Kilian Wegner Strafrecht Besonderer Teil I: Delikte gegen die Person und die Allgemeinheit Licensed under CC-BY-4.0

§ 5: Fahrlässige Tötung (§ 222 StGB)

Autor: Manuel Richter

Allgemeines

§ 222 StGB ist ein sowohl in der Praxis (insb. im Straßenverkehr) als auch in der Klausur häufig anzutreffendes Delikt. Spezifische Probleme, die nicht ohnehin jedem Fahrlässigkeitsdelikt zu eigen wären, ergeben sich im Rahmen des § 222 StGB nicht. In der Klausur dient der Tatbestand vielmehr regelmäßig dazu, Probleme des Allgemeinen Teils, insbesondere der Fahrlässigkeitsdelikte, abzuprüfen,Mitsch, JuS 1996, 407 (410). sodass insoweit auf die hierzu einschlägige Literatur verwiesen werden kann.Beispielsweise Rengier, AT, 15. Aufl. (2023), § 52 Rn. 1 ff.; Kretschmer, JURA 2000, 267; Laue, JA 2000, 666; Mitsch, JuS 2001, 105; Beck, JA 2009, 111 und 268; Kaspar, JuS 2012, 16 und 112; Rostalski, JuS 2021, 827.

Die in → § 1 erläuterten Grundsätze der Tötungsdelikte (Beginn und Ende des Lebens, Absolutheit des Lebensschutzes) gelten auch im Rahmen des § 222 StGB.

Konkurrenzen

§ 222 StGB verdrängt § 229 StGB, da die fahrlässige Körperverletzung ein notwendiges Durchgangsstadium der fahrlässigen Tötung darstellt und damit subsidiär ist.Vgl. Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. (2019), § 222 Rn. 8.

§ 222 StGB tritt hingegen hinter erfolgsqualifizierten Delikten zurück, deren schwere Folge in der (leichtfertigen oder sonst fahrlässigen) Herbeiführung des Todes liegt (zB §§ 227, 239 Abs. 4, 251 oder 315d Abs. 5 StGB).Sternberg-Lieben/Schuster, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. (2019), § 18 Rn. 14.

Vollendete vorsätzliche Tötungsdelikte schließen bereits den Tatbestand des § 222 StGB aus, sodass sich insoweit keine Konkurrenzfragen stellen. Denn nach wohl hM stehen Vorsatz und Fahrlässigkeit in einem Exklusivitätsverhältnis.Rengier, AT, 15. Aufl. (2023), § 52 Rn. 2. Nach Bejahung eines vollendeten vorsätzlichen Tötungsdelikts sollte § 222 StGB in der Klausur daher nicht mehr angesprochen werden.Rengier, AT, 15. Aufl. (2023), § 52 Rn. 2.

Prozessuales

Bei § 222 StGB ist eine Nebenklage durch die Eltern, Kinder, Geschwister bzw. die Ehegatt:in oder Lebenspartner:in möglich (§ 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO).

Prüfungsschema

  1. Tatbestand

    1. Taterfolg: Tod eines Menschen

    2. Tathandlung

    3. Kausalität

    4. Objektive Fahrlässigkeit (= objektive Sorgfaltspflichtverletzung und objektive Vorhersehbarkeit)

    5. Objektive Zurechnung (insb. Pflichtwidrigkeits- und Schutzzweckzusammenhang)

  2. Rechtswidrigkeit

  3. Schuld

    1. Schuldfähigkeit

    2. Subjektive Fahrlässigkeit (= subjektive Sorgfaltspflichtverletzung und subjektive Vorhersehbarkeit)

    3. Entschuldigungsgründe