BGH 1. Strafsenat 1 StR 373/19

ECLI:DE:BGH:2020:010920U1STR373.19.0

Guiding Principles

1. Bei der Beurteilung, ob ein Unglücksfall oder eine Notlage i.S.d. § 323c StGB vorliegt, kommt es auf eine objektivierte ex-ante-Sicht an. Der Hilfspflichtige muss einem Verunglückten selbst dann die mögliche Hilfe leisten, wenn sie schließlich vergeblich bleibt und sich die befürchtete Folge aus der Rückschau von Anfang an als unabwendbar erweist; jedoch besteht keine Hilfspflicht mehr, sobald der Tod des Verunglückten eingetreten ist. Eine ex-post-Betrachtung ist ungeeignet für die Beurteilung der Erforderlichkeit der Hilfeleistung.(Rn.11)

2. Maßgeblich ist somit, wie ein verständiger Beobachter aufgrund der ihm erkennbaren Umstände die vorgefundene Situation bewertet hätte. War ein Tatopfer (nach massiven Gewalteinwirkungen) zum Tatzeitpunkt noch nicht verstorben, kommt es demzufolge nicht darauf an, dass ex-post betrachtet dessen Leben aus medizinischer Sicht nicht mehr rettbar war.(Rn.12)

3. Kommen mehrere zeitlich aufeinanderfolgende Vereitelungshandlungen im Sinne von § 258 Abs. 1 StGB in Betracht, so muss das Urteil Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten hinsichtlich dieser Vereitelungshandlungen enthalten. Dabei ist auch zu prüfen, ob der Angeklagte sich vorstellte, wegen unterlassener Hilfeleistung strafrechtlich verfolgt zu werden.(Rn.16)