BGH 4. Strafsenat 4 StR 512/66

Guiding Principles

1. Werden erkennende Richter und außerdem ein Richter abgelehnt, der zur Entscheidung über die Ablehnungsgesuche gegen sie berufen wäre, so ist über das Ablehnungsgesuch gegen ihn vorab zu entscheiden und, wenn es für unbegründet erachtet wird, mit ihm die Kammer zu bilden, die dann über die Ablehnungsgesuche gegen die erkennenden Richter zu beschließen hat.

2. Ein Richter ist nicht schon deshalb befangen, weil er bereits in einem anderen Verfahren mit demselben Sachverhalt dienstlich befaßt gewesen ist.

3. Der Begriff "unverzüglich" ist entsprechend dem Sprachgebrauch und dem mit der förmlichen Regelung des Ablehnungsverfahrens verfolgten Zweck eng auszulegen. Bei mehrtägiger Verhandlungspause kann es geboten sein, das Ablehnungsgesuch außerhalb der Hauptverhandlung vor deren Fortsetzung zu Protokoll der Geschäftsstelle anzubringen.

4. Zur Glaubhaftmachung gehört, daa das Gericht durch die beigebrachten Beweismittel in die Lage versetzt wird, ohne den Fortgang des Verfahrens verzögernde weitere Ermittlungen über das Ablehnungsgesuch zu entscheiden; dazu reicht die bloße Benennung eines Zeugen in der Regel nicht aus. Es genügt, daß dem Gericht die Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit der behaupteten Tatsachen dargetan wird.

5. Ergibt sich im Sicherungsverfahren nach der Eröffnung des Hauptverfahrens die Zurechnungsfähigkeit des Beschuldigten und ist ein Vergehen Gegenstand der Untersuchung, so hat die Strafkammer nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu befinden, ob das Verfahren wegen der besonderen Bedeutung der Sache weiterhin vor ihr oder mangels einer solchen Bedeutung vor dem Schöffengericht durchgeführt werden soll.

6. Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen oder einem seiner Angehörigen zur Unehre gereichen kann, darf der Vorsitzende zurückweisen, wenn sie zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich sind.

7. Ein Bahnpolizeibeamter, der zur Sicherung der Ordnung gegen die weitere Verteilung von Flugblättern auf einem Bahnhofsvorplatz einschreitet, handelt rechtmäßig, wenn er sein Eingreifen nach pflichtgemäßer Prüfung der gesamten Umstände für sachlich gerechtfertigt halten durfte. Darauf, ob die Ordnung tatsächlich gefährdet war, kommt es nicht an.

7.1 Der Senat hält an der Auffassung fest, daß die Rechtmäßigkeit der Vollstreckungshandlung kein Tatbestandsmerkmal des StGB § 113 ist, sondern eine Bedingung der Strafbarkeit, auf die sich der Tätervorsatz nicht zu erstrecken braucht und ein rechtserheblicher Irrtum des Täters nicht erstrecken kann (BGHSt, 1953-03-31, 1 StR 670/52, 4, 161, 163ff).