Kilian Wegner Strafrecht AT I: Übungsfälle Licensed under CC-BY-4.0

Einheit 9: Wiederholung und Vertiefung Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe (Sachverhalt)

Fall 1

(nach BVerfGE 115, 118; v. Schirach, Terror, 2015)

Am 26. Mai 2013 bringt Terrorist T ein Passagierflugzeug vom Typ Airbus A320 auf dem Flug LH 2047 von Berlin nach München in seine Gewalt. Neben T befinden sich 164 Personen an Bord (Crew und Passagiere). T schließt sich mit dem Piloten P in das Cockpit ein und zwingt diesen, der Flugsicherung über Funk bekannt zu geben, dass die Maschine Kurs auf die Münchener Allianz-Arena nehme, wo gerade vor 70.000 Zuschauern ein Fußball-Länderspiel stattfindet. Daraufhin startet eine Alarmrotte der Bundeswehr mit zwei Kampfflugzeugen und schließt zum Airbus auf. Versuche des Bundeswehrpiloten K, die Passagiermaschine durch Abdrängmanöver und gut hör- und sichtbare Warnschüsse von ihrem Kurs abzubringen, bleiben ohne Erfolg. Obwohl der Bundesverteidigungsminister einen Abschuss des Flugzeugs ausdrücklich untersagt, entschließt sich K, diesen Befehl nicht zu befolgen. Um die Menschen im Stadion zu retten, schießt er den Airbus auf unbewohntem Gebiet kurz vor München mit einem Luft-Luft-Lenkflugkörper ab. In dem Moment, als K die Rakete abschießt, versuchen einige Passagiere in dem Flugzeug, gewaltsam die Tür zum Cockpit zu öffnen, um den T zu überwältigen.

Bei dem Absturz kommen, wie von K sicher vorhergesehen, alle Flugzeuginsassen zu Tode.

Eine Evakuierung des Stadions ist nicht angeordnet worden; wäre diese unmittelbar nach Bekanntwerden der Flugzeugentführung erfolgt, hätte das Stadion vor dem Eintreffen des entführten Flugzeugs mit hoher Wahrscheinlichkeit vollständig evakuiert werden können.

Strafbarkeit des K nach dem 16. Abschnitt des StGB?

Hinweis: In dem Stadion befanden sich, wie K wusste, keine diesem nahestehende Personen. In dem Zeitpunkt, als K von seinem Vorgesetzten den Einsatzbefehl erhielt, war es für eine rechtzeitige Evakuierung des Stadions bereits zu spät.