BGH 4. Strafsenat 4 StR 192/22
ECLI:DE:BGH:2022:101122B4STR192.22.0
1. Das Mordmerkmal der Tötung mit einem gemeingefährlichen Mittel ist erfüllt, wenn der Täter ein Tötungsmittel einsetzt, das in der konkreten Tatsituation eine unbestimmte Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben gefährden kann, weil er die Ausdehnung der Gefahr nicht in seiner Gewalt hat. Dabei ist nicht allein auf die abstrakte Gefährlichkeit eines Mittels abzustellen, sondern auf seine Eignung und Wirkung in der konkreten Situation unter Berücksichtigung der persönlichen Fähigkeiten und Absichten des Täters. Von dem Mordmerkmal tatbestandlich nicht erfasst wird eine „schlichte“ Mehrfachtötung; eine solche liegt jedenfalls dann vor, wenn sich der Täter mit Tötungsabsicht gegen eine Mehrzahl von ihm individualisierter Opfer richtet und darüber hinaus keine Zufallsopfer in Kauf genommen werden.(Rn.8)
2. Wird ein Kraftfahrzeug als Werkzeug eingesetzt, muss die körperliche Misshandlung also bereits durch den Anstoß oder den unmittelbaren Kontakt mit dem Kraftfahrzeug selbst ausgelöst sein. Verletzungen, die bei (hier: 89) Teilnehmern und Zuschauern eines Rosenmontagszuges erst durch ein anschließendes Sturzgeschehen verursacht worden sind, genügen insoweit nicht.(Rn.13)
3. Einer Kumulation von lebenslanger Freiheitsstrafe und Maßregel nach § 66a Abs. 2 StGB stehen – auch bei Feststellung besonderer Schuldschwere – Rechtsgründe nicht entgegen.(Rn.17)
4. Zulässiges Verteidigungsverhalten des Angeklagten (Schweigerecht) darf weder hangbegründend noch als Anknüpfungspunkt für die Gefährlichkeit des Angeklagten verwertet werden. Andernfalls wäre der Angeklagte gezwungen, seine Verteidigungsstrategie aufzugeben, will er hinsichtlich der (vorbehaltenen) Sicherungsverwahrung einer ihm ungünstigen Entscheidung entgegenwirken.(Rn.19)
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