Guiding Principles
1. Vorläufige Eingriffe in die Berufsfreiheit sind nur unter strengen Voraussetzungen zum Schutze wichtiger Gemeinschaftsgüter und unter strenger Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes statthaft. Ob überwiegende öffentliche Belange es rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des Betroffenen einstweilen zurückzustellen, hängt insbesondere davon ab, ob eine weitere Berufstätigkeit konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter befürchten lässt (vgl BVerfG, 24.10.2003, 1 BvR 1594/03, BVerfGK 2, 89 <93 f>; BVerfG, 12.03.2004, 1 BvR 540/04, NVwZ-RR 2004, 545 <545 f>).(Rn.22)
2. Offen bleiben kann, ob sich ein EG-Ausländer auf Art 12 Abs 1 GG berufen kann, da er jedenfalls aufgrund Art 2 Abs 1 GG eine entsprechende Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes beanspruchen kann (vgl BVerfG, 18.07.1973, 1 BvR 23/73, BVerfGE 35, 382 <400 f>).(Rn.21)
3. Das Verfahrensgrundrecht des Art 19 Abs 4 GG gewährt die Effektivität des Rechtsschutzes und eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl BVerfG, 16.05.1995, 1 BvR 1087/91, BVerfGE 93, 1 <13>; stRspr). Die Rechtsschutzgarantie soll ua irreparable Entscheidungen, wie sie durch die sofortige Vollziehung einer hoheitlichen Maßnahme eintreten können, soweit als möglich auszuschließen (vgl BVerfG, 19.06.1973, 1 BvL 39/69, BVerfGE 35, 263 <274>). Der Rechtsschutzanspruch kann nur zugunsten überwiegender öffentlicher Belange einstweilen zurückgestellt werden, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten (vgl BVerfG aaO, BVerfGE 35, 382 <402>).(Rn.36)
4. Hier:
4a. Die angegriffene Entscheidung genügt den dargelegten Anforderungen nicht.(Rn.23)
aa. Die Annahme einer konkreten Gefahr wird nicht mit hinreichend konkreten Tatsachen begründet. So wird verkannt, dass ein Sofortvollzug gerade nicht notwendig ist, wenn schon der Verfahrensdruck zu einer Verhaltensänderung beim Adressaten führt. Zudem verkennt das VG die Feststellungslast, wenn es die Selbstbeschränkung und die Auflage des LSG deswegen für unzureichend hält, weil es kein Indiz dafür sieht, dass der Beschwerdeführer dem nicht zuwider handeln werde.(Rn.24)
bb. Die angegriffene Entscheidung verfehlt überdies den Abwägungsmaßstab, wenn es den wirtschaftlichen und persönlichen Folgen des Sofortvollzugs deswegen keinen Vorrang vor den Patienteninteressen einräumen möchte, weil diese Folgen im Verantwortungsbereich des Beschwerdeführers lägen.(Rn.31)
cc. Entgegen der angegriffenen Entscheidung sind die strengen Anforderungen an der Erlass der Grundverfügung (vgl BVerfG, 29.12.2004, 1 BvR 2820/07) auch dann zu stellen, wenn es nicht nur um Abrechnungsbetrug, sondern um den Schutz der Patienten geht. Dies ist vielmehr im Rahmen der Folgenabwägung zu berücksichtigen.(Rn.34)
4b. Aufgrund der unzureichend fundierten Gefahrenprognose und der fehlerhaften Folgenabwägung genügt die angegriffene Entscheidung zudem nicht den Anforderungen des Art 19 Abs 4 GG.(Rn.37)
5. Zum Erlass einer eA, die sofortige Vollziehung des angegriffenen Beschlusses einstweilen auszusetzen, vgl BVerfG, 28.08.2007, 1 BvR 2157/07.(Rn.15)