Jens Gerlach Privatisierungs- und Vergaberecht Licensed under CC-BY-4.0

Vergaberecht 4: Auswahlentscheidung

Dieser Abschnitt betrachtet die Kriterien der inhaltlichen Auswahlentscheidung des öffentlichen Auftraggebers für ein bestimmtes Angebot eines bestimmten Unternehmens.

Einleitung

In diesem Abschnitt beleuchten wir die inhaltliche Auswahlentscheidung des öffentlichen Auftraggebers näher, die wir beim Vergabeverfahren schon angesprochen haben. Es geht um die Entscheidung für ein bestimmtes Angebot eines bestimmten Bieters, das den Zuschlag erhalten und damit Vertragsinhalt werden soll. Wir haben gesehen, dass der Transparenzgrundsatz (§ 97 Abs. 1 S. 1 GWB) fordert, diese inhaltliche Auswahlentscheidung auf verschiedene Wertungsstufen zu verteilen, um unterschiedlich ausgerichtete Entscheidungskriterien auseinanderzuhalten und die Entscheidung insgesamt nachvollziehbar zu machen.

Dementsprechend betrachten wir nachfolgend den Bieterausschluss aus unternehmensbezogenen Gründen (B.), den Angebotsausschluss aus angebotsbezogenen Gründen (C.), die Auswahl des wirtschaftlichsten Angebots unter den im Verfahren verbliebenen Angeboten (D.) und schließlich die Möglichkeit, den Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot abzulehnen, wenn dieses Angebot ungewöhnlich niedrig erscheint (E.). Für all diese Wertungsstufen gilt – wiederum wegen des Transparenzgrundsatzes –, dass der öffentliche Auftraggeber seine Entscheidungskriterien zu Beginn des Verfahrens festlegen und veröffentlichen muss, soweit sich die Kriterien nicht schon abschließend aus dem Gesetz ergeben, und die festgelegten Kriterien sodann nach Ablauf der Angebotsfrist auf die Unternehmen beziehungsweise Angebote anwendet.

Bieterausschluss aus unternehmensbezogenen Gründen

Auf einer ersten Stufe geht es darum, Bieter aus bestimmten unternehmensbezogenen Gründen vom weiteren Verlauf des Vergabeverfahrens auszuschließen. Sie können mit ihrem Angebot also nicht zum Zug kommen, wobei das nicht am Inhalt ihres Angebots liegt, sondern an ihnen persönlich. Grundnorm ist § 122 Abs. 1 GWB. Diese Vorschrift bestimmt, dass öffentliche Aufträge an fachkundige und leistungsfähige (geeignete) Unternehmen vergeben werden, die nicht nach den §§ 123 oder 124 GWB ausgeschlossen worden sind. Das bedeutet, dass Bieter erstens nach den §§ 123 und 124 GWB ausgeschlossen werden können oder müssen (dazu I.). Zweitens sind sie nach § 42 Abs. 1 VgV auszuschließen, wenn sie die Eignungskriterien nicht erfüllen (dazu II.). Im nichtoffenen Verfahren und in den besonderen Verfahrensarten tritt die Möglichkeit des öffentlichen Auftraggebers dazu, die Zahl geeigneter Bewerber im Teilnahmewettbewerb nach § 52 Abs. 1 i.V.m. § 51 Abs. 1 S. 1 VgV zu begrenzen (dazu III.).

Fakultative und zwingende Ausschlussgründe

Die §§ 123 und 124 GWB enthalten jeweils unternehmensbezogene Gründe, die einen Ausschluss des Unternehmens vom Vergabeverfahren rechtfertigen. Der Unterschied zwischen beiden Vorschriften liegt darin, dass es sich bei den Gründen in § 123 GWB um „zwingende“, bei den Gründen in § 124 GWB hingegen um „fakultativeAusschlussgründe handelt. Gemeint ist die Rechtsfolge:

  • Bei § 124 Abs. 1 GWB steht die Entscheidung über den Ausschluss im Ermessen (§ 40 VwVfG) des öffentlichen Auftraggebers. Bei der Ausübung des Ermessens muss der öffentliche Auftraggeber die Grundsätze des Vergaberechts ausgleichen. Ist von dem Unternehmen trotz Vorliegens des fakultativen Ausschlussgrundes zu erwarten, dass es den Auftrag gesetzestreu, ordnungsgemäß und sorgfältig ausführt, spricht das Ziel eines kostensparenden Umgangs mit Haushaltsmitteln als Teil des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes (§ 97 Abs. 1 S. 2 GWB) für einen Verbleib des Unternehmens im Vergabeverfahren. Andernfalls ist die erfolgreiche Erledigung der staatlichen Aufgabe gefährdet. In jedem Fall muss der öffentliche Auftraggeber sein Ermessen mit Blick auf die Unternehmen gleichmäßig ausüben (§ 97 Abs. 2 GWB).

  • Die Rechtsfolge des § 123 Abs. 1 GWB ist an sich eine gebundene Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers. Allerdings lässt § 123 Abs. 5 S. 1 GWB eine Ausnahme vom Ausschluss zu, „wenn dies aus zwingenden Gründen des öffentlichen Interesses geboten ist“. Die Messlatte ist hoch: Der Gesetzgeber sieht den Ausschluss als Regelfall an, die Abweichung davon als begründungsbedürftige Ausnahme mit hohen Voraussetzungen. Es muss einen besonderen, dringenden Beschaffungsbedarf geben. Jedenfalls kann der bloße geringere Preis eines Angebots kein zwingender Grund des öffentlichen Interesses sein.

Beispiel aus Erwägungsgrund 100 der Richtlinie 2014/24/EU: Beschaffung dringend benötigter Impfstoffe, die nur von einem Unternehmen erworben werden können, bei dem ein zwingender Ausschlussgrund vorliegt.

Die zwingenden Ausschlussgründe in § 123 Abs. 1 GWB setzen voraus, dass entweder gegen das Unternehmen selbst eine Geldbuße nach § 30 OWiG wegen einer Straftat rechtskräftig festgesetzt oder eine Person, deren Verhalten dem Unternehmen zuzurechnen ist, rechtskräftig verurteilt worden ist. Die Straftaten sind im Katalog des § 123 Abs. 1 GWB abschließend aufgezählt und betreffen unter anderem – aber nicht nur – Wirtschaftsstraftaten. Die Zurechnung des Verhaltens einer Person zum Unternehmen setzt nach § 123 Abs. 3 GWB voraus, dass die Person als für die Leitung des Unternehmens verantwortliche Person gehandelt hat. Nach § 126 Nr. 1 GWB darf die Verurteilung maximal fünf Jahre zurückliegen. Weitere zwingende Ausschlussgründe finden sich in § 123 Abs. 4 S. 1 GWB. Hier geht es um nachweisliche Verstöße des Unternehmens gegen seine Pflichten zur Zahlung von Steuern, Abgaben und Sozialversicherungsbeiträgen.

Die fakultativen Ausschlussgründe in § 124 Abs. 1 GWB wiegen, entsprechend der weniger einschneidenden Rechtsfolge, weniger schwer. Überwiegend geht es auch hier um Verfehlungen des Unternehmens. Allerdings genügt etwa nach § 124 Abs. 1 Nr. 2 GWB auch der Umstand, dass das Unternehmen zahlungsunfähig ist oder über sein Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Nach § 124 Abs. 1 Nr. 5 GWB kann ein Interessenskonflikt bei einer für den öffentlichen Auftraggeber tätigen Person, der die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit im Vergabeverfahren beeinträchtigen könnte, einen Ausschluss rechtfertigen. § 126 Nr. 2 GWB bestimmt, dass das den Ausschluss rechtfertigende Ereignis maximal drei Jahre zurückliegen darf.

Der öffentliche Auftraggeber darf ein Unternehmen nach beiden Vorschriften nur ausschließen, wenn es keine zureichenden Maßnahmen der Selbstreinigung nach § 125 GWB ergriffen hat. § 125 Abs. 1 S. 1 GWB ermöglicht es dem Unternehmen, sich dadurch selbst zu reinigen,

  • dass es nachweist, dass es jeden durch eine Straftat oder ein anderes Fehlverhalten entstandenen Schaden ausgeglichen hat oder ausgleichen wird,

  • es aktiv zur Aufklärung der Straftat oder des Fehlverhaltens und des entstandenen Schadens beigetragen hat und

  • Maßnahmen ergriffen hat, die weitere Straftaten oder weiteres Fehlverhalten vermeiden können.

Ob die ergriffenen Maßnahmen ausreichen, damit von einer Selbstreinigung ausgegangen werden kann, bewertet nach § 125 Abs. 2 GWB der öffentliche Auftraggeber beziehungsweise das Bundeskartellamt.

Welcher der folgenden Aussagen ist richtig?

  • Liegt ein Ausschlussgrund nach § 123 Abs. 1 GWB oder § 124 Abs. 1 GWB vor, muss der öffentliche Auftraggeber das Unternehmen ausschließen.
  • Liegt ein Ausschlussgrund vor, ist ein Ausschluss für die Zukunft zeitlich unbegrenzt möglich.
  • Ein Unternehmen kann, um trotz eines Ausschlussgrundes nicht ausgeschlossen zu werden, Maßnahmen der Selbstreinigung ergreifen.

Ausschluss ungeeigneter Unternehmen

Nach § 42 Abs. 1 VgV überprüft der öffentliche Auftraggeber (nach Ablauf der Angebotsfrist) die Eignung der Bewerber oder Bieter anhand der nach § 122 GWB festgelegten Eignungskriterien. Unternehmen sind demnach geeignet, wenn sie die Eignungskriterien erfüllen. Diese Frage lässt sich mit Ja oder Nein beantworten. Es geht hier also nicht um einen Vergleich mehrerer Unternehmen, sondern um die Feststellung, ob jedes Unternehmen für sich genommen bestimmte Anforderungen erfüllt. Das „Maß an Eignung“ spielt keine Rolle. Ist das Unternehmen geeignet, bleibt es im Verfahren. Erfüllt es die Eignungskriterien nicht, muss der öffentliche Auftraggeber das Unternehmen ausschließen.

Die Eignungskriterien muss der öffentliche Auftraggeber selbst zu Beginn des Verfahrens festlegen und schon in der Auftragsbekanntmachung aufführen (§ 122 Abs. 4 S. 2 GWB). Bei der Festlegung, welche Eignungskriterien die Unternehmen erfüllen müssen, ist der öffentliche Auftraggeber nicht völlig frei. Nach § 122 Abs. 2 S. 2 GWB dürfen die Eignungskriterien ausschließlich die

  • die Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung,

  • die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit (Bieter muss über die erforderlichen wirtschaftlichen und finanziellen Kapazitäten für die Ausführung des Auftrags verfügen, § 45 Abs. 1 S. 1 VgV) sowie

  • die technische und berufliche Leistungsfähigkeit (Bieter muss über die erforderlichen personellen und technischen Mittel sowie ausreichende Erfahrungen verfügen, um den Auftrag in angemessener Qualität ausführen zu können, § 46 Abs. 1 S. 1 VgV)

betreffen. Die vom öffentlichen Auftraggeber gebildeten Eignungskriterien müssen sich im Rahmen dieses Wortlauts halten. Die §§ 4446 VgV konkretisieren diese Oberbegriffe teilweise und enthalten, ergänzt von §§ 48 und 49 VgV, Vorschriften über die jeweiligen Nachweise, die der öffentliche Auftraggeber für die Prüfung der Eignung von den Unternehmen verlangen kann. Grundsätzlich genügen nach § 48 Abs. 2 S. 1 VgV Eigenerklärungen der Bieter darüber, inwiefern sie die Eignungskriterien erfüllen.

Nach § 45 Abs. 1 S. 2 VgV kann der öffentliche Auftraggeber als Beleg der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit beispielsweise den Nachweis eines bestimmten Mindestjahresumsatzes oder einer Berufs- oder Betriebshaftpflichtversicherung verlangen. Für die technische und berufliche Leistungsfähigkeit eignen sich als zu fordernde Nachweise unter anderem nach § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV Referenzen über früher ausgeführte Aufträge.

Innerhalb dieser Vorgaben hat der öffentliche Auftraggeber bei der Festlegung der Kriterien und der Nachweise Entscheidungsspielräume. Er muss bei der Ausfüllung dieser Spielräume Art und Umfang der zu beschaffenden Leistung berücksichtigen und bedenken, dass unnötig hohe Anforderungen eine Teilnahme potentieller Bewerber oder Bieter am Vergabeverfahren verhindern können. Das macht die Beschaffung unwirtschaftlicher. Allerdings sollen gerade auch die Eignungskriterien und die geforderten Nachweise eine wirtschaftliche Beschaffung ermöglichen: Der öffentliche Auftraggeber muss sicherstellen, dass er sich von der Eignung der Unternehmen überzeugen kann und eine ordnungsgemäße Ausführung des Auftrags zu erwarten ist, damit die hinter der Beschaffung stehende Verwaltungsaufgabe erledigt werden kann.

Ausschluss infolge eines Teilnahmewettbewerbs

Sofern genügend geeignete Bewerber zur Verfügung stehen, kann der öffentliche Auftraggeber in anderen als dem offenen Verfahren § 51 Abs. 1 VgV im Rahmen eines Teilnahmewettbewerbs die Zahl der geeigneten Bewerber begrenzen, die zur Abgabe eines Angebots aufgefordert oder zum Dialog eingeladen werden. Alle anderen Unternehmen dürfen am weiteren Verfahren nicht teilnehmen, werden also nach § 52 Abs. 1 VgV schlicht nicht dazu aufgefordert, ein Angebot einzureichen.

Maßstab für die Begrenzung sind nach § 51 Abs. 1 S. 2 VgV objektive und nichtdiskriminierende Eignungskriterien. Hier nun zieht der öffentliche Auftraggeber also Kriterien im Sinne von § 122 Abs. 2 S. 2 GWB dafür heran, Unternehmen zu vergleichen – Maßstab für die Entscheidung ist ein „Mehr an Eignung“. Der öffentliche Auftraggeber hat einen Entscheidungsspielraum bei der Frage, welche Kriterien er für diesen Vergleich heranzieht. Sind es mehrere Kriterien, muss er die Kriterien mit einer einheitlichen numerischen Skala verknüpfen und zueinander gewichten. Nach § 51 Abs. 1 S. 2 VgV muss der öffentliche Auftraggeber die Kriterien schon in der Auftragsbekanntmachung angeben.

Welche der folgenden Aussagen ist richtig?

  • Die Eignungsprüfung setzt nur dann einen Vergleich mehrere Unternehmen voraus, wenn es darum geht, die Zahl der geeigneten Bewerber zu begrenzen.
  • Der öffentliche Auftraggeber kann frei entscheiden, welche Kriterien er zur Beurteilung der Eignung heranzieht.
  • Der öffentliche Auftraggeber sollte immer möglichst hohe Eignungskriterien festlegen, damit stets nur die besten Unternehmen zum Zuge kommen.

Angebotsausschluss aus angebotsbezogenen Gründen

Angebote der im Verfahren verbleibenden Bieter prüft der öffentliche Auftraggeber nach § 56 Abs. 1 VgV auf Vollständigkeit und fachliche sowie rechnerische Richtigkeit. Grundlage eines Ausschlusses von Angeboten aus angebotsbezogenen Gründen ist § 57 Abs. 1 VgV. Die Vorschrift zwingt zum Ausschluss von Angeboten, die nicht den Erfordernissen des § 53 VgV genügen, insbesondere einen der Gründe im Katalog des § 57 Abs. 1 VgV erfüllen.

Verfehlung formaler Anforderungen

§ 57 Abs. 1 Nr. 1 VgV betrifft aus formaler Sicht zunächst nicht form- oder fristgerecht eingegangene Angebote, wobei solche Angebote nicht auszuschließen sind, bei denen der Bieter die Verfehlung nicht zu vertreten hat. § 57 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3 und Nr. 5 VgV betreffen unvollständige Angebote und Angebote mit zweifelhaften Eintragungen, § 57 Nr. 6 VgV nicht zugelassene Nebenangebote.

Änderungen oder Ergänzungen an den Vergabeunterlagen

Besondere Aufmerksamkeit verdient der Ausschlussgrund in § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV. Hiernach schließt der öffentliche Auftraggeber Angebote aus, bei denen Änderungen oder Ergänzungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen worden sind. Zu den Vergabeunterlagen zählen die Vertragsunterlagen (§ 29 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 VgV). Daher muss der öffentliche Auftraggeber Angebote ausschließen, die von denjenigen vertraglichen Bedingungen abweichen, die der öffentliche Auftraggeber zu Beginn des Verfahrens formuliert und der Ausschreibung zugrunde gelegt hat. Dieser Ausschlussgrund ist insofern besonders wichtig, als er gewährleistet, dass der öffentliche Auftraggeber – obwohl er nicht selbst den privatrechtlichen Antrag formuliert, sondern „nur“ den Antrag eines Bieters durch Zuschlag annimmt – die Hoheit über die wesentlichen Bedingungen des Vertrags behält. Andernfalls wäre eine wirtschaftliche Beschaffung (§ 97 Abs. 1 S. 2 GWB), mit der sich erfolgreich staatliche Aufgaben erledigen lassen, nicht gewährleistet. Ob ein Angebot die Vertragsunterlagen ändert oder ergänzt, das heißt im Ergebnis von ihnen abweicht, muss der öffentliche Auftraggeber feststellen, indem er das Angebot normativ auslegt (§§ 133, 157 BGB) und seinen Inhalt mit dem Inhalt der Vergabeunterlagen vergleicht. Die Vertragsunterlagen bestehen aus der Leistungsbeschreibung und den Vertragsbedingungen (§ 29 Abs. 1 Nr. 3 VgV).

Leistungsbeschreibung

Als Teil der Vertragsunterlagen, die Bieter nicht verändern oder ergänzen dürfen, wird die Leistungsbeschreibung zu einem Kriterium der Entscheidung. Die Leistungsbeschreibung übersetzt den Beschaffungsbedarf des öffentlichen Auftraggebers in einen konkreten, für die Bieter verständlichen Auftragsgegenstand. Der öffentliche Auftraggeber hat verschiedene Möglichkeiten, die Leistung zu beschreiben. Zum einen kann er sie „konstruktiv“ in Form eines in Teilleistungen gegliederten Leistungsverzeichnisses beschreiben (vgl. § 31 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VgV). Ein solches Verzeichnis dient Bietern als eine Art Angebotsformular oder „Angebots-Blankett“, das sie an den betreffenden Stellen insbesondere in Bezug auf die Preise auszufüllen und mit Erklärungen und Nachweisen zu ergänzen haben. Eine andere Art und Weise ist die „funktionaleLeistungsbeschreibung. In dieser nennt der öffentliche Auftraggeber nur die zu erfüllenden Leistungs- oder Funktionsanforderungen oder beschreibt die zu lösende Aufgabe (vgl. § 31 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VgV). Dadurch belässt er Bietern mehr Spielräume darin, den Leistungsgegenstand in ihrem Angebot anhand dieser Anforderungen oder Beschreibung zu konkretisieren. Auch Mischformen sind möglich (§ 31 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VgV).

Anforderungen an die Leistungsbeschreibung stellt insbesondere § 121 Abs. 1 S. 1 GWB. Hiernach muss der öffentliche Auftraggeber die Leistung so eindeutig und erschöpfend wie möglich beschreiben, sodass die Beschreibung für alle Unternehmen im gleichen Sinne verständlich ist und die Angebote miteinander verglichen werden können. Dies dient den Grundsätzen der Chancengleichheit der Bieter im Wettbewerb und der Transparenz: durch die eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung sollen alle interessierten Unternehmen ein dem Beschaffungsbedarf des öffentlichen Auftraggebers entsprechendes Angebot abgeben können. Weitere Anforderungen stellt § 31 Abs. 6 S. 1 VgV. Hiernach ist die Leistung grundsätzlich produktneutral auszuschreiben: Der öffentliche Auftraggeber darf nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren, das die Erzeugnisse oder Dienstleistungen eines bestimmten Unternehmens kennzeichnet, oder auf gewerbliche Schutzrechte, Typen oder einen bestimmten Ursprung verweisen, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder bestimmte Produkte begünstigt oder ausgeschlossen werden, es sei denn, dieser Verweis ist durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt.

Beispiel: Wenn nachweislich 90 Prozent der Konzertpianistinnen und -pianisten auf einem Steinway-Flügel spielen, darf ein Konzerthaus, das einen öffentlichen Auftrag vergibt, in der Leistungsbeschreibung einen Steinway-Flügel fordern, weil sich dieser Verweis auf eine bestimmte Produktion beziehungsweise einen bestimmten Hersteller durch den Auftragsgegenstand rechtfertigt. Hier setzt sich der Zweck, dass die Beschaffung jedenfalls dazu geeignet sein muss, die staatliche Aufgabe erfolgreich zu erledigen, gegenüber der Chancengleichheit der Unternehmen durch. Entscheidend ist dann, dass die Bestimmung des Beschaffungsgegenstands nicht ihrerseits diskriminierend erfolgt ist.

Angebote, die eine andere als die in der Leistungsbeschreibung geforderte oder eine Leistung enthalten, die den formulieren Anforderungen oder der beschriebenen Aufgabe nicht gerecht wird, erfüllen nicht die in der Leistungsbeschreibung festgehaltenen Mindestanforderungen an die Angebote. Sie sind daher auf Grundlage von § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV vom Vergabeverfahren auszuschließen.

Vertragsbedingungen (unter anderem Ausführungsbedingungen)

Auch von den Vertragsbedingungen als Teil der Vertragsunterlagen und damit der Vergabeunterlagen dürfen Bieter mit ihrem Angebot nicht abweichen. Andernfalls ist das Angebot nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV auszuschließen. Der öffentliche Auftraggeber kann dadurch nicht nur den Leistungsgegenstand, sondern auch die Bedingungen der Leistungserbringung vorgeben. Bieter drohen unter anderem dann ausgeschlossen zu werden, wenn sie ihrem Angebot ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen beifügen und diese von den Vertragsbedingungen des öffentlichen Auftraggebers abweichen.

Vertragsbedingungen betreffen klassische (Neben-)Leistungspflichten wie Leistungsort und Leistungszeit. Nach § 128 Abs. 2 GWB kann der öffentliche Auftraggeber aber auch zusätzliche besondere Bedingungen für die Ausführung eines Auftrags (Ausführungsbedingungen) festlegen. Hier kann der öffentliche Auftraggeber insbesondere strategische Zwecke verfolgen, das heißt im Sinne von § 128 Abs. 2 S. 3 GWB auch innovationsbezogene, umweltbezogene, soziale oder beschäftigungspolitische Belange.

Beispielsweise kann der Staat Lohndumping bekämpfen, indem er Unternehmen dazu verpflichtet, sich bei der Leistungserbringung an tarifvertraglichen Löhnen zu orientieren, und er kann sich um die Belange von Menschen mit Behinderung kümmern, indem er im Auftrag vorsieht, dass bei der Leistungserbringung auch Menschen mit Behinderung eingesetzt werden sollen.

Welche der folgenden Aussagen ist nicht richtig?

  • Über den Ausschlussgrund in § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV sind Angebote auszuschließen, die eine andere Leistung versprechen als die vom öffentlichen Auftraggeber geforderte.
  • Eine Leistungsbeschreibung ist so konkret zu fassen, dass Bieter nur noch die Preise eintragen müssen, die sie für die Leistung verlangen möchten.
  • Bieter dürfen in ihrem Angebot nicht von den Vertragsbedingungen abweichen, die der öffentliche Auftraggeber in den Vertragsunterlagen vorsieht. Sonst sind sie auszuschließen.

Auswahl des wirtschaftlichsten Angebots

Nur diejenigen Angebote, die nicht von Unternehmen stammen, die aus unternehmensbezogenen Gründen ausgeschlossen worden sind, und die ihrerseits die formalen und inhaltlichen Anforderungen an die Angebote einhalten und deshalb nicht nach § 57 Abs. 1 VgV ausgeschlossen worden sind, konkurrieren auf der nächsten Stufe um den Zuschlag. Der Zuschlag wird nach § 127 Abs. 1 S. 1 GWB und § 58 Abs. 1 VgV auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt. Das wirtschaftlichste Angebot ist nach § 127 Abs. 1 S. 3 GWB und § 58 Abs. 2 S. 1 VgV dasjenige mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis. Um dieses Angebot zu ermitteln, hat der öffentliche Auftraggeber nach § 127 Abs. 1 S. 2 GWB zu bewerten, ob und inwieweit jedes Angebot die vorgegebenen Zuschlagskriterien erfüllt.

Die Zuschlagskriterien gibt das Gesetz nicht abschließend vor. § 127 Abs. 1 S. 4, Abs. 3 und Abs. 4 S. 1 GWB machen vielmehr deutlich, dass der öffentliche Auftraggeber selbst festlegen muss, welche Zuschlagskriterien er seiner Bewertung zugrunde legen möchte. Er hat hierbei einen Entscheidungsspielraum, wobei § 127 Abs. 1 S. 4 GWB besagt, dass jedenfalls der Preis (oder wahlweise nach § 58 Abs. 2 S. 2 VgV die Kosten und damit im Sinne von § 59 VgV auch Lebenszykluskosten) zu berücksichtigen ist. Hinzu können qualitative, umweltbezogene oder soziale Aspekte, in denen sich der Wert der Leistung für den öffentliche Auftraggeber widerspiegelt. Dass diese Kriterien nach § 127 Abs. 3 S. 1 GWB mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen müssen, versteht sich eigentlich von selbst. Es geht darum, zu bewerten, mit welcher konkret angebotenen Leistung sich die den Beschaffungsbedarf auslösende staatliche Aufgabe am erfolgreichsten erledigen lässt. Dabei stehen inhaltliche Zuschlagskriterien in einer Wechselbeziehung zur Leistungsbeschreibung: Je konkreter der öffentliche Auftraggeber den Beschaffungsgegenstand in der Leistungsbeschreibung festlegt und je weniger Spielraum Bietern bei der Erstellung ihrer Angebote verbleibt, desto weniger können sich die Angebote inhaltlich unterscheiden und desto weniger sinnvoll ist ein Vergleich der Angebote anhand inhaltlicher Kriterien. Im Extremfall ist die Leistungsbeschreibung so konstruktiv, dass Bieter nur noch Preise in das Angebot eintragen. Dann kann auch ausschließlich der Preis als Zuschlagskriterium herhalten.

Grundsätzlich dürfen die Zuschlagskriterien sich ausschließlich auf das Angebot beziehen und keine unternehmensbezogenen Aspekte betreffen. Ein „Mehr an Eignung“ darf nur ausnahmsweise gemäß § 58 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 VgV als Zuschlagskriterium berücksichtigt werden, wenn die Organisation, Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags betrauten Personals erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftragsausführung haben können.

Legt der öffentliche Auftraggeber – wie in aller Regel – mehrere Zuschlagskriterien fest, muss er diese Zuschlagskriterien zueinander gewichten, um das beste Preis-Leistungs-Verhältnis bestimmen zu können (§ 58 Abs. 3 S. 1 VgV). Wie er die Kriterien gewichtet, liegt in seinem Entscheidungsspielraum. Nur ausnahmsweise, wenn eine Gewichtung aus objektiven Gründen nicht möglich ist, genügt es, die Kriterien in absteigender Reihenfolge anzugeben (§ 58 Abs. 3 S. 3 VgV). Jedenfalls muss der öffentliche Auftraggeber die Kriterien mit einer numerischen Skala verknüpfen, die es ermöglicht, die Angebote anhand des Grads in eine Reihenfolge zu bringen, in dem sie die Kriterien jeweils erfüllen.

Die festgelegten Zuschlagskriterien und die Gewichtung der Kriterien zueinander muss der öffentliche Auftraggeber aus Transparenzgründen schon in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen aufführen (§ 127 Abs. 5 GWB). An diese zu Beginn des Verfahrens gebildeten Entscheidungskriterien ist der öffentliche Auftraggeber im weiteren Verlauf des Verfahrens gebunden. Zum Zeitpunkt der Wertung der Angebote nach Ablauf der Angebotsfrist legt er diese Kriterien sodann dem Angebotsvergleich zugrunde. Auch hierbei, das heißt bei der Subsumtion der Angebote unter die festgelegten Kriterien, können sich dem öffentlichen Auftraggeber noch Entscheidungsspielräume eröffnen, die herkömmlich als „Beurteilungsspielräume“ bezeichnet werden.

Ablehnung des Zuschlags auf ein ungewöhnlich niedriges Angebot

An sich ergeht der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot. Nach § 60 Abs. 3 S. 1 VgV darf der öffentliche Auftraggeber den Zuschlag auf das an sich wirtschaftlichste Angebot aber ablehnen, wenn der Preis oder die Kosten des Angebots im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung nach § 60 Abs. 1 VgV ungewöhnlich niedrig erscheinen. Die Möglichkeit, ein Angebot dann abzulehnen, soll sicherstellen, dass kein Vertrag mit einem Unternehmen zustanden kommt, dass aufgrund eines erheblich zu gering kalkulierten Preises nicht in der Lage sein wird, die Leistung vertragsgerecht oder rechtskonform auszuführen. Denn sonst ließe sich die staatliche Aufgabe nicht erfolgreich erledigen.

Zunächst muss der öffentliche Auftraggeber jedoch nach § 60 Abs. 1 VgV vom Bieter Aufklärung über den niedrigen Preis oder die niedrigen Kosten verlangen. Denn es kann durchaus wirtschaftliche Gründe geben, aus denen ein Unternehmen ein unauskömmliches Angebot abgibt, etwa freie Kapazitäten oder der Wunsch, sich als neuer Anbieter auf dem Markt zu etablieren. In solchen Fällen spricht nichts dagegen und der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit (§ 97 Abs. 1 S. 2 GWB) sogar dafür, dass der öffentliche Auftraggeber das günstige Angebot annimmt. Nur bei nicht zufriedenstellender Aufklärung über die Gründe für die geringe Höhe des Preises oder der Kosten öffnet sich die Möglichkeit, das Angebot abzulehnen. Zwingend muss der öffentliche Auftraggeber das Angebot ablehnen, wenn die ungewöhnliche niedrige Höhe des Preises oder der Kosten nach § 60 Abs. 3 S. 3 VgV darauf beruht, dass das Unternehmen umwelt-, sozial oder arbeitsrechtliche Verpflichtungen im Sinne von § 128 Abs. 1 GWB nicht eingehalten hat, oder darauf, dass das Unternehmen eine staatliche Beihilfe erhalten hat, deren Rechtmäßigkeit der Bieter nicht nachweisen kann (§ 60 Abs. 4 S. 1 VgV). In allen Fällen der Ablehnung kommt das zweitwirtschaftlichste Angebot zum Zuge.

Welche der folgenden Aussagen ist richtig?

  • Bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots (und nur dort) muss der öffentliche Auftraggeber Angebote miteinander vergleichen.
  • Bei der Auswahl des wirtschaftlichsten Angebots spielt es grundsätzlich eine Rolle, wie leistungsfähig und fachkundig das Unternehmen ist.
  • Bieter ein Unternehmen unter dem Marktpreis an, darf der Zuschlag auf dieses Angebot nicht erteilt werden.

Literatur

  • Burgi, Vergaberecht, 3. Auflage 2021, § 12, 16–19

  • Pünder, in Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht Band 1, 4. Auflage 2019, § 17 Vergaberecht, Rn. 83–109

  • Pünder/Buchholtz, Einführung in das Vergaberecht (Teil 2): Auswahlkriterien, Verfahrensarten und Rechtsschutzmöglichkeiten, JURA 2016, 1358 (1358–1362)