Olivia Czerny Zivilrecht: Wissen und Methoden für die Falllösung Licensed under CC-BY-4.0

Müssen in der Klausur beide Varianten von § 281 I 1 geprüft werden?

§ 281 I 1 Var. 1 und 2 im Gewährleistungsrecht

Grds. sind beide Var. des § 281 I 1 BGB zu prüfen, weil Sie ein umfassendes Gutachten schreiben. Anders als bei § 323 I, wo typischerweise entweder beide oder aber keine der Varianten erfüllt ist, kann bei § 281 BGB auch nur eine der Varianten erfüllt sein. Der Grund ist die Voraussetzung des Vertretenmüssens, das sich auf die Pflichtverletzung bezieht. Bei Var. 1 muss der Verkäufer es zu vertreten haben, dass er die Nacherfüllung nicht geleistet hat, bei Var. 2, dass er ursprünglich nicht vertragsgemäß geleistet hat. Häufig wird den Verkäufer als Händler zwar kein Verschulden bzgl. des Mangels bei Lieferung treffen. Weigert er sich dann aber unbegründet, den Mangel zu beheben, trifft ihn ein Verschulden für die Nichterbringung der Nacherfüllung: Var. 1 ist erfüllt, Var. 2 hingegen nicht.

 

Ob die ursprüngliche, nicht vertragsgemäße Leistung eine relevante Pflichtverletzung iSd §§ 280, 281 BGB sein kann, ist umstr., wird aber von der hM bejaht. Siehe dazu Skript S. 48.

 

Tipp 1: § 281 I 1 Var. 1 sollte vor Var. 2 geprüft werden, weil die Nichtleistung der Nacherfüllung unproblematisch eine Pflichtverletzung ist.

 

Tipp 2: Wenn bereits § 281 I 1 Var. 1 erfüllt ist, besteht der Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung. Dann müssen Sie Var. 2 zwar noch prüfen (s.o.: umfassendes Gutachten), sollten aber darauf achten, nicht zu viel Zeit zu verlieren, denn im praktischen Ergebnis kommt es ja nicht mehr darauf an, ob Var. 2 auch noch erfüllt ist.