Guiding Principles
1a. Zum Verhältnis des Grundrechts auf Meinungsfreiheit zu dem ebenfalls grundrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht des von einer Äußerung Betroffenen vgl BVerfG, 10.11.1998, 1 BvR 1531/96, BVerfGE 99, 185 <196 ff>.(Rn.16)
1b. Auch Tatsachenbehauptungen genießen den Schutz der Meinungsfreiheit, soweit sie geeignet sind, zur Meinungsbildung beizutragen (vgl BVerfG, 13.04.1994, 1 BvR 23/94, BVerfGE 90, 241 <247>.(Rn.19)
1c. Die Fachgerichte haben bei der Auslegung und Anwendung der grundrechtsbeschränkenden Normen des einfachen Rechts - hier § 823, § 1004 BGB - die wertsetzende Bedeutung des beeinträchtigten Grundrechts zu berücksichtigen. Diesem Erfordernis werden die angegriffenen Entscheidungen nicht in hinreichendem Maße gerecht. Die Gerichte haben zwar nicht verkannt, dass die streitgegenständlichen Äußerungen dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit unterfallen, und sind auch in eine Abwägung zwischen diesem Grundrecht des Beschwerdeführers und den auf Seiten des Klägers zu berücksichtigenden grundrechtlich geschützten Interessen eingetreten. Die hierbei maßgeblichen Erwägungen der Gerichte werden aber der Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit nicht hinreichend gerecht.
2a. Wahre Tatsachenbehauptungen, die lediglich Vorgänge aus seiner Sozialsphäre benennen. müssen grundsätzlich hingenommen werden, denn das Persönlichkeitsrecht verleiht seinem Träger keinen Anspruch darauf, nur so in der Öffentlichkeit dargestellt zu werden, wie es ihm genehm ist (vgl BVerfG, 13.04.1994, 1 BvR 23/94, BVerfGE 90, 241 <403>).
2b. Die Schwelle zur Persönlichkeitsrechtsverletzung wird bei der Mitteilung wahrer Tatsachen über die Sozialsphäre des Betroffenen regelmäßig erst überschritten, wo sie einen Persönlichkeitsschaden befürchten lässt, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht (vgl BVerfG, 10.11.1998, 1 BvR 1531/96, BVerfGE 99, 185 <196 f>).
2c. Zu den Voraussetzungen der Annahme einer unzulässigen Anprangerung und Stigmatisierung durch die Verbreitung von Tatsachenbehauptungen vgl BVerfG, 18.02.2010, 1 BvR 2477/08.
2d. Vorliegend zeigen die angegriffenen Entscheidungen eine derart schwerwiegende Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers aber nicht in einer verfassungsrechtlich tragfähigen Weise auf. Insbesondere lassen sie nicht erkennen, dass dem Kläger ein umfassender Verlust an sozialer Achtung drohe, wenn seine Bereitschaft zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen zum Gegenstand einer öffentlichen Erörterung gemacht wird. Hiergegen spricht, dass ihm nicht etwa eine strafrechtlich relevante oder auch nur überhaupt gesetzlich verbotene, sondern lediglich eine aus Sicht des Beschwerdeführers moralisch verwerfliche Tätigkeit vorgehalten wurde, auf die zudem der Kläger selbst ebenfalls öffentlich hinwies. Darüber hinaus haben die Gerichte auch nicht hinreichend gewürdigt, dass der Beschwerdeführer mit dem Thema der Schwangerschaftsabbrüche einen Gegenstand von wesentlichem öffentlichem Interesse angesprochen hat, was das Gewicht seines in die Abwägung einzustellenden Äußerungsinteresses vergrößert.(Rn.22)
3a. Vor dem Hintergrund, dass Art 5 Abs 1 GG zwar das Äußern von Meinungen schützt, nicht aber Tätigkeiten, mit denen anderen eine Meinung - mit nötigenden Mitteln - aufgedrängt werden soll (vgl BVerfG, 26.02.1969, 1 BvR 619/63, BVerfGE 25, 256 <264 f>), erscheint es vorliegend nicht ausgeschlossen, auf den Gesichtspunkt, dass der Beschwerdeführer die Patientinnen durch seine Aktionen gleichsam einem Spießrutenlauf ausgesetzt ein verfassungsrechtlich tragfähiges Verbot von bestimmten Formen von Protestaktionen zu stützen. Dies rechtfertigt aber jedenfalls nicht ein so umfassendes Verbot, wie es hier in Frage steht.
3b. Auf mögliche, das Grundrecht des Klägers aus Art 12 Abs 1 GG betreffende Belästigungen von Patientinnen lässt sich weder die Untersagung stützen, in einem Umkreis von einem Kilometer Luftlinie von der Praxis des Klägers - ohne Rücksicht darauf, ob es sich um einen Standort handelt, den Patientinnen des Klägers auf dem Weg zur Praxis passieren müssen oder nicht - auf die dort durchgeführten Schwangerschaftsabbrüche hinzuweisen noch gar dies in sonstiger Weise öffentlich zu tun.(Rn.23)
4. Zur Festsetzung des Gegenstandswertes in vorliegenden Verfahren vgl Beschluss vom 14.09.2010, 1 BvR 11745/06.