Guiding Principles
1. Die gesetzesalternative Verurteilung auf wahldeutiger Tatsachengrundlage verletzt nicht das Bestimmtheitsgebot (Art 103 Abs 2 GG). (Rn.24)
1a. Die (richterrechtlichen) Grundsätze zur ungleichartigen Wahlfeststellung wirken nicht strafbarkeitsbegründend. Die ungleichartige Wahlfeststellung ist vielmehr eine besondere, dem Strafverfahrensrecht zuzuordnende Entscheidungsregel, die nicht den Schutzbereich des Art. 103 Abs. 2 GG berührt (vgl RG, 02.05.1934, 1 D 1096/33, RGSt 68, 257 <259, 262>; BVerfG, 26.02.1969, 2 BvL 15/68, BVerfGE 25, 269 <294> für die Entscheidungsregel "in dubio pro reo"). (Rn.29)
1b. Der Umstand, dass sich das Gericht nicht von der Richtigkeit einer Sachverhaltsvariante überzeugen kann, führt nicht zur Anwendung einer richterrechtlich begründeten "dritten Norm", welche die übereinstimmenden Unrechtselemente der in Frage kommenden Straftatbestände in einem gemeinsamen Unrechtskern in sich vereinigen würde (entgegen BGH, 02.11.2016, 2 StR 495/12 <Rn 50ff>). Insb übernimmt das von der Rspr geforderte Kriterium der rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit nicht die Funktion eines materiellen Tatbestandsmerkmals einer solchen außergesetzlichen Norm. (Rn.30)
1c. Die ungleichartige Wahlfeststellung verletzt nicht den von Art 103 Abs 2 GG erfassten Grundsatz "nulla poena sine lege", der das Gebot der Gesetzesbestimmtheit auch auf die Strafandrohung erstreckt (vgl BVerfG, 20.03.2002, 2 BvR 794/95, BVerfGE 105, 135 <153f>). Dass sich die zu verhängende Strafe durch einen Vergleich der für jede Sachverhaltsvariante konkret ermittelten Strafen bestimmt, ändert nichts daran, dass das Tatgericht Art und Maß der Bestrafung einem gesetzlich normierten Straftatbestand entnimmt (vgl BGH, 30.09.2014, 3 ARs 13/14, NStZ-RR 2015, 39 <40>). (Rn.32)
2a. Die gesetzesalternative Verurteilung wegen (gewerbsmäßig begangenen) Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei verletzt nicht die Unschuldsvermutung. Zwar kann dem Angeklagten in den Fällen der ungleichartigen Wahlfeststellung eine konkrete, schuldhaft begangene Straftat nicht nachgewiesen werden. Andererseits steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Angeklagte sicher einen von mehreren alternativ in Betracht kommenden Straftatbeständen schuldhaft verwirklicht hat.
2b. Jedenfalls dann, wenn die in Betracht kommenden Straftatbestände einen vergleichbaren Unrechts- und Schuldgehalt besitzen – wie vorliegend gewerbsmäßig begangener Diebstahl und gewerbsmäßige Hehlerei (vgl BGH, 27.11.2012, 5 StR 377/12 <Rn 1>) –, fordert die Unschuldsvermutung keinen Freispruch. Vielmehr stünde ein Freispruch trotz unzweifelhaft strafbaren Verhaltens aufgrund mehrfacher Anwendung des Zweifelssatzes seinerseits in Widerspruch zu dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit. (Rn.38) (Rn.43)
2c. Mit der gesetzesalternativen Verurteilung geht kein unzulässiges Verdachtsurteil einher. Zwar sind die in der Urteilsformel aufgeführten Straftatbestände - für sich genommen - nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts nachgewiesen. Durch die alternative Fassung des Schuldspruchs und die Darlegung der Voraussetzungen der wahlweisen Verurteilung in den Urteilsgründen kommt jedoch hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass die Verurteilung auf wahldeutiger Tatsachengrundlage beruht (vgl BGH, 08.05.2017, GSSt 1/17, BGHSt 62, 164 <172 Rn 22>). (Rn.39)
3. Eine Verurteilung auf wahldeutiger Tatsachengrundlage zur Vermeidung der Gerechtigkeit widersprechender Ergebnisse ist gleichwohl nur in Ausnahmefällen zulässig, wenn trotz Ausschöpfung aller verfügbaren Erkenntnisquellen eine eindeutige Tatfeststellung und ein eindeutiger Tatnachweis nicht möglich sind. Die Möglichkeit einer Wahlfeststellung darf nicht dazu führen, dass die weitere Aufklärung des Tatsachenstoffs unterbleibt. Den Tatgerichten obliegt es daher, bereits im Rahmen des Eröffnungsbeschlusses das Vorliegen der Voraussetzungen einer Wahlfeststellung zu überprüfen, also insbesondere, ob die diesbezüglichen Feststellungen von einer rechtsfehlerfreien Beweisgrundlage getragen sind. (Rn.48)