BVerfG 1. Senat 1. Kammer 1 BvR 240/04

ECLI:DE:BVerfG:2005:rk20050214.1bvr024004

Guiding Principles

1a. Zum Gewährleistungsumfang des GG Art 2 Abs 1 bei der Darstellung des Einzelnen in der Öffentlichkeit vgl BVerfG, 1999-12-15, 1 BvR 653/96, BVerfGE 101, 361 <380>.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt auch vor der Verbreitung eines technisch manipulierten Bildes, das den Anschein erweckt, ein authentisches Abbild einer Person zu sein.

1b. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht unterliegt wegen des Vorbehalts in GG Art 2 Abs 1 Einschränkungen, insbesondere durch die Meinungsfreiheit und die Kunstfreiheit.

2. Zum von Verfassungs wegen beschränkten Prüfungsumfang der Anwendung des einfachen Rechts durch die Fachgerichte vgl BVerfG, 1999-12-15, 1 BvR 653/96 , BVerfGE 97, 391 <401>.

3a. Zur Notwendigkeit, für die Erfassung des eigentlichen Inhalts die Darstellung von ihrer satirischen Einkleidung zu befreien, um sodann den dahinter liegenden Aussagegehalt der Darstellung zu ermitteln vgl BVerfG, 1992-03-25, 1 BvR 514/90, BVerfGE 86, 1 <12>.

3b. Bei der Prüfung, ob eine Schmähkritik vorliegt beschränkt sich die rechtliche Beurteilung beschränkt sich jedoch nicht auf den Aussagekern. Vielmehr ist auch die Einkleidung der Aussage gesondert daraufhin zu überprüfen, ob sie eine Kundgabe der Missachtung einer Person enthält (vgl BVerfG, aaO) oder auf andere Weise das Persönlichkeitsrecht verletzt.

Dabei ist zu beachten, dass die Maßstäbe für die Beurteilung der Einkleidung insoweit andere und im Regelfall weniger streng als bei der Beurteilung des Aussagekerns sind, als der gewählten Darstellungsart die Verfremdung wesenseigen ist (vgl BVerfG, 1987-06-03, 1 BvR 313/85 , BVerfGE 75, 369 <378>). Der verfassungsrechtliche Schutz der Einkleidung einer Aussage in eine Fotomontage entfällt aber nicht vollständig, wenn die isolierbaren Einzelteile je für sich betrachtet entstellend wirken.

4a. Der Träger des Persönlichkeitsrechts hat zwar kein Recht darauf, von Dritten nur so wahrgenommen zu werden, wie er sich selbst gerne sehen möchte (vgl BVerfG, 1998-03-24, 1 BvR 131/96, BVerfGE 97, 391 <403>), wohl aber ein Recht, dass ein fotografisch erstelltes Abbild nicht manipulativ entstellt ist, wenn es Dritten ohne Einwilligung des Abgebildeten zugänglich gemacht wird.

4b. Die Bildaussage wird jedenfalls dann unzutreffend, wenn das Foto über rein reproduktionstechnisch bedingte und für den Aussagegehalt unbedeutende Veränderungen hinaus verändert wird. Solche Manipulationen berühren das Persönlichkeitsrecht, einerlei ob sie in guter oder in verletzender Absicht vorgenommen werden oder ob Betrachter die Veränderung als vorteilhaft oder nachteilig für den Dargestellten bewerten. Stets wird die in der bildhaften Darstellung in der Regel mitschwingende Tatsachenbehauptung über die Realität des Abgebildeten unzutreffend.

4c. Die Unwahrheit der Aussage hat Auswirkungen auf die Reichweite des Schutzes durch die Meinungsfreiheit. Eine unrichtige Information, die der verfassungsrechtlich vorausgesetzten Möglichkeit zutreffender Meinungsbildung nicht dienen kann, ist unter dem Blickwinkel der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Gut (vgl BVerfG, 1996-02-13, 1 BvR 262/91, BVerfGE 94, 1 <8>).

5. Hier: Stellt ein Fachgericht maßgeblich darauf ab, dass eine satirische Bildaussage ganzheitlich zu erfassen ist und eine Herauslösung des Gesichts eines Abgebildeten als Bildbestandteil keine gesondert zu berücksichtigende Bildaussage sei, so verkennt es die grundrechtserhebliche Wirkung einer verdeckten Bildmanipulation in einer Situation, in der der manipulierte Teil der Abbildung nicht als "Teil-" oder "Nebenaussage" der Bilddarstellung zurücktritt, sondern einen davon ablösbaren eigenständigen Aussagegehalt hat.

In diesen Fällen bedarf es einer eigenständigen Beurteilung unter dem Aspekt des Persönlichkeitsschutzes.