Notwendiges Vorwissen: Erforderlich ist die sichere Beherrschung der Diebstahlsdelikte (§§ 242 ff. StGB) sowie der Nötigung (§ 240 StGB) und des Raubes (§ 249 StGB).
Rechtsgut, Systematik und Deliktsstruktur
Rechtsgut
Der Raub mit Todesfolge (§ 251 StGB) schützt das Leben der Raubopfer sowie unbeteiligter Dritter, nach hM jedoch keine Personen, die selbst (täterschaftlich oder im Rahmen einer Teilnahme) an dem Raub beteiligt sind.
Systematik
Grundtatbestand zu § 251 StGB können sein
der Raub (§ 249 Abs. 1 StGB),
der räuberische Diebstahl (§ 252 StGB, „ist gleich einem Räuber zu bestrafen“),
die räuberische Erpressung (§§ 253, 255 StGB, „ist gleich einem Räuber zu bestrafen“).
Deliktsstruktur
Bei § 251 StGB handelt es sich um eine Erfolgsqualifikation. Erfolgsqualifikationen zählen zu den besonders herausfordernden Delikten des Strafrechts. Es bietet sich daher an, die Grundlagen nochmals zu wiederholen, bevor man sich mit § 251 StGB befasst. Hierzu sollte ein Lehrbuch zum Allgemeinen Teil des Strafrechts herangezogen werden.
Zusammengefasst gilt: Erfolgsqualifikationen setzen sich aus einem Grundtatbestand und einem Fahrlässigkeitsteil zusammen (§ 18 StGB, sog. Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination).
Wegen § 11 Abs. 2 StGB sind sowohl eine Teilnahme an als auch ein Versuch der Erfolgsqualifikation möglich.
Tatbestand der Erfolgsqualifikation
Tatbestandsmerkmale des § 251 StGB
Eintritt der schweren Folge
Ein anderer Mensch muss zu Tode gekommen sein. Entsprechend dem Schutzzweck (s. o. → Rn. 1) kann dies nur das Raubopfer oder eine unbeteiligte dritte Person sein.
Kausalität zwischen Tathandlung und Folge
Der Tod muss durch die Tathandlung hervorgerufen werden.
Klausurhinweis: Tathandlung des Raubes ist neben dem Einsatz der Nötigungsmittel auch die Wegnahme. Die Frage, ob der Tod auch durch die Wegnahme hervorgerufen werden kann (Bsp. Wegnahme eines lebenswichtigen Medikaments), sollte noch nicht an dieser Stelle thematisiert werden. Denn da auch die Wegnahme Tathandlung ist, handelt es sich weniger um ein Kausalitätsproblem als vielmehr um eine Frage des tatbestandsspezifischen Gefahrzusammenhangs. Daher ist dieses Problem dort zu verorten, s. u. → Rn. 11 ff. (anders wohl Wessels/Hillenkamp/Schuhr, Strafrecht BT 2, 46. Aufl. [2023], Rn. 405).
Objektive Zurechnung
Die objektive Zurechnung setzt das Schaffen einer rechtlich relevanten Gefahr und die Realisierung dieser Gefahr im tatbestandsmäßigen Erfolg voraus.
Eine Besonderheit bei den Erfolgsqualifikationen besteht darin, dass die Schaffung einer relevanten Gefahr regelmäßig zu bejahen ist: Sie liegt schon in der Verwirklichung des Grundtatbestands.
Tatbestandsspezifischer Gefahrzusammenhang („durch den Raub“)
Eine weitere Besonderheit der Erfolgsqualifikationen besteht in dem Erfordernis eines tatbestandsspezifischen Gefahrzusammenhangs: In der besonderen Folge muss sich gerade die dem Grundtatbestand anhaftende spezifische Gefahr verwirklichen.
Vertiefungshinweis: Genau genommen handelt es sich bei dem tatbestandsspezifischen Gefahrzusammenhang um einen Teil der – insoweit intensivierten – objektiven Zurechnung: Kernfrage ist auch hier, ob sich im tatbestandsmäßigen Erfolg gerade die rechtlich relevante Gefahr verwirklicht hat. Da dieses Element jedoch gerne vergessen wird, bietet es sich an, diesem einen eigenen Gliederungspunkt zuzuordnen.
Im Rahmen dieses Prüfungspunktes stellt sich die – bei Erfolgsqualifikationen regelmäßig problematische – Frage, ob die schwere Folge (hier: der Tod) durch die Tathandlung des Grunddelikts verursacht worden sein muss oder auch erst durch den Taterfolg verursacht werden kann.
Beispiel 1: A schlägt B bewusstlos, um ihr im Anschluss das Smartphone wegzunehmen. B verstirbt an den Schlägen.
Beispiel 2: A schlägt B nieder, um ihm lebenswichtige Medikamente wegzunehmen. B verstirbt, da er seine Medikamente nicht einnehmen kann.
Beispiel 3: A schlägt B nieder, nimmt ihr Smartphone an sich und läuft weg. B läuft A hinterher. Dabei stolpert B über eine Bordsteinkante und zieht sich durch den Sturz eine tödliche Kopfverletzung zu.
Bei Beispiel 1 handelt es sich um einen typischen Fall des § 251 StGB: Das Opfer verstirbt infolge der Nötigungsmittel, die im Rahmen des Raubes eingesetzt werden. Dabei ist es unerheblich, ob der Tod bereits eintritt, bevor die Wegnahme abgeschlossen ist.
Vertiefungshinweis: Ist das Opfer bereits tot, wenn die fremde Sache an sich genommen wird, liegt gleichwohl eine Wegnahme vor: Die Gewalt bricht in diesem Fall den fremden Gewahrsam.
In Beispiel 2 fehlt es hingegen an dem tatbestandsspezifischen Gefahrzusammenhang: Der Tod des Opfers wäre genauso denkbar gewesen, wenn „nur“ ein Diebstahl (§ 242 StGB) vorgelegen hätte. Daher ist der Tod nicht Ausdruck der spezifischen Gefährlichkeit des Raubes, wenn er lediglich infolge des Wegnahmeerfolges eintritt.
Auch in Beispiel 3 fehlt der tatbestandsspezifische Gefahrzusammenhang: In den sog. „Verfolgungsfällen“ wurzelt der Tod ebenfalls nicht in der spezifischen Gefährlichkeit des Raubes, sondern in der allgemeinen Lebensgefahr, die mit der Verfolgung einer Person einhergeht. Die Gefahr unterscheidet sich hier nicht von dem Fall, dass etwa einem Kind, einem Haustier oder einer Diebin hinterhergeeilt wird.
Wenigstens Leichtfertigkeit
Erfolgsqualifikationen verlangen hinsichtlich des Erfolgseintritts keinen Vorsatz, sondern Fahrlässigkeit (§ 18 StGB). Fahrlässigkeit setzt eine objektive Sorgfaltspflichtverletzung bei objektiver Vorhersehbarkeit der schweren Folge und des Gefahrzusammenhangs voraus.
§ 251 StGB steigert aufgrund des hohen Strafmaßes diese Anforderung und verlangt gewissermaßen einen „besonders schweren Fall“ der Fahrlässigkeit: Leichtfertigkeit. § 18 StGB steht dem nicht entgegen, da es dort lediglich heißt, dass „wenigstens“ Fahrlässigkeit zu verlangen ist. Aus demselben Grund ist auch vorsätzliches Handeln erfasst.
Leichtfertigkeit bedeutet grobe Fahrlässigkeit.
Vertiefungshinweis: Andere Erfolgsqualifikationen, die ebenfalls Leichtfertigkeit voraussetzen, sind etwa §§ 178, 239a Abs. 3, 306c, 316a Abs. 3 StGB. Fehlt es an der Leichtfertigkeit, ist an § 222 StGB zu denken.
Eine Besonderheit bei den Erfolgsqualifikationen besteht darin, dass eine Sorgfaltspflichtverletzung regelmäßig zu bejahen ist: Sie liegt schon in der Verwirklichung des Grundtatbestands.
Verwirklichung zwischen Vollendung und Beendigung
Werden Nötigungsmittel in der Phase zwischen Vollendung und Beendigung eingesetzt und führen zum Tod des Opfers, so ergibt sich derselbe Streit wie im Rahmen der §§ 244, 250 StGB,
Beispiel: Nachdem A die B niedergeschlagen und ihr Smartphone an sich genommen hat, entfernt sie sich vom Tatort. Als B ihr hinterherläuft, dreht sie sich um und streckt sie mit einem tödlichen Schuss aus ihrer mitgeführten Waffe nieder. Nach der Beendigungslösung liegt hier §§ 249 Abs. 1, 251 StGB vor,
Unsicherheit besteht insoweit, ob die Rechtsprechung für § 251 StGB ebenfalls ein Handeln mit Besitzerhaltungsabsicht voraussetzt.
Schuld
Da die Erfolgsqualifikation einen Fahrlässigkeitsteil besitzt, muss – wie bei allen Fahrlässigkeitsdelikten – im Rahmen der Schuld die subjektive Sorgfaltspflichtverletzung bei subjektiver Vorhersehbarkeit geprüft werden.
Klausurtaktik: Sowohl bei „normalen“ Fahrlässigkeitsdelikten als auch bei Erfolgsqualifikationen stellt es einen häufigen Fehler dar, dass diese Voraussetzungen entweder in einem „subjektiven Tatbestand“ geprüft oder vergessen werden. Beides sind gravierende Fehler, die mangelndes Wissen hinsichtlich der Grundlagen des Strafrechts offenbaren. Es ist daher besonders wichtig, den Grundaufbau von Fahrlässigkeitsdelikten und Erfolgsqualifikationen sicher zu beherrschen.
Versuch und Rücktritt
Strafbar ist nur der Versuch vorsätzlicher Taten. Aus § 11 Abs. 2 StGB ergibt sich jedoch, dass Erfolgsqualifikationen als Vorsatztaten gelten.
Versuch der Erfolgsqualifikation
Strafbarkeit
Beispiel: A schlägt B mit Tötungsvorsatz nieder und nimmt dessen Smartphone an sich. B überlebt.
Bei dem Versuch der Erfolgsqualifikation tritt die besondere Folge (Tod des Opfers) nicht ein, wird aber vom Vorsatz – mindestens Eventualvorsatz (dolus eventualis) – umfasst. Das Grunddelikt kann sowohl versucht als auch vollendet sein. Diese Konstellation ist strafbar als Versuch der Erfolgsqualifikation.
Vertiefungshinweis: Ein Problem kann sich insoweit nur ergeben, wenn der Versuch des Grunddelikts nicht strafbar ist und erst die Erfolgsqualifikation die Tat zu einem Verbrechen (und dadurch den Versuch strafbar) machen würde. Dann stellt sich die Frage, ob die Erfolgsqualifikation – die eigentlich die Strafe lediglich schärfen soll – in diesen Fällen ausnahmsweise die Strafbarkeit begründen darf. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor, da schon der Grundtatbestand – der Raub – ein Verbrechen und dessen Versuch damit strafbar ist, §§ 23 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB.
Rücktritt
Ein (Teil-)Rücktritt von dem Versuch der Erfolgsqualifikation ist möglich.
Beispiel: A schlägt B mit Tötungsvorsatz nieder und nimmt deren Smartphone an sich. B zieht sich eine lebensgefährliche Kopfwunde zu. A erkennt dies und veranlasst die Rettung der B. A macht sich wegen vollendeten schweren Raubes (§§ 249 Abs. 1, 250 StGB) und Körperverletzung (§§ 223, 224 StGB) strafbar. Hinsichtlich des Versuchs der Erfolgsqualifikation (§§ 249, 251, 22 StGB) liegt jedoch ein strafbefreiender Rücktritt gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 Var. 2 StGB vor.
Erfolgsqualifizierter Versuch
Strafbarkeit
Beispiel: A schlägt B nieder, um sein Smartphone an sich zu nehmen. B führt sein Smartphone jedoch nicht mit sich; er verstirbt.
Bei dem erfolgsqualifizierten Versuch tritt die besondere Folge (Tod des Opfers) ein, während das Grunddelikt nur versucht ist.
Die herrschende Meinung geht davon aus, dass der Versuch des Grunddelikts in diesem Fall gemäß § 251 StGB erfolgsqualifiziert ist.
Rücktritt
Es ist umstritten, ob nach dem Tod des Opfers ein strafbefreiender Rücktritt vom erfolgsqualifizierten Versuch möglich ist.
Beispiel: A schlägt B nieder, um das von ihr mitgeführte Smartphone an sich zu nehmen. B stürzt und zieht sich eine tödliche Kopfverletzung zu. Geschockt lässt A von ihrem Vorhaben ab.
Eine Minderheitenansicht geht davon aus, dass bei dem erfolgsqualifizierten Versuch § 251 StGB vollendet sei, da der Tod des Opfers eingetreten ist. Aus diesem Grund sei ein Rücktritt nicht möglich.
Die herrschende Meinung hält demgegenüber einen Rücktritt für möglich.
Letztere Ansicht ist überzeugend, da sie dogmatisch sauber auf die Abhängigkeit jeglicher Qualifikationen von dem Grundtatbestand abstellt: Dieser legt das notwendige Fundament, ohne das eine Strafschärfung nicht möglich ist.
Beispiel: Im obigen Beispiel tritt A mithin gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 Var. 1 StGB strafbefreiend von §§ 249, 22 StGB zurück, indem sie die Wegnahme aufgibt. Damit entfällt der Anknüpfungspunkt für § 251 StGB. Es verbleibt eine Strafbarkeit gemäß §§ 222, 227 StGB (Rengier, BT I, 26. Aufl. [2024], § 9 Rn. 42; Wessels/Hillenkamp/Schuhr, Strafrecht BT 2, 46. Aufl. [2024], Rn. 408).
Täterschaft und Teilnahme
Da § 251 StGB gemäß § 11 Abs. 2 StGB als Vorsatztat gilt, ist auch eine Teilnahme möglich.
Klausurtaktik: Zunächst ist also ganz „normal“ das Grunddelikt mit der jeweiligen Beteiligungsform zu prüfen. Im Anschluss hieran wird § 251 StGB und dabei der den § 251 StGB tragende Fahrlässigkeitsvorwurf objektiv („wenigstens Leichtfertigkeit“) wie subjektiv (Schuld) für jede Person einzeln geprüft.
Konkurrenzen
Wird der Tod vorsätzlich herbeigeführt, sodass §§ 212, 211 greifen, steht § 251 in Tateinheit.
Klausurhinweis: Auch wenn die Tötungsdelikte bejaht werden, ist also § 251 immer zu prüfen.
Gegenüber §§ 222, 227 ist § 251 lex specialis und (auch) daher vorrangig zu prüfen.
Aufbauschema
Wie bei allen Erfolgsqualifikationen kann entweder zunächst der Grundtatbestand und dann die Erfolgsqualifikation oder es können beide gemeinsam geprüft werden. Beides ist zulässig, wobei der gemeinsame Aufbau wertvolle Zeit sparen kann. Andererseits gilt: Je komplexer der Aufbau wird – insbesondere, wenn auch noch die Prüfung des § 250 StGB hinzukommt oder beispielsweise ein Versuch geprüft wird –, desto eher kann es sich anbieten, getrennt zu prüfen, um den Überblick zu bewahren.
Klausurhinweis: Kommen neben dem Grundtatbestand (§§ 249 Abs. 1, 252 StGB oder §§ 253, 255 StGB) sowohl Qualifikationen gemäß § 250 StGB als auch die Erfolgsqualifikation gemäß § 251 StGB in Betracht, so empfiehlt es sich, getrennt zu prüfen: Erst den Grundtatbestand (gegebenenfalls mit § 250 StGB) und dann die Erfolgsqualifikation, s. auch BGH NJW 2019, 3659 Rn. 11 f.; Rengier, BT I, 26. Aufl. (2024), § 9 Rn. 4.
Getrennter Aufbau
A. Strafbarkeit gemäß § 249 Abs. 1 StGB
Daneben kommen als Grunddelikt § 252 StGB oder §§ 253, 255 StGB in Betracht.
B. Strafbarkeit gemäß §§ 249 Abs. 1, 251 StGB
Tatbestand
Grunddelikt erfüllt, s. o.
Erfolgsqualifikation
Eintritt der schweren Folge: Tod eines anderen Menschen
Kausalität zwischen Tathandlung und Folge
Objektive Zurechnung
tatbestandsspezifischer Gefahrzusammenhang („durch den Raub“)
wenigstens Leichtfertigkeit im Hinblick auf den Tod des anderen Menschen
Rechtswidrigkeit
Schuld
Einschließlich subjektiver Sorgfaltspflichtverletzung bei subjektiver Vorhersehbarkeit bezüglich der schweren Folge und des gefahrspezifischen Zusammenhangs.
Gemeinsamer Aufbau
A. Strafbarkeit gemäß §§ 249 Abs. 1, 251 StGB
Tatbestand
Objektiver und subjektiver Tatbestand des Grunddelikts (§ 249 StGB oder § 252 StGB oder § 255 StGB)
Erfolgsqualifikation
Eintritt der schweren Folge: Tod eines anderen Menschen
Kausalität zwischen Tathandlung und Folge
Objektive Zurechnung
tatbestandsspezifischer Gefahrzusammenhang („durch den Raub“)
wenigstens Leichtfertigkeit im Hinblick auf den Tod des anderen Menschen
Rechtswidrigkeit
Schuld
Einschließlich subjektiver Sorgfaltspflichtverletzung bei subjektiver Vorhersehbarkeit bezüglich der schweren Folge und des gefahrspezifischen Zusammenhangs
Weiterführende Studienliteratur und Übungsfälle
Weiterführende Studienliteratur
Rönnau/Wegner, Grundwissen – Strafrecht: Tatbeendigung, JuS 2019, 970
Übungsfälle
Peters, Anfängerklausur – Strafrecht: Der gut betuchte Professor, JuS 2020, 328