Olivia Czerny Zivilrecht: Wissen und Methoden für die Falllösung Licensed under CC-BY-4.0

Verhältnis Anfechtung und Widerruf

Widerrufsrecht und Anfechtungsrecht bestehen nebeneinander. Liegen beide Rechte vor, hat die Verbraucherin ein uneingeschränktes Wahlrecht zwischen Widerruf und Anfechtung.

Entscheidend für die Frage, welches der beiden Rechte ausgeübt wurde, ist daher die Auslegung der Erklärung der Verbraucherin (§§ 133, 157 BGB): Wie darf ein objektiver Dritter in Position des Vertragspartners ihre Erklärung verstehen?

 

Liegt nur eines der beiden Rechte tatsächlich vor, muss der Vertragspartner davon ausgehen, dass die Verbraucherin dieses Recht ausüben will. Das kann im Einzelfall auch dann gelten, wenn sie explizit das andere nennt. Liegen beide Rechte vor, muss er davon ausgehen, dass sie das Recht erklären will, das für sie die günstigsten Rechtsfolgen bietet.

 

Wenn beide Rechte in Betracht kommen, stellt Sie das in der Klausur vor größere Aufbauschwierigkeiten. Denn eigentlich müssten Sie dann bereits bei der Prüfung des ersten Rechts auch das zweite Recht inzident prüfen und vergleichen, um die Erklärung am Ende auslegen zu können. Das kann jedoch sehr unübersichtlich werden und ist deshalb in der Klausur nicht zwingend ratsam.

Denkbar stattdessen:

  •  Falls eines der Gestaltungsrechte ohnehin ausscheidet, können Sie versuchen, dieses eher knapp anzulehnen und den Schwerpunkt bei der Prüfung des anderen setzen. Das ist natürlich nur empfehlenswert, wenn man sich dabei keine deutlich im Fall angelegten Probleme abschneidet.

  • Scheidet keines der Rechte offensichtlich aus, können Sie mit einem Gestaltungsrecht – Widerruf – beginnen und unterstellen, dass das andere – Anfechtung – nicht ausgeübt ist. Dann das andere prüfen. Entweder dort im Rahmen der Erklärung begründen, welches Gestaltungsrecht gewollt ist. Oder diese Frage nach der Prüfung beider Gestaltungsrecht klären.