BVerfG 1. Senat 1. Kammer 1 BvR 1936/05

ECLI:DE:BVerfG:2007:rk20070103.1bvr193605

Guiding Principles

1. Im Hinblick auf den Grundsatz der Subsidiarität im materiellen Sinne ist nach Abschluss des Eilrechtsschutzverfahrens auch die Erschöpfung des Rechtswegs in der Hauptsache geboten, wenn dort nach der Art des gerügten Grundrechtsverstoßes die Gelegenheit besteht, der verfassungsrechtlichen Beschwer abzuhelfen (vgl BVerfG, 09.10.2001, 1 BvR 622/01, BVerfGE 104, 65 <71>).

Dies ist regelmäßig anzunehmen, wenn - wie vorliegend - mit der Verfassungsbeschwerde Grundrechtsverletzungen gerügt werden, die sich auf die Hauptsache beziehen (vgl BVerfG aaO).

2a. Ein Beschwerdeführer darf bei der Rüge von Grundrechtsverletzungen, die sich auf die Hauptsache beziehen, dann nicht auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werden, wenn dies für ihn unzumutbar ist, etwa weil die Durchführung des Verfahrens von vornherein und offensichtlich aussichtslos erscheinen muss (vgl BVerfG, 25.03.1992, 1 BvR 1859/91, BVerfGE 86, 15 <22 f>), oder wenn die Entscheidung von keiner weiteren tatsächlichen und rechtlichen Klärung abhängt und diejenigen Voraussetzungen gegeben sind, unter denen das Bundesverfassungsgericht gemäß § 90 Abs 2 S 2 BVerfGG sofort entscheiden kann (vgl BVerfG, 01.02.1989, 1 BvR 1290/85, BVerfGE 79, 275 <279>).

2b. Beruht eine im Eilverfahren ergangene fachgerichtliche Entscheidung auf der Beurteilung schwieriger rechtlicher Fragen, die in der fachgerichtlichen Rechtsprechung noch nicht höchstrichterlich entschieden sind, und bietet das Hauptsacheverfahren Möglichkeiten weiterer Klärung, so steht es der Zumutbarkeit einer Verweisung auf den Rechtsschutz in der Hauptsache jedoch nicht entgegen, dass bereits im Eilverfahren eine mehr als nur summarische Prüfung der für die Beurteilung maßgeblichen Rechtsfragen erfolgt (vgl BVerfG, 09.10.2001, 1 BvR 622/01, BVerfGE 104, 65 <71 f>).

2c. Hier: Wegen mehrerer einfachrechtlicher Fragestellungen, die für eine weitere Klärung im Hauptsacheverfahren in Betracht kommen (zB die Reichweite der urheberrechtlichen Störerverantwortlichkeit) oder nach §§ 543, 544 ZPO einen Zugang zur Revisionsinstanz eröffnen können, ist das Hauptsacheverfahren nicht als aussichtslos zu beurteilen (wird ausgeführt).

3. Zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Berichterstattung über eine unzweifelhaft rechtswidrige Äußerung eines Dritten bei überwiegendem Informationsinteresse und sofern sich der Verbreiter die berichtete Äußerung nicht zu eigen macht, vgl BVerfG, 30.09.2003, 1 BvR 865/00, NJW 2004, 590 <591>.

4. Zur Verantwortlichkeit des Betreibers für den Inhalt meinungsbildender Internetforen vgl OLG Düsseldorf, OLG Düsseldorf, 26.04.2006, 15 U 180/05, MMR 2006, 553 <555>). Ob gleiches auch für eine Störerverantwortlichkeit der Presse aus in die redaktionelle Berichterstattung eingebundenen Hyperlinks gilt, war durch den Bundesgerichtshof bislang noch nicht zu entscheiden.

5. Da die objektive Bedeutung der Beschwerde innerhalb der den Maßstäben des § 90 Abs 2 S 2 BVerfGG folgenden Abwägung regelmäßig zurücktritt, wenn der Gegenstand des Beschwerdeverfahrens weitere tatsächliche und einfachrechtliche Klärung erfordert (vgl BVerfG, 05.09.2005, 1 BvR 1781/05, NVwZ 2006, 79 <80>), kann auch vorliegend nicht von der Erschöpfung des Hauptsacherechtswegs im Hinblick auf eine mögliche objektive Bedeutung der Beschwerde und ein hieraus folgendes Bedürfnis nach alsbaldiger verfassungsgerichtlicher Klärung abgesehen werden.