Kilian Wegner Strafrecht Besonderer Teil I: Delikte gegen die Person und die Allgemeinheit Licensed under CC-BY-4.0

§ 36: Brandstiftung mit Todesfolge (§ 306c StGB)

Autor:innen: Mustafa T. Oğlakcıoğlu / Alexandra Windsberger

Grundlagen

§ 306c StGB ist ein erfolgsqualifiziertes Delikt, das eine Mindestfreiheitsstrafe von zehn Jahren vorsieht. Ein Blick auf die Strafrahmenuntergrenze der vorsätzlichen Tötung (§ 212 StGB: mindestens fünf Jahre), macht die relative Höhe des Strafrahmens deutlich, zumal für § 306c StGB sogar die leichtfertige Herbeiführung des Todes genügt. Erforderlich bleibt freilich, dass der Grundtatbestand vorsätzlich begangen wird. Das ändert allerdings nichts daran, dass im Falle der Kombination mit § 306 Abs. 1 StGB die erfolgsqualifizierte (besondere) Sachbeschädigung höher bestraft wird als eine vorsätzliche Tötung gem. § 212 StGB. Insofern ist eine gewisse Zurückhaltung bei Anwendung dieser Norm geboten.

Tatbestandsmäßigkeit

Hinsichtlich des Aufbaus des erfolgsqualifizierten Delikts ergeben sich keine Besonderheiten: Zunächst ist die Verwirklichung eines „Grunddelikts“ zu prüfen, wobei § 306c StGB auf alle übrigen Brandstiftungsdelikte Bezug nimmt.

Klausurhinweis: Auch hier gilt, dass es aus Gründen der Übersichtlichkeit durchaus zweckmäßig erscheint, die „Grunddelikte“ zunächst isoliert zu prüfen, und beim ersten Gliederungspunkt des § 306c StGB nach oben zu verweisen und sodann die übrigen Punkte (insb. zurechenbarer Eintritt der Todesfolge und Leichtfertigkeit) zu prüfen.

Im Anschluss an die Verwirklichung des Grunddelikts ist der Eintritt der qualifizierenden Folge (Tod) zu prüfen und ob diese dem Brandstifter zugerechnet werden kann. Die dazugehörige Sonderdogmatik und -terminologie (tatbestandsspezifischer Gefahrverwirklichungs- oder Unmittelbarkeitszusammenhang) entspricht derjenigen sonstiger Erfolgsqualifikationen wie § 227 (→ § 10 Rn. 14 ff.) und § 251 (→ BT II § 7 Rn. 11 ff.). Zu beachten ist allerdings, dass bei § 306c StGB einfache Fahrlässigkeit im Hinblick auf den Eintritt der schweren Folge nicht ausreicht, sondern der Täter – wie bei § 251 StGB auch – leichtfertig agieren muss.

Verwirklichung einer Brandstiftung nach §§ 306 bis 306b StGB

§ 306c StGB nimmt auf alle vorhergehenden Brandstiftungsdelikte und insoweit auch auf die Qualifikationstatbestände Bezug. Diese zusätzliche Bezugnahme ist allerdings weitestgehend irrelevant, weil die Qualifikationstatbestände die Verwirklichung der Grundtatbestände voraussetzen. So stellt die Gesundheitsschädigung iSd § 306b Abs. 1 StGB regelmäßig ein Durchgangsstadium des Todes dar, sofern Personenidentität besteht. § 306a Abs. 2 StGB ist ebenfalls Durchgangsstadium mit Blick auf die Gesundheitsgefahr und daher nur relevant, wenn es sich weder um ein fremdes Gebäude handelt (da § 306 Abs. 1 StGB dann abzulehnen wäre) noch um ein Gebäude im Sinne von § 306a Abs. 1 StGB, denn dann bleibt als Grunddelikt nur § 306a Abs. 2 StGB übrig.

Beispiel: § 306a Abs. 2 StGB kommt als Grunddelikt zum Tragen, wenn der Täter sein eigenes Kraftfahrzeug anzündet, dieses explodiert und dadurch jemand zu Tode kommt. Gleiches gilt, wenn der Täter sein eigenes Warenlager nachts (also zu einer Zeit, in der sich dort niemand aufzuhalten pflegt, sodass § 306a Abs. 1 Nr. 3 StGB ausscheidet) in Brand setzt, und hierdurch jemand zu Tode kommt. Schließlich ist denkbar, dass der Täter das Haus des Alleineigentümers (und Alleinbewohners) mit dessen Zustimmung anzündet: Auch hier scheiden § 306 StGB (wegen der rechtfertigenden Einwilligung) und § 306a Abs. 1 StGB (wegen der erfolgten Entwidmung) aus, sodass es wiederum auf § 306a Abs. 2 StGB als Grunddelikt für § 306c StGB ankäme.

Erfolgsqualifikation

Eintritt der schweren Folge und Kausalität

Zunächst bedarf es stets des Eintritts der schweren Folge und der Kausalität zwischen Brandstiftung(-shandlung) und Tötungserfolg, wobei hier auf die klassische conditio-sine-qua-non-Formel zurückgegriffen werden kann.

Objektive Zurechnung / tatbestandsspezifischer Gefahrverwirklichungszusammenhang

Im qualifizierten Erfolg muss sich grundsätzlich die tatbestandsspezifische Gefahr des Grunddelikts verwirklicht haben: Das bedeutet nicht, dass das Opfer unbedingt in oder an den Flammen sterben müsste. Es reicht vielmehr, wenn der Tod durch die spezifischen Gefahren der Brandstiftung im unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang verursacht ist.

Beispiel: Solch eine brandadäquate Todesursache liegt vor, wenn das Opfer erstickt oder es aus dem Fenster springt und dabei stirbt; schließlich ist auch denkbar, dass das Opfer von herabstürzenden Gegenständen erschlagen wird. In all diesen Fällen hätte sich die tatbestandsspezifische Gefahr des Grunddelikts im Erfolg verwirklicht.

Zu berücksichtigen ist jedoch, dass sich im Rahmen der objektiven Zurechnung und des spezifischen Gefahrzusammenhangs eine Vielzahl von einzelnen Problemfällen stellen können, die letztlich die allgemeine Zurechnungsdogmatik und damit Fragen des Allgemeinen Teils betreffen, allerdings typischerweise im Kontext der Brandstiftung mit Todesfolge thematisiert werden. Zu nennen sind hier insbesondere die sog. „Retterfälle“ (→ Rn. 10 ff.), die Konstellation „mangelnder Gefährdungsidentität“ der durch Grunddelikt und Folge betroffenen Personen (→ Rn. 19 ff.) sowie die Zurechnung bei Gefährdung „Tatbeteiligter“ (→ Rn. 21).

Klausurhinweis: Die im Folgenden ausgeführten Problemstellungen betreffen alle Qualifikationen und Delikte, die ein Durchgangsstadium zur Tötung eines Menschen enthalten. Insoweit reicht es in der Klausur aus, wenn sie einmalig – regelmäßig beim schwerwiegendsten (Tötungs-)Delikt – dargestellt werden. Zudem sei darauf hingewiesen, dass gerade die „Retterfälle“ auch in einem Brandstiftungskontext abgefragt werden können, ohne dass der Täter sich wegen eines vorsätzlichen Brandstiftungsdelikts strafbar gemacht hätte. In diesen Fällen scheidet zwar die Verwirklichung von § 306c StGB aus, allerdings kommt immer noch eine fahrlässige Tötung gem. § 222 StGB in Betracht, wenn dem Täter hinsichtlich der Entstehung des Brands Fahrlässigkeit zur Last fällt. Hier müsste allerdings dann ebenso überprüft werden, ob das eigenverantwortliche Dazwischentreten des Dritten einer Zurechnung der Todesfolge entgegensteht.

Sog. Retterfälle

Die sog. Retterfälle haben sich gerade im Kontext von Brandstiftungskonstellationen als besondere Fallgruppe der objektiven Zurechnung respektive eigenverantwortlichen Selbstgefährdung herausgebildet.Radtke, in: MüKo-StGB, Bd. 6, 4. Aufl. (2022), § 306c Rn. 16 ff. Dabei geht es um das Abschichten von Verantwortungsbereichen, wenn mehrere Personen innerhalb eines kausalen Geschehens unterschiedliche Bedingungen setzen, von denen keine für sich betrachtet hinreichend, aber jede notwendig für den Todeserfolg ist. So ist es im Kontext der Brandstiftung durchaus vorstellbar, dass nicht nur die Hausbewohner, sondern auch Personen, die sich bereits in Sicherheit gebracht hatten, zu Tode kommen, nachdem sie sich dazu entschieden haben, andere Personen aus den Flammen zu bergen. Ebenso können Feuerwehreinsatzkräfte beim Rettungsversuch oder auch im Rahmen der Löscharbeiten sterben.

Vertiefungswissen: Nach der alten Fassung des § 307 Nr. 1 StGB wurde diskutiert, ob Personen, die erst nachträglich in das (brennende) Gebäude kamen, überhaupt vom Schutzbereich der Norm erfasst waren. Denn die alte Fassung setzte voraus, dass sich die Personen zum Zeitpunkt der Inbrandsetzung in der entsprechenden Räumlichkeit befanden. Die Neuregelung in § 306c StGB verlangt dies gerade nicht mehr. Demgemäß wird auch der Tod eines Menschen erfasst, der erst nach Brandlegung in das Gebäude hineinläuft oder aber außerhalb des einstürzenden Gebäudes von brennenden Balken erschlagen wird oder Ähnliches.

Nach dem Autonomieprinzip (Art. 2 Abs. 1 GG) ist es jedem Menschen grundsätzlich selbst überlassen, seine Rechtsgüter zu gefährden. Strafrechtliche Normen wie §§ 212222 oder 306c StGB sollen das Opfer vor der Beeinträchtigung seiner Freiheitssphären durch das Verhalten Dritter, nicht das Opfer vor sich selbst schützen. Eigenverantwortliche Selbstgefährdungen durch das Opfer oder auch ein freiverantwortliches Dazwischentreten eines Dritten (der weder Opfer noch Täter ist und eine neue Gefahrenquelle eröffnet), unterbrechen daher in der Regel den Zurechnungszusammenhang.

Doch muss, wie in den sonstigen Fällen der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung auch, stets überprüft werden, ob die Voraussetzungen für den Ausschluss des Zurechnungszusammenhangs gegeben sind, insb. ob das Opfer überhaupt freiverantwortlich hinsichtlich seiner gefährdeten Interessen agiert hat. Hierfür ist nach allgemeinen Grundsätzen nicht nur erforderlich, dass das Opfer einsichtsfähig ist (mithin im Stande, die Art und Tragweite des Risikos zu überblicken), sondern seine Entscheidung auch keinen Willensmängeln unterliegt.

Demnach verbietet sich eine generelle Zurechnung von Rettungsschäden, während umgekehrt eine generelle Vermutung der Eigenverantwortlichkeit von Selbstgefährdungen des Retters ebenso wenig angenommen werden kann. Umstritten ist hierbei, auf welche Weise die Freiverantwortlichkeit der Entscheidung zu ermitteln bzw. von welchen Faktoren die Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs abhängig sein soll.

Dabei wird im ersten Schritt zwischen rettenden Privatpersonen und „berufsmäßigen Rettern“ (Feuerwehreinsatzkräfte) unterschieden: Handelt es sich beim Retter (und Opfer) um eine Privatperson, soll die Zurechnung zum Brandstiftungstäter nur dann zu bejahen sein, wenn der Täter durch seine Handlung eine bewusste Selbstgefährdung dadurch geradezu herausfordert, dass er eine erhebliche Gefahr für ein Rechtsgut eines Dritten oder einer dem Retter nahestehenden Personen begründet und damit für den Retter ein einsichtiges Motiv (vgl. dazu noch im Folgenden) für gefährliche Rettungs- und damit Selbstgefährdungsmaßnahmen schafft.(Krit.) Radtke, in: MüKo-StGB, Bd. 6, 4. Aufl. (2022), § 306c Rn. 19. Vgl. zudem (ebenfalls krit.) Valerius, in: LK-StGB, Bd. 17, 13. Aufl. (2021), § 306c Rn. 9 ff. Die Zurechnung sei deswegen sachgerecht, weil dem Täter bei Gelingen der Rettungshandlung auch (gleichzeitig) die Erfolgsabwendung zugutekomme. Umgekehrt müsse er im Fall des Misserfolges auch für die Konsequenzen einer zu Ungunsten des Retters misslungenen Handlung einstehen. Etwas anderes soll nur für von vornherein sinnlose oder offensichtlich unverhältnismäßig riskante Rettungsaktionen gelten.OLG Stuttgart NJW Spezial 2008, 346.

Die Verletzungen von pflichtigen Rettern sollen dem Brandstifter daher grundsätzlich zugerechnet werden, da ein Berufs- und Betriebsfeuerwehrmann rechtlich verpflichtet sei, sich in den Gefahrenbereich des vom Täter ausgelösten Brandgeschehens zu begeben. Er handele also nicht freiwillig, sondern auf Basis einer rechtlichen Verpflichtung. Differenziert wird lediglich zwischen Garanten und solchen, für die lediglich eine allgemeine Hilfspflicht nach § 323c StGB besteht.

Wieder andere wollen den Rechtsgedanken des § 35 StGB anwenden.Bernsmann/Zieschang, JuS 1995, 775 (778 f.). Vgl. ferner von Heintschel-Heinegg, in: BeckOK-StGB, 55. Ed. (Stand: 01.11.2022), § 306c Rn. 9 f. Demnach sind dem Brandstifter nur Schäden zuzurechnen, die der Helfer bei einem Rettungsversuch erleide, der dem Leben, der körperlichen Unversehrtheit oder der Freiheit einer ihm im Sinne des § 35 StGB nahestehenden Person gelte. Praktisch dürften sich insoweit aber keine großen Unterschiede ergeben, da gerade in den Fällen des § 35 StGB ein einsichtiges Motiv vorliegt, umgekehrt bei dessen Fehlen jedenfalls nochmals genauer überprüft werden muss, ob der Rettungsversuch nicht „unvernünftig“ bzw. nicht infolge einer besonderen Drucksituation vorgenommen wurde, die einer Freiverantwortlichkeit entgegenstände.

Die Frage, ob der Retter also ein einsichtiges Motiv hatte bzw. „freiverantwortlich“ agierte, wird also nicht pauschal beantwortet werden können. Allerdings sollte man sich die Kriterien merken, die dafür oder dagegen sprechen:

  • Emotionale Nähe des Retters zum Opfer?

  • Garantenpflicht oder nur allgemeine Hilfspflicht?

  • Status (Berufsmäßiger Retter oder Privater)?

  • Rettung nachvollziehbar oder grob sachwidrig?

  • Motiv des Retters?

  • Grad der Gefährdung?

Mangelnde Gefährdungsidentität der durch Grunddelikt und Folge betroffenen Personen (Prüfungspunkt: Gefahrrealisierungszusammenhang)

Bei diesem Spezialproblem geht es um die Frage, ob § 306c StGB auch als erfüllt anzusehen ist, wenn Gefährdungs- und Todesopfer divergieren: Kudlich, NStZ 2003, 458.

Beispiel: A zündet sein Haus an und gefährdet Putzkraft P vorsätzlich (Grunddelikt: § 306a Abs. 2 StGB). Zu Tode kommt aber nicht P, sondern der Feuerwehrmann F.

Bei dieser Konstellation hinge die Bejahung von § 306c StGB von einer damit in keinerlei Zusammenhang stehenden, vorherigen vorsätzlichen Gesundheitsgefährdung der P ab. Vertretbar ist es daher, den Gefahrzusammenhang abzulehnen, da sich nicht das typische Risiko der vorsätzlichen, konkreten Gefährdung einer Person (P) durch die Brandlegung im Rahmen des § 306c StGB verwirklicht hat.Kudlich, NStZ 2003, 458. Verlangt man für § 306c StGB eine solche Identität von Gefährdungs- und Verletzungsopfer, stellt sich dann allerdings die Frage, wieso eine solch enge (Identitäts-) Beziehung bei anderen Kombinationen nicht verlangt wird und damit nur bei § 306c StGB. Es ist völlig unstreitig, dass § 306c StGB auch dann eingreift, wenn die getötete Person bspw. kein Bewohner des Hauses ist (§ 306a Abs. 1 StGB). Ein weiteres Argument gegen diese Identitätsthese ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut des § 306c StGB: Anknüpfungspunkt ist die Brandstiftungshandlung („Verursacht der Täter durch eine Brandstiftung (…) den Tod“). Anknüpfungspunkt ist damit gerade nicht die durch die Brandstiftung geschaffene Gefahr (oder gar die gefährdete Person). Für die Identitätsthese gibt es keinerlei Stütze im Gesetz und auch kein teleologisches (kriminalpolitisches) Bedürfnis.

Tatbeteiligte als geschützte Personen?

Hinsichtlich der Frage, ob auch Tatbeteiligte (Mittäter, Anstifter, Gehilfen), die infolge der Brandstiftung zu Tode kommen, dem Schutz der Norm unterfallen, kann auf die Ausführungen bei § 306a Abs. 2 StGB verwiesen werden (s. → § 34 Rn. 16 ff.). Der BGH vertritt, dass die Eigenschaft des Getöteten als Tatbeteiligter einer Verwirklichung des § 306c StGB nicht entgegensteht.BGHSt 11, 270.

Leichtfertigkeit

Der Täter muss die sich ihm aufdrängende Möglichkeit eines tödlichen Verlaufs aus besonderem Leichtsinn oder aus besonderer Gleichgültigkeit außer Acht gelassen haben.BGHSt 33, 67. Nicht erforderlich ist das Wissen des Täters, dass sich zur Tatzeit ein Mensch in dem in Brand gesetzten Objekt befand.Kargl, in: NK-StGB, 6. Aufl. (2023), § 306c Rn. 6.

Rechtswidrigkeit und Schuld

Hinsichtlich der Rechtswidrigkeit wird auf die Ausführungen bei §§ 306 und 306a StGB verwiesen. Besonderheiten beim erfolgsqualifizierten Delikt ergeben sich insbesondere im Rahmen der Schuld. Hinsichtlich der schweren Folge muss hier die sog. Fahrlässigkeitsschuld festgestellt werden, d. h. der qualifizierende Erfolg muss dem Täter subjektiv vorhersehbar gewesen sein und ihn muss eine subjektive Sorgfaltspflichtverletzung treffen. Maßstab sind insoweit die persönlichen Fähigkeiten bzw. Mängel des Täters sowie die konkreten situativen Umstände bei Begehung der Tat.Duttge, in: MüKo-StGB, Bd. 1, 4. Aufl. (2020), § 15 Rn. 204 f.

Versuch

Der Tatbestand setzt eine versuchte oder vollendete Tat nach den §§ 306 bis 306b StGB voraus. Da es sich um ein Verbrechen gem. § 12 Abs. 1 StGB handelt, ist der Versuch des § 306c StGB nach § 23 Abs. 1 StGB strafbar. Dabei ist nach allgemeinen Grundsätzen zwischen zwei Konstellationen zu unterscheiden.

Wurde die besondere Folge zwar nicht vom Täter verursacht, hat er diese aber in seinen Vorsatz aufgenommen, spricht man von einer versuchten Erfolgsqualifikation.

Beispiel: Der Täter zündet ein Gebäude mit Tötungsvorsatz an, die Bewohner können aber rechtzeitig evakuieren.

Der umgekehrte Fall, in welchem bereits der Versuch des Grunddelikts den qualifizierenden Erfolg verursacht, wird als erfolgsqualifizierter Versuch bezeichnet. Dieser kommt nur in Betracht, wenn die schwere Folge (nach der Ratio des Tatbestands) bereits an den Handlungsteil des Grunddelikts anknüpft, und nicht erst an dessen Erfolg (dies ist bekanntermaßen im Rahmen der Körperverletzung mit Todesfolge gem. § 227 StGB umstritten, vgl. hierzu den Streit zwischen Handlungslehre und Letalitätstheorie). Da es dem Gesetzgeber auch darum ging, die Lebensgefahr zu erfassen, die durch Fälle versuchten Inbrandsetzens auftreten, dürfte die Strafbarkeit eines erfolgsqualifizierten Versuchs des § 306c StGB durchaus bejaht werden.

Klausurhinweis: Freilich werden Konstellationen, in denen bereits der Brandstiftungsversuch zum Tode führt, schon deswegen kaum eine Rolle spielen, weil die formelle Tatbestandsvollendung des Grunddelikts relativ früh eintritt. Denkbar bleibt, dass die Handlung des Täters zu einer tödlichen Explosion führt, ohne dass wesentliche Teile des Gebäudes vom Feuer erfasst wurden und auch keine teilweise Zerstörung wesentlicher Gebäudeteile angenommen werden kann.

Beispiel: Der Täter verteilt in einem Wohngebäude brennbare Flüssigkeit, um damit ein Feuer zu legen. Das Opfer bemerkt dies und stürzt sich, noch bevor es zum Entzünden kommt, in Todespanik vor den Flammen aus dem Fenster und stirbt durch den Aufprall.

Denkbar ist auch ein sog. doppelter Versuch.BGH NStZ-RR 2021, 376. Eine versuchte Brandstiftung mit Todesfolge nach §§ 306a Abs. 1 Nr. 1, 306c, 22, 23 Abs. 1 StGB kann als Versuch eines erfolgsqualifizierten Delikts auch dadurch verwirklicht werden, dass der Täter zum Grunddelikt unmittelbar ansetzt, wobei er die schwere Folge beabsichtigt oder billigend in Kauf nimmt, hinsichtlich beider Tatbestände aber nicht zur Vollendung gelangt (sog. doppelter Versuch).

Beispiel: Täter verteilt in Wohngebäude brennbare Flüssigkeit, um damit ein Feuer zu legen und das Opfer durch das Feuer zu töten. Dieses bemerkt den Täter aber und stürzt sich, noch bevor es zum Entzünden kommt, in Todespanik vor den Flammen aus dem Fenster und überlebt den Sprung. Diesen Verlauf hatte der Täter auch so kommen sehen und billigend in Kauf genommen.

Konkurrenzen

Das Verhältnis der Erfolgsqualifikation zu den Brandstiftungsdelikten hängt vor allem von der Schutzrichtung der Grundtatbestände ab. Soweit die Brandstiftungsdelikte nur „Durchgangsstadien“ der Tötung erfassen, treten diese im Falle der Vollendung des § 306c StGB im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurück (so zB §§ 306a Abs. 1, 306b Abs. 1 StGB).Radtke, in: MüKo-StGB, Bd. 6, 4. Aufl. (2022), § 306c Rn. 33. Im Übrigen ist regelmäßig Tateinheit anzunehmen, wenn die Beeinträchtigung weiterer Schutzgüter im Tenor klargestellt werden muss (so bspw. bei § 306 Abs. 2 Nr. 2 StGB, ebenso beim bloßen Versuch der Erfolgsqualifikation). Tateinheit besteht auch im Verhältnis zu den vorsätzlichen Tötungsdelikten (§§ 212, 211 StGB).Radtke, in: MüKo-StGB, Bd. 6, 4. Aufl. (2022), § 306c Rn. 33.

Prüfungsschema

  1. Tatbestandsmäßigkeit

    1. Verwirklichung des Grunddelikts (§§ 306 bis 306b StGB)

    2. Eintritt der schweren Folge: Tod

    3. Kausalzusammenhang zwischen Grunddelikt und Erfolg

    4. Objektive Zurechnung (alternativ gemeinsam mit 5.)

    5. Tatbestandsspezifischer Gefahrverwirklichungszusammenhang

    6. Leichtfertigkeit hinsichtlich der schweren Folge bei objektiver Vorhersehbarkeit des Erfolges

  2. Rechtswidrigkeit

  3. Schuld

    1. Subjektive Sorgfaltspflichtverletzung

    2. Subjektive Vorhersehbarkeit des Erfolges