BGH 4. Strafsenat 4 StR 146/19
ECLI:DE:BGH:2019:120919U4STR146.19.0
1. Widersprechen sich Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründung, ist das Angriffsziel des Rechtsmittels durch Auslegung zu ermitteln.(Rn.9)
2. Die Kognitionspflicht gebietet, dass der durch die zugelassene Anklage abgegrenzte Prozessstoff durch vollständige Aburteilung des einheitlichen Lebensvorgangs erschöpft wird. Fehlt es daran, so stellt dies einen sachlich-rechtlichen Mangel dar.(Rn.19)
3. Fahrunsicherheit im Sinne des § 315c Abs. 1 Nr. 1b StGB liegt vor, wenn die Gesamtleistungsfähigkeit des Fahrzeugführers infolge des geistigen oder körperlichen Mangels soweit herabgesetzt ist, dass er nicht mehr fähig ist, sein Fahrzeug im Straßenverkehr eine längere Strecke, und zwar auch bei plötzlichem Eintritt schwieriger Verkehrslagen, sicher zu steuern.(Rn.22)
4. Auch Anfallsleiden, die zwar außerhalb akuter Phasen keine beeinträchtigenden Wirkungen entfalten (bspw. Psychosen, Persönlichkeitsstörungen und Neurosen), aber die erhebliche Gefahr jederzeit auftretender Anfälle und damit einer plötzlich eintretenden Fahrunsicherheit begründen, unterfallen § 315c Abs. 1 Nr. 1b StGB.(Rn.23)
5. Leidet der Angeklagte an einer Panikstörung, die nach sachverständiger Einschätzung immer wieder dazu führen wird, dass er als Autofahrer beim Zusammentreffen mit Polizeibeamten Panik und körperliche Symptome verspürt und hierdurch eine Fluchtreaktion hervorgerufen wird, durch die er sich selbst und andere Verkehrsteilnehmer erheblich gefährdet, ist das Gericht gehalten, das Vorliegen der Voraussetzungen einer Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 1b) StGB zu erörtern.(Rn.27)
6. Die Zäsurwirkung einer unerledigten Verurteilung entfällt nicht deshalb, weil das Tatgericht von der Möglichkeit Gebrauch macht, eine der zäsurbildenden Verurteilung zugrundeliegende Geldstrafe gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB gesondert neben Freiheitsstrafe bestehen zu lassen.(Rn.32)
7. Besteht eine Panikstörung trotz mehrjähriger auch medikamentöser Behandlung unverändert fort und kommt es seither immer wieder zum Auftreten von Panikattacken, zu erheblichen Fluchtreaktionen beim Zusammentreffen mit der Polizei und ist eine Besserung nicht ersichtlich, rechtfertigt das die Anordnung einer lebenslangen Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis.(Rn.36)
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