LG Mannheim 10. Kleine Strafkammer (10) 5 Ns 16/94

ECLI:DE:LGMANNH:1996:0417.10.5NS16.94.0A

Guiding Principles

1. Es stellt auch im politischen Meinungskampf eine nicht durch die Meinungsäußerungsfreiheit des GG Art 5 gerechtfertigte Schmähkritik und damit eine Beleidigung dar, wenn ein politischer Gegner (hier: in einem Leserbrief) als "Altkommunist im Geiste des Massenmörders Stalin" bezeichnet wird.

2. Der Tatbestand der Beleidigung wird auch dadurch erfüllt, daß ein per Post versandter Brief an die Staatsschutzabteilung der Kriminalpolizei in der Adressierung mit dem Zusatz "stasi" versehen wird, sofern sich die Verwendung der diffamierenden Bezeichnung "stasi" nicht auf einen konkreten Vorgang oder eine behördliche Maßnahme bezieht. Dies gilt sowohl hinsichtlich der entsprechenden Abteilung der Kriminalpolizei als Personengemeinschaft als auch hinsichtlich der dort beschäftigten Kriminalbeamten, die dem Angeklagten objektiv keinerlei Veranlassung für eine derart herabsetzende Kritik gegeben haben.

3. Durch die Weitergabe einer den Angeklagten selbst betreffenden Anklageschrift an allenfalls 12 Personen wird der Tatbestand des StGB § 353d Nr 3 nicht erfüllt. Geschütztes Rechtsgut dieser Vorschrift ist nämlich zunächst der Schutz des von einem Strafverfahren Betroffenen vor einer vorzeitigen Bloßstellung: Dieses Schutzgut kann nicht beeinträchtigt sein, wenn die Weitergabe einer Anklageschrift auf Veranlassung des Angeklagten selbst erfolgt. Zwar bezweckt die Vorschrift auch den Schutz der Unbefangenheit der Verfahrensbeteiligten, namentlich von Laienrichtern und Zeugen, doch ist auch dieses Schutzgut durch die Weitergabe der Anklageschrift an maximal 12 Personen nicht tangiert, denn dadurch findet die Mitteilung nicht so weite ("öffentliche") Verbreitung, daß eine Beeinflussung der Verfahrensbeteiligten wahrscheinlich ist.

4. Das OLG Karlsruhe hat durch Beschluß vom 11.4.1997 - 3 Ss 170/96 das Verfahren gemäß StPO § 152 Abs 2 insoweit eingestellt, als der Angeklagte wegen Beleidigung des Nebenklägers H, begangen am 6.6.1992, verurteilt worden ist. Die Revision des Angeklagten wurde insoweit mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, daß die Verurteilung wegen Beleidigung zum Nachteil des Nebenklägers entfällt und die entstandenen notwendigen Auslagen des Nebenklägers einschließlich derjenigen im Revisionsverfahren dieser selbst zu tragen hat.