EuGH 5. Kammer C-526/11

Guiding Principles

Art. 1 Abs. 9 Unterabs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/18 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge ist dahin auszulegen, dass eine Einrichtung wie eine berufsständische Körperschaft des öffentlichen Rechts weder das Kriterium der überwiegenden Finanzierung durch die öffentlichen Stellen erfüllt, wenn sich diese Einrichtung überwiegend durch Beiträge ihrer Mitglieder finanziert, zu deren Festsetzung und Erhebung sie durch ein Gesetz ermächtigt wird, das nicht den Umfang und die Modalitäten der Tätigkeiten regelt, die sie im Rahmen der Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben, die mit diesen Beiträgen finanziert werden sollen, ausübt, noch das Kriterium der Aufsicht öffentlicher Stellen über ihre Leitung allein deshalb erfüllt, weil die Entscheidung, mit der sie die Höhe der Beiträge festsetzt, der Genehmigung durch eine Aufsichtsbehörde bedarf.

Was insofern das erste in Art. 1 Abs. 9 Unterabs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/18 genannte Kriterium, die überwiegende Finanzierung durch die öffentlichen Stellen, anbelangt, schließt es auch eine mittelbare Finanzierungsweise ein, die durch eine dem Grundsatz und der Höhe nach gesetzlich vorgesehene und auferlegte Gebühr erfolgen kann, die keine Gegenleistung für die tatsächliche Inanspruchnahme der von der betreffenden Einrichtung erbrachten Dienstleistungen durch die Gebührenschuldner darstellt und mittels hoheitlicher Befugnisse eingezogen wird. Dass eine Einrichtung die Höhe der Beiträge, aus denen sie sich überwiegend finanziert, formal selbst festlegt, schließt zwar das Vorliegen einer das genannte Kriterium erfüllenden mittelbaren Finanzierung nicht aus, doch gilt etwas anderes, wenn die Einrichtung konkret über erhebliche Autonomie bei der Bestimmung des Wesens, des Umfangs und der Durchführungsmodalitäten der von ihr zur Erfüllung ihrer Aufgaben ausgeübten Tätigkeiten verfügt, somit bei der Festsetzung des dafür erforderlichen Haushalts und infolgedessen bei der Festlegung der Höhe der Beiträge, die sie von ihren Mitgliedern erhebt.

Was ferner das zweite in Art. 1 Abs. 9 Unterabs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/18 genannte Kriterium, der Aufsicht der öffentlichen Stellen über die Leitung, anbelangt, erfüllt eine nachträgliche Kontrolle dieses Kriterium grundsätzlich nicht, da eine solche Kontrolle es den öffentlichen Stellen nicht erlaubt, die Entscheidungen der betreffenden Einrichtung im Bereich der Vergabe öffentlicher Aufträge zu beeinflussen. Dies ist somit bei einer nachträglichen allgemeinen Rechtmäßigkeitskontrolle durch eine Aufsichtsbehörde grundsätzlich der Fall und gilt erst recht, wenn die Behörde in der Form tätig wird, dass sie die Entscheidung dieser Einrichtung über die Festlegung der Höhe der ihre Finanzierung im Wesentlichen sicherstellenden Beiträge genehmigt, und sich dabei auf die Prüfung beschränkt, ob der Haushalt der betreffenden Einrichtung ausgeglichen ist.

Folglich entsprechen die genannten Modalitäten der Finanzierung einer Einrichtung wie einer berufsständischen Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht einer überwiegenden Finanzierung durch die öffentlichen Stellen und ermöglichen diesen keine Aufsicht über die Leitung der Einrichtung.

(vgl. Randnrn. 22-27, 29-31 und Tenor)