1. Zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen bei Eingriffen in die Meinungsäußerungsfreiheit durch unzutreffende Erfassung oder Würdigung der grundrechtlich geschützten Äußerung als Tatsachenbehauptung, Formalbeleidigung oder Schmähkritik vgl BVerfG, 1990-04-19, 1 BvR 40/86 u 1990-06-26, 1 BvR 1165/89 und 1990-04-19, 1 BvR 40/86.
2. Hier: In einem Zeitungsartikel zum sog Zahnärztestreik 1987 anläßlich der Neufassung der Gebührenordnung für Zahnärzte wurde folgende an die Adresse der Zahnärztekammer gerichtete Äußerung eines Zahnarztes wiedergegeben: "Hier herrschen völlig undemokratische Verhältnisse, das ist ein Zwangsverband, der uns jeden Monat 125 DM kostet. Eine Minderheit von Funktionären bestimmt, die nehmen sich die Gelder und Spesen."
Bewertet das Berufsgericht eine solche Äußerung als unwahre und ehrkränkende Tatsachenbehauptung und stützt darauf die Erteilung eines berufsgerichtlichen Verweises, so verletzt dies GG Art 5 Abs 1 S 1. Es handelt sich zwar erkennbar um eine polemische Äußerung gegen die (gegenwärtigen) Mitglieder der Organe der Landeszahnärztekammer, sie ist aber mit Elementen einer Tatsachenmitteilung oder -behauptung verbunden und vermischt, der tatsächliche Gehalt der Äußerung tritt jedoch erkennbar gegenüber der kritischen Wertung in den Hintergrund, bei der es um eine Qualifizierung und Bewertung des Verhältnisses der "Funktionäre" zur Gesamtheit der Kammermitglieder geht, um die Art ihres Einflusses ("Minderheit ... bestimmt") sowie um die Art und Weise der Entschädigung der in den Organen und Ausschüssen der Kammer tätigen Mitglieder ("nehmen sich die Gelder und Spesen"). Damit ist die Äußerung objektiv auch anders als lediglich eine Herabwürdigung in der öffentlichen Meinung zu qualifizieren. Die Äußerung stellt auch einen Fall der Wahrnehmung berechtigter Interessen (StGB § 193) dar, denn sie stellt einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage dar, was bereits für den Vorrang der Meinungsäußerungsfreiheit spricht (st Rspr; BVerfG, 1982-06-22, 1 BvR 1376/79, BVerfGE 61, 1 <11>).
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