen unionsweit bekannt machen. Die Vergabebekanntmachung muss die Ergebnisse des Vergabeverfahrens beinhalten.
Abstufung der Vergabeentscheidung
Das Vergaberecht beschränkt sich aber nicht auf diese formalen Sicherungen. Denn eine Entscheidungsbegründung hat nur dann einen Wert, wenn sie genau diejenigen Gesichtspunkte unterscheidet und offenlegt, anhand deren die Entscheidung gefallen ist. Das Vergaberecht unterscheidet aus diesem Grund verschiedene „Wertungsstufen“, in die der öffentliche Auftraggeber seine Entscheidung aufteilen muss. Diese Aufteilung muss sich in der Entscheidungsbegründung im Vergabevermerk widerspiegeln. Dies zeigt der Wortlaut von § 8 Abs. 1 S. 1 VgV, der von der „Begründung von Entscheidungen auf jeder Stufe des Vergabeverfahrens“ spricht. Eine grundlegende Trennung erfahren unternehmensbezogene Kriterien einerseits, die den Vertragspartner als Person betreffen, und angebotsbezogene Kriterien andererseits, bei denen es um Inhalt und Form der Angebote (und damit letztlich des Vertragsgegenstands) geht.
Unternehmensbezogene Kriterien verbergen sich hinter dem Stichwort der „Eignung“. § 122 Abs. 1 GWB legt fest, dass öffentliche Aufträge an fachkundige und leistungsfähige Unternehmen vergeben werden, die nicht nach den §§ 123, 124 GWB ausgeschlossen worden sind. Die §§ 123, 124 GWB enthalten unternehmensbezogene Gründe, die einen Ausschluss eines Unternehmens vom Vergabeverfahren rechtfertigen. Die übrigen Anforderungen, die der öffentliche Auftraggeber an Unternehmen stellen darf, sind abschließend in § 122 Abs. 2 S. 2 GWB genannt: Die Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung, die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit sowie die technische und berufliche Leistungsfähigkeit.
Die angebotsbezogenen Kriterien lassen sich ihrerseits dreiteilen:
§ 53 VgV enthält formale Anforderungen an Angebote.
Inhaltliche Mindestanforderungen an Angebot ergeben sich vor allem über § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV. Hiernach schließt der öffentliche Auftraggeber Angebote aus, bei denen Änderungen oder Ergänzungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen worden sind. Das betrifft insbesondere den Fall, in dem ein Unternehmen eine andere als die ausgeschriebene Leistung anbietet und damit nicht diejenigen Mindestanforderungen zu erfüllen verspricht, die sich aus der Leistungsbeschreibung ergeben (§ 121 GWB).
Schließlich sind die Zuschlagskriterien hervorzuheben. Hierbei handelt es sich um diejenigen Kriterien, anhand deren all diejenigen Angebote verglichen werden, die von geeigneten Unternehmen abgegeben worden sind und die formalen und inhaltlichen (Mindest-)Anforderungen erfüllen. § 127 Abs. 1 S. 1 GWB gibt dafür vor, dass der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen ist und der öffentliche Auftraggeber dafür das beste Preis-Leistungsverhältnis ermitteln muss (§ 127 Abs. 1 S. 3 GWB). Der Vergleich der Angebot erfolgt anhand inhaltlicher Kriterien, mit denen der öffentliche Auftraggeber das Oberkriterium der Wirtschaftlichkeit konkretisiert (§ 127 Abs. 1 S. 2 GWB). Große Bedeutung hat regelmäßig der Preis. Aber auch qualitative, umweltbezogene oder soziale Aspekte können in die Entscheidung einfließen (§ 127 Abs. 1 S. 3 GWB).
Welche der folgenden Aussagen ist nicht richtig?
- Im Vergabeverfahren gibt typischerweise der öffentliche Auftraggeber ein verbindliches Angebot ab.
- Damit die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers nachvollziehbar ist, muss das Vergabeverfahren von Beginn an dokumentiert werden.
- Damit die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers nachvollziehbar ist, müssen die entscheidenden Kriterien in der Begründung unter anderem nach unternehmens- und angebotsbezogenen Aspekten unterschieden und allesamt offengelegt werden.
Vorhersehbarkeit (Ex-ante-Transparenz)
Offenlegung der Entscheidungskriterien zu Beginn des Verfahrens
Vorhersehbar wird die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers dadurch, dass der öffentliche Auftraggeber die Kriterien seiner Entscheidung – soweit sie sich nicht ohnehin schon aus dem Gesetz oder der Verordnung ergeben – im Vorhinein festlegt und zu Beginn des Verfahrens veröffentlicht. Dadurch wird zum einen gewährleistet, dass der öffentliche Auftraggeber die Kriterien nicht erst im laufenden Verfahren im Angesicht der Angebote auf einen bestimmten „Günstling“ zuschneidet. Zum anderen können sich Unternehmen aufgrund der Veröffentlichung der Kriterien auf die Vorstellungen und Bedürfnisse des öffentlichen Auftraggebers einstellen, sich für oder gegen eine Teilnahme am Vergabeverfahren entscheiden und im Fall einer Teilnahme im Wettbewerb der Bieter ihr Bestes geben, wenn sie ihr Angebot kalkulieren und abgeben.
Die Pflicht zur Offenlegung bezieht sich auf alle oben unterschiedenen Entscheidungskriterien der verschiedenen Wertungsstufen:
Die Kriterien zur Bestimmung der Eignung der Unternehmen muss der öffentliche Auftraggeber nach § 122 Abs. 4 S. 2 GWB schon in der Auftragsbekanntmachung aufführen. Die Ausschlussgründe nach §§ 123, 124 GWB ergeben sich ohnehin aus dem Gesetz.
Die Leistungsbeschreibung, in welcher der öffentliche Auftraggeber den Auftragsgegenstand beschreibt (§ 121 Abs. 1 S. 1 GWB) und damit inhaltliche Mindestanforderungen formuliert, muss der öffentliche Auftraggeber als Teil der Vergabeunterlagen (§ 29 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 VgV) zu Beginn des Verfahrens unter einer elektronischen Adresse bereitstellen (§ 41 Abs. 1 VgV).
Die formalen Anforderungen an die Angebote ergeben sich zum Teil aus § 53 VgV. Die übrigen formalen Anforderungen, wie etwa die einzuhaltenden Fristen, sind als sogenannte Bewerbungsbedingungen wiederum Teil der im Vorhinein bereitzustellenden Vergabeunterlagen (§ 29 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VgV).
Und schließlich muss der öffentliche Auftraggeber auch die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung zueinander in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen aufführen (§ 127 Abs. 5 GWB).
Bindung an die offengelegten Entscheidungskriterien
Der öffentliche Auftraggeber muss seinen Entscheidungen auf den verschiedenen Stufen grundsätzlich genau diejenigen Kriterien zugrunde legen, die er im Vorhinein festgelegt und veröffentlicht hat. Die Vorschriften, welche die Vorhersehbarkeit der Entscheidung gewährleisten sollen, verlören ihren Sinn, wenn der öffentliche Auftraggeber nach der Veröffentlichung der Kriterien von diesen Kriterien abweichen könnte. Die Offenlegung der Entscheidungskriterien führt daher zu einer Selbstbindung des öffentlichen Auftraggebers. Er ist verpflichtet,
alle offengelegten Kriterien in die Wertung einfließen lassen,
die offengelegte Gewichtung nicht nachträglich zu verändern und
keine zusätzlichen Kriterien heranzuziehen.
Umstritten ist die Frage, ob und inwieweit der öffentliche Auftraggeber im laufenden Vergabeverfahren – insbesondere also bei der Bewertung der Unternehmen und Angebote – zumindest noch sogenannte Unterkriterien bilden, seine im Vorhinein offengelegten Entscheidungskriterien also noch weiter konkretisieren darf. Anders gewendet: Wann hat der öffentliche Auftraggeber die letzten Details festzulegen, wie vorhersehbar muss der Entscheidungsmaßstab sein? Zu streng und unpraktikabel ist es, dem öffentlichen Auftraggeber vollständig zu verbieten, im laufenden Verfahren Unterkriterien zu bilden. Das beließe dem öffentlichen Auftraggeber keinerlei Flexibilität und verhinderte damit Einzelfallgerechtigkeit – der öffentliche Auftraggeber kann die Bandbreite möglicher Unterschiede in den Angeboten häufig nicht bis ins letzte Detail voraussehen. Richtigerweise ist im Einzelfall abzuwägen, welchen Detailgrad der öffentliche Auftraggeber erreichen kann und ab welchem Abstraktionsgrad die Chancengleichheit der Unternehmen nicht mehr gewährleistet ist.
Wenn sich später herausstellt, dass eine Vergabeentscheidung auf Grundlage der offengelegten Kriterien rechtswidrig oder unwirtschaftlich wäre (weil sich beispielsweise der Beschaffungsbedarf mittlerweile geändert hat), bleibt dem öffentlichen Auftraggeber nur die Möglichkeit, seine Kriterien öffentlich abzuändern und das Verfahren in einen Stand zurückzuversetzen, in dem sich alle interessierten Unternehmen gleichermaßen auf die veränderten Bedingungen einstellen und ihre Angebote verändern und neu einreichen können. Eine solche Möglichkeit ergibt sich aus der VgV zwar nicht ausdrücklich, wird aber als zulässiges milderes Mittel zu einer Aufhebung des Verfahrens nach § 63 Abs. 1 S. 1 VgV angesehen.
Welche der folgenden Aussagen ist nicht richtig?
- Damit die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers hinreichend vorhersehbar ist, muss der öffentliche Auftraggeber seine Entscheidungskriterien zu Beginn des Verfahrens festlegen und veröffentlichen.
- An die veröffentlichten Kriterien ist der öffentliche Auftraggeber bei der Prüfung und Wertung der Angebote gebunden.
- Wenn der öffentliche Auftraggeber später feststellt, dass die veröffentlichten Kriterien keine wirtschaftliche Vergabe ermöglichen, kann er die Kriterien abändern und die schon eingegangenen Angebote nach den neuen Kriterien werten.
Offenes Verfahren als Grundmodell
§ 119 Abs. 3 GWB und § 15 Abs. 1 S. 1 VgV definieren das offene Verfahren als ein Verfahren, in dem der öffentliche Auftraggeber eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen öffentlich zur Abgabe von Angeboten auffordert. Jedes Unternehmen kann nach § 15 Abs. 1 S. 1 VgV ein Angebot abgeben. Das offene Verfahren kann insofern als Grundmodell des Vergabeverfahrens verstanden werden, als es die Anforderungen des Transparenzgrundsatzes ideal umsetzt.
Auftragsbekanntmachung und Bereitstellung der Vergabeunterlagen
Der öffentliche Auftraggeber leitet das offene Verfahren damit ein, dass er seine Absicht, einen öffentlichen Auftrag zu vergeben, in einer Auftragsbekanntmachung unionsweit mitteilt (§ 37 Abs. 1 S. 1 VgV). Die Auftragsbekanntmachung wird gemäß § 37 Abs. 2 VgV nach einem unionsrechtlichen Muster erstellt. Die Veröffentlichung erfolgt im Supplement zum Amtsblatt der EU und kann elektronisch abgerufen werden auf der Plattform „tenders electronic daily“.
In der Auftragsbekanntmachung gibt der öffentliche Auftraggeber gemäß § 41 Abs. 1 VgV eine elektronische Adresse an, unter der die Vergabeunterlagen unentgeltlich, uneingeschränkt, vollständig und direkt abgerufen werden können. Die Vergabeunterlagen umfassen gemäß § 29 Abs. 1 VgV alle Angaben, die erforderlich sind, um den Bietern eine Entscheidung zur Teilnahme am Vergabeverfahren zu ermöglichen. Das sind nach § 29 Abs. 1 S. 2 VgV vor allem
die Aufforderung zur Abgabe von Angeboten (privatrechtlich: invitatio ad offerendum)
die Bewerbungsbedingungen, das heißt die Einzelheiten der Durchführung des Verfahrens sowie die Eignungskriterien (§ 122 Abs. 4 S. 2 GWB) und die gewichteten Zuschlagskriterien (§ 127 Abs. 5 GWB), sowie
die Vertragsunterlagen, die aus der Leistungsbeschreibung (§ 121 GWB) und den Vertragsbedingungen bestehen.
Interessierte Unternehmen finden also zu Beginn des Verfahrens vollständige Informationen darüber vor, welche Verfahrensart gewählt wurde, wie das Vergabeverfahren ablaufen wird, welchen Gegenstand der öffentliche Auftraggeber beschaffen will und wie der Vertrag (abgesehen von den erforderlichen Eintragungen und Gestaltungen des Unternehmens) später aussehen wird.
Erarbeitung und Abgabe der Angebote während der Angebotsfrist
Die Absendung der Auftragsbekanntmachung setzt die Angebotsfrist in Gang (§ 15 Abs. 2 VgV). Das ist die Frist für den Eingang der Angebote. Der öffentliche Auftraggeber hat die Dauer dieser Frist insbesondere anhand der Komplexität der Leistung zu bestimmen (§ 20 Abs. 1 S. 1 VgV) und in den Bewerbungsbedingungen anzugeben. Die Frist beträgt nach § 15 Abs. 2 VgV an sich mindestens 35 Tage. Da aber inzwischen alle öffentlichen Auftraggeber die elektronische Übermittlung der Angebote akzeptieren müssen (§ 53 Abs. 1 VgV), beträgt die Mindestfrist nach § 15 Abs. 4 VgV 30 Tage. Unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 VgV, also dem Fall einer hinreichend begründeten Dringlichkeit, kann der öffentliche Auftraggeber die Frist noch weiter verkürzen auf bis zu 15 Tage.
Die Verkürzung der Angebotsfrist war eines der zentralen Mittel, um in der Corona-Pandemie eilbedürftige Beschaffungsvorhaben im Wettbewerb durchführen zu können.
Innerhalb der Angebotsfrist kann gemäß § 15 Abs. 1 S. 2 VgV jedes interessierte Unternehmen ein Angebot erarbeiten und abgeben. Dieses Angebot enthält zum einen die leistungsbezogenen Erklärungen. Das Unternehmen hat sich mit den vom öffentlichen Auftraggeber vorgegebenen Vertragsbedingungen einverstanden zu erklären, geforderte Preise anzugeben und, soweit die Leistungsbeschreibung den Unternehmen Spielräume belässt, den Vertragsgegenstand zu konkretisieren. Diese Erklärungen des Unternehmens bilden privatrechtlich einen rechtsgeschäftlichen Antrag (§ 145 BGB). Daneben enthält das Angebot auch unternehmensbezogene Unterlagen, die sich im Vertrag selbst nicht niederschlagen und rein vergabeverfahrensrechtliche Fragen betreffen, namentlich die Eignung des Unternehmens darlegen. Der vergaberechtliche Begriff des Angebots ist somit weiter als der privatrechtliche Begriff des Antrags.
Privatrechtlich kann der einem Abwesenden gemachte Antrag an sich nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf (§ 147 Abs. 2 BGB). Erfolgt die Annahme nicht rechtzeitig, erlischt nach § 146 BGB der Antrag. Damit nun der öffentliche Auftraggeber genug Zeit für die Prüfung und Wertung der Angebote hat, müssen Unternehmen in ihrem Angebot erklären, dass sie sich bis zum Ablauf einer vom Auftraggeber bestimmten Frist im Sinne des § 148 BGB an ihren Antrag binden (Bindefrist).
Unternehmen dürfen grundsätzlich nur ein einziges Angebot abgeben. Eine Ausnahme besteht dann, wenn der öffentliche Auftraggeber in der Auftragsbekanntmachung sogenannte Nebenangebote zugelassen hat (§ 35 Abs. 1 S. 1 VgV). Nebenangebote zeichnen sich dadurch aus, dass sie von der vorgesehenen Leistungsausführung abweichen, also etwas anderes enthalten als das, was der öffentliche Auftraggeber in der Leistungsbeschreibung festgelegt hat. Sinn der Zulassung von Nebenangeboten ist es, sich die Fachkunde und Kreativität von Unternehmen zunutze zu machen, die unter Umständen bessere Lösungen als der öffentliche Auftraggeber dafür finden, wie sich eine staatliche Aufgabe erledigen lässt. Auch mit Blick auf Nebenangebote müssen Unternehmen aber bestimmte Mindestanforderungen aus den Vergabeunterlagen erfüllen (§ 35 Abs. 2 S. 1 VgV).
Welche der folgenden Aussagen ist richtig?
- Das Vergabeverfahren beginnt mit der Auftragsbekanntmachung, aufgrund deren die Unternehmen unter anderem eine Aufforderung zur Angebotsabgabe und Informationen zum Beschaffungsbedarf und Verfahren elektronisch abrufen können.
- Die Vergabeunterlagen enthalten einen privatrechtlichen Antrag des öffentlichen Auftraggebers.
- Unternehmen können ihre Chancen dadurch erhöhen, dass sie mehrere unterschiedliche Angebote einreichen.
Öffnung, Prüfung und Wertung der Angebote nach Ablauf der Angebotsfrist
Erst nach dem Ablauf der Angebotsfrist darf der öffentliche Auftraggeber Kenntnis vom Inhalt der Angebote nehmen (vgl. § 54 S. 1, § 55 Abs. 1 VgV). Die Angebote sind gemäß § 55 Abs. 2 S. 1 VgV unverzüglich nach Ablauf der Angebotsfrist zu öffnen. Mit dem Ablauf der Angebotsfrist und der damit verbundenen rechtlichen Möglichkeit der Kenntnisnahme gehen die Anträge der Bieter dem öffentlichen Auftraggeber im privatrechtlichen Sinne zu und sind ab diesem Zeitpunkt unwiderruflich (§ 130 Abs. 1 und Abs. 3 BGB). Die Bieter sind fortan an ihren Antrag gebunden (§ 145 BGB). Zugleich greift nach § 15 Abs. 5 S. 2 VgV ein strenges Nachverhandlungsverbot: Nach § 15 Abs. 5 S. 1 VgV darf der öffentliche Auftraggeber bei Zweifeln oder Unklarheiten zwar Aufklärung über das Angebot oder die Eignung zu verlangen, zu inhaltlichen Änderungen Änderungen der Angebote oder Preise darf es aus Gründen der Chancengleichheit der Unternehmen aber auf keinen Fall kommen.
Die Prüfung und Wertung erfolgt auf den oben dargestellten verschiedenen Wertungsstufen, die wir später näher beleuchten.
Gemäß § 42 Abs. 1 VgV überprüft der öffentliche Auftraggeber, ob die Bieter die in den Vergabeunterlagen bekanntgemachten Anforderungen an die Eignung erfüllen und keine Ausschlussgründe nach §§ 123, 124 GWB vorliegen. Andernfalls schließt er Bieter vom Vergabeverfahren aus.
Die Angebote überprüft der öffentliche Auftraggeber nach § 56 Abs. 1 VgV auf Vollständigkeit sowie fachliche und rechnerische Richtigkeit. Nach § 57 Abs. 1 VgV schließt der öffentliche Auftraggeber Angebote aus, die formalen oder inhaltlichen Anforderungen nach § 53 VgV nicht genügen. Das betrifft vor allem Angebote, die nicht frist- oder formgerecht eingegangen sind oder nicht die geforderten Unterlagen enthalten. Nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV sind auch Angebote auszuschließen, bei denen Änderungen oder Ergänzungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen worden sind. Das erfasst Fälle, in denen ein Angebot nicht der Leistungsbeschreibung entspricht, im Ergebnis also eine andere als die geforderte Leistung verspricht, oder in denen ein Bieter sich nicht mit den Vertragsbedingungen einverstanden erklärt oder seinem Angebot die eigenen AGB zugrunde gelegt hat.
Die noch vorhandenen Angebote vergleicht der öffentliche Auftraggeber anhand der Zuschlagskriterien, um das Angebot mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis und damit das wirtschaftlichste Angebot zu bestimmen (§ 127 Abs. 1 GWB, § 58 Abs. 1 und Abs. 2 VgV).
Im Rahmen dieser Wertung hat der öffentliche Auftraggeber die Möglichkeit, nach § 56 Abs. 2 VgV fehlende unternehmensbezogene Unterlagen nachzufordern. Gleiches gilt für Preisangaben, wenn es sich lediglich um unwesentliche Einzelpositionen handelt, deren Einzelpreise den Gesamtpreis nicht verändern oder die Wertungsreihenfolge und den Wettbewerb nicht beeinträchtigen (§ 56 Abs. 3 S. 2 VgV). In beiden Fällen hat der öffentliche Auftraggeber Ermessen (§ 40 VwVfG), das ihm etwas Flexibilität einräumen soll, bei dessen Ausübung er die Chancengleichheit der Bieter gewährleisten muss. Andere leistungsbezogene Unterlagen darf der öffentliche Auftraggeber nach § 56 Abs. 3 S. 1 VgV nicht nachfordern: Fehlen sie, ist das Angebot nach § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV umgehend auszuschließen.
Verfahrensabschluss: Erteilung des Zuschlags oder Aufhebung des Verfahrens
Abschließen kann der öffentliche Auftraggeber das Verfahren auf zwei verschiedene Wege. Eine Möglichkeit ist es, den Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen (§ 127 Abs. 1 S. 1 GWB, § 58 Abs. 1 VgV) und damit den privatrechtlichen Vertrag mit dem betreffenden Bieter zustande zu bringen. Wie oben dargestellt muss der öffentliche Auftraggeber nach § 134 Abs. 1 und Abs. 2 GWB zuvor die unterlegenen Bieter informieren und mit dem Zuschlag 15 Tage warten, damit unterlegene Bieter effektiv Primärrechtsschutz suchen können. Denn ein wirksam erteilter Zuschlag kann gemäß § 168 Abs. 2 S. 1 GWB grundsätzlich nicht mehr aufgehoben werden. Abgesichert wird die Vorabinformations- und Wartepflicht durch die Rechtsfolge des § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB: Ein öffentlicher Auftrag ist von Anfang an unwirksam, wenn der öffentliche Auftraggeber gegen § 134 GWB verstoßen hat und dieser Verstoß in einem Nachprüfungsverfahren festgestellt worden ist. Hat der öffentliche Auftraggeber den Zuschlag erteilt, muss er innerhalb von 30 Tagen eine Vergabebekanntmachung mit den Ergebnissen des Verfahrens an das Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union übermitteln (§ 39 Abs. 1 VgV).
Anstatt den Zuschlag zu erteilen, kann der öffentliche Auftraggeber auch das Vergabeverfahren nach § 63 Abs. 1 VgV aufheben. Nach § 63 Abs. 1 S. 1 VgV ist er berechtigt, ein Vergabeverfahren ganz oder teilweise aufzuheben, wenn kein Angebot eingegangen ist, das den Bedingungen entspricht, sich die Grundlage des Vergabeverfahrens wesentlich geändert hat, kein wirtschaftliches Ergebnis erzielt wurde oder andere schwerwiegende Gründe bestehen. Bei der Entscheidung muss der öffentliche Auftraggeber in jedem Fall die Chancengleichheit der Unternehmen (§ 97 Abs. 2 GWB) gewährleisten – eine Aufhebung des Verfahrens darf nicht dazu dienen, einem unliebsamen Unternehmen den Auftrag zu verweigern. Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit (§ 97 Abs. 1 S. 2 GWB) zwingt indessen dazu, den Zuschlag dann nicht zu erteilen, wenn mit der angebotenen Leistung die Verwaltungsaufgabe nicht erledigt werden kann oder wenn auch das wirtschaftlichste Angebot nicht wirtschaftlich genug ist, also erheblich von der Kostenschätzung des öffentlichen Auftraggebers abweicht und das Budget sprengt. Auch im Übrigen ist der öffentliche Auftraggeber nach § 63 Abs. 1 S. 2 VgV grundsätzlich nicht verpflichtet, den Zuschlag zu erteilen. Verweigert der öffentliche Auftraggeber den Zuschlag auf dieser Grundlage – das heißt ohne triftigen Aufhebungsgrund nach § 63 Abs. 1 S. 1 VgV –, verletzt er damit unter Umständen eine vorvertragliche Pflicht nach §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB und löst Schadensersatzansprüche nach § 280 Abs. 1 BGB aus. Diese Ansprüche sind auf Ersatz des negativen Interesses gerichtet, das heißt desjenigen Aufwands, der mit der Erarbeitung des Angebots verbunden war.
Welche der folgenden Aussagen ist richtig?
- Der öffentliche Auftraggeber darf die Angebote erst nach Ablauf der Angebotsfrist öffnen.
- Der öffentliche Auftraggeber kann mit den Unternehmen über den Inhalt ihrer Angebote verhandeln, um die Angebote noch besser zu machen.
- Auf das wirtschaftlichste Angebote muss der öffentliche Auftraggeber zwingend den Zuschlag erteilen.
Nichtoffenes Verfahren als gleichberechtigte Modifikation des Grundmodells (§ 119 Abs. 4 GWB)
Das nichtoffene Verfahren ist nach § 119 Abs. 4 GWB ein Verfahren, bei dem der öffentliche Auftraggeber nach vorheriger öffentlicher Aufforderung zur Teilnahme eine beschränkte Anzahl von Unternehmen auswählt, die er zur Abgabe von Angeboten auffordert und die daraufhin ein Angebot abgeben dürfen. Das Grundmodell des offenen Verfahrens wird also dadurch modifiziert, dass dem eigentlichen Verfahren ein sogenannter Teilnahmewettbewerb vorgeschaltet wird (I.). Öffentlichen Auftraggebern stehen das offene Verfahren und das nicht offene Verfahren gemäß § 119 Abs. 2 S. 1 GWB und § 14 Abs. 2 S. 1 VgV nach ihrer Wahl zur Verfügung (II.).
Besonderheiten des nichtoffenen Verfahrens
Die Besonderheit des nichtoffenen Verfahrens ist der vorgeschaltete Teilnahmewettbewerb. Der öffentliche Auftraggeber fordert zunächst gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 VgV eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen öffentlich zur Abgabe von Teilnahmeanträgen auf. Anders als im offenen Verfahren enthalten also die Vergabeunterlagen, die von den Unternehmen infolge der Auftragsbekanntmachung abgerufen werden können, nach § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VgV noch keine Aufforderung zur Abgabe von Angeboten, sondern nur eine Aufforderung zur Abgabe von Teilnahmeanträgen. Sinn des Teilnahmewettbewerbs ist es, die Eignung der Unternehmen vorab zu prüfen (§ 16 Abs. 1 S. 3 VgV) und gegebenenfalls auch die Zahl geeigneter Bewerber zu begrenzen, die zur Angebotsabgabe aufgefordert werden (§ 16 Abs. 4 S. 2 VgV). Dafür muss der öffentliche Auftraggeber in den Vergabeunterlagen genau wie im offenen Verfahren die Eignungskriterien als Teil der Bewerbungsbedingungen angeben (§ 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 VgV). Soweit später auch die Zahl geeigneter Bewerber noch weiter begrenzt werden soll, bedarf es hier aber – anders als im offenen Verfahren – nicht bloßer Mindestanforderungen an die Eignung, sondern „objektiver, transparenter und nichtdiskriminierender Kriterien“, anhand deren das Maß der Eignung verglichen und besonders geeignete Bewerber ausgewählt werden können (§ 51 Abs. 1 VgV).
Unternehmen geben ihre Teilnahmeanträge mit den geforderten Informationen für die Eignungsprüfung innerhalb der Teilnahmefrist des § 16 Abs. 2 VgV ab. Die Teilnahmefrist beträgt mindestens 30 Tage, kann aber nach § 16 Abs. 3 VgV wiederum in Fällen hinreichend begründeter Dringlichkeit auf mindestens 15 Tage verkürzt werden. Der öffentliche Auftraggeber prüft sodann anhand der festgelegten Kriterien die Eignung und begrenzt gegebenenfalls zusätzlich die Zahl der Bewerber anhand eines Eignungsvergleichs. Die ausgewählten Bewerber fordert der öffentliche Auftraggeber sodann zur Angebotsabgabe auf (§ 16 Abs. 4 S. 1 VgV). Die Mindestzahl der einzuladenden Bewerber darf nicht niedriger als fünf sein; in jedem Fall muss ausreichender Wettbewerb gewährleistet sein (§§ 51 Abs. 2 S. 1 und S. 2 VgV). Die Aufforderung zur Angebotsabgabe setzt die Angebotsfrist in Gang (§ 16 Abs. 5 VgV). Der weitere Verfahrensablauf entspricht demjenigen des offenen Verfahrens.
Zulässigkeit des nichtoffenen Verfahrens
Nach § 119 Abs. 3 S. 1 GWB und § 14 Abs. 2 S. 1 VgV stehen dem öffentlichen Auftraggeber das offenen und das nichtoffene Verfahren nach seiner Wahl zur Verfügung. In der Gesetzesbegründung nimmt der Gesetzgeber eine Wahlfreiheit zwischen den beiden Verfahren an, die dem öffentlichen Auftraggeber Flexibilität einräumen und von gesetzlichen Voraussetzungen freistellen soll. Allerdings wirken auch auf die Wahl der Verfahrensart die Grundsätze des Vergaberechts ein. Schon nach herkömmlichen verwaltungsrechtlichen Regeln muss der öffentliche Auftraggeber bei der Ausübung seines Ermessens (§ 40 VwVfG) höherrangiges Recht wahren und widerstreitende Prinzipien ausgleichen.
Die Chancengleichheit der Unternehmen (§ 97 Abs. 2 GWB) spricht regelmäßig für die Wahl des offenen Verfahrens. Denn im offenen Verfahren entscheidet der öffentliche Auftraggeber allein nach angebotsbezogenen Kriterien, sodass all diejenigen Bieter mit ihrem Angebot dieselben Chancen haben, die nicht aus zwingenden oder fakultativen Gründen ausgeschlossen werden. Dagegen können im nichtoffenen Verfahren im Rahmen des Teilnahmewettbewerbs auch an sich geeignete Unternehmen ausgeschlossen werden, weil sie einen geringeren Grad an Eignung aufweisen als andere Unternehmen. Damit erhalten weniger Unternehmen die Gelegenheit, den öffentlichen Auftraggeber von ihrem Angebot zu überzeugen. Insofern bietet das offene Verfahren mehr Wettbewerb.
Unterschiedliche Wirkungen haben die beiden Verfahrensarten im Hinblick auf den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit (§ 97 Abs. 1 S. 2 GWB). Vorteil des offenen Verfahrens ist insofern, dass der Auftraggeber die Angebote aller interessierten Bieter erhält; somit besteht nicht wie im nichtoffenen Verfahren die Gefahr, dass dem öffentlichen Auftraggeber ein besonders günstiges oder wertvolles Angebot entgeht, weil er das betreffende Unternehmen nicht zur Angebotsabgabe aufgefordert hat. Vorteil des nicht offenen Verfahrens kann hingegen sein, dass die Zuschlagschancen der nach dem Teilnahmewettbewerb aufgeforderten Bieter höher sind als im offenen Verfahren, was die Bereitschaft zur Abgabe eines Angebots steigern und somit letztlich den Wettbewerb erhöhen kann. Für den öffentlichen Auftraggeber kann der Vorteil des nichtoffenen Verfahrens darin bestehen, dass ihm ein geringerer Aufwand bei der Angebotswertung entsteht, weil er weniger Angebote prüfen muss.
Welche der folgenden Aussagen ist richtig?
- Das nichtoffene Verfahren unterscheidet sich vom offenen Verfahren dadurch, dass die Prüfung der Angebote vor den übrigen Teil des Verfahrens geschaltet wird.
- Im Teilnahmewettbewerb kann die Zahl der zuzulassenden Bieter aufgrund vergleichender Eignungskriterien reduziert werden.
- Es steht im freien Belieben des öffentlichen Auftraggebers, ob er das offenen oder das nichtoffene Verfahren wählt.
Besondere Verfahrensarten mit weiteren Modifikationen des Grundmodells
Die weiteren Verfahrensarten ergeben sich aus § 119 Abs. 5–7 GWB. Diese Verfahrensarten stehen dem öffentlichen Auftraggeber gemäß § 119 Abs. 2 S. 2 GWB nur dann zur Verfügung, wenn dies gesondert gestattet ist. Wenn die VgV die Wahl einer besonderen Verfahrensart gestattet, hat der öffentliche Auftraggeber in aller Regel Ermessen, ob er die besondere Verfahrensart wählt oder doch auf das offene oder nichtoffene Verfahren zurückgreift. Auch bei dieser Entscheidung muss der öffentliche Auftraggeber dann die Grundsätze des Vergaberechts aus § 97 Abs. 2 GWB ausgleichen. Ausnahmsweise kann dann – trotz Vorliegens eines Gestattungsgrunds – die Wahl einer besonderen Verfahrensart wegen der Grundsätze des Vergaberechts unzulässig sein.
Verhandlungsverfahren (§ 119 Abs. 5 GWB)
Besonderheiten des Verhandlungsverfahrens
Das Verhandlungsverfahren ist gemäß § 119 Abs. 5 GWB ein Verfahren, bei dem sich der öffentliche Auftraggeber an ausgewählte Unternehmen wendet, um mit einem oder mehreren dieser Unternehmen über die Angebote zu verhandeln. Das Verhandlungsverfahren wird mit oder ohne Teilnahmewettbewerb eingeleitet:
Der Teilnahmewettbewerb läuft genauso ab wie beim nichtoffenen Verfahren (§ 17 Abs. 1–4 VgV). Nach Durchführung des Teilnahmewettbewerbs fordert der öffentliche Auftraggeber mindestens drei Bewerber (§ 51 Abs. 2 S. 1 VgV) dazu auf, ein Erstangebot abzugeben.
Findet kein Teilnahmewettbewerb statt, wählt der öffentliche Auftraggeber unmittelbar Unternehmen aus und fordert diese dazu auf, ein Erstangebot abzugeben (§ 17 Abs. 5 VgV). Als eine solche Auftragsvergabe im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb ist auch der Fall einer freihändigen, direkten Vergabe zu verstehen, in dem der öffentliche Auftraggeber von vornherein nur mit einem einzigen Unternehmen in Verhandlungen tritt und diesem schließlich den Auftrag erteilt.
Zentraler Unterschied zwischen dem Verhandlungsverfahren einerseits und dem offenen und nichtoffenen Verfahren andererseits ist die sich anschließende Verhandlungsphase. Das im offenen und nichtoffenen Verfahren geltende Nachverhandlungsverbot (§ 15 Abs. 5 S. 2 und § 16 Abs. 9 VgV) gilt nach § 17 Abs. 10 S. 1 VgV im Verhandlungsverfahren nur für die „endgültigen Angebote“. Über die eingereichten Erstangebote und alle Folgeangebote soll hingegen mit dem Ziel verhandelt werden, die Angebote inhaltlich zu verbessern. Gegenstand der Verhandlungen ist der gesamte Angebotsinhalt mit Ausnahme der vom öffentlichen Auftraggeber in den Vergabeunterlagen festgelegten Mindestanforderungen und Zuschlagskriterien (§ 17 Abs. 10 S. 2 VgV). Die Ausnahme soll gewährleisten, dass das Beschaffungsvorhaben identisch bleibt, also nicht im Laufe des Verfahrens der Beschaffungsgegenstand gegen einen gänzlich anderen eingetauscht wird. Der öffentliche Auftraggeber kann die Verhandlungen gemäß § 17 Abs. 12 S. 1 VgV in verschiedenen aufeinanderfolgenden Phasen abwickeln und dabei die Zahl der Angebote, über die verhandelt wird, anhand der vorgegebenen Zuschlagskriterien verringern. § 17 Abs. 13 S. 1 VgV erinnert den öffentlichen Auftraggeber an den Grundsatz der Gleichbehandlung. Insbesondere darf er die Chancengleichheit der Bieter nicht dadurch beeinträchtigen, dass er Bieter ungleich informiert (§ 17 Abs. 13 S. 2 VgV). Ändert er die Leistungsbeschreibung oder die Vergabeunterlagen, unterrichtet er alle Bieter darüber und gibt ihnen ausreichend Zeit, um die Angebote zu überarbeiten (§ 17 Abs. 13 S. 3 und S. 4 VgV).
An die Verhandlungsphase schließt sich die Schlussphase an. Um diese einzuleiten, fordert der öffentliche Auftraggeber gemäß § 17 Abs. 14 S. 1 VgV die verbleibenden Bieter zur Abgabe eines endgültigen Angebots auf. Gemäß § 17 Abs. 12 S. 2 VgV müssen noch so viele Angebote vorliegen, dass der Wettbewerb gewährleistet ist. In der Schlussphase gilt nach § 17 Abs. 10 S. 1 VgV das Nachverhandlungsverbot. Der öffentliche Auftraggeber überprüft die Angebote daraufhin, ob sie die Mindestanforderungen erfüllen, und entscheidet über den Zuschlag auf Grundlage der Zuschlagskriterien (§ 17 Abs. 14 S. 2 VgV). Danach schließt er das Verfahren wie im offenen Verfahren ab.
Zulässigkeit des Verhandlungsverfahrens
Die Verhandlung über den Angebotsinhalt birgt nicht unerhebliche Risiken für die Grundsätze der Chancengleichheit der Unternehmen und der Transparenz. Das gilt schon für das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb, aber noch in viel größerem Ausmaß für das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb, bei dem es zudem an jeglicher öffentlichen Aufforderung – zur Angebotsabgabe wie zur Abgabe eines Teilnahmeantrags – und damit vollständig an Transparenz fehlt. Entsprechend eng gefasst sind die Gestattungsgründe, die § 14 Abs. 3 VgV (Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb) und § 14 Abs. 4 VgV (Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb) abschließend aufzählen. Liegen die Voraussetzungen für ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb nicht vor, vergibt der öffentliche Auftraggeber den Auftrag aber dennoch ohne vorherige Bekanntmachung, knüpft § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB hieran die schwerwiegende Rechtsfolge, dass der Vertrag im Nachprüfungsverfahren für unwirksam zu erklären ist.
Die Gründe für ein Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb in § 14 Abs. 3 VgV betreffen im Wesentlichen Fälle, in denen eine Vergabe im offenen oder nicht offenen Verfahren keine zufriedenstellenden Ergebnisse erwarten lässt:
So gestattet § 14 Abs. 3 Nr. 1 VgV das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb, wenn die Bedürfnisse des öffentlichen Auftraggebers nicht ohne die Anpassung bereits verfügbarer Leistungen erfüllt werden können. Für den Erwerb bereits auf dem Markt erhältlicher Standardleistungen ist das Verhandlungsverfahren im Umkehrschluss nicht vorgesehen.
§ 14 Abs. 3 Nr. 2 VgV fordert, dass der Auftrag konzeptionelle oder innovative Lösungen umfasst. In der Regel geht es hier um Fälle, in denen der öffentliche Auftraggeber die Leistung nur funktional beschreiben kann, das heißt mit Blick auf die zu lösende Aufgabe, etwa weil ein komplexes IT-Problem besteht. Charakteristikum dieser Fälle ist häufig, dass der öffentliche Auftraggeber die Verhandlung über die Erstangebote der Bieter benötigt, um eingereichte Lösungskonzepte überhaupt beurteilen und vergleichen zu können.
§ 14 Abs. 3 Nr. 3 VgV erfasst Fälle, in denen der Auftrag nicht ohne vorherige Verhandlungen vergeben werden kann und dies auf der Art, der Komplexität oder dem rechtlichen oder finanziellen Rahmen oder den Risiken beruht.
Die Voraussetzungen in § 14 Abs. 3 Nr. 4 VgV betreffen den Fall, dass die Leistung, insbesondere ihre technischen Anforderungen, vom öffentlichen Auftraggeber nicht mit ausreichender Genauigkeit beschrieben werden kann.
Und § 14 Abs. 3 Nr. 5 VgV gestattet ein Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb, wenn im Rahmen eines vorherigen offenen oder nichtoffenen Verfahrens keine ordnungsgemäßen oder nur unannehmbare Angebote eingereicht wurden.
Besonders hohe Anforderungen enthalten die Ausnahmetatbestände des § 14 Abs. 4 VgV an die Zulässigkeit des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb. Beispielhaft sind folgende Fälle zu nennen:
§ 14 Abs. 4 Nr. 1 VgV setzt voraus, dass in einem offenen Verfahren oder nicht offenen Verfahren keine oder keine geeigneten Angebote oder Teilnahmeanträge eingegangen sind und die ursprünglichen Auftragsbedingungen nicht grundlegend geändert werden. Diese Anforderungen sind ausweislich der jeweiligen Legaldefinitionen strenger als diejenigen in § 14 Abs. 3 Nr. 5 VgV.
§ 14 Abs. 4 Nr. 2 VgV betrifft den Fall, dass der Auftrag nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht werden kann. Das hängt maßgeblich von der Festlegung des Beschaffungsgegenstands ab. Zwar ist der öffentliche Auftraggeber vergaberechtlich frei darin, welchen Gegenstand er beschaffen will. Allerdings muss er diesen Gegenstand produktneutral und diskriminierungsfrei ausschreiben (§ 31 Abs. 6 VgV). Daraus folgt, dass der öffentliche Auftraggeber eine Leistung nur dann derart konkretisiert auf einen bestimmen Bieter zuschneiden darf, wenn dafür nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe vorliegen. § 14 Abs. 4 Nr. 2 VgV zählt Gründe auf, in denen das der Fall sein kann (Beispiel: gewerbliche Schutzrechte, die eine Leistungserbringung durch ein anderes als das angesprochene Unternehmen verbieten).
§ 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV kann ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb dann erfolgen, wenn äußerst dringliche, zwingende Gründe vorliegen, die es nicht zulassen, die Mindestfristen des offenen, nichtoffenen oder des Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb einzuhalten. Die Dringlichkeit muss aus einem für den Auftraggeber unvorhersehbaren Ereignis resultieren. Typisches Beispiel sind Brand- und Sturmschäden. Auch in der Corona-Pandemie wurde etwa bei der Beschaffung von medizinischem Bedarf, Masken und Corona-Test-Dienstleistungen regelmäßig auf diesen Zulässigkeitstatbestand zurückgegriffen. Mit Blick auf das Ermessen ist aber auch bei § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV stets zu fragen, ob nicht ein Mindestmaß an Wettbewerb (§ 97 Abs. 1 S. 1 GWB) möglich ist. Wenn also andere Unternehmen etwa schon ihre Leistungsfähigkeit und -bereitschaft eigeninitiativ angezeigt haben, kann es unverhältnismäßig sein, nur mit einem einzigen Unternehmen in Verhandlungen zu treten. Daher war im Eingangsbeispiel die Auftragsvergabe des Landes Mecklenburg-Vorpommern an den Betreiber der Luca-App rechtswidrig.
OLG Rostock, COVuR 2022, 17 ff.
Welche der folgenden Aussagen ist nicht richtig?
- Das Verhandlungsverfahren zeichnet sich besonders dadurch aus, dass das Nachverhandlungsverbot nicht durchgehend gilt.
- Im Verhandlungsverfahren kann es zulässig sein, nur auf ein einziges Unternehmen zuzugehen und damit letztlich keinerlei Wettbewerb zuzulassen.
- An die Zulässigkeit des Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb stellt die VgV höhere Voraussetzungen als an die Zulässigkeit des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb.
Wettbewerblicher Dialog (§ 119 Abs. 6 GWB)
Besonderheiten des wettbewerblichen Dialogs
Der wettbewerbliche Dialog ist nach § 119 Abs. 6 S. 1 GWB ein Verfahren mit dem Ziel der Ermittlung und Festlegung der Mittel, mit denen die Bedürfnisse des öffentlichen Auftraggebers am besten erfüllt werden können. Das Verfahren weist viele Parallelen zum Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb auf. Zentraler Unterschied zum Verhandlungsverfahren ist, dass der wettbewerbliche Dialog zwischen öffentlichem Auftraggeber und den Bietern nicht auf der Grundlage von Erstangeboten der Bieter stattfindet. Stattdessen werden erst im Dialog die Bedürfnisse und Anforderungen des öffentlichen Auftraggebers ermittelt, damit der Beschaffungsbedarf im Anschluss an den Dialog hinreichend genau beschreiben werden kann.
Der wettbewerbliche Dialog beginnt nach § 119 Abs. 6 S. 2 GWB zwingend mit einem Teilnahmewettbewerb, wie wir ihn aus dem nichtoffenen Verfahren kennen. Der öffentliche Auftraggeber fordert gemäß § 18 Abs. 4 S. 1 VgV eine beschränkte Anzahl geeigneter Unternehmen zum Dialog auf. Kern des Verfahrens ist die sich anschließende Dialogphase. Ähnlich dem Verhandlungsverfahren kann während der Dialogphase über den Beschaffungsbedarf des öffentlichen Auftraggebers frei verhandelt werden. Auch hier ist es möglich, den Dialog in verschiedenen aufeinanderfolgenden Phasen zu führen und die Zahl der zu erörternden Lösungen anhand der vorgegebenen Zuschlagskriterien zu verringern (§ 18 Abs. 6 VgV).
Nach Ermittlung seiner Bedürfnisse und Anforderungen schließt der öffentliche Auftraggeber die Dialogphase ab (§ 18 Abs. 7 S. 1 VgV) und fordert die verbliebenen Bieter zur Abgabe endgültiger Angebote auf (§ 18 Abs. 8 S. 1 VgV). Ab diesem Zeitpunkt gilt ein Nachverhandlungsverbot hinsichtlich der wesentlichen Bestandteile des Angebots oder Auftrags (§ 18 Abs. 9 S. 3 VgV). Allerdings kann der öffentliche Auftraggeber gemäß § 18 Abs. 9 S. 2 VgV mit dem Unternehmen, welches das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat, mit dem Ziel verhandeln, dass finanzielle Zusagen oder andere Bedingungen bestätigt werden, die in den Auftragsbedingungen abschließend festgelegt werden. Der Verfahrensabschluss entspricht demjenigen des offenen Verfahrens.
Zulässigkeit des wettbewerblichen Dialogs
Der wettbewerbliche Dialog ist unter den gleichen Voraussetzungen zulässig wie das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb (§ 14 Abs. 3 VgV). Sinnvoll erscheint die Wahl des wettbewerblichen Dialogs dann, wenn der öffentliche Auftraggeber wegen der Komplexität des Beschaffungsvorhabens zur Erarbeitung einer Leistungsbeschreibung auf Lösungsvorschläge fachkundiger Unternehmen angewiesen ist. Nach Vorstellung des EU-Gesetzgebers sind das insbesondere Public-Private-Partnership-Projekte mit Lebenszyklusansatz. Jedenfalls unzulässig ist der wettbewerbliche Dialog für Standarddienstleistungen oder Standardlieferungen, die am Markt erhältlich sind.
Genau wie bei der Wahl zwischen offenem und nichtoffenem Verfahren muss der Auftraggeber bei der Entscheidung zwischen Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb und wettbewerblichem Dialog die Grundsätze des Vergaberechts aus § 97 GWB ausgleichen. Die Grundsätze der Chancengleichheit und Transparenz sind beim wettbewerblichen Dialog in höherem Maße gefährdet als im Verhandlungsverfahren. Denn der Dialog des öffentlichen Auftraggebers mit ausgewählten Bietern über alle Aspekte des zu vergebenden Auftrags noch vor der Abgabe von Erstangeboten erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass bestimmte Bieter maßgeblichen Einfluss auf die Zuschlagskriterien nehmen. Damit kann es eher zur Erstellung „passgenauer“ Vertragsbestandteile kommen, die bereits auf einige wenige oder gar einen bestimmten Bieter zugeschnitten sind. Daher darf sich der öffentliche Auftraggeber für den wettbewerblichen Dialog nur dann entscheiden, wenn er bei Einleitung des Verfahrens noch nicht in der Lage ist, konkrete Vertragsbedingungen für seinen Beschaffungsbedarf zu bestimmen.
Innovationspartnerschaft (§ 119 Abs. 7 GWB)
Besonderheiten der Innovationspartnerschaft
§ 119 Abs. 7 S. 1 GWB definiert die Innovationspartnerschaft als ein Verfahren zur Entwicklung innovativer, noch nicht auf dem Markt verfügbarer Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen und zum anschließenden Erwerb der daraus hervorgehenden Leistungen. Die Vorschrift ermöglicht ein zweistufiges Vertragsmodell, bei dem der öffentliche Auftraggeber nach der Entwicklungstätigkeit des Innovationspartners die entwickelte Leistung von diesem erwerben kann, ohne ein neuerliches Vergabeverfahren durchführen zu müssen.
Das Verfahren ist angelehnt an die Regelungen über das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb. Einem Teilnahmewettbewerb (§ 19 Abs. 2 VgV) schließen sich Verhandlungen mit ausgewählten Bietern über deren Erstangebote und alle Folgeangebote mit dem Ziel an, die Angebote inhaltlich zu verbessern (§ 19 Abs. 5 VgV). Nach Abschluss der Verhandlungsphase wird durch Zuschlag auf das Angebot eines oder mehrerer Bieter eine Innovationspartnerschaft eingegangen (§ 19 Abs. 7 S. 1 VgV). Die Ausführungsphase wird gemäß § 19 Abs. 8 S. 1 VgV in die Forschungs- und Entwicklungsphase und die anschließende Leistungsphase aufgeteilt. Beide Phasen sind gemäß § 19 Abs. 8 S. 2 VgV wiederum in Zwischenziele zu untergliedern. Auf der Grundlage dieser Zwischenziele kann der öffentliche Auftraggeber gemäß § 19 Abs. 9 VgV am Ende jedes Entwicklungsabschnitts entscheiden, ob er die Innovationspartnerschaft beendet oder einzelnen Partnern kündigt. Zum Erwerb der innovativen Liefer- oder Dienstleistung ist der öffentliche Auftraggeber gemäß § 19 Abs. 10 VgV nur verpflichtet, wenn das festgelegte Leistungsniveau und die Kostenobergrenze eingehalten werden.
Zulässigkeit der Innovationspartnerschaft
§ 119 Abs. 7 S. 1 GWB lässt sich als Zulässigkeitsvoraussetzung der Innovationspartnerschaft nur entnehmen, dass der Beschaffungsbedarf des öffentlichen Auftraggebers nicht durch auf dem Markt verfügbare Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen gedeckt werden kann. Keinesfalls zulässig ist die Durchführung einer Innovationspartnerschaft also zur bloßen Schaffung eines Innovationsnetzwerks ohne konkretes Beschaffungsziel. Wie sich die Zulässigkeit der Innovationspartnerschaft zur Zulässigkeit der anderen besonderen Verfahrensarten verhält, ob namentlich die Innovationspartnerschaft nachrangig ist, ist unklar und umstritten.
Welche der folgenden Aussagen ist nicht richtig?
- Der wettbewerbliche Dialog ist ein Verfahren für Fälle, in denen der öffentliche Auftraggeber zunächst gar nicht so genau weiß, was er eigentlich beschaffen will.
- Die Innovationspartnerschaft zeichnet sich besonders durch eine zweistufige Ausführungsphase aus, bestehend aus Forschungs- und Entwicklungsphase und anschließender Leistungsphase.
- Wettbewerblicher Dialog und Innovationspartnerschaft sind mit und ohne Teilnahmewettbewerb möglich.
Literatur
Burgi, Vergaberecht, 3. Auflage 2021, § 13
Pünder, in Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht Band 1, 4. Auflage 2019, § 17 Vergaberecht, Rn. 116–157
Pünder/Buchholtz, Einführung in das Vergaberecht (Teil 2): Auswahlkriterien, Verfahrensarten und Rechtsschutzmöglichkeiten, JURA 2016, 1358 (1363–1367)