BGH 4. Strafsenat 4 StR 502/10

Guiding Principles

1. Täter - auch Mittäter - kann beim Raub nur sein, wer bei der Wegnahme die Absicht hat, sich oder einem Dritten die fremde Sache rechtswidrig zuzueignen. Hierfür genügt, dass der Täter die fremde Sache unter Ausschließung des Eigentümers oder bisherigen Gewahrsamsinhabers körperlich oder wirtschaftlich für sich oder den Dritten haben und sie der Substanz oder dem Sachwert nach seinem Vermögen oder dem des Dritten "einverleiben” oder zuführen will. Dagegen ist nicht erforderlich, dass der Täter oder der Dritte die Sache auf Dauer behalten soll oder will. An der Voraussetzung, dass der Wille des Täters auf eine Änderung des Bestandes seines Vermögens oder das des Dritten gerichtet sein muss, fehlt es in Fällen, in denen er die fremde Sache nur wegnimmt, um sie "zu zerstören”, "zu vernichten”, "preiszugeben”, "wegzuwerfen”, "beiseite zu schaffen” oder "zu beschädigen” (Festhaltung BGH 26. September 1984, 3 StR 367/84, NJW 1985, 812). Der etwa auf Hass- und Rachegefühlen beruhende Schädigungswille ist zur Begründung der Zueignungsabsicht ebenso wenig geeignet wie der Wille, den Eigentümer durch bloßen Sachentzug zu ärgern (Festhaltung BGH, 15. Juli 2010, 4 StR 164/10, wistra 2010, 483). In solchen Fällen genügt es auch nicht, dass der Täter - was grundsätzlich ausreichen könnte (Festhaltung BGH, 2. Juli 1980, 2 StR 224/80, NStZ 1981, 63) - für eine kurze Zeit den Besitz an der Sache erlangt (Rn.20) (Rn.21) .

2. Die für eine Verurteilung wegen (besonders schweren) Raubes (mit Todesfolge) erforderliche Zueignungsabsicht fehlt, wenn Mitglieder einer "Rockerbande" einem Mitglied einer rivalisierenden "Rockerbande" die sog. "Kutte", die mit Aufnähern versehene Lederweste, sowie dessen Messer gewaltsam mit dem Ziel wegnehmen, "diesem Outlaw im speziellen und den sich neuangesiedelten Outlaws im Allgemeinen gegenüber 'Präsenz zu zeigen' und ihnen klarzumachen, dass mit den in der Nähe angesiedelten Hells Angels stets zu rechnen ist". Darin liegt keine über die Enteignung hinausgehende Zueignungsabsicht (Rn.23) .

3. Auch eine besonders schwere räuberische Erpressung (mit Todesfolge) liegt nicht vor. Eine Verurteilung wegen räuberischer Erpressung erfordert die Absicht, sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern. Diese Tatbestandsvoraussetzung des § 253 StGB deckt sich inhaltlich mit der beim Betrug vorausgesetzten Bereicherungsabsicht. Sie setzt nach dem wirtschaftlichen Vermögensbegriff voraus, dass der erstrebte Vorteil zu einer objektiv günstigeren Gestaltung der Vermögenslage für den Täter oder einen Dritten führt, also eine Erhöhung des wirtschaftliches Wertes des Vermögens angestrebt wird (Festhaltung BGH, 3. März 1999, 2 StR 598/99, NStZ- RR 2000, 365). Als ein solcher Vermögenszuwachs kann auch die Erlangung des Besitzes an einer Sache bewertet werden und zwar selbst bei einem nur vorübergehenden Besitzwechsel. Jedoch ist der bloße Besitz in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur in den Fällen als Vermögensvorteil anerkannt, in denen ihm ein eigenständiger wirtschaftlicher Wert zukommt (Festhaltung BGH, 17. August 2001, 2 StR 159/01, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Vermögenswert 2), was regelmäßig lediglich dann zu bejahen ist, wenn mit dem Besitz wirtschaftlich messbare Gebrauchsvorteile verbunden sind, die der Täter oder der Dritte nutzen will (Festhaltung BGH, 16. August 1995, 2 StR 303/95, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Vermögenswert 1) (Rn.26) (Rn.27) . Dagegen genügt - wie beim Raub - nicht, wenn der Täter zwar kurzzeitigen Besitz begründen will, die Sache aber unmittelbar nach der Erlangung vernichtet werden soll (Rn.29) . Auf dieser Grundlage fehlt es an einer Bereicherungsabsicht der Angeklagten in Bezug auf die "Kutte" und dessen Messer. Denn das Landgericht vermochte nicht auszuschließen, dass der Tatplan von vornherein vorsah, die Kutte zu vernichten und das Messer sofort wegzuwerfen (Rn.30) .