BGH 1. Strafsenat 1 StR 123/51

Guiding Principles

1. Wer eine inhaltlich wahre Anzeige erstattet, kann sich dadurch, wenn die Anzeige zur Verurteilung des Angezeigten zum Tode führt und der Verurteilte für den Vollzug des Urteils in Haft behalten wird, der versuchten vorsätzlichen rechtswidrigen Tötung und der Freiheitsberaubung schuldig machen. Das ist dann der Fall, wenn das Urteil rechtswidrig ist, sei es, daß der angezeigte Sachverhalt nicht die Anwendung des Strafgesetzes rechtfertigt, auf dessen Anwendung das Todesurteil beruht, sei es, daß die Todesstrafe außer jedem Verhältnis zum Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat steht, und wenn der Anzeigende weiß, daß ein solches von ihm für möglich gehaltenes Urteil im Widerspruch zur wahren Rechtslage stehen würde, oder damit rechnet und auch für diesen Fall die Anzeige will.

2. Unter der Voraussetzung, daß der Anzeigende einen wahren Sachverhalt anzeigt und der Richter den wahren Sachverhalt in einem ordnungsmäßigen Verfahren zutreffend ermittelt, kann die Frage, ob die durch den Vollzug des Urteils herbeigeführte Folge rechtmäßig oder rechtswidrig ist, für alle Beteiligten - den Anzeigenden, den Polizeibeamten, den Staatsanwalt und den Richter - nur einheitlich entschieden werden.

3. Die jedem Staatsbürger zustehende Befugnis, eine strafbare Handlung anzuzeigen, und die einem zeugnis- und eidesweigerungsberechtigten Zeugen verbleibende Befugnis zur Aussage und zur Eidesleistung bildet keinen Rechtfertigungsgrund dafür, durch Anzeige, Aussage und Eidesleistung ein mit der wahren Rechtslage im Widerspruch stehendes Urteil herbeizuführen.