Kilian Wegner Strafrecht Besonderer Teil I: Delikte gegen die Person und die Allgemeinheit Licensed under CC-BY-4.0

§ 18: Urkundenfälschung (§ 267 StGB)

Autor: Fynn Wenglarczyk

Kriminalstatistisch gesehen sind die Urkundsdelikte des 23. Abschnitts des StGB nicht besonders bedeutsam. Mit 86.644 FällenPolizeiliche Kriminalstatistik 2023, Grundtabelle, Schlüssel 540000. spielen sie bei einem Gesamtverdachtsfallaufkommen (Polizeiliche Kriminalstatistik) im Jahr 2023 von 5.940.667Polizeiliche Kriminalstatistik 2023, Grundtabelle, Schlüssel 000000. eine eher untergeordnete Rolle. In juristischen Prüfungsarbeiten werden sie trotzdem sehr häufig abgeprüft, gehören in allen Bundesländern zum Pflichtfachstoff für die Erste Juristische Prüfung und sind nicht etwa nur „im Überblick“ zu beherrschen.

Urkundsdelikte bereiten erfahrungsgemäß erhebliche Schwierigkeiten bei der Bearbeitung im juristischen Gutachten. Das liegt häufig daran, dass schon die Subsumtion unter den Begriff der Urkunde, dem Tatobjekt des § 267 Abs. 1 StGB, nicht gelingt. Grund hierfür ist wiederum, dass es sich beim Urkundenbegriff um ein im Vergleich zu Tatobjekten anderer Straftatbestände komplexes begriffliches Konstrukt handelt und sich schwierige Abgrenzungsfragen stellen können (zB zu den sog. Beweis- und Kennzeichen, dazu im Detail unter → Rn. 9 f.). Ein Schwerpunkt in der Klausur liegt dementsprechend häufig bereits in der Frage, ob eine Urkunde iSd § 267 Abs. 1 StGB vorliegt.

Rechtsgut und Deliktsstruktur

Die Urkundsdelikte des 23. Abschnitts und damit auch die Urkundenfälschung (§ 267 StGB) dienen der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs durch Schutz des Vertrauens in den Beweisverkehr mit Urkunden. Die §§ 268, 269, 270 StGB haben einen entsprechenden Schutz des Beweisverkehrs mit technischen Aufzeichnungen und Daten zum Zweck. Insofern geht es nach hM um den Schutz eines Interesses der Allgemeinheit und nicht um den Schutz eines Individualrechtsguts. Für § 267 StGB kann dieser allgemein formulierte Schutzzweck aber noch konkretisiert werden: Die Vorschrift bezweckt den Schutz der Echtheit (Authentizität) von Urkunden, nicht aber den Schutz der inhaltlichen Richtigkeit oder Wahrheit der darin festgehaltenen Aussagen. Konkret bedeutet das: Die Strafvorschrift beabsichtigt über die Strafandrohung von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe (Androhungsgeneralprävention) zu verhindern, dass die in einer Urkunde verkörperte (Gedanken-)Erklärung einer anderen Person zugerechnet wird, als derjenigen, die aus der Urkunde als Erklärende (Aussteller) hervorgeht. Schriftliche Lügen, also Erklärungen in Urkunden, die nur inhaltlich unrichtig sind, sind mangels Tatbestandsmäßigkeit also kein Fall des § 267 StGB. Die inhaltliche Richtigkeit wird nur ausnahmsweise bei besonderen Urkunden geschützt, wie zB öffentlichen Urkunden gem. § 348 StGB (Falschbeurkundung im Amt) oder unrichtigen Gesundheitszeugnissen, § 278 StGB (→ § 24).

Den Eintritt eines Taterfolgs setzt der Tatbestand nicht voraus. Die Urkundenfälschung ist daher ein abstraktes Gefährdungsdelikt.Fischer, StGB, 71. Aufl. (2024), § 267 Rn. 1. Objektive Zurechnung und Kausalität sind nicht zu prüfen.

Tatbestand

Objektiver Tatbestand

Begriff der Urkunde

Tatobjekt des § 267 StGB ist eine Urkunde.

Urkunde im Sinne des materiellen Strafrechts

Eine Urkunde ist jede fest verkörperte Gedankenerklärung, die zum Beweis im Rechtsverkehr bestimmt und geeignet ist und die einen Aussteller erkennen lässt.

Weiterführendes Wissen

In der Literatur findet sich häufig eine geringfügig abweichende Definition, nach der es darauf ankommen soll, ob eine zum Beweis im Rechtsverkehr bestimmte und geeignete, fest verkörperte Gedankenerklärung vorliegt, die ihren Aussteller (Urheber) erkennen lässt.So zB bei Rengier, BT II, 25. Aufl. (2024), § 32 Rn. 1 Dass diese Formulierung nicht ganz aufgeht, stellt man spätestens bei der Prüfung der Tathandlungsvariante des Herstellens einer unechten Urkunde, § 267 Abs. 1 Var. 1 StGB (hierzu gleich → Rn. 45 ff.) fest: Denn diese Tatvariante beschreibt den Fall, dass über die Identität des Ausstellers der Urkunde getäuscht wird. Bei einer unechten Urkunde geht eine Person als Urheber der Gedankenerklärung hervor, die in Wirklichkeit gar nicht Urheber ist. Vermeintlicher oder scheinbarer Aussteller müssen nicht einmal existieren. Die unechte Urkunde lässt dann aber nicht – wie zuvor definiert – ihren, sondern nur irgendeinen vermeintlichen Aussteller (Urheber) erkennen. Es gibt in der Literatur zwar durchaus Stimmen, die die Urkundenqualität der unechten Urkunde aus diesem Grund verneinen.ZB Puschke, in: Hilgendorf/Kudlich/Valerius (Hrsg.), Handbuch des Strafrechts, Bd. 5 (2020), § 42 Rn. 42. Die hM verlangt für die Garantiefunktion der Urkunde (→ Rn. 20 ff.) aber allein, dass das Dokument die erkennbare Angabe eines Ausstellers enthält, nicht aber, dass sie tatsächlich existiert.Siehe zB Heine/Schuster, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. (2019), § 267 Rn. 4 mwN. Man sollte den Urkundenbegriff mit der hM also dahingehend definieren, dass es sich um eine zum Beweis im Rechtsverkehr bestimmte und geeignete, fest verkörperte Gedankenerklärung handelt, die einen Aussteller erkennen lässt.

Gedankenerklärung

Eine Urkunde setzt das Vorliegen einer Gedankenerklärung voraus. Es muss sich also stets irgendein Erklärungsgehalt entnehmen lassen. Die bloße Existenz eines Objektes oder einer technisch bewirkten Darstellung vergangener Gegebenheiten oder Zustände durch Messinstrumente kann keine Urkunde sein. Mit dem Erfordernis eines Erklärungsgehalts ist die Voraussetzung der Wahrnehmbarkeit der Gedankenerklärung (zB visuell oder haptisch wie etwa bei Blindenschrift) verbunden, sodass allein auf Informationsträgern (USB-Stick, Cloud-Speicher, Tonträger) digital codierte Informationen als Urkunden ausscheiden.

Über die Voraussetzung der Gedankenerklärung lassen sich Urkunden auch von sog. Augenscheinsobjekten und technischen Aufzeichnungen abgrenzen. Augenscheinsobjekte sind Gegenstände ohne gedanklichen Inhalt, wie zB Fingerabdrücke, Blut- oder Farbflecken, Kleidungsstücke. Technische Aufzeichnungen sind durch technische Geräte bewirkte Darstellungen von Daten, Mess- oder Rechenwerten, Zuständen oder Geschehensabläufen (vgl. die Legaldefinition in § 268 Abs. 2 StGB, → § 19 Rn. 6 ff.). Über ihre Existenz, Beschaffenheit oder zB den dargestellten Messwert hinaus haben Augenscheinsobjekte und technische Aufzeichnungen keinen selbstständigen, menschlichen Erklärungsgehalt und stellen daher keine Urkunden dar.

Im Gegensatz zu Augenscheinsobjekten und technischen Aufzeichnungen erfüllen sog. Beweiszeichen nach hM die Merkmale des Urkundenbegriffs.Siehe stellvertretend Rengier, BT II, 25. Aufl. (2024), § 32 Rn. 21. Beweiszeichen sind durch Zeichen oder Symbole zum Ausdruck kommende Gedankenerklärungen, wie zB das KfZ-Kennzeichen, TÜV-Plakette oder Preisschilder. Dass bei den Beweiszeichen die Schriftform fehlt, ist unschädlich, da auch Zeichen und Symbole können eine Gedankenerklärung beinhalten:Vgl. (mwN zur hM) Hilgendorf/Valerius, BT I, 1. Aufl. (2021), § 10 Rn. 15. Einem KfZ-Kennzeichen lässt sich in Verbindung mit dem Fahrzeug beispielsweise auch ohne vollständige Verschriftlichung die Erklärung entnehmen, dass das Fahrzeug für den im Fahrzeugregister eingetragenen Halter zum öffentlichen Verkehr zugelassen ist.Vgl. BGH NJW 2000, 229 (zusammengesetzte Urkunde).

Weiterführendes Wissen

Der Erklärungsgehalt einer Urkunde muss zwar nicht zwingend über die bekannten Schriftzeichen einer Sprache oder im Falle von Beweiszeichen über bekannte Zeichen oder Symbole zum Ausdruck gebracht werden.Fischer, StGB, 71. Aufl. (2024), § 267 Rn. 3. Vorausgesetzt ist aber, dass er zumindest für einen bestimmten Adressatenkreis (Beteiligte oder Eingeweihte) aus der Urkunde selbst erkennbar und verstehbar sein muss.

Für die Frage, ob auch durch Schreibprogramme oder allgemein maschinell erstellte Erklärungen (EDV-“Urkunden“, zB computergenerierte Gehaltsabrechnungen, Steuerbescheide, Überweisungsträger) Gedankenerklärungen enthalten, ist zu differenzieren: Wurde der Inhalt des Dokuments ganz ohne menschliches Zutun allein durch ein Programm erstellt, liegt keine Gedankenerklärung und damit auch keine Urkunde vor. Ist der konkrete Inhalt hingegen auf unmittelbare menschliche Arbeitsanweisung zurückzuführen und nur durch das Programm etwa in Schrift umgesetzt (zB Erstellung eines Schriftsatzes mit Microsoft Word) liegt eine Gedankenerklärung vor. Dass EDV-"Urkunden" nicht von § 267 StGB erfasst werden, ergibt sich neben der gesetzeshistorischen Überlegung, dass man vor etwa 150 Jahren noch keine EDV-Urkunden kannte und dementsprechend auch nicht tatbestandlich als erfasst wissen wollen konnte, auch aus einer teleologischen Auslegung des § 267 Abs. 1 StGB: Der Schutzzweck des § 267 Abs. 1 StGB ist auf die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs mit Urkunden gerichtet. Das wiederum liegt darin begründet, dass Urkunden nicht wie andere Beweismittel allein den Rückschluss auf bestimmte Tatsachen ermöglichen, sondern zu erkennen geben können, dass eine bestimmte Erklärung von einem bestimmten Aussteller stammt. Was zum Beweis in Anspruch genommen wird, ist also die individuelle Glaubwürdigkeit der erklärenden Person in rechtlichen Angelegenheiten. Die in einer EDV-“Urkunde“ enthaltene „Erklärung“ ist aber gerade nicht individualisiert, sodass auch keine individuelle Glaubwürdigkeit in Anspruch genommen werden und der Schutzzweck nicht berührt werden kann.Vgl. auch Erb, in: MüKo-StGB, 3. Aufl. 2019, § 267 Rn. 6; Heger, in: Lackner/Kühl/Heger, 30. Aufl. (2023), § 267 Rn. 4.

Die drei „Funktionen“ der Urkunde

Urkunden haben im Wesentlichen drei Funktionen, deren Vorliegen im Gutachten gesondert zu prüfen ist:

Perpetuierungsfunktion

Eine Urkunde setzt zunächst voraus, dass die (menschliche) Gedankenerklärung perpetuiert, also verkörpert ist. Sie muss eine hinreichend feste Verbindung zu einem körperlichen Gegenstand (Bestandsfestigkeit) aufweisen, wie typischerweise zu einem oder mehreren Blättern Papier. Daran fehlt es zB, wenn die Erklärung nur visuell auf einem Bildschirm wahrgenommen werden kann. Durch die Bestandsfestigkeit werden Aussteller und Erklärung dauerhaft miteinander verbunden. Hintergrund: Wenn Urkunden im Rechtsverkehr Beweis erbringen können sollen, indem sie garantieren, dass eine bestimmte Erklärung von einem bestimmten Aussteller stammt, muss dieser Erklärungsgehalt den am Rechtsverkehr Beteiligten auch zumindest für gewisse Dauer zur Verfügung stehen können. Man bezeichnet diesen Aspekt bzw. diese Funktion der Urkunde Perpetuierungsfunktion, denn das Verb „perpetuieren“ stammt vom lateinischen perpetuare und bedeutet so viel wie: etwas auf Dauer festsetzen, bewirken, dass sich etwas auf Dauer festsetzt.

Beispiel: Auf Papier gedruckte oder – auch mit Bleistift – geschriebene Erklärungen sind hinreichend fest verkörpert. Das gleiche gilt für Preisschilder, die auf einem Produkt aufgeklebt sind (sog. zusammengesetzte Urkunde → Rn. 24 ff.). Nicht verkörpert sind mit einer Schreibsoftware verfasste Dokumente, die zwar die Beweis- und Garantiefunktion erfüllen (zu letzterer sogleich → Rn. 20 ff.), aber noch nicht ausgedruckt oder sonst wie verkörpert sind und damit lediglich auf einem Bildschirm wahrgenommen werden können. Auch keine Urkunde liegt vor bei Gedankenerklärungen, die in den Schnee oder in Sand geritzt sind oder Erklärungen, die man mit dem Finger auf eine beschlagene Fensterscheibe schreibt.

Beweisfunktion

Eine Urkunde muss zum Beweis bestimmt und geeignet sein.

Weiterführendes Wissen

Die herrschende Definition der Urkunde als fest verkörperte Gedankenerklärung, die zum Beweis im Rechtsverkehr bestimmt und geeignet ist und die einen Aussteller erkennen lässt, ist im Hinblick auf die Beweisbestimmung und -eignung im Zusammenhang mit der Tatvariante des Herstellens, aber auch des Verfälschens (§ 267 Abs. 1 Var. 2 StGB) einer unechten Urkunde, nicht ganz stringent. So kann und soll beispielsweise eine unechte Urkunde, die nicht von dem oder derjenigen stammt, der aus ihr als Aussteller hervorgeht, objektiv betrachtet ja gerade nicht als Beweis für den Rechtsverkehr fungieren. In der Prüfungsarbeit darf man sich bei der Subsumtion also nicht beirren lassen: Prüft man die Tatvariante des Herstellens einer unechten Urkunde, ist zu fragen, ob sie im Falle ihrer Echtheit zum Beweis im Rechtsverkehr bestimmt oder geeignet wäre.

Beweiseignung meint die Möglichkeit, im Hinblick auf eine rechtserhebliche Tatsache auf die Überzeugungsbildung eines anderen im Rechtsverkehr zumindest mitbestimmend einwirken zu können. Ob das der Fall ist, muss nach objektiven Kriterien beurteilt werden. Die Beweiseignung ist schon dann zu bejahen, wenn die Urkunde eine rechtserhebliche Tatsache glaubhaft (vgl. § 294 Abs. 1 ZPO) machen kann, sie also als überwiegend wahrscheinlich erscheint. Nicht vorausgesetzt ist, dass eine Urkunde stets geeignet sein müsste, vollen Beweis für eine Tatsache zu erbringen, also eine zweifelsfreie Überzeugung herbeizuführen.

Beispiel: Zum Beweis geeignet ist eine Prüfungsarbeit oder ein Diktat, da sich die verschriftlichte Gedankenerklärung darauf hin überprüfen lässt, ob ein bestimmter, geforderter Leistungsstand erreicht wurde. Unschädlich ist dabei die Möglichkeit, dass das Diktat für den Prüfling ein „Glückstreffer“ war und hier nicht der volle Beweis über seinen oder ihren Leistungsstand erbracht werden kann.

Mit Beweisbestimmung ist die Motivation des Ausstellers oder einer dritten Person gemeint, einen anderen Menschen durch die in der Urkunde verkörperte Erklärung zu einem rechtserheblichen Verhalten zu veranlassen. Die Beweisbestimmung beurteilt sich also nach subjektiven Kriterien. Erfolgt die Beweisbestimmung durch den Aussteller selbst, spricht man von Absichtsurkunden. Erfolgt die Beweisbestimmung hingegen durch Dritte, spricht man von Zufallsurkunden. Ob diese überhaupt unter den Urkundenbegriff zu fassen sind, ist umstritten.

Beispiel: Eine Zufallsurkunde liegt zB vor, wenn eine Partei in einem Prozess einen privaten Brief, einen Merkzettel oder eine sonstige, verkörperte Erklärung entdeckt und nun als Beweismittel verwenden will und daher für den Rechtsverkehr erkennbar eine Beweisbestimmung trifft, indem sie etwa in einem Schriftsatz darauf hinweist.Beispiel nach Rengier, BT II, 25. Aufl. (2024), § 32 Rn. 9.

Vertiefung anhand eines Beispielfalls, in dem der Aussteller einer Urkunde diese erst nachträglich zum Beweis bestimmt

Sachverhalt: A druckt eine am 1. Januar 2021 an sie versendete E-Mail aus Versehen aus. Das ausgedruckte Blatt, das für sie (zunächst) keinen Nutzen hat, legt sie auf ihren Stapel mit Schmierpapier für Notizen. A wird später verdächtigt, am 1. Januar 2021 eine Straftat begangen zu haben. Sie will den Ausdruck zum Beweis der Tatsache verwenden, dass sie zur Tatzeit am 1. Januar 2021 zu Hause an ihrem Schreibtisch saß.

Lösungsvorschlag: Fraglich ist hier, ob der Ausdruck die Kriterien einer Urkunde iSd § 267 StGB erfüllt. Eine Urkunde ist jede fest verkörperte Gedankenerklärung, die zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt ist und die einen Aussteller erkennen lässt. Es kann zunächst festgestellt werden, dass der Ausdruck eine auf Papier mit Drucktertinte verkörperte Gedankenerklärung enthält und mit dem Namen bzw. der E-Mail-Adresse der versendenden Person auch den Aussteller erkennen lässt. Ausgedruckte E-Mails sind auch grundsätzlich dazu geeignet, mitbestimmend auf die Überzeugung von im Rechtsverkehr Teilnehmenden einzuwirken und daher zum Beweis geeignet. Problematisch ist allein, ob der Ausdruck auch dazu bestimmt ist, als Beweis im Rechtsverkehr zu dienen. Das ist hier deshalb fraglich, weil A zum Zeitpunkt der Erstellung der Urkunde (Ausdruck) nicht beabsichtigte, diese später zum Beweis zu verwenden. Es könnte sich insofern um eine sog. Zufallsurkunde handeln. Es ist umstritten, ob Zufallsurkunden überhaupt unter den Urkundenbegriff des § 267 StGB zu fassen sind.

Dem Wortlaut des § 267 Abs. 1 StGB lässt sich eine Einschränkung dahingehend, dass eine Beweisbestimmung zwingend vom Aussteller vorgenommen werden müsste, nicht entnehmen. Einer Auslegung, die zu dem Ergebnis käme, dass Zufallsurkunden unter § 267 Abs. 1 StGB zu subsumieren wären, verstieße damit zumindest nicht gegen das durch Art. 103 Abs. 2 GG gewährleistete Analogieverbot, auch wenn es sich hier wegen der Erweiterung des Anwendungsbereichs der Beweisbestimmung durch Dritte grundsätzlich um eine Ausweitung des Tatbestandes handelt.

In systematischer Hinsicht könnte die Wertung des durch § 16 Abs. 1 S. 1 StGB iVm § 8 S. 1 StGB zum Ausdruck gebrachten Koinzidenzprinzips zu berücksichtigen sein, nach dem der Vorsatz als subjektives Element zum Zeitpunkt der Tathandlung vorliegen muss. Allerdings geht es hier nicht um den Vorsatz iSd subjektiven Tatbestands, sondern lediglich um die Beweisbestimmung, die zwar nach herrschender Auffassung nach subjektiven Kriterien bestimmt werden muss, aber dem objektiven Tatbestand, hier: der Frage nach dem Vorliegen des Tatobjekts, zuzuordnen ist.

Ein systematisches Argument, das für die Einbeziehung von Zufallsurkunden streitet, kann aber in der Existenz des § 268 Abs. 2 StGB gesehen werden. Der Wortlaut dieser Norm stellt im Hinblick auf das Vorliegen einer technischen Aufzeichnung explizit darauf ab, dass diese „um Beweis einer rechtlich erheblichen Tatsache bestimmt ist, gleichviel ob ihr die Bestimmung schon bei der Herstellung oder erst später gegeben wird.“ Daraus könnte man zwar auch den Umkehrschluss ziehen, dass dies für § 267 Abs. 1 StGB gerade nicht gelten soll, da der Gesetzgeber dies anderenfalls hätte normieren können. Entscheidend dürfte aber insoweit die teleologische Überlegung sein, dass alle Strafvorschriften des 23. Abschnitts dem Schutz der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs dienen und die Anforderungen an das Vorliegen der für den Beweisverkehr benutzten Medien (Urkunden, technische Aufzeichnungen, öffentliche Urkunden etc.) daher einheitlich zu bestimmen sind. Es leuchtet vor dem Hintergrund dieses Schutzzwecks nicht ein, warum bei Urkunden iSd § 267 Abs. 1 StGB keine nachträgliche Beweisbestimmung möglich sein soll, bei technischen Aufzeichnungen aber schon. Mit der herrschenden Auffassung ist daher davon auszugehen, dass auch Zufallsurkunden als Urkunden iSd § 267 Abs. 1 StGB zu fassen sind.

Hinweis: Eine derart umfangreiche Auslegung sollte natürlich nur dann erfolgen, wenn es sich bei diesem Problem um einen Schwerpunkt in der Prüfungsarbeit handelt, was im Einzelfall beurteilt werden muss. Allerdings sollte man sich zumindest den § 268 Abs. 2 StGB als starken systematischen Anhaltspunkt für eine Subsumtion von Zufallsurkunden unter § 267 StGB merken.

Aus der subjektiv zu beurteilenden Beweisbestimmung folgt, dass Entwürfe (von Urkunden) in der Regel keine Urkunden darstellen. Zwar mag zB ein Schriftsatz mit der Intention aufgesetzt werden, später für den Beweis gewisser Tatsachen zu dienen, allerdings soll dies ja gerade erst ab dem Zeitpunkt der Fertigstellung gelten. Mit dem gleichen Gedanken ist auch die Beweisbestimmung bei noch nicht vollständig ausgefüllten Formularen oder Vordrucken in der Regel zu verneinen.

Garantiefunktion

Die verkörperte Gedankenerklärung muss einen Aussteller erkennen lassen (Garantiefunktion). Das ist nötig, damit die Erklärung im Rechtsverkehr einer bestimmten natürlichen oder juristischen Person zugeordnet werden kann. Ohne eine solche Zuordnung bestünde kein Bedürfnis nach strafrechtlichem Schutz vor Identitätstäuschungen. Aussteller einer Urkunde ist nach der von der hM vertretenen Geistigkeitstheorie dabei diejenige Person, der die Erklärung als Urheber zuzurechnen ist und die die Erklärung deshalb auch gegen sich gelten lassen muss. Aussteller muss also nicht zwingend die Person sein, die die Erklärung körperlich hergestellt hat, also beispielsweise verschriftlicht hat (so aber nach der nicht mehr vertretenen Körperlichkeitstheorie). Entscheidend ist, dass man sie ihr nach der Verkehrsanschauung als Urheber zurechnen und sie als Garant der Erklärung ansehen kann. Aussteller sind also zum Beispiel Anwälte oder Professoren, auch wenn die wissenschaftlichen Mitarbeiter Schriftsätze erstellen oder ein Kaufhaus als juristische Person, auch wenn Verkäufer einen Kaufbeleg (händisch) ausstellen. Die Person des Ausstellers der Urkunde muss im Übrigen nicht wörtlich genannt sein, es genügt, wenn sie sich aus den Umständen ergibt.Nach Fischer, StGB, 71. Aufl. (2024) § 267 Rn. 11 müssen sich die Umstände aber aus der Urkunde selbst ergeben.

Die Urkundeneigenschaft wird nach hM nicht dadurch in Frage gestellt, dass der aus einer Urkunde hervorgehende Aussteller gar nicht existiert.Heine/Schuster, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. (2019), § 267 Rn. 4 mwN. Auch wenn eine fiktive Person aus der Urkunde als (scheinbarer) Aussteller hervorgeht, kann es sich nach der hM um eine Urkunde iSd § 267 Abs. 1 StGB handeln. Hier darf man sich nicht verwirren lassen: Es handelt sich in diesen Fällen nämlich um eine unechte Urkunde iSd § 267 Abs. 1 Alt. 3 StGB. Das Anfertigen einer Urkunde mit einer fiktiven Person als Aussteller wird von der Tathandlungsalternative des Herstellens einer unechten Urkunde typischerweise erfasst (hierzu → Rn. 45 ff.).

Problematisch kann die Erkennbarkeit eines Ausstellers bei anonymen Erklärungen sein. Anonyme Erklärungen sind solche, bei denen ein Deck- oder Fantasiename verwendet oder die Erklärung absichtlich unleserlich unterschrieben wird. Hier ist zu unterscheiden: Wenn offensichtlich niemand für die Erklärung einstehen will, was zB der Fall ist, wenn jemand mit „N.N.“ oder ersichtlich mit einem Fantasienamen wie „Superman“ unterschreibt, ist kein Aussteller erkennbar. Wird hingegen ein Pseudonym benutzt und ist nach den Umständen erkennbar, wer hinter diesem Pseudonym steht, kann die Erkennbarkeit bejaht werden.Vgl. Rengier, BT II, 25. Aufl. (2024), § 32 Rn. 16 und zur Vertiefung Seier, JA 1979, 134 ff.

Definition und Subsumtion in der Klausur

Liegt in der Prüfungsarbeit ein Schwerpunkt auf dem Urkundenbegriff, sollten mögliche Probleme bereits in der Definition aufgegriffen werden. Insofern bietet es sich an, in Zweifelsfällen eine umfangreiche Definition zu geben und die Prüfung entsprechend der einzelnen Definitionsmerkmale aufzugliedern.

Formulieren könnte man wie folgt:

Eine Urkunde im materiell-strafrechtlichen Sinn des § 267 Abs. 1 StGB ist jede fest verkörperte, menschliche Gedankenerklärung, die durch die Möglichkeit, auf die Überzeugungsbildung einer anderen Person mitbestimmend einzuwirken, zum Beweis einer rechtserheblichen Tatsache geeignet und hierzu auch subjektiv bestimmt ist und die einen Aussteller erkennen lässt.

Besondere Formen der Urkunde

Zusammengesetzte Urkunden

Bei zusammengesetzten Urkunden handelt es sich um verkörperte Gedankenerklärungen, die mit einem Bezugsobjekt fest zu einer Beweiseinheit verbunden werden. Sie besteht also immer aus zwei Elementen. Diese Elemente haben für sich genommen in der Regel keine Urkundsqualität, sondern werden erst durch die Verbindung zu einer Beweiseinheit zu einer (zusammengesetzten) Urkunde.

Beispiele für zusammengesetzte Urkunden:

  • Ausweisdokumente: Auf dem Ausweisdokument befindet sich ein Lichtbild, das als Bezugsobjekt die sonst notwendige, schriftliche Beschreibung der Person ersetzt

  • Internationaler (gelber) Impfausweis in Verbindung mit dem Stempel des impfenden Arztes

  • Beglaubigungsvermerk auf einer Fotokopie

  • Fahrzeug-Identifizierungsnummern

  • Kfz-Kennzeichen mit Stempelplakette der Zulassungsbehörde

  • Ein weiteres typisches Beispiel stellt das Preisetikett dar, das auf einem zum Verkauf stehenden Gegenstand (zB eine verpackte Flasche Parfüm) aufgeklebt ist. Dem Bezugsobjekt (Parfüm) und dem Preisetikett zusammen lässt sich als einheitliche, neue Beweiseinheit die Erklärung entnehmen, dass dieser Verkaufsgegenstand zu einem bestimmten Preis zum Verkauf angeboten wird (freilich nach den zivilrechtlichen Grundsätzen der invitatio ad offerendum). Den einzelnen Teilen ohne feste Verbindung ließe sich ein Erklärungsgehalt demgegenüber nicht entnehmen. Das Bezugsobjekt wäre in unserem Beispiel ein Augenscheinsobjekt (vgl. hierzu oben → Rn. 9 f.), enthielte also gar keine Erklärung und auch das Preisetikett ist für sich genommen, also ohne Bezug zu einem Gegenstand, nur eine Zahl. Nur durch ihre Verbindung entsteht eine Beweiseinheit, die es im Rechtsverkehr zu schützen gilt und die deshalb als zusammengesetzte Urkunde strafrechtlichen Schutz genießt.

Entscheidendes Merkmal der zusammengesetzten Urkunde ist die Bestandsfestigkeit der Verbindung von Gedankenerklärung und Bezugsobjekt. Ist diese Verbindung nicht hinreichend fest, sondern nur lose, liegt keine zusammengesetzte Urkunde vor.

Beispiel: Wer etwa im Kaufhaus ein Hemd aus einer nicht zugeklebten, sondern offenen Plastikverpackung nimmt und ein teureres Hemd hineinschiebt, um damit an der Kasse den auf der Verpackung abgedruckten geringeren Preis zu zahlen, der handelt nicht tatbestandsmäßig iSd § 267 StGB.OLG Köln NJW 1979, 729. Mangels hinreichend fester Verbindung von Gedankenerklärung (Preis) und Bezugsobjekt (Hemd) fehlt es hier bereits am Vorliegen einer zusammengesetzten Urkunde und damit an einem tauglichen Tatobjekt, das hätte verfälscht werden können.

Für die Frage, ob das Bezugsobjekt hinreichend fest verbunden ist, gelten folgende Maßstäbe: Wenn etwa ein Preisetikett nicht aufgeklebt, sondern nur mit einer Büroklammer mit dem Verkaufsgegenstand lose verbunden ist, ist das Vorliegen einer hinreichend festen Verbindung fraglich. Hier ist auf den Schutzzweck der Urkundenfälschung (→ Rn. 3) zu verweisen. Aus diesem kann ein grundsätzlich strenger Maßstab für die Bestandsfestigkeit abgeleitet werden (der iÜ tätergünstig ist und daher nicht in Konflikt mit Art. 103 Abs. 2 GG zu geraten droht): § 267 StGB bezweckt den Schutz des Vertrauens in den Beweisverkehr mit Urkunden durch den Schutz der Authentizität von Urkunden. Dieser Schutzzweck äußert sich vor allem in dem Erfordernis der festen Verkörperung gedanklicher Erklärungen, denn flüchtige Erklärungen (zB in den Sand geritzte) eignen sich nicht für den Beweisverkehr und sind deshalb nicht schutzwürdig. Sofern bei der zusammengesetzten Urkunde ein Augenscheinsobjekt nun (zum Teil) selbst Träger der Gedankenerklärung wird, muss es nach den Erfordernissen der Perpetuierungsfunktion ebenfalls auf Dauer verkörpert sein. Die Verkörperung äußert sich bei der Zusammensetzung von mehreren Teilen gerade in der Verbindung der Teile miteinander, sodass die neu entstandene Beweiseinheit als Ganzes verkörpert erscheint. Die hinreichend feste Verbindung bei zusammengesetzten Urkunden muss also entsprechend der „normalen" Verkörperung von Gedankenerklärungen in einfachen Urkunden ebenfalls auf Dauer angelegt sein. Daraus folgt für Urkunden, deren Bedeutungsgehalt erst durch die Verbindung mehrerer Teile entsteht: Verbindungen, die sich nach kurzer Zeit bzw. bei üblicher, bestimmungsgemäßer Benutzung aufzulösen drohen, genügen den Anforderungen an die Bestandsfestigkeit grundsätzlich nicht. Das Preisetikett, das beispielsweise nur mit einer Büroklammer befestigt ist, droht beim nächsten Umsortieren abzufallen, sodass eine hinreichend feste Verbindung und damit die Annahme einer zusammengesetzten Urkunde fernliegt.

Beispiel: Einen echten Klausurklassiker stellt die Frage dar, ob auch das Verkehrsschild in Kombination mit dem betreffenden Straßen- oder Verkehrsabschnitt als Bezugsobjekt eine zusammengesetzte Urkunde darstellt. Auf den ersten Blick scheinen alle Kriterien des Urkundenbegriffs erfüllt: Das Verkehrsschild ist mit dem Streckenabschnitt fest zu einer Beweiseinheit verbunden. In der Kombination lässt sich Verkehrszeichen und Straßenabschnitt auch der Erklärungsgehalt entnehmen, dass für den betreffenden Straßenabschnitt eine bestimmte Verkehrsregel gilt, die – zB bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten – auch zum Beweis der Geltung dieser Verkehrsregel geeignet und bestimmt ist. Schließlich lässt sie – ggf. durch Hinzuziehung weiterer Umstände – die Ordnungsbehörde als Aussteller erkennen. Überzeugend ist es aber, die Urkundsqualität eines Verkehrsschildes als zusammengesetzte Urkunde mit dem OLG KölnOLG Köln NJW 1999, 1042 (1043). und unter Hinweis auf die Wortlautgrenze und damit mit einem systematischen, hier: verfassungsrechtlichen (vgl. Art. 103 Abs. 2 GG), Argument abzulehnen. Eine, wie das OLG Köln ausführt, „zwei Kilometer lange Urkunde“ lässt sich nämlich nur schwerlich mit dem Wortlaut in Einklang bringen – das OLG Köln fordert dementsprechend eine „räumliche Überschaubarkeit“ des Bezugsobjekts.Anderer Auffassung ist etwa Rengier, BT II, 25. Aufl. (2024), § 32 Rn. 29. Im Falle von Parklücken oder einem kleinen Wendehammer ist es also durchaus denkbar, eine zusammengesetzte Urkunde aus einem Verkehrsschild und dem abgrenzbaren, überschaubaren Bereich, auf den sich das Verkehrsschild bezieht, anzunehmen.

Gesamturkunden

Bei einer Gesamturkunde werden mehrere Einzelurkunden in der Weise zusammengefasst, dass sie in ihrer Gesamtheit als neue Gedankenerklärung erscheinen. Der Erklärungsgehalt der Gesamturkunde geht über die Summe der Einzelerklärungen hinaus. Das resultiert aus im Rechtsverkehr anerkannten Regeln, nach denen gerade der Zusammenfassung mehrerer Einzelurkunden zu einer Gesamturkunde eine zusätzliche Bedeutung oder eine zusätzliche Information zukommt. So ist zB das kaufmännische Handelsbuch eine Gesamturkunde, denn über die dort dokumentierten Positionen und Geschäftsvorgänge hinaus wird dem Handelsbuch als Ganzes vom Geschäftsverkehr ein zusätzlicher Informationsgehalt über einen fortlaufenden Geschäftsvorgang zugesprochen.RGSt 50, 420 (421); RGSt 69, 396 (398). Entscheidend ist aber auch bei der Gesamturkunde, dass die Einzelurkunden fest und dauerhaft zu der neuen Gedankenerklärung zusammengefasst werden und in ihrer Gesamtheit zum Beweis im Rechtsverkehr bestimmt und geeignet sind. Weitere prüfungswichtige Beispiele für Gesamturkunden sind: Personalakten, Sparbücher, Einwohnermeldeverzeichnis, Wählerlisten.

Problematische Fälle

Die Einordnung von Reproduktionen von Gedankenerklärungen (zB Durchschriften, Ausfertigungen, Abschriften, Fotokopien, Tele- und Computerfaxe oder ausgedruckte E-Mails) ist schwierig und kann einen eigenen Problemschwerpunkt in der Prüfungsarbeit darstellen. Taucht ein solches Objekt, zB eine Fotokopie, im Sachverhalt auf, sollte man sich an der oben gegebenen Definition (→ Rn. 23) abarbeiten, wobei besonderes Augenmerk auf die Beweiseignung und Beweisbestimmung (Beweisfunktion) zu legen sein wird. Rengier hat zur Einordnung solcher Reproduktionen in seinem Lehrbuch vorgeschlagen, die Testfrage zu stellen,

„inwieweit nach dem Willen des Ausstellers und nach der Verkehrssitte das Mehrfachexemplar dazu geeignet und bestimmt ist, im Rechtsverkehr neben oder an die Stelle der Originalurkunde zu treten und dieselbe Beweisfunktionen zu erfüllen."Rengier, BT II, 25. Aufl. (2024), § 32 Rn. 34.

Dies ist im Einzelfall entlang der im Sachverhalt gegebenen Informationen zu beantworten.

Mehrfachfertigungen, Ausfertigungen, Durchschriften

Unter Mehrfachfertigungen versteht man eine Vielzahl gleichlautender Erklärungen, die alle in gleicher Weise verkörpert sind und jeweils als Erklärung desselben Aussteller gelten können. Beispiele sind ausgedruckte Speisekarten oder ausgedruckte Allgemeine Geschäftsbedingungen. Jedes Exemplar erfüllt alle Merkmale des strafrechtlichen Urkundenbegriffs: Die Speisekarte etwa enthält die fest verkörperte Erklärung über die angebotenen Speisen und Getränke sowie die entsprechenden Preise und lässt etwa durch Beschriftung mit dem Logo des Restaurants auch den oder den Aussteller erkennen. Weil es zudem für jeden und jede erkennbar ist und zu Beweiszwecken auch für ausreichend gehalten wird, dass es keine irgendwo verwahrte Ur- oder Original-Speisekarte (Urschrift oder Original) gibt, gilt jede Vervielfältigung selbst als Original und ist deshalb auch zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt.Rengier, BT II, 25. Aufl. (2024), § 32 Rn. 35.

Ähnliche Erwägungen gelten auch für sog. Ausfertigungen von Urkunden. Beispiele sind die Ausfertigung eines notariellen Vertrags für die beteiligten Parteien oder eine Ausfertigung des Abitur-Zeugnisses. Ausfertigungen werden vom Aussteller mit dem Zweck angefertigt, mehr als ein Exemplar einer Erklärung als Beweismittel im Rechtsverkehr zur Verfügung stehen zu haben. Sie sollen also dieselbe Funktion wie die erstgefertigte Urkunde (Urschrift) übernehmen und werden vom Rechtsverkehr deshalb auch jeweils für sich genommen als Original angesehen. Damit ist insbesondere die Beweiseignung zu bejahen.

Im Unterschied zu Mehrfachfertigungen und Ausfertigungen handelt es sich bei den Durchschriften nicht selbst um ein Original bzw. die Urschrift, sondern eben nur um eine Durchschrift – ein Abbild der Urschrift. Durchschriften können zB mittels Kohlepapier angefertigt werden. Aber auch wenn es sich nicht um das Original bzw. die Urschrift selbst handelt, haben sie exakt denselben verkörperten Erklärungsgehalt und können so auch als Erklärung desselben Ausstellers aufgefasst werden, der die Urschrift angefertigt hat (Perpetuierungs- und Garantiefunktion). Auch die Beweiseignung und -bestimmung muss bejaht werden: Wenn der Aussteller nämlich eine Durchschrift anfertigt, soll wie auch bei der Ausfertigung neben der Urschrift ein weiteres Exemplar hergestellt werden, das dem Beweis der darin verkörperten Erklärung dient.

Abschriften

Abschriften sind im Gegensatz zu Mehrfachfertigungen, Ausfertigungen und Durchschriften nicht als Urkunden anzusehen. Sie enthalten zwar selbst eine verkörperte Gedankenerklärung – eben die, die abgeschrieben oder sonst wie reproduziert wurde. Es mangelt aber an der nach objektiven Kriterien zu beurteilenden Beweiseignung. Ist ein Dokument als „Abschrift“ gekennzeichnet, bringt das nämlich den Charakter als Sekundärquelle zum Ausdruck. Bei der Abschrift wird nur der Inhalt eines Originals wiedergegeben, aber nicht der Anspruch erhoben, es handele sich selbst um das Original oder ein funktionsäquivalentes Dokument. Dass es insoweit an der Beweiseignung mangelt, lässt sich argumentativ auch darauf stützen, dass sich bei der bloßen Wiedergabe eines Originals – beispielsweise durch handschriftliches Abschreiben – leicht Fehler einschleichen können. Der Beweiswert ist damit naturgemäß gemindert. Die Abschrift ist damit nicht authentisch und unterfällt deshalb auch nicht dem Schutzzweck des § 267 StGB (→ Rn. 3).

Weiterführendes Wissen: Nach hM werden jedoch beglaubigte Abschriften als Urkunden anerkannt. Hier muss man aber vorsichtig sein, denn die beglaubigte Abschrift als solche ist eigentlich auch keine Urkunde, sondern nur Teil einer mit dem Beglaubigungsvermerk als Beweiszeichen zusammengesetzten Urkunde. Geppert, Jura 1990, 272; Fischer, StGB, 71. Aufl. (2024), § 267 Rn. 18; Kindhäuser/Schramm, BT I, 10. Aufl. (2023), § 55 Rn. 38

(Foto-)Kopien

Bezüglich der Urkundenqualität von Kopien ist zunächst zwischen beglaubigten und unbeglaubigten Kopien zu unterscheiden. Während die Urkundenqualität der beglaubigten Kopie als zusammengesetzte Urkunde – wie auch die der beglaubigten Abschrift – weitgehend anerkannt ist,Vgl. etwa Heine/Schuster, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. (2019), § 267 Rn. 42b; Hilgendorf/Valerius, BT I, 1. Aufl. (2021), § 10 Rn. 25; Heger, in: Lackner/Kühl/Heger, 30. Aufl. (2023), § 267 Rn. 16; Stuttgart NJW 2006, 2869 mit zust. Bespr. Jahn, JuS 2006, 855. wird das bei unbeglaubigten, „einfachen“ Kopie von Rspr. und hM verneint.Vgl. etwa BGH NStZ 2003, 543 (544); BGH NStZ 2010, 703, (704); Fischer, StGB, 71. Aufl. (2024), § 267 Rn. 19 und Rengier, BT II, 25. Aufl. (2024), § 32 Rn. 38 mwN zur hM. Die Fotokopie selbst sei kein Original, sondern nur die – wenn auch detailgetreue – Reproduktion eines Originals, die als solche keine eigene Gedankenerklärung enthalteHilgendorf/Valerius, BT I, 1. Aufl. (2021), § 10 Rn. 23. und für die im Rechtsverkehr wegen der leichten Manipulierbarkeit auch niemand einstehen wolle, sodass die Beweiseignung verneint werden müsse.Heine/Schuster, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. (2019), § 267 Rn. 42: Nicht jedes „x-beliebige" Vertrauen verdiene Schutz; vgl. auch Kienapfel, NJW 1971, 1781 (1784) und zusammenfassend Puschke, in: Hilgendorf/Kudlich/Valerius (Hrsg.), Handbuch des Strafrechts, Bd. 5 (2020), § 42 Rn. 52. Argumentiert wird zudem, dass jedenfalls die Garantiefunktion nicht gegeben sei, denn wer die Kopie – nicht das Original! – hergestellt hat, ist in aller Regel nicht ersichtlich.Heine/Schuster, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. (2019), § 267 Rn. 42a; Hilgendorf/Valerius, BT I, 10. Aufl. (2021) § 10 Rn. 23.

Eine Minderheitenauffassung argumentiert für die grundsätzliche Erstreckung des Urkundenbegriffs auch auf Kopien.Vgl. Puschke, in: Hilgendorf/Kudlich/Valerius (Hrsg.), Handbuch des Strafrechts, Bd. 5 (2020), § 42 Rn. 52 ff. mwN. Entscheidend sei, dass Kopien aufgrund der technischen Möglichkeiten zur Reproduktion regelmäßig nicht mehr vom Original zu unterscheiden sind und im Rechtsverkehr regelmäßig als Ersatz für das Original verwendet würden. Der Rechtsverkehr messe Kopien daher einen ausreichenden Beweiswert zu.

Der „Streit“ verliert jedenfalls insoweit an Relevanz, als die hM Kopien dann als Urkunde behandelt, wenn sie den Anschein des Originals erwecken sollen. Wird eine Kopie vorsätzlich mit dem Ziel angefertigt, dass diese als vom Aussteller herrührendes Original wahrgenommen wird, sei die Urkundeneigenschaft zu bejahen.Vgl. Nestler, ZJS 2010, 609; Kindhäuser/Schramm, BT I, 11. Aufl. (2023), § 55 Rn. 43. Maßgeblich sei insoweit der Wille desjenigen, der die Kopie angefertigt hat.Siehe hierzu den instruktiven Fall OLG Stuttgart, NJW 2006, 28 (69).

Gedanklich trennen von der Frage nach der Urkundenqualität von Kopien muss man schließlich den Fall, dass eine Kopie als weitere Ausfertigung erstellt und auch genutzt werden soll. Die Kopie ist in diesem Fall als weitere, eigenständige Ausfertigung zu behandeln, die unstreitig die Merkmale des Urkundenbegriffs erfüllt.

Telefaxe

Die Einordnung von Telefaxen ist umstritten. Obwohl die praktische Bedeutung von Telefaxen heute gering ist, tauchen sie in Prüfungsarbeiten noch immer als Tatobjekte auf.

Nach überwiegender Auffassung erfüllen Telefaxe die Merkmale des Urkundenbegriffs.Vgl. Heine/Schuster, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. (2019), § 267 Rn. 43; Rengier, BT II, 25. Aufl. (2024), § 32 Rn. 44; Hilgendorf/Valerius, Strafrecht BT I, 1. Aufl. (2021), § 10 Rn. 27. Im Gegensatz zur Fotokopie (→ Rn. 35 ff.) enthält das Telefax nach dem Ausdrucken beim Empfänger eine verkörperte Gedankenerklärung des versendenden Ausstellers, der aufgrund der Absenderkennung auf dem Fax (in der Regel Faxnummer des Versenders) auch erkennbar ist. Perpetuierungs- und Garantiefunktion sind damit gegeben. Das gilt aber natürlich nur, soweit eine Absenderkennung auch tatsächlich auf dem Fax vorhanden ist, was bei anonymen Faxen oder Spam-Faxen nicht der Fall ist.

Hinsichtlich der Beweisfunktion ist nach hM zu differenzieren: Will der versendende Aussteller das Telefax neben der bei ihm verbleibenden Originalurkunde als weiteres Original und damit als gleichwertige Urkunde gelten lassen, ist die Beweisfunktion gegeben.Vgl. Rengier, BT II, 25. Aufl. (2024), § 32 Rn. 44; Hilgendorf/Valerius, BT I, 1. Aufl. (2021), § 10 Rn. 27. In Fällen des Vertragsschlusses per Fax ist dies in aller Regel zu bejahen. Denn hier soll das bei der Empfängerin ausgedruckte Vertragsangebot dem Rechtsverkehr ersichtlich als Original zur Verfügung stehen. Erst recht gilt das, wenn überhaupt keine verkörperte Originalurkunde beim versendenden Aussteller verbleibt oder eine verkörperte Originalurkunde gar nicht existiert, beispielsweise dann, wenn ein Dokument direkt vom Computer aus per Fax versendet wird.

Soll nach dem Willen des versendenden Ausstellers dagegen nur eine andere Urkunde übermittelt und wiedergegeben werden, ist die Urkundenqualität zu verneinen. Wird also lediglich zwecks Kenntnisnahme dem Empfänger zB ein Zeugnis per Fax versendet, ist die Beweisbestimmung zu verneinen und die Beweisfunktion nicht gegeben. In diesem Fall ist für jeden ersichtlich, dass das Original beim Versender verbleibt und beim Empfänger kein weiteres Original produziert werden soll.

Die vorstehenden Erwägungen lassen sich sinngemäß auf das Versenden von elektronischen Dokumenten (Computerfax/E-Mail) anwenden, die nach dem Willen des versendenden Ausstellers beim Empfänger ausgedruckt werden sollen.Vgl. Hilgendorf/Valerius, BT I, 1. Aufl. (2021), § 10 Rn. 28.

Tathandlungen

Die Urkundenfälschung kann durch das Herstellen einer unechten Urkunde (§ 267 Abs. 1 Alt. 1 StGB), durch das Verfälschen einer echten Urkunde (§ 267 Abs. 1 Alt. 2 StGB) oder durch das Gebrauchen einer unechten oder verfälschten Urkunde (§ 267 Abs. 1 Alt. 3 StGB) begangen werden.

Herstellen einer unechten Urkunde (§ 267 Abs. 1 Alt. 1 StGB)

Herstellen einer unechten Urkunde bedeutet das erstmalige Anfertigen einer Urkunde. Im Gegensatz zur Verfälschungsalternative des § 267 Abs. 1 Alt. 2 StGB darf die Urkunde vorher also noch nicht existieren.

Die „unechte“ Urkunde
Unechte Urkunde

Eine Urkunde ist unecht, wenn ihr Erklärungsgehalt nicht von derjenigen Person stammt, die aus der Urkunde als Aussteller hervorgeht.

Echt ist sie hingegen, wenn die Erklärung tatsächlich von der Person stammt, die auch als Aussteller aus der Urkunde hervorgeht. Entscheidend ist also das Abweichen von scheinbarem und tatsächlichem Aussteller.

Weiterführendes Wissen: Scheinbarer Aussteller ist diejenige (auch erfundene Person), die aus der Urkunde als Aussteller hervorgeht. Tatsächlicher Aussteller ist diejenige Person, von der die Gedankenerklärung stammt bzw. ihr nach den Grundsätzen der Geistigkeitstheorie im Rechtsverkehr zuzurechnen ist.

Kennzeichnend für das Herstellen einer unechten Urkunde ist also eine Identitätstäuschung und damit idR ein Handeln zum Zwecke der Herbeiführung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums über die Person des wirklichen Ausstellers. Eine solche Identitätstäuschung ist sowohl dann möglich, wenn der scheinbare Aussteller gar nicht existiert, als auch dann, wenn der scheinbare Aussteller zwar existiert, eine Erklärung mit diesem Inhalt aber nicht abgegeben hat.

Schriftliche Lügen, also Aussagen in Urkunden, die nicht der Wahrheit entsprechen, sind daher kein Herstellen unechter Urkunden. § 267 Abs. 1 Alt. 1 StGB stellt allein die Identitätstäuschung unter Strafe, schützt „aber nicht das, was der Aussteller erklärt“Rengier, BT II, 25. Aufl. (2024), § 33 Rn. 6., sondern eben nur die Authentizität der Urkunde (vgl. zum Schutzzweck → Rn. 3).

Beispiel: Wenn die Corona-skeptische Ärztin A in dem gelben Impfpass die Durchführung einer Corona-Schutzimpfung dokumentiert, obwohl eine Impfung in Wahrheit gar nicht erfolgt ist, handelt es sich „nur“ um eine schriftliche Lüge, denn sie täuscht nicht über ihre Identität, sodass kein Fall des § 267 Abs. 1 Alt. 2 StGB vorliegt. Für A kommt aber eine Strafbarkeit nach § 278 StGB (Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse, → § 24) oder – wenn es nur um die Dokumentation einer Schutzimpfung gegen SARS-CoV-2 geht – § 74 Abs. 2 IfSG in Betracht.Vgl. hierzu Lorenz, medstra 2021, 210; Gaede/Krüger, NJW 2021, 2159; Jahn/Schmitt-Leonardy/Wenglarczyk, JZ 2022, 63 (68).

In Prüfungsarbeiten wird häufig die Frage zu beantworten sein, wer (scheinbarer) Aussteller der Erklärung ist. Das ist entgegen der früher vertretenen Körperlichkeitstheorie mit der hM nach der sog. Geistigkeitstheorie zu ermitteln (→ Rn. 20). Aussteller ist danach, wem die Erklärung im Rechtsverkehr nach wertenden (normativen) Gesichtspunkten zuzurechnen ist. Das muss also nicht immer diejenige Person sein, die die Erklärung eigenhändig verkörpert, also zB aufgeschrieben hat. Die Bestimmung des Ausstellers erfolgt nicht nach rein objektiven Kriterien, sondern nach normativen. Als Merkposten: „Nicht auf den Schreiber, sondern auf den Erklärer kommt es an.“Jäger, Examens-Repetitorium Strafrecht Besonderer Teil, 9. Aufl. (2021), § 14 Rn. 436. Relevant wird die Geistigkeitstheorie vor allem in den Fällen der Verwendung eines fremden Namens und der Stellvertretung (hierzu sogleich → Rn. 51 ff.).

Beispiel: A ist bei der F-GmbH angestellt und erstellt Rechnungen auf dem Briefpapier der F-GmbH. Sie signiert diese eigenhändig mit ihrem Namen. F ist Generalbevollmächtigter des B und seine „rechte Hand“ und erledigt für diesen alle Geschäfte. Das wissen auch C und D, die Geschäftspartner von B. Wenn F nun im Namen des B und unter Verwendung des für ihn fremden Namens des B Bestellungen bei C und D aufgibt, dann ist die Erklärung (Bestellung) nach den konkreten Umständen dem B zuzurechnen, der damit als Aussteller der Erklärung gilt. In beiden Fällen ist Aussteller also nicht diejenige Person, die die Erklärung verkörpert oder unmittelbar abgibt. Es handelt sich damit um eine echte Urkunde, weil scheinbarer und tatsächlicher Aussteller nicht abweichen.

Klassische Konstellationen
Namenstäuschung und Identitätstäuschung

Fraglich ist, ob scheinbarer und tatsächlicher Aussteller in Fällen der Namenstäuschung voneinander abweichen.

Beispiel: Filmschauspieler A checkt unter einem Fantasienamen im Hotel ein, um unentdeckt zu bleiben. Hierzu füllt er trägt er seine Daten in ein Registrierungsformular ein.

Hier kommt es – ähnlich den stellvertretungsrechtlichen Grundsätzen des Handelns unter fremdem Namen – nach hM darauf an, ob der Gegenüber Wert darauf legen darf, dass er den richtigen Namen kennt und diesen damit identifizieren kann, oder ob es in der konkreten Situation überhaupt nicht relevant ist, welcher Name verwendet wird.

Soweit die Namenstäuschung nicht zugleich auch eine Täuschung über die Identität darstellt, ist sie als bloße Namenstäuschung straflos.

In Lehrbüchern wird häufig das oben angeführte Beispiel eines Hotelbesuchs unter falschem Namen genannt und behauptet, dem Hotel wäre es gleichgültig, wer unter welchem Namen eincheckt. Das ist mit Blick auf das Identifikationsinteresse für die Zahlungsabwicklung und das Feststellungsinteresse zur etwaigen Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen zweifelhaft. Sicheres Interesse an der Identifizierung des Gastes besteht, wenn das Hotel gesetzliche Pflichten zur Kontaktnachverfolgung treffen, wie etwa in der Corona-Pandemie.

Andererseits kann es sich um eine unechte Urkunde handeln, wenn der Täter eine Erklärung unter Verwendung des eigenen Namens abgibt. Wenn die Erklärung trotz Verwendung des eigenen Namens mit der Geistigkeitstheorie nämlich im konkreten Fall einer anderen Person zuzurechnen ist und der Täter dies auch beabsichtigte, liegt eine Identitätstäuschung vor.

Beispiel: A und B haben denselben Namen. B bestellt regelmäßig Getränke bei einem Lieferanten (G-GmbH) und nutzt hierfür ein schriftliches Bestellformular. Die Rechnungen werden B einige Wochen später zugestellt. A, der selbst noch nie bei der G-GmbH bestellt hat, erfährt vom Bestellvorgehen des B. Um auf Kosten des B Getränke zu bestellen, füllt er das schriftliche Bestellformular der G-GmbH aus und unterschreibt mit seinem eigenen Namen. Die G-GmbH geht davon aus, dass B wieder einmal eine Bestellung aufgegeben hat und schickt die Getränke an die angegebene Adresse, was A beabsichtigt hatte.

Stellvertretungsfälle

Stellt eine Person eine Urkunde unter dem Namen oder der Kennzeichnung einer anderen Person aus (Stellvertretung), handelt es sich um eine echte Urkunde, wenn sich der Namensträger nach den Regeln der Stellvertretung die fremde Erklärung als eigene zurechnen lassen muss. Nach der Geistigkeitstheorie ist Aussteller einer Urkunde nämlich nicht diejenige Person, die die Urkunde körperlich hervorbringt, sondern diejenige, die sich die Urkunde nach normativen Gesichtspunkten zurechnen lassen muss – und eine Zurechnung kommt vor allem nach den Regeln der Stellvertretung in Betracht.

Hier noch einmal das Beispiel von oben: A ist bei der F-GmbH angestellt und erstellt Rechnungen auf dem Briefpapier der F-GmbH. Sie signiert diese eigenhändig mit ihrem Namen. F ist Generalbevollmächtigter des B und seine „rechte Hand“ und erledigt für diesen alle Geschäfte. Das wissen auch C und D, die Geschäftspartner von B. Wenn F nun im Namen des B und unter Verwendung des für ihn fremden Namens des B Bestellungen bei C und D aufgibt, dann ist die Erklärung (Bestellung) nach den konkreten Umständen dem B zuzurechnen, der damit als Aussteller der Erklärung gilt. In beiden Fällen ist Aussteller also nicht diejenige Person, die die Erklärung verkörpert oder unmittelbar abgibt. Es handelt sich damit um eine echte Urkunde, weil scheinbarer und tatsächlicher Aussteller nicht abweichen.

Nach hM werden für eine im strafrechtlichen Sinne wirksame Stellvertretung drei Voraussetzungen für erforderlich gehaltenVgl. Rengier, BT II, 25. Aufl. (2022), § 33 Rn. 17 ff. mwN zur hM.:

  • Der Namensträger muss tatsächlich den Willen haben, sich vertreten zu lassen,

  • der Handelnde muss tatsächlich den Willen haben, den Namensträger zu vertreten und schließlich

  • muss die Vertretung für die konkrete Erklärung rechtlich überhaupt möglich sein.

Gegen die Geltung der ersten beiden subjektiven Voraussetzungen spricht sich eine Minderheitenmeinung allerdings mit dem Argument aus, dass im Rechtsverkehr nur der jeweils erklärte Wille maßgeblich sei, und verweist hierzu auf § 116 S. 1 BGB.Kindhäuser/Schramm, Strafrecht BT I, 10. Aufl. (2021), § 55 Rn. 56; OLG Düsseldorf wistra 1993, 115, 116. Stellvertretung sei im Einklang mit den zivilrechtlichen Grundsätzen (§§ 164 ff. BGB) vielmehr dann möglich, wenn die Voraussetzungen einer wirksamen Stellvertretung objektiv gegeben seien.

Aus der dritten hier genannten Voraussetzung schließlich resultiert zB, dass eine Stellvertretung bei höchstpersönlichen Leistungen nicht möglich ist.

Hierzu folgendes Beispiel: Nachdem die A sowohl bei ihrem Freiversuch als auch beim regulären Versuch zur Ersten Juristischen Prüfung gescheitert ist, geht es für sie im nächsten Versuch um alles. Da sich A wieder nicht gut vorbereitet fühlt, wendet sie sich an ihre Freundin B, die im Freiversuch kürzlich bereits das Prädikat erreichen konnte. Sie überredet die B, sich noch einmal für den nächsten Termin anzumelden und die Klausuren für sie zu schreiben. A würde die Klausuren dann unter der vom JPA der B zugewiesenen Nummer schreiben und abgeben. Die B ist einverstanden und fertigt die Klausurlösungen im nächsten Versuch unter der JPA-Kennnummer der A an und reicht diese jeweils am Ende der Aufsichtsarbeiten bei der zuständigen Aufsichtsperson ab.

Strafbarkeit der B gem. § 267 StGB?

Lösungsvorschlag:

B könnte sich der Urkundenfälschung gem. § 267 Abs. 1 Alt. 1 u. Alt. 3 StGB strafbar gemacht haben, indem sie die von ihr angefertigte Klausurlösung mit der JPA-Kennnummer der A unterschrieb und einreichte.

Die Klausur müsste eine Urkunde iSd § 267 StGB darstellen.

Eine Urkunde ist jede fest verkörperte Gedankenerklärung, die geeignet und bestimmt ist, im Rechtsverkehr Beweis zu erbringen und die einen Aussteller erkennen lässt.

Die Klausur enthält die durch Verschriftlichung verkörperte Gedankenerklärung des Prüfungskandidaten, den dargestellten Wissensstand zum Zeitpunkt der Bearbeitung zu besitzen. Das in einem bestimmten Zeitraum anzufertigende juristische Gutachten zu einem Sachverhalt ist im Rechtsverkehr als geeignet und gerade auch als bestimmt dazu anzusehen, den Beweis über das Vorhandensein eines bestimmten Wissensstandes zu erbringen. Schließlich lässt die JPA-Kennnummer auch einen Aussteller erkennen, der für den Inhalt der Klausurleistung einstehen möchte. Es handelt sich daher um eine Urkunde iSd § 267 StGB.

Indem B die Klausur mit der JPA-Kennnummer der A unterschrieb, könnte sie eine unechte Urkunde iSd § 267 Abs. 1 Alt. 1 StGB hergestellt haben.

Unecht ist eine Urkunde, wenn scheinbarer und tatsächlicher Aussteller voneinander abweichen. Kennzeichnend für das Herstellen einer unechten Urkunde ist also das Anstreben einer Identitätstäuschung. Fraglich ist allerdings, wer hier tatsächlicher Aussteller dieser Urkunde ist. Als scheinbare Ausstellerin geht jedenfalls A aus der Urkunde hervor. Wer Aussteller einer Urkunde ist, ist nicht nur nach objektiven Gesichtspunkten zu ermitteln, sondern auch nach normativen. Aussteller einer Urkunde ist nicht immer diejenige Person, die die Urkunde körperlich hervorbringt, sondern die, die sich den Erklärungsgehalt der Urkunde geistig zurechnen lassen muss. Hier könnte sich A die Urkunde zurechnen lassen müssen, sofern B sie wirksam vertreten hat. Stellt jemand eine Urkunde unter dem Namen oder der Kennzeichnung eines anderen aus, so ist sie echt, wenn sich der Namensträger die fremde Erklärung nach den Regeln der Stellvertretung als eigene zurechnen lassen muss. Eine derartige Zurechnung scheidet hier allerdings aus. Das Anfertigen einer Klausur und die damit abgefragte Leistung ist eine höchstpersönliche, bei der eine Stellvertretung ausgeschlossen ist. Die von B angefertigte Erklärung ist also nicht der A zuzurechnen. Damit weichen scheinbare Ausstellerin (A) und tatsächliche Ausstellerin (B) voneinander ab. Es handelt sich um eine unechte Urkunde.

Keine Urkundenfälschung bei Diebstahlgeistigen Eigentums

Wer sich befugt oder unbefugt fremde Erklärungen zu eigen machen, stellt keine unechte Urkunde her. Der „Diebstahl“ geistigen Eigentums ist keine Urkundenfälschung. Das mag zwar zunächst kontraintuitiv sein. Aber es gilt: Wer sich die Erklärung einer anderen Person zu eigen macht, täuscht nicht über die Identität der aus der Urkunde als Aussteller hervorgehenden Person, sondern allenfalls über die geistige Urheberschaft.

Beispiel (nach BayObLG NJW 1981, 772): A gelingt es nach Ende der Bearbeitungszeit der Aufsichtsarbeit im Staatsexamen, die Arbeit des B, von dem er weiß, dass er immer sehr gute Noten geschrieben hat, aus dem Stapel abgegebener Klausuren zu entwenden. Wegen der allgemeinen Hektik bei der Klausurabgabe gelingt es ihm unbemerkt, die Prüfungskennziffer des B auszuradieren und durch seine eigene zu ersetzen. Anschließend schiebt er „seine“ Klausur wieder in den Stapel.

A hat sich durch das Ausradieren der Prüfungskennziffer des B dessen juristisches Gutachten zu eigen gemacht. Damit hat er zum Ausdruck gebracht, dass er sich an dieser Erklärung festhalten lassen möchte und für diese Erklärung zu Bewertungszwecken einstehen möchte. Damit ist ihm die Erklärung als Aussteller zuzurechnen, mag sie ursprünglich auch vom B stammen. A stellt damit nur eine – im Hinblick auf die geistige Urheberschaft – inhaltlich unwahre Urkunde her, nicht aber eine unechte. Es liegt also keine unechte, sondern eine echte Urkunde vor.

Verfälschen einer echten Urkunde (§ 267 I Var. 2 StGB)

Die Tathandlungsalternative des Verfälschens einer echten Urkunde setzt – im Gegensatz zur Alternative des Herstellens einer unechten Urkunde – voraus, dass bereits eine (echte) Urkunde existiert. Verfälscht wird diese, wenn der Erklärungsgehalt der Urkunde nachträglich verändert und dadurch der Anschein erweckt wird, dass der Aussteller eine Erklärung ursprünglich in dieser Form abgegeben hat.

Für ein Verfälschen iSd § 267 Abs. 1 Var. 2 StGB genügt nicht jede Veränderung des Inhalts. Notwendig ist die Veränderung des ursprünglichen Beweisinhalts. Daran fehlt es zum Beispiel, wenn lediglich Rechtschreibfehler korrigiert werden oder sonst geringfügige Änderungen vorgenommen werden, ohne dass der Erklärungsgehalt als solcher verändert wird. An einer Veränderung des Beweisinhalts fehlt es aber auch, wenn dieser gleich ganz beseitigt wird, also wenn zB die mit Bleistift niedergeschriebene Erklärung ausradiert wird. In solchen Fällen kommt aber Urkundenunterdrückung gem. § 274 StGB (→ § 22) in Betracht.

Mit dem Verfälschen einer echten Urkunde wird regelmäßig zugleich eine unechte Urkunde hergestellt.Vgl. Rengier, BT II, 25. Aufl. (2024), § 33 Rn. 39. Denn mit der Veränderung des Erklärungsgehalts wird eine Urkunde mit dem – insoweit veränderten Inhalt – erstmalig angefertigt, bei der scheinbarer und tatsächlicher Aussteller auseinanderfallen. Auch hier kommt es also zu einer Täuschung über die Echtheit der Urkunde. Das ist auf Konkurrenzebene zu berücksichtigen (→ Rn. 90 ff.). § 267 Abs. 1 Var. 2 StGB ist aber spezieller, sodass § 267 Abs. 1 Var. 1 StGB zurücktritt.

Problemfall: Verfälschen durch den Aussteller selbst

Fraglich ist, ob der Aussteller selbst eine Urkundenfälschung begehen kann, indem er seine Erklärung nachträglich verfälscht.

Beispiel: Lehrer K reicht bei der abschließenden Zeugniskonferenz seine Notenliste ein, die für den Schüler B die Note 5 in Mathematik ausweist. Eine Woche nach der Zeugniskonferenz entwendet K die Notenliste aus dem Büro der Schuldirektorin und macht aus der 5 für den B eine 3, nachdem der Vater des B ihr für das „Bestehen“ seines Sohnes 1000 EUR angeboten hatte. Strafbarkeit der K gem. § 267 Abs. 1 Var. 2 StGB?

Grundsätzlich kann der Aussteller selbst keine seiner Urkunden verfälschen, da der unrichtige Eindruck, der Aussteller stehe für diesen Inhalt ein, gar nicht entstehen kann. Einer Ansicht nach wäre die Strafbarkeit des K wegen Verfälschens einer Urkunde im Beispiel deshalb auch grundsätzlich zu verneinen, da § 267 StGB das Vertrauen in die inhaltliche Richtigkeit von Erklärungen des Ausstellers nicht schütze.Otto, JuS 1976, 768 f. Erforderlich sei vielmehr eine Täuschung über die Identität des Ausstellers. Die hM differenziert hingegen: Haben Aussteller die freie und ausschließliche Dispositionsbefugnis über die Urkunde bereits verloren, soll eine Verfälschung durch den Aussteller möglich sein. Im Beispiel müsste man wohl davon ausgehen, dass K die Dispositionsbefugnis nach Einreichung der Notenliste auf der Zeugniskonferenz bereits verloren hat. Denn die Zeugniskonferenz ist in der Regel derjenige Zeitpunkt, an dem die Noten endgültig festgelegt werden. Die hM würde eine Strafbarkeit des K wegen der nachträglichen Veränderung der Notenliste also bejahen, obwohl K selbst tatsächlich Aussteller ist. Für die hM lässt sich ins Feld führen, dass § 267 Abs. 1 Var. 2 StGB sonst überhaupt keinen eigenständigen Anwendungsbereich hätte und insofern überflüssig wäre, da das Verfälschen – außer in der hier besprochenen Konstellation des Verfälschens durch den Aussteller – immer auch das Herstellen einer unechten Urkunde ist.Rengier, BT II, 25. Aufl. (2024), § 33 Rn. 42. Dem könnte man entgegnen, dass die hM den Schutz der Authentizität von Urkunden mit Zusatzannahmen nicht auf die Garantiefunktion stützt, sondern auf die Beweisfunktion. Für die hM spricht aber zudem, dass der Zweck von § 267 StGB, den Beweisverkehr mit Urkunden zu schützen, gleichermaßen in Fällen der nachträglichen Verfälschung durch den Aussteller betroffen ist und anderenfalls Schutzlücken entstünden.

Problemfall: Verfälschen von zusammengesetzten Urkunden

Eine zusammengesetzte Urkunde kann verfälscht werden, wenn das Augenscheinsobjekt (Bezugsobjekt) oder das Beweiszeichen (Gedankenerklärung) ausgetauscht oder derart verändert werden, dass der zusammengesetzten Urkunde insgesamt eine andere Beweisrichtung gegeben wird. Vorausgesetzt ist jedoch, dass eine hinreichend feste Verbindung von Augenscheinsobjekt und Beweiszeichen weiter bestehen bleibt.

Beispiel: A braucht ein neues Parfüm, hat aber nur 30 EUR dabei und möchte auch nicht mehr Geld ausgeben. Leider kostet das Parfüm seiner Wahl laut Preisschild auf der Verpackung 49,99 EUR. Er entfernt daraufhin das Preisschild, indem er den kleinen weißen Aufkleber abreißt, und ersetzt es durch ein gleich aussehendes Preisschild, das er von einer Sonderangebotspackung entfernt hat und das einen Preis von 19,99 EUR ausweist.Siehe zu diesem Beispiel und einem Lösungsaspekt auch Rengier, BT II, 25. Aufl. (2024), § 33 Rn. 47.

Im Beispiel handelt es sich um eine aus Preisetikett (Beweiszeichen) und dem Bezugsobjekt (Parfüm) zusammengesetzte, echte Urkunde, der die Erklärung: „Das Parfüm kostet 49,99 EUR“ entnommen werden kann. Durch Austausch der Preisschilder stellt A eine neue unechte Urkunde her (§ 267 Abs. 1 Var. 1 StGB) und verfälscht außerdem die bestehende echte zusammengesetzte Urkunde (§ 267 Abs. 1 Var. 2 StGB). Denn er verändert den ursprünglichen Beweisinhalt (Preis 49,99 EUR für dieses Parfüm), sodass es scheint, als hätte der Geschäftsinhaber ursprünglich die Erklärung abgegeben, dass dieses Parfüm für 19,99 EUR verkauft werden kann. A hat sich deshalb nach § 267 Abs. 1 Var. 1 StGB und § 267 Abs. 1 Var. 2 StGB strafbar gemacht. § 267 Abs. 1 Var. 1 StGB tritt aber im Wege der Spezialität zurück, ebenso wie die §§ 274, 303 StGB.

Gebrauchen einer unechten oder verfälschten Urkunde (§ 267 Abs. 1 Var. 3 StGB)

Gebrauchen einer unechten oder verfälschten Urkunde

Eine unechte oder verfälschte Urkunde wird gebraucht, wenn sie derjenigen Person, die durch sie getäuscht werden soll, so zugänglich gemacht wird, dass diese Person die Möglichkeit hat, die Urkunde wahrzunehmen.

Auf eine tatsächliche Kenntnisnahme kommt es nicht an – die Möglichkeit der Kenntnisnahme reicht aus. Typisches Beispiel für ein Gebrauchen ist das Fahren eines Kraftfahrzeugs mit einem falschen Kennzeichen.Vgl. etwa BGHSt 18, 66, 70 f. In diesem Fall soll die Polizei oder andere Ordnungsbehörden getäuscht werden. Ein Gebrauchen ist dabei aber nicht erst dann zu bejahen, wenn das Kennzeichen tatsächlich wahrgenommen wird, sondern bereits mit der Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr.

Subjektiver Tatbestand

Der subjektive Tatbestand setzt neben Vorsatz voraus, dass der Täter „zur Täuschung im Rechtsverkehr“ handelt.

Vorsatz

Für den Vorsatz gelten die allgemeinen Regeln. Der Vorsatz muss sich auf die zum objektiven Tatbestand, also insbesondere der zur Urkundeneigenschaft gehörenden Tatumstände erstrecken. Dolus eventualis genügt.

Handeln zur Täuschung im Rechtsverkehr

Als besonderes subjektives Merkmal setzt § 267 Abs. 1 StGB ein Handeln zur „Täuschung im Rechtsverkehr“ voraus.

Handeln zur Täuschung im Rechtsverkehr iSd § 267 Abs. 1 StGB

Zur Täuschung im Rechtsverkehr handelt, wer eine andere Person über die Echtheit oder die Unverfälschtheit der Urkunden zu täuschen sucht und ihn dadurch zu einem rechtserheblichen Verhalten veranlassen will.

Eine Täuschungsabsicht im Sinne des „Gerade-darauf-Ankommens“ ist nach hM aber nicht erforderlich.BayObLG NJW 1998, 2917; OLG Saarbrücken NJW 1975, 658, 659; Kindhäuser/Schramm, BT I, 11. Aufl. (2024), § 55 Rn. 71; Rengier, BT II, 25. Aufl. (2024), § 33 Rn. 67; aA hingegen Vormbaum, GA 2011, 167. Es genügt dolus directus.

Zu beachten ist die Gleichstellungsklausel des § 270 StGB, wonach einer „Täuschung im Rechtsverkehr“ eine „fälschliche Beeinflussung einer Datenverarbeitung im Rechtsverkehr“ gleichsteht, sodass der Täuschungsadressat nicht zwingend eine Person sein muss.

Versuch, Vollendung, Beendigung

Der Versuch ist nach § 267 Abs. 2 StGB strafbar (vgl. § 23 Abs. 1 Alt. 2 StGB). Das unmittelbare Ansetzen zur Tat iSd § 22 StGB liegt beim Herstellen oder Verfälschen bereits mit dem Beginn der ersten Ausführungshandlung vor, also etwa mit dem Ansetzen des Stiftes zum Herstellen einer unechten Urkunde auf einem Blatt Papier. Beim Gebrauchen ist unmittelbares Ansetzen mit dem Beginn der Handlung, mit der die Urkunde dem Adressaten gegenüber zur Kenntnis gelangen soll, zu bejahen.

Rechtswidrigkeit und Schuld

Es gelten die allgemeinen Regeln. Die Rechtswidrigkeit ist durch die Erfüllung des Tatbestands indiziert, was § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB gesetzessystematisch zum Ausdruck bringt.

Strafzumessung (besonders schwere Fälle des § 267 Abs. 3 StGB)

In § 267 Abs. 3 StGB sind mit Regelbeispielen fünf besonders schwere Fälle normiert (zur Regelbeispielstechnik → § 2 Rn. 3 ff.). Ob die Merkmale eines Regelbeispiels erfüllt sind und damit ein besonders schwerer Fall vorliegt, ist im Anschluss an die Schuld im Rahmen eines eigenen Gliederungspunktes zu prüfen, den man „Strafe“, „Strafzumessung“ oder „Strafrahmen“ nennen kann. Denn bei den durch Regelbeispiele benannten besonders schweren Fällen (vgl. dazu im Gegensatz die unbenannten „besonders schweren Fälle“ etwa des § 212 Abs. 2 StGB gegenüber § 212 Abs. 1 StGB), handelt es sich nicht um Tatbestandsmerkmale, sondern um sog. tatbestandlich vertypte Strafzumessungsmerkmale, die eine Aussage über den anzuwendenden Strafrahmen treffen.

Weiterführendes Wissen: Obwohl es sich nicht um Tatbestandsmerkmale handelt, geht der BGH davon aus, dass der Versuch eines Regelbeispiels bzw. der Versuch der Urkundenfälschung in einem besonders schweren Fall strafbar ist.BGH NStZ 85, 218; BGH NJW 1986, 200; vgl. auch BayObLG NStZ 1997, 442; zum Problem mwN Bosch, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. (2019), § 243 Rn. 44. Zur Erinnerung: Für eine Versuchsstrafbarkeit ist gem. § 22 StGB vorausgesetzt, dass der Täter zur Verwirklichung des Tatbestands unmittelbar ansetzt. Von Regelbeispielen ist dort nicht die Rede. Der BGH meint gleichwohl, der Versuch sei strafbar, da es sich um „tatbestandsähnliche Merkmale“ handelt.

Gewerbsmäßigkeit oder als Mitglied einer Bande (§ 267 Abs. 3 Nr. 1 StGB)

Gewerbsmäßigkeit iSd § 267 Abs. 3 Nr. 1 StGB

Gewerbsmäßig handelt, wer sich durch die wiederholte Begehung von Urkundenfälschungen eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang verschaffen will (vgl. → § 2 Rn. 37 f.).

Es ist nicht erforderlich, dass Urkundenfälschungen bereits wiederholt begangen wurden. Entscheidend ist die Motivation. Die Voraussetzungen können daher bereits bei Begehung der ersten Tat vorliegen. Darüber hinaus ist nicht erforderlich, dass der Täter sich die Einnahmen unmittelbar aus der Urkundenfälschung selbst verschaffen will. Es reicht aus, wenn Einnahmen nur mittelbar über die Urkundenfälschung, also beispielsweise erst durch Dritte, erlangt werden.Heine/Schuster, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. (2019), § 267 Rn. 104.

Mitglied einer Bande iSd § 267 Abs. 3 Nr. 1 StGB

Mitglied einer Bande ist jede Person, die zu einem Zusammenschluss von mindestens drei Personen gehört, der sich mit dem Willen gegründet hat, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbstständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz genannten Deliktstyps zu begehen (→ § 3 Rn. 39).

Nicht erforderlich ist ein „gefestigter Bandenwille“ oder ein „Tätigwerden in einem übergeordneten Bandeninteresse“, wie es nach alter Rechtsprechung aber der Fall war.Vgl. mwN zur alten und neuen Rspr. Wittig, in: BeckOK-StGB, 61. Ed. (Stand: 1.5.2024), StGB § 244 Rn. 16. Es ist für das Vorliegen einer Bande und damit für die Mitgliedschaft auch nicht erforderlich, dass sich ein irgendwie geartetes Mindestmaß konkreter Organisation oder festgelegter Strukturen herausgebildet hat. Entscheidend ist allein, dass eine Bandenabrede vorliegt, also die ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck gebrachte Bereitschaft, sich an Straftaten zu beteiligen.

Herbeiführen eines Vermögensverlusts großen Ausmaßes (§ 267 Abs. 3 Nr. 2 StGB)

Ein Vermögensverlust großen Ausmaßes ist im Einklang mit der gleichlautenden Vorschrift des § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 Alt. 1 StGB (→ § 11 Rn. 216) ab einem Betrag von 50.000 EUR anzunehmen.

Erhebliche Gefährdung der Sicherheit des Rechtsverkehrs (§ 267 Abs. 3 Nr. 3 StGB)

Die Sicherheit des Rechtsverkehrs ist dann erheblich gefährdet, wenn mit der Urkundenfälschung ein unübersehbarer Personenkreis nicht näher individualisierter Erklärungsempfänger zu einem rechtserheblichen Verhalten veranlasst zu werden droht. Erforderlich ist aber, dass diese Gefahr durch eine Vielzahl an gefälschten Urkunden herbeigeführt wird. Wird der Rechtsverkehr durch eine einzige Urkundenfälschung gefährdet, genügt dies zur Annahme des Regelbeispiels nicht.Heine/Schuster, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. (2019), § 267 Rn. 108. Eine solche Vielzahl soll aber bereits bei 20 Urkunden anzunehmen sein.Fischer, StGB, 71. Aufl. (2024), § 267 Rn. 54.

Missbrauch von Befugnissen oder der Stellung als Amtsträger (§ 267 Abs. 3 Nr. 4 StGB)

Wer Amtsträger oder Europäischer Amtsträger ist, ergibt sich aus § 11 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 2a StGB.

Befugnisse werden missbraucht, wenn der Amtsträger eine Amtshandlung vornimmt, die zwar formell rechtmäßig ist, durch die er aber materiell eine seiner Dienstpflichten verletzt.

Die Stellung als Amtsträger wird missbraucht, wenn die mit dieser Stellung verbundenen tatsächlichen Möglichkeiten zur Urkundenfälschung ausgenutzt werden.

Qualifikationstatbestand des § 267 Abs. 4 StGB

§ 267 Abs. 4 StGB enthält einen eigenständigen Qualifikationstatbestand.

Im objektiven Tatbestand setzt § 267 Abs. 4 StGB das kumulative Vorliegen der Merkmale der Gewerbsmäßigkeit und der Deliktsbegehung als Bandenmitglied voraus. Beachte: Das nur alternative Vorliegen eines dieser Merkmale wird als Regelbeispiel von § 267 Abs. 3 Nr. 1 StGB und damit als „besonders schwerer Fall“ erfasst und ist im Rahmen der Strafzumessung anzusprechen (→ Rn. 72 ff.).

Im subjektiven Tatbestand ist Vorsatz sowohl im Hinblick auf den objektiven Grundtatbestand der Urkundenfälschung iSd § 267 Abs. 1 StGB als auch hinsichtlich der Qualifikationsmerkmale des § 267 Abs. 4 StGB sowie ein Handeln zur Täuschung im Rechtsverkehr vorausgesetzt.

Weiterführendes Wissen: § 267 Abs. 4 StGB qualifiziert die als Mitglied einer Bande gewerbsmäßig begangene Urkundenfälschung zum Verbrechen (vgl. § 12 Abs. 1 StGB). Der Qualifikationstatbestand wird deshalb von § 30 StGB erfasst.

Konkurrenzen

Sofern nicht der Aussteller nach Verlust der Dispositionsbefugnis selbst eine echte Urkunde verfälscht, liegt in jedem Verfälschen einer echten Urkunde iSd § 267 Abs. 1 Var. 2 StGB tateinheitlich zugleich das Herstellen einer unechten Urkunde (s. → Rn. 60). Dieselbe Handlung verletzt in diesen Fällen mehrere Strafgesetze (§ 267 Abs. 1 Var. 1 und Var. 2 StGB), sodass ein Fall der ungleichartigen Idealkonkurrenz vorliegt (vgl. § 52 Abs. 1 StGB). § 267 Abs. 1 Var. 1 StGB tritt aber im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter der zweiten Variante des Verfälschens zurück, da diese insoweit den spezielleren Fall darstellt (Spezialität).

Im Hinblick auf die umstrittene Frage nach dem Verhältnis des Herstellens einer unechten und des Verfälschens einer echten Urkunde zum Gebrauchen ist wie folgt zu unterscheiden:

  • Wenn der Täter von vornherein einen ganz bestimmten Gebrauch ins Auge gefasst hat und auch realisiert, wird die schon mit dem Herstellungs- oder Verfälschungsakt vollendete Straftat erst durch den konkreten Gebrauch beendet. Es liegt dann nur eine Urkundenfälschung vor, also eine einheitliche Tat im Rechtssinne. Da Herstellen und Verfälschen materiell nur Vorbereitungshandlungen sind, ist in solchen Fällen auf den Gebrauch abzustellen und der Täter nur nach § 267 Abs. 1 Var. 3 StGB zu bestrafen.

  • Wenn der Täter hingegen eine unechte Urkunde herstellt oder eine echte Urkunde verfälscht, die spätere Verwendung aber nur vage geplant hat, begeht er durch den späteren Gebrauch eine neue selbstständige Straftat, die zum vorausgegangenen Fälschungsakt in Tatmehrheit steht.

Wissen für die 2. Juristische Prüfung

Der materiell-strafrechtliche Urkundenbegriff (→ Rn. 5 ff.) weicht vom strafprozessualen Urkundenbegriff der §§ 249 ff. StPO ab – er ist enger und weiter zugleich. Eine Urkunde im strafprozessualen Sinn ist eine durch Schriftzeichen verkörperte Gedankenerklärung. Der Aussteller muss bei der Urkunde im strafprozessualen Sinn also nicht erkennbar sein und auch auf die Beweisbestimmung und -eignung kommt es nicht an. Demgegenüber sind Beweiszeichen keine strafprozessualen Urkunden, weil der Zweck des Urkundenbeweises gerade auf die Verlesbarkeit in der Hauptverhandlung beschränkt ist.Diemer, in: KK-StPO, 8. Aufl. (2019), § 249 Rn. 8-11.

Aufbauschema zu § 267 Abs. 1 StGB

  1. Tatbestand

    1. Objektiver Tatbestand

      1. Tatobjekt: Urkunde

        1. Fest verkörperte Gedankenerklärung (Perpetuierungsfunktion)

        2. Beweisbestimmung und -eignung (Beweisfunktion)

        3. Erkennbarer Aussteller (Garantiefunktion)

      2. Tathandlung

        1. Herstellen einer unechten Urkunde

        2. Verfälschen einer echten Urkunde oder

        3. Gebrauchen einer unechten oder verfälschten Urkunde

    2. Subjektiver Tatbestand

      1. Vorsatz

      2. Handeln zur Täuschung im Rechtsverkehr

  2. Rechtswidrigkeit

  3. Schuld

  4. Strafzumessung (besonders schwere Fälle gem. § 267 Abs. 3 StGB)

Studienliteratur und Übungsfälle

Studienliteratur

Kudlich, Urkundsdelikte und Straßenverkehr, JA 2019, 272

Schuhr, Über Urkunden, ZJS 2011, 192

Übungsfälle

Hütwohl, Referendarexamensklausur – Strafrecht: Urkundendelikte und Notwehr – Der „Unrechtsanwalt“?, JuS 2017, 598

Preuß, Fortgeschrittenenklausur: „Parkfreuden“, JA 2013, 433

Nix, Fortgeschrittenenklausur: „Die gefährliche Ex-Frau“, JA 2012, 668

Petermann/Savanovic, Fortgeschrittenenklausur – Strafrecht: Vermögens- und Urkundsdelikte – Gewinnmaximierung mittels Internetplattform, JuS 2011, 1003

Kühl/Lange, Fortgeschrittenenklausur – Strafrecht: (Computer-)Betrug und Urkundsdelikte – Bankgeschäfte, JuS 2010, 42

Baier, Referendarexamensklausur – Strafrecht: Urkundsdelikte, Sachbeschädigung und Betrug, JuS 2004, 56