(1) 1Vor den oberirdischen Außenwänden von Gebäuden sind Flächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten (Abstandsflächen). 2Abstandsflächen sind nicht erforderlich vor Außenwänden, die an Nachbargrenzen errichtet werden, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften
- 1.
das Gebäude an die Grenze gebaut werden muss oder
- 2.
das Gebäude an die Grenze gebaut werden darf und öffentlich-rechtlich gesichert ist, dass vom Nachbargrundstück angebaut wird.
3Darf nach planungsrechtlichen Vorschriften nicht an die Nachbargrenze gebaut werden, ist aber auf dem Nachbargrundstück ein Gebäude an der Grenze vorhanden, kann gestattet oder verlangt werden, dass angebaut wird. 4Muss nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Nachbargrenze gebaut werden, ist aber auf dem Nachbargrundstück ein Gebäude mit Abstand zu dieser Grenze vorhanden, kann gestattet oder verlangt werden, dass eine Abstandsfläche eingehalten wird. 5Nachbargrenzen sind Grundstücksgrenzen zu benachbarten Grundstücken, die mit Gebäuden bebaut sind oder für eine Bebauung mit Gebäuden in Betracht kommen. 6Der Anbau an andere Gebäude muss, soweit dies städtebaulich vertretbar ist, nicht deckungsgleich sein. 7Soweit Gebäude nicht durch Außenwände abgeschlossen sind, tritt an deren Stelle eine gedachte, auf die Vorderkanten der umgebenden Bauteile bezogene Abschlussfläche.
(2) 1Die Abstandsflächen müssen auf dem Grundstück selbst liegen. 2Sie dürfen
- 1.
auch auf öffentlichen Verkehrsflächen, öffentlichen Grünflächen und öffentlichen Wasserflächen liegen, jedoch nur bis zu deren Mitte,
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sich ganz oder teilweise auf andere Grundstücke erstrecken, wenn öffentlich-rechtlich gesichert ist, dass sie nicht überbaut und auf die auf diesen Grundstücken erforderlichen Abstandsflächen und Abstände nicht angerechnet werden.
(3) 1Die Abstandsflächen dürfen sich nicht überdecken. 2Dies gilt nicht für:
- 1.
Außenwände, die in einem Winkel von mehr als 75° zueinander stehen,
- 2.
Außenwände zu einem fremder Sicht entzogenen Gartenhof bei Wohngebäuden mit nicht mehr als zwei Wohnungen und
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Gebäude und andere Anlagen, die in der Abstandsfläche zulässig sind oder zugelassen werden können.
(4) 1Die Tiefe der Abstandsfläche bemisst sich nach der Wandhöhe; sie wird rechtwinklig zur Wand gemessen. 2Als Wandhöhe gilt das Maß von der Geländeoberfläche bis zur Schnittlinie der Wand mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand; bei gestaffelten Wänden gilt dies für den jeweiligen Wandabschnitt. 3Bei geneigter Geländeoberfläche oder bei geneigtem oberen Wandabschluss kann die mittlere Wandhöhe (Wandfläche geteilt durch größte Wandbreite) zugrunde gelegt werden. 4Für die Mittelung sind Wandabschnitte bis zu einer Länge von 16 m zu bilden. 5Als Wand gelten:
- 1.
Dachaufbauten in Verlängerung der Außenwand oder mit Rücksprung bis zu 0,50 m hinter die Außenwand,
- 2.
Dachaufbauten, wenn deren Gesamtbreite je Dachfläche zusammen mehr als die Hälfte der Breite der darunter liegenden Außenwand beträgt, und
- 3.
Dächer und Dachteile mit einer Dachneigung von mehr als 70°.
6Zur Wandhöhe werden zu einem Drittel hinzugerechnet:
- 1.
Dächer und Dachteile mit einer Dachneigung von mehr als 45° bis 70°,
- 2.
Dachaufbauten auf Dächern und Dachteilen bis zu 45° Dachneigung, wenn deren Gesamtbreite je Dachfläche zusammen mehr als ein Fünftel, jedoch nicht mehr als die Hälfte der Breite der darunter liegenden Außenwand beträgt.
7Das sich ergebende Maß ist H.
(5) 1Die Tiefe der Abstandsfläche beträgt
2Den Gewerbe- und Industriegebieten stehen nach ihrer Nutzung vergleichbare Sondergebiete sowie im Zusammenhang bebaute Ortsteile, die diesen Gebieten nach Art ihrer tatsächlichen baulichen oder sonstigen Nutzung entsprechen, gleich. 3Das jeweilige Maß ist auf volle 0,10 m abzurunden. 4In allen Fällen muss die Tiefe der Abstandsflächen mindestens 3 m betragen.
(6) 1Untergeordnete Bauteile, die nicht mehr als 1,50 m vor die Außenwand vortreten und von Nachbargrenzen mindestens 2 m entfernt bleiben, bleiben bei der Bemessung der Abstandsflächen außer Betracht. 2Dies gilt insbesondere für:
- 1.
Gesimse und Dachvorsprünge,
- 2.
Hauseingangstreppen, deren Überdachungen und
- 3.
Erker und Balkone, die insgesamt nicht mehr als ein Drittel der Breite der jeweiligen Außenwand in Anspruch nehmen; die Länge von übereinander angeordneten Balkonen wird im Bereich der Überschneidungen nicht zusammengezählt.
3Bei der Bemessung der Abstandsflächen bleiben außer Betracht bei Gebäuden an der Grundstücksgrenze die Seiten von Vorbauten und Dachaufbauten, auch wenn sie nicht an der Grundstücksgrenze errichtet werden. 4An bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehenden Gebäuden dürfen in die Abstandsfläche hineinragen:
- 1.
nachträglich angebaute Aufzüge, die nicht mehr als 1,70 m vor die Außenwand vortreten und von Nachbargrenzen mindestens 2 m entfernt bleiben und die Höhe der Außenwand nicht überschreiten,
- 2.
Außenwand- und Dachdämmungen, die dem Wärmeschutz und der Energieeinsparung dienen, bis zu 0,40 m Dicke; § 4 Abs. 2 Satz 3 gilt entsprechend.
(7) 1In Gewerbe- und Industriegebieten genügt abweichend von Abs. 5 bei Wänden ohne Öffnungen als Tiefe der Abstandsflächen
- 1.
1,50 m, wenn die Wände mindestens feuerhemmend sind und einschließlich ihrer Verkleidungen aus nichtbrennbaren Baustoffen bestehen,
- 2.
3 m, wenn die Wände mindestens feuerhemmend sind oder wenn sie einschließlich ihrer Verkleidungen aus nichtbrennbaren Baustoffen bestehen.
2Das gilt nicht für Abstandsflächen gegenüber Nachbargrenzen.
(8) 1Für Anlagen, von denen Wirkungen wie von Gebäuden ausgehen, gelten Abs. 1 bis 7 entsprechend. 2Keine Wirkungen wie von Gebäuden sind insbesondere anzunehmen bei
- 1.
Abfalleinrichtungen bis zu 1,50 m Höhe über der Geländeoberfläche,
- 2.
Aufschüttungen bis zu 1 m Höhe über der Geländeoberfläche, einschließlich Stützmauern,
- 3.
Außentreppen bis 1 m Höhe über der Geländeoberfläche,
- 4.
Rampen zur barrierefreien Erreichbarkeit, die nicht mehr als 1 m über der Geländeoberfläche angeordnet oder einschließlich ihrer Umwehrung nicht mehr als 2 m hoch sind,
- 5.
Freisitzen und
- 6.
Terrassen, die nicht mehr als 1 m über der Geländeoberfläche angeordnet oder einschließlich ihrer Umwehrung nicht mehr als 2 m hoch sind.
(9) In den Abstandsflächen eines Gebäudes und zu diesem ohne eigene Abstandsfläche sind zulässig:
- 1.
erdgeschossige Garagen bis 100 m² Nutzfläche (Kleingaragen),
- 2.
erdgeschossige untergeordnete Gebäude und sonstige Anlagen und Einrichtungen, von denen Wirkungen wie von Gebäuden ausgehen,
- 3.
gebäudeunabhängige Solaranlagen mit einer mittleren Höhe bis 3 m über der Geländeoberfläche und bis zu 9 m Länge, Solaranlagen an und auf Gebäuden nach Nr. 1,
- 4.
gebäudeunabhängige Wärmepumpen sowie Wärmepumpen an Gebäuden, einschließlich ihrer Fundamente und Einhausungen, mit einer Höhe bis zu 2 m über der Geländeoberfläche.
(10) 1Ohne Abstandsfläche jeweils unmittelbar an oder mit einem Mindestabstand von 1 m zu den Nachbargrenzen sind je Baugrundstück zulässig:
- 1.
Garagen einschließlich Abstellraum oder -fläche,
- 2.
überdachte Zufahrten zu Tiefgaragen,
- 3.
untergeordnete Gebäude für Abstellzwecke,
- 4.
untergeordnete Gebäude zur örtlichen Versorgung mit Energie, Kälte oder Wasser,
- 5.
bis zu drei Stellplätze,
- 6.
Einfriedungen, Sichtschutzzäune und Terrassentrennwände in Gewerbe- und Industriegebieten, außerhalb dieser Baugebiete mit einer Höhe bis zu 2 m über der Geländeoberfläche,
- 7.
Stützmauern zur Sicherung des natürlichen Geländes,
- 8.
ein Holzlagerplatz mit Lagerungen bis zu 1 m Höhe über der Geländeoberfläche und 6 m Länge je Grundstücksgrenze,
- 9.
Solaranlagen auf Gebäuden oder Gebäudeteilen nach Nr. 1 bis 4 mit einer mittleren Gesamthöhe von 3 m,
- 10.
gebäudeunabhängige Solaranlagen mit einer mittleren Höhe bis 3 m über der Geländeoberfläche und bis zu 9 m Länge,
- 11.
gebäudeunabhängige Wärmepumpen sowie Wärmepumpen an Gebäuden, einschließlich ihrer Fundamente und Einhausungen, mit einer Höhe von bis zu 2 m über der Geländeoberfläche und einer Gesamtlänge bis zu 3 m entlang der Grundstücksgrenze.
2Die Länge der Grenzbebauung darf bei den Anlagen nach Satz 1 Nr. 1 bis 5 insgesamt 15 m nicht überschreiten; Dachüberstände sind einzurechnen. 3Bei den Anlagen nach Satz 1 Nr. 1 bis 4 darf die grenzseitige mittlere Wandhöhe über der Geländeoberfläche nicht höher als 3 m und die Fläche dieser Wände an jeder Nachbargrenze insgesamt nicht größer als 25 m² sein.
(11) Die Abs. 1 bis 10 gelten nicht, soweit
- 1.
Festsetzungen eines Bebauungsplans oder einer anderen bauplanungs- oder bauordnungsrechtlichen Satzung die Tiefe der Abstandsflächen verbindlich bestimmen oder
- 2.
nach der umgebenden Bebauung im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 des Baugesetzbuches abweichende Gebäudeabstände zulässig sind.
(12) 1Bei rechtmäßig errichteten Gebäuden, die die erforderliche Tiefe der Abstandsfläche gegenüber Nachbargrenzen nicht einhalten, sind zulässig:
- 1.
Änderungen innerhalb des Gebäudes,
- 2.
sonstige Änderungen, wenn der Abstand des Gebäudes zu den Nachbargrenzen mindestens 2,50 m beträgt, ohne Veränderung von Länge und Höhe der diesen Nachbargrenzen zugekehrten Wände und Dachflächen und ohne Einrichtung neuer Öffnungen oder Vergrößerung bestehender Öffnungen in diesen Wänden und Dachflächen,
- 3.
Nutzungsänderungen und
- 4.
die Neuerrichtung eines gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle.
2Darüber hinausgehende Änderungen können unter Würdigung nachbarlicher Belange und der Belange des Brandschutzes zugelassen werden. 3Satz 1 und 2 gelten nicht für Gebäude nach Abs. 10.
(13) Die Regelungen des Hessischen Nachbarrechtsgesetzes vom 24. September 1962 (GVBl. I S. 417), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. September 2022 (GVBl. S. 460), in der jeweils geltenden Fassung bleiben unberührt.