Die Körperverletzung mit Todesfolge ist sowohl in der Praxis als auch in der juristischen Ausbildung von großer Bedeutung. Da eine Strafbarkeit nach § 227 StGB in der Praxis häufig als „Auffangtatbestand“ in den Fällen dient, in denen kein Tötungsvorsatz nachgewiesen werden kann, und dies zu einer umfangreichen Kasuistik geführt hat, bieten sich aktuelle Fälle und höchstrichterliche Urteile als Grundlage für eine strafrechtliche Prüfung an. Hier kann zum einen Systemverständnis beim richtigen Aufbau des erfolgsqualifizierten Delikts gezeigt werden. Zum anderen lassen sich auch examensrelevante Rechtsprobleme im Zusammenhang mit dem sog. erfolgsqualifizierten Versuch abprüfen.
In der Literatur steht § 227 StGB vielfach in der Kritik, da der Tatbestand ein vorsätzliches Vergehen (§ 223 StGB) mit einem fahrlässigen Vergehen (§ 222 StGB) zu einem Verbrechen mit einer Mindeststrafe von drei Jahren Freiheitsstrafe kombiniert. Es handele sich bei § 227 StGB daher bei Lichte betrachtet um einen „schlecht kaschierten Verdachtstotschlag“,
Rechtsgut und Deliktsstruktur
Der § 227 StGB erfasst eine vorsätzliche Körperverletzung, die eine schwere Folge (den Tod der angegriffenen Person) herbeigeführt hat. Es handelt sich somit um eine sog. Erfolgsqualifikation. Für erfolgsqualifizierte Delikte ist in § 18 StGB geregelt, dass die im Vergleich zum Grunddelikt erhöhte Strafe nur verhängt werden darf, wenn der Täter wenigstens fahrlässig hinsichtlich der schweren Folge gehandelt hat. „Wenigstens fahrlässig“ im Sinne von § 18 StGB bedeutet zwar, dass auch vorsätzliches Handeln hinsichtlich der schweren Folge von der Strafbarkeit erfasst wird. Im Gegensatz zu der schweren Körperverletzung nach § 226 StGB spielt bei der Körperverletzung mit Todesfolge jedoch diese Vorsatz-Variante keine Rolle, da bei einem vorsätzlichen Handeln bezüglich der schweren Folge (also hinsichtlich des Todes eines Menschen) automatisch ein vorsätzliches Tötungsdelikt vorläge und dieses dann vorrangig zu prüfen wäre.
Bei § 227 StGB handelt es sich also um eine Kombination aus einem Vorsatzdelikt (im Regelfall ist das der Grundtatbestand des § 223 StGB) und einem Fahrlässigkeitsdelikt (dem fahrlässigen Herbeiführen des Todes). Dies führt zu einem besonderen Deliktsaufbau (Aufbauschemata unter → H.).
Neben der körperlichen Unversehrtheit und der physischen Gesundheit von Menschen wird auch das Rechtsgut Leben von § 227 StGB geschützt.
Tatbestand
Grunddelikt (vorsätzliche Körperverletzung)
§ 227 StGB knüpft in seinem Absatz 1 an die Tatbestände §§ 223-226a StGB an. Als mögliches Grunddelikt eignet sich also jedes der aufgelisteten vorsätzlichen Delikte.
Das Grunddelikt kann auch durch ein Unterlassen begangen werden, wobei die Anforderungen an den erforderlichen tatbestandsspezifischen Gefahrenzusammenhang dann erhöht sind.
Im Regelfall wird das Grunddelikt in einer juristischen Prüfung die einfache Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB bzw. die gefährliche Körperverletzung nach § 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 StGB sein.
Sollte es bereits zu Problemen bei der Prüfung der vorsätzlichen einfachen bzw. gefährlichen Körperverletzung kommen, so ist jedenfalls für Klausuren in den ersten Semestern zu empfehlen, die Strafbarkeit nach § 223 Abs. 1 StGB separat zu prüfen und erst bei Bejahung derselben mit der Erörterung der Körperverletzung mit Todesfolge fortzufahren. Bei der Prüfung einer Strafbarkeit nach § 227 Abs. 1 StGB kann die Prüfung des Grunddelikts dann entsprechend kurzgehalten und nach oben verwiesen werden.
Bereits an dieser Stelle ist zu erwähnen, dass grundsätzlich auch eine versuchte Körperverletzung ein taugliches Grunddelikt darstellt. Dies wird relevant beim sog. erfolgsqualifizierten Versuch (ausführlich hierzu unter → Rn. 33 ff.).
Eintritt der schweren Folge (Tod eines Menschen)
Der Tatbestand des § 227 StGB setzt voraus, dass ein Mensch zu Tode gekommen ist. Dabei ist unerheblich, ob der Zeitpunkt des Todes mit dem der Verletzungshandlung zusammentrifft oder ob der Tod später eintritt.
Bei diesem Prüfungspunkt werden in der juristischen Prüfung regelmäßig keine Probleme auftauchen. Es muss aber klar sein: Wenn keine Person verstorben ist, so liegt sicher auch keine Strafbarkeit nach § 227 StGB vor. Wenn der Täter Tötungsvorsatz hatte und daher ein Versuch des § 227 StGB theoretisch in Betracht kommt, sind vorrangig die §§ 216, 211, 212 StGB im Versuch zu prüfen.
Kausalität der Körperverletzung für den Eintritt der schweren Folge und objektive Zurechenbarkeit der schweren Folge
Zwischen dem Grunddelikt – der Körperverletzung – und der schweren Folge – dem Tod eines Menschen – muss (mindestens) ein Kausal- und ein Zurechnungszusammenhang bestehen. Es gelten die allgemeinen Grundsätze und Fallgruppen der Äquivalenztheorie und der objektiven Zurechnung. Die Tathandlung darf also nicht hinweggedacht werden können, ohne dass der tatbestandsmäßige Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele. Ferner muss der Täter durch die Körperverletzung ein rechtlich missbilligtes Risiko geschaffen oder erhöht haben, das sich in der schweren Folge niedergeschlagen hat.
Tatbestandsspezifischer Gefahrzusammenhang
Der in → Rn. 13 beschriebene „normale“ Kausal- und Zurechnungszusammenhang zwischen dem Verhalten des Täters und dem Eintritt der schweren Folge reicht nach allgemeiner Auffassung für eine Strafbarkeit nach § 227 StGB allerdings nicht aus. Vielmehr bedarf es einer engeren Beziehung zwischen dem Grunddelikt und der schweren Folge: Dem Grunddelikt muss die spezifische Gefahr anhaften, zum Tode des Opfers zu führen und gerade diese Gefahr muss sich im tödlichen Ausgang niedergeschlagen haben.
Weiterführendes Wissen
Diese erhöhte Anforderung an den Kausal- und Zurechnungszusammenhang zwischen dem Grunddelikt und dem Eintritt der schweren Folge liegt darin begründet, dass § 227 StGB einen Strafrahmen von drei Jahren bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe hat und damit die in § 223 StGB und § 222 StGB enthaltene Strafandrohung (jeweils bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe) deutlich übertrifft. Um diese hohe Strafandrohung zu rechtfertigen, muss § 227 StGB ein höheres Unrecht aufweisen, als es von § 223 StGB und § 222 StGB erfasst wird. Die bloße Kombination aus einer vorsätzlichen Körperverletzung (= § 223 StGB) und einer fahrlässigen Herbeiführung des Todes eines Menschen (= § 222 StGB) kann daher nicht genügen, um § 227 StGB zu erfüllen. Das gegenüber dieser Kombination zusätzliche Unrecht des § 227 StGB wird durch das Tatbestandsmerkmal des tatbestandsspezifischen Gefahrzusammenhangs beschrieben.
Umstritten ist, welche Anforderungen an den beschriebenen tatbestandsspezifischen Gefahrzusammenhang
Die Rechtsprechung versteht den tatbestandsspezifischen Gefahrzusammenhang sehr weit und lässt es genügen, wenn sich irgendeine mit einer Körperverletzungshandlung verbundene Gefahr im Tod eines Menschen niederschlägt, solange der Eintritt des Todes infolge der Gefahr nicht außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit liegt.
Beispiel (nach BGH, Urt. v. 9. Oktober 2002 – 5 StR 42/02 – „Gubener Hetzjagd“): A, B und C setzen mit Baseball-Schlägern zum Angriff auf O an, den sie verprügeln wollen. O gerät in Panik und flieht, bevor die Angreifer ihn verletzen können. Auf der Flucht bricht er durch eine Glasscheibe, wobei er sich eine tiefe Wunde am rechten Bein zuzieht. Binnen kurzer Zeit verblutet O.
Der BGH hat in einer dem Beispiel vergleichbaren Konstellation den tatbestandsspezifischen Gefahrzusammenhang bejaht und dabei argumentiert, dass die panische Flucht des O eine deliktstypische Folge des massiven, bedrohlichen Angriffs sei und sich im Tod des O gerade die mit einem solchen Angriff verbundene Gefahr einer tödlichen (Selbst-)Verletzung des Flüchtenden manifestiert habe. Dass die Körperverletzung an O nicht vollendet wurde, hält der BGH dabei für unmaßgeblich. Denn nicht nur verwende der Wortlaut von § 227 StGB den Begriff „Körperverletzung“, was Körperverletzungshandlung ebenso einschließe wie den Körperverletzungserfolg. Dafür spreche insbesondere, dass der Gesetzgeber in Kenntnis des Streits um die Anforderungen an den tatbestandsspezifischen Gefahrzusammenhang bei § 227 StGB und in Kenntnis der dazu ergangenen Rechtsprechung im Jahr 1998 in § 227 StGB einen Verweis auf die „§§ 223 bis 226“ StGB (heute: „§§ 223 bis 226a“ StGB) als Grunddelikt eingeführt habe. Dieser Verweis erfasse über §§ 223 Abs. 2, 224 Abs. 2, 225 Abs. 2 StGB auch versuchte Delikte. Wenn nun aber auch eine versuchte Körperverletzung als Grunddelikt für § 227 StGB ausreicht, dann müsse es auch möglich sein, an die spezifische Gefährlichkeit der Handlung anzuknüpfen, da ein Körperverletzungserfolg in Versuchsfällen ja gerade ausbleibt.
Anders sehen dies einige Vertreter:innen der Literatur: Nach der sog. Letalitätslehre kann der tatbestandsspezifische Gefahrzusammenhang nur dann bejaht werden, wenn das Grunddelikt vollendet ist und aus dem Körperverletzungserfolg eine tödliche Gefahr erwächst, die sich im konkreten Taterfolg niederschlägt. Nach einer besonders restriktiven Spielart der Letalitätslehre muss der Tod dabei unmittelbar durch die zugefügte Verletzung eintreten (sog. Verletzungskausalität).
Beispiel für einen Fall, der selbst nach der Letalitätslehre mit dem Erfordernis von Verletzungskausalität unter § 227 StGB fällt: Der Täter T sticht ohne Tötungsvorsatz mit einem scharfen Messer mehrmals in die Bauch- und Brustgegend des Opfers. Da auch schwere Schäden an den Organen eintreten, verstirbt das Opfer kurze Zeit später an den Folgen seiner Verletzungen.
Andere Autor:innen lassen es dagegen ausreichen, wenn der Körperverletzungserfolg zumindest ein Durchgangsstadium in der zum Tod führenden Kausalkette bildet (sog. Erfolgs- oder Durchgangskausalität).
Auch die Letalitätsthese zieht für ihre von der Rechtsprechung abweichende Position den Wortlaut des § 227 StGB heran: Wenn in der Norm der „Tod der verletzten Person“ als Tatbestandsmerkmal enthalten sei, spreche dies dafür, dass eine Verletzung auch tatsächlich eingetreten sein muss, um eine Strafbarkeit nach § 227 StGB annehmen zu können. Gegen dieses Argument spricht freilich, dass der Begriff „verletzt“ im anderen Kontext (zB bei der Nebenklage, vgl. § 393 Abs. 1 Nr. 2 StPO) auch verwendet wird, um Personen zu bezeichnen, an denen nur der Versuch einer Straftat verübt wurde. Schwerer wiegt der Einwand, dass die Position der Rechtsprechung darauf hinausläuft, als Verknüpfung zwischen Grunddelikt und dem Eintritt der schweren Folge letztlich die allgemeinen Grundsätze der objektiven Zurechnung genügen zu lassen und keinen wirklich tatbestandsspezifischen Gefahrzusammenhang vorzusehen. Das von § 227 StGB erfasste Unrecht erschöpft sich nach dieser Lesart darin, dass jemand zu einer Körperverletzung unmittelbar ansetzt und – ohne dass dies völlig außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit liegt – dadurch der Tod eines Menschen verursacht wird. Dieses Unrecht wird aber schon durch § 223 StGB iVm § 222 StGB erfasst und kann den gegenüber diesen Delikten krass erhöhten Strafrahmen des § 227 StGB nicht legitimieren.
In einer juristischen Prüfung sind beide Positionen gut vertretbar. Entscheidend ist, das Problem zu erkennen und methodisch wie sprachlich ansprechend behandeln zu können.
Hinzuweisen ist abschließend darauf, dass der Streit um die Anforderungen an den tatbestandsspezifischen Gefahrzusammenhang nicht nur in Fällen eine Rolle spielt, in denen die Körperverletzung als Grunddelikt unvollendet bleibt. Das zeigt das folgende Beispiel:
Beispiel (nach BGHSt 14, 110 – „Pistolenschuss-Fall“): Der Täter T schlägt mit einer geladenen Pistole auf den Kopf des Opfers und verursacht dadurch eine Beule. Dabei löst sich versehentlich ein Schuss, an dem das Opfer stirbt.
In Beispielsfall liegt zwar eine vollendete gefährliche Körperverletzung vor, jedoch ist das Opfer weder an der durch die Körperverletzung verursachten Beule verstorben noch war die Beule ein Durchgangsstadium für den Tod. Der tatbestandsspezifische Gefahrzusammenhang ist daher nach keiner Spielart der Letalitätslehre gegeben. Zur Strafbarkeit nach § 227 StGB kommt man daher nur, wenn man es mit der Rechtsprechung genügen lässt, dass mit der Körperverletzungshandlung (= Schlagen mit einer Schusswaffe) die Gefahr verknüpft ist, dass sich versehentlich ein tödlicher Schuss löst.
Wenigstens fahrlässige Herbeiführung der schweren Folge
Die schwere Folge – der Tod eines Menschen – muss gemäß § 18 StGB „wenigstens fahrlässig“ verursacht worden sein. Anhand der Gesetzesformulierung „wenigstens“ ist erkennbar, dass bei erfolgsqualifizierten Delikten grundsätzlich auch vorsätzliches Handeln hinsichtlich der schweren Folge erfasst ist. Diese Konstellation spielt bei der Körperverletzung mit Todesfolge jedoch deshalb keine Rolle, da bei einem möglichen vorsätzlichen Handeln hinsichtlich der schweren Folge vorrangig immer ein vorsätzliches Tötungsdelikt (§ 212 oder § 211 StGB) zu prüfen ist.
Fahrlässigkeit setzt – nach den üblichen Maßstäben der hM – auf Tatbestandsebene eine objektive Sorgfaltspflichtverletzung bei objektiver Vorhersehbarkeit des Erfolgseintritts voraus. Die objektive Sorgfaltspflichtverletzung liegt in aller Regel bereits in der Begehung des Grunddelikts.
Für die Frage der objektiven Vorhersehbarkeit kommt es anschließend darauf an, ob die schwere Folge vorhersehbar war. Dabei muss der Tod aus Sicht eines objektiven, verständigen Dritten als Folge der Körperverletzung vorhersehbar gewesen sein. Auf die Einzelheiten des Kausalverlaufs kommt es nicht an. Die konkrete Vorhersehbarkeit wird von der Rechtsprechung nur dann verneint, wenn der Eintritt des Todeserfolgs weit außerhalb der Lebenserfahrung lag.
Rechtswidrigkeit
Die Körperverletzung mit Todesfolge ist rechtswidrig, wenn das Grunddelikt rechtswidrig ist. Es kommen alle Rechtfertigungsgründe in Betracht. Da sich die Rechtswidrigkeit der Körperverletzung mit Todesfolge strikt nach dem Grunddelikt richtet, sind entweder beide Delikte rechtswidrig oder beide gerechtfertigt. Insbesondere ist an dieser Stelle an die rechtfertigende Einwilligung zu denken. Diese wird jedoch häufig durch § 228 StGB gesperrt sein, da die Rechtsprechung bei lebensgefährlichen Handlungen regelmäßig annimmt, dass wegen der Wertung des § 216 StGB (Tötung auf Verlangen) nicht rechtfertigend eingewilligt werden kann.
Schuld
Nach herrschender Meinung ist beim Vorwurf fahrlässigen Verhaltens, wie ihn § 227 StGB mit Blick auf den Eintritt der schweren Folge wegen § 18 StGB beinhalten kann, in der Schuld zu prüfen, ob der Täter auch subjektiv sorgfaltswidrig handelte, d. h. ob er seinen persönlichen Fähigkeiten nach die im Verkehr erforderliche Sorgfalt aufbringen konnte. Zudem muss der Eintritt des Taterfolgs für den Täter auch subjektiv vorhersehbar gewesen sein.
Täterschaft und Teilnahme
Hinsichtlich der Beteiligung an der Körperverletzung mit Todesfolge ist § 18 StGB von Bedeutung. Die Norm regelt, dass bei Erfolgsqualifikationsdelikten gegen die Beteiligten nur dann die schwere Strafe der Erfolgsqualifikation verhängt werden kann, wenn der beteiligten Person selbst hinsichtlich der Folge Fahrlässigkeit zur Last fällt. Das bedeutet, dass für jeden Täter und Teilnehmer separat geprüft werden muss, ob fahrlässig hinsichtlich des Eintritts der schweren Folge gehandelt wurde.
Vor diesem Hintergrund ist eine Teilnahme an § 227 Abs. 1 StGB auch möglich, wenn der Haupttäter das Opfer vorsätzlich tötet, der Teilnehmer jedoch nur hinsichtlich der darin enthaltenen Körperverletzung vorsätzlich handelt und mit Blick auf den Todeserfolg lediglich Fahrlässigkeit aufweist. Es müssen für die Strafbarkeit des Teilnehmers dann aber die Voraussetzungen der fahrlässigen Begehung vorliegen. Insbesondere muss die Tötung durch den Haupttäter objektiv vorhersehbar gewesen sein.
Versuch
Mit Blick auf den Versuch des § 227 StGB sind zwei Konstellationen zu unterscheiden:
Wenn die Körperverletzung als Grunddelikt vollendet und – trotz eines entsprechenden Tötungsvorsatzes des Täters – nur der Tod eines Menschen als schwere Folge nicht eingetreten ist, handelt es sich um einen sog. Versuch der Erfolgsqualifikation. Dieser sollte bei § 227 StGB aber nicht geprüft werden, da – je nach Fallkonstellation – der Versuch des § 211 StGB, des § 212 StGB oder des § 216 StGB spezieller ist.
Anders liegt der Fall, wenn die Körperverletzung im Versuchsstadium stecken bleibt, die schwere Folge aber eingetreten ist. Diese Konstellation bezeichnet man als erfolgsqualifizierten Versuch.
Beispiel: Der Täter T schlägt mit geladener Pistole in Richtung des Kopfes vom O. Es kommt allerdings nicht zum Schlag, da sich bereits beim Ausholen ein Schuss löst und der O stirbt.
Dass der erfolgsqualifizierte Versuch grundsätzlich strafbar ist, wird heute allgemein anerkannt. Speziell bei § 227 StGB stellt sich aber die Frage, ob das Merkmal des tatbestandsspezifischen Gefahrzusammenhangs (dazu → Rn. 14 ff.) bei einem erfolgsqualifizierten Versuch erfüllt sein kann. Das hängt davon ab, welche Anforderungen man an den tatbestandsspezifischen Gefahrzusammenhang stellt:
Folgt man jener Strömung der Literatur, die fordert, dass sich gerade die aus einem Körperverletzungserfolg herrührende spezifische Gefahr sich im Tod eines Menschen verwirklicht haben muss, so ist ein erfolgsqualifizierter Versuch des § 227 StGB mangels tatbestandsspezifischen Gefahrzusammenhangs zwischen Grunddelikt und schwerer Folge nicht denkbar. Der Täter wäre dann „nur“ wegen (ggf. gefährlicher) Körperverletzung in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung zu bestrafen.
Folgt man dagegen der insbesondere in der Rechtsprechung herrschenden Ansicht, wonach sich die zum Tode eines Menschen führende spezifische Gefahr auch aus einer Körperverletzungshandlung ergeben kann, so ist ein erfolgsqualifizierter Versuch bei § 227 StGB denkbar (und wäre im Beispielsfall gegeben, da einem versuchten Schlag mit einer Pistole auf den Kopf eines Menschen die spezifische Gefahr innewohnt, dass sich daraus ein Schuss lösen könnte, und sich gerade diese Gefahr auch im Tod des O manifestiert hat).
Der Prüfungsaufbau des erfolgsqualifizierten Versuchs in der juristischen Prüfung ist nicht leicht und wird in verschiedenen Lehr- und Fallbüchern unterschiedlich gehandhabt. Wegen der besseren Übersichtlichkeit erscheint es vorzugswürdig, zunächst das Grunddelikt (§§ 223 ff. StGB) isoliert zu prüfen und dabei zu dem Ergebnis zu kommen, dass es an der Vollendung des Delikts fehlt. Sodann kann der Versuch des Grunddelikts geprüft und bejaht werden. Im dritten Schritt ist der erfolgsqualifizierte Versuch (§§ 227, 22, 23 Abs. 1 Var. 1 StGB) zu prüfen. Bei dieser Prüfung gibt es dann zwei Aufbaumöglichkeiten:
Eine Variante ist, eingangs kurz zu erwähnen, dass es sich um einen erfolgsqualifizierten Versuch handelt, der grundsätzlich strafbar ist, und das Problem, dass der erfolgsqualifizierte Versuch bei § 227 StGB nach Ansicht mancher stets am Erfordernis des tatbestandsspezifischen Gefahrzusammenhangs scheitert, erst bei diesem Prüfungspunkt zu erwähnen.
So etwa der Aufbau bei den Falllösungen von Eiden/Köpferl, JURA 2010, 780 (785) und Safferling, JURA 2004, 64 (66 f.). Anknüpfend an das vorstehende Beispiel könnte die Formulierung wie folgt lauten: „T könnte sich durch den Hieb mit der Pistole wegen versuchter Körperverletzung mit Todesfolge gemäß §§ 227, 22, 23 Abs. 1 Var. 1 StGB strafbar gemacht haben. Der Versuch ist strafbar, da es sich um ein Verbrechen (§ 12 Abs. 1 StGB) handelt. Die Tat ist nicht vollendet, weil O zwar verstorben ist, durch den Schlag selbst aber nicht verletzt wurde. Es handelt sich um einen sog. erfolgsqualifizierten Versuch, der grundsätzlich strafbar ist.“ Alternativ könnte direkt zu Beginn der Prüfung das Problem aufgeworfen werden, dass nach jener Ansicht, die verlangt, dass die schwere Folge des § 227 StGB gerade durch eine aus einem Körperverletzungserfolg resultierende Gefahr eintreten muss, ein Strafbarkeit aus dem erfolgsqualifizierten Versuch bei § 227 StGB nicht denkbar ist.
So handhaben es zB die Falllösungen von M. Müller, JURA 2005, 635 (637) und H. E. Müller/Schmoll, JA 2013, 756 (762). Dieses Vorgehen empfiehlt sich, wenn der genannten Literaturansicht gefolgt werden und die Strafbarkeit nach §§ 227, 22, 23 Abs. 1 Var. 1 StGB abgelehnt werden soll. Die Prüfung von §§ 227, 22, 23 Abs. 1 Var. 1 StGB endet dann und es sollte mit § 222 StGB fortgefahren werden.
Konkurrenzen
Wenn der Täter durch dieselbe Handlung, die § 227 StGB erfüllt, auch ein vorsätzliches Tötungsdelikt verwirklicht, so wird § 227 StGB im Regelfall durch die Verwirklichung des vorsätzlichen Tötungsdelikts im Wege der Gesetzeskonkurrenz verdrängt. Dies hat für den Prüfungsaufbau zur Folge, dass, sobald ein vorsätzliches Handeln hinsichtlich der Todesfolge denkbar ist und diskutiert werden muss, mit dem vorsätzlichen Tötungsdelikt begonnen werden sollte.
§ 227 StGB verdrängt im Wege der Gesetzeskonkurrenz § 222 StGB und § 223 StGB (Spezialität). Das Verhältnis zwischen § 227 StGB und § 224 StGB und § 226 StGB wird uneinheitlich beurteilt, sodass an dieser Stelle mit guter Begründung fast alles vertretbar ist.
Zu § 231 StGB kann Tateinheit bestehen, ebenso zum versuchten Raub mit Todesfolge (§ 251 StGB). Bei vollendetem § 251 StGB tritt § 227 StGB im Wege der Gesetzeskonkurrenz als typische Begleittat zurück.
Aufbauschemata
Aufbauschema für die vollendete Begehung
Tatbestand
Grunddelikt
Eintritt der schweren Folge
Kausalität & objektive Zurechnung
Tatbestandsspezifischer Gefahrzusammenhang
wenigstens fahrlässige Herbeiführung der schweren Folge
Rechtswidrigkeit
Schuld (inkl. subjektiver Fahrlässigkeitsmerkmale)
Aufbauschema für den erfolgsqualifizierten Versuch
Tatbestand
Vorprüfung: Das Delikt ist (mangels eines Erfolgs der Körperverletzung) nicht vollendet und der Versuch grundsätzlich gem. § 23 Abs. 1 Var. 1 StGB strafbar. Der Streit um den Anknüpfungspunkt für den tatbestandsspezifischen Gefahrzusammenhang kann entweder an dieser Stelle schon dargestellt oder aber auf den Prüfungspunkt I. 4. verschoben werden.
Ein Formulierungsvorschlag für letztere Variante findet sich in Fn. 7. Grunddelikt (= versuchtes Körperverletzungsdelikt)
Eintritt der schweren Folge
Kausalität und objektive Zurechnung
Tatbestandsspezifischer Gefahrzusammenhang
wenigstens fahrlässige Herbeiführung der schweren Folge
Rechtswidrigkeit
Schuld (inkl. subjektiver Fahrlässigkeitsmerkmale)
Prozessuales / Wissen für die Zweite Juristische Prüfung
Für Fälle des § 227 StGB (inkl. dem Versuch zu einer solchen Tat) ist gem. § 74 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 GVG das Schwurgericht funktional zuständig.
Studienliteratur und Übungsfälle
Studienliteratur
Kuhli, Der Versuch beim erfolgsqualifizierten Delikt, JuS 2020, 289
Steinberg, Die Erfolgsqualifikation im juristischen Gutachten, JuS 2017, 1061
Ransiek, Körperverletzung mit Todesfolge, JA 2017, 912
Kudlich, Das erfolgsqualifizierte Delikt in der Fallbearbeitung, JA 2009, 246
Übungsfälle
Schweiger, Anfängerklausur – Strafrecht: Eine Feier mit tödlichen Folgen, JuS 2023, 647
Weißer/Rogosch, Kleine Zwischenprüfungshausarbeit: Alte Liebe rostet nicht, Universität zu Köln, Institut für ausländisches und internationales Strafrecht, Wintersemester 2018/2019 (Open Access)
Gerhold/El-Ghazi, Fortgeschrittenenklausur – Strafrecht: Sittenwidrige Einwilligung mit Todesfolge, JuS 2014, 524
Wagner/Drachsler, Übungsfall: Die Party bei den Jacks, ZJS 2011, 530
Kett-Straub/Linke, Referendarexamensklausur – Strafrecht: Tod durch Unterlassen – Schnelle Scheidung, JuS 2008, 717
Käßner/Seifert, Referendarexamensklausur – Strafrecht: Stoff und Zoff, JuS 2006, 810
Norouzi, Übungsklausur – Strafrecht: Die Welt zu Gasten bei „Freunden“, JuS 2006, 531
Beck/Valerius, Familienbande, JA 2005, 728
Kudlich, Zur Übung – Strafrecht: Eine missglückte Rache, JuS 2003, 32
Bischoff/Schneider, Assessorexamensklausur – Strafrecht: Anklageschrift – Der Fenstersturz, JuS 2012, 741